Das Handelsbuch des Budweiser Eisenhändlers Nikolaus Bartlme 1560-1568

DAS HANDELSBUCH DES BUDWEISER EISENHÄNDLERS NIKOLAUS BARTLME (BARTHOLOME) 1560 - 1568 Von Zdenek Si m e c e k1 INHALT: Einleitung -Anlage und Führung des Geschäftsbuches 39 -Analyse der im Geschäftsbuch enthaltenen Angaben 49 - Der Handel mit steirischem Eisen in den böhmischen Ländern 98 - Budweis - ein Zentrum der Erzeugung und des Handels 104 - Editionsgrundsätze 114 - Abkürzungen 118 - Personen- und Ortsregister 119 - Edition 125 I. Einleitung Die ältesten Handelsbücher sind in den böhmischen Ländern bereits für das 14. Jahrhundert belegt. Sie entstanden aus dem gleichen Grunde wie Handelsbücher in deutschen Ländern bzw. Städten.2 Bis in unsere Zeit blieben jedoch nur Bruchstücke von Handelsbüchern aus der vorhussitischen Zeit erhalten. Zwei stammen wahrscheinlich aus Prag und sind in Latein verfaßt, beim dritten, deutsch verfaßten ist die Herkunft in einer Stadt Südböhmens bzw. Südwestmährens oder aber in einem Ort auf der österreichischen Seite der Grenze zu suchen.3 Hinsichtlich der Gestaltung stimmen diese ältesten Kaufmannsbüchlein mit den Raitungsbüchern jener Zeit überein. Wir können mit Recht annehmen, daß in der Zeit der Umwandlungen in der städtischenGesellschaft durch Verbreitung der hussitischen Ideologien und der konkreten Übersetzt von Emil Puffer Verzeichnis der Kaufmannsbücherbis 1450 bei Wiltrud Eikenberg, Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg, Göttingen 1976 (Veröffentl. des Max-Planck-Instituts für Geschichte 43) 11-17 Siehe Frantisek Graus, Tri zlomky kupeckych knih z doby piedhusitske (Drei Bruchstücke der Kaufmannsbücher aus dervorhussitischen Zeit), in: Ceskoslovensky casopis historicky 4 (1956) 644-654; Kare! Pletzer, Zlomek obchodni knihy kupce Leona (Ein Bruchstück des Handelsbuches von Kaufmann Leo). In: Jihocesky sbomik historicky 32 (1963), 59-60. Graus dachte aufBudweiser Provenienz, was Kare! Pletzer abgelehnt hat; er schließt auf Zlabinger Provenienz.

32 Zdenek S i m e c e k politischen Vorkehrungen der durch die böhmischen Länder führende Fernhandel gelitten hat. Hussitische Städte waren vom Handel zwischen den Donauländern und dem Norden Europas ausgeschlossen, und die Handelsbeziehungen waren deshalb nicht so intensiv, um die Führung spezieller Handelsbücher durch die Bürger zu rechtfertigen. Auch auf rechtlichem Gebiet wurden die Bindungen zwischen Nürnberg und der Prager Altstadt sowie zwischen Magdeburg und Leitmeritz unterbrochen. Das Wiederanknüpfen der gegenseitigen Beziehungen wurde nicht nur durch Kriegshandlungen, sondern auch durch die Furcht vor Raubüberfällen, Aktivitäten von Spionen und nicht zuletzt durch die allgemeine Rechtsunsicherheit negativ beeinflußt. Nach Beendigung der Kriegshandlungen und der nachfolgend eintretenden stabileren Verhältnisse haben sich die katholischen Städte West- und Südböhmens sowie Mährens wieder eine gewisse Vermittlerrolle im Fernhandel gesichert. Aus deren Entwicklung ist zu ersehen, daß der Transithandel, der die Wiederanbindung der böhmischen Länder in den europäischen Fernhandel charakterisierte, bereits gegen das Ende des 15. und zu Beginn des 16 . Jahrhunderts zunehmend erstarkte. Aktivitäten in dieser Region belegen zur Mitte des 16. Jahrhunderts auch die noch erhaltenen Handelsbücher in Iglau und Budweis. Das Handelsbuch in Iglau führte der Kaufmann Riemer in den Jahren 1548-1551, jünger sind die Register von Franz Leb.4 Dem älteren dieser Register von 1559-1562 folgt zeitlich das Handelsbuch des Budweiser Eisenhändlers Nikolaus Bartlme. Er legte das Buch 1560 an und es sollte seinem Zweck bis zum Jahre 1568 dienen. Es ist somit kein Zufall, daß Geschäftsbücher gerade in jenen Städten geführt wurden, für welche eine Beteiligung am Fernhandel von der Donau in Richtung nach Norden und Nordosten von entscheidender Bedeutung war. In das Umfeld des Fernhandels gehörte ohne Zweifel auch das Geschäftsbuch des Prager Kaufmannes mit Krämerwaren JohannNetter von Glauchov ( + 1575), welches dem Brand des Altstädter Rathauses in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges zum Opfer fallen sollte.5 Die Bedeutung des Fernhandels aus dem Donautal in die böhmischen Länder wird bis zu einem gewissen Grad durch die Existenz von Geschäftsbüchern in Iglau und Budweis mit der Führung solcher Bücher in Städten des Donaugebietes und der Alpenländer verbunden. Die Reihe der Geschäftsbücher in österreichischen Städten eröffnet das seit dem Jahre 1516 geführte Gewölberegister der Firma Alexius Über die Handelsbücher Josef Janacek. Pnspevek k otazce kupeckeho zisku v 16.stoleti (Beitrag zur Frage des Kaufmannsgewinns im 16. Jahrhundert.) In: Ceskoslovensky casopis historicky 5 (1957) 276-289 Siehe Zikmund Winter, Kulturni obraz ceskych mest (Kulturbilder aus böhmischen Städten), l. Teil, Praha 1890, 557; Winter zitiert aus dem Buche einige Eintragungen.

Handelsbuch des Nikolaus Bartlme 33 Franck aus Wiener Neustadt.6 Nur um ein Jahr jünger ist das anläßlich der Liquidierung der Verlassenschaft nach dem Kaufmann Sigmund Mospacher in Laibach angelegte Geschäftsbuch. 7 Es folgt das Buch des Judenburger Kaufmannes Clemens Körbler aus den Jahren 1526-15488 und schließlich ein Bruchstück eines Geschäftsbuches der Handelskompagnie in Laibach aus dem Jahre 1533.9 Das Geschäftsbuch des Budweiser Kaufmannes Nikolaus Bartlme (Bartholomäus), genannt Weinprenner, 10 ist ein aufden Wareneingang spezialisiertes Buch. Bartlme hat es 1560 angelegt, und es überrascht uns nicht, daß darin Lieferungen von Eisen und Eisenwaren vermerkt sind. Das Eisen war der verbreitetste ausländische Artikel, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in die Stadt eingeführt wurde . Nach Budweis kam es teils als Rohware, die dann in der Stadt zu Handwerkserzeugnissen - insbesondere Waffen -verarbeitet wurde, teils als Transitware, die in die Prager Städte und weiter in die Lausitz und Schlesien verbracht wurde und von dort manchmal weiter in den Osten ging. Die in Budweis erzeugten Eisen- und Stahlwaren fanden ihren Absatz in der weiteren Umgebung, aber auch in Prag. Umfangreicher als der Eisenhandel war in Budweis in dieser Zeit nur der Salzhandel. Dieser war allerdings bereits im Monopol der Hofkammer. Ferdinand I. beauftragte mit der Verwaltung das Salzamt im oberösterreichischen Gmunden, dem der Salzamtmann in Budweis untergeordnet war.11 Das Geschäftsbuch des Budweiser Kaufmannes ist spezialisiert: zum ersten auf den Handel mit einem begrenzten Warensortiment, zum zweiten beschränkt es sich auf das Verfolgen derWarenzulieferungen und deren Bezahlung; der Warenverkauf aus dem eigenen Lager wird Herausgegeben von Othmar Pick!, Das älteste Geschäftsbuch Österreichs . Die Gewölberegister der Wiener Neustädter Firma Alexius Funck (1516 - ca 1538) und verwandtes Material zur Geschichte des steirischen Handels im 15116. Jahrhundert, Graz 1966 (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark, XXIII. Bd.). Ljubljanski trgovski knjigi iz prve polovice 16. stoletja (Laibacher Kaufmannsbücher aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts). Herausgeber Sergij Vilfan (mit Hilfe von Bofo Ororepec und Vlado Valencic), Ljubljana 1986 (Fontes rerum Slovenicarum, tom. VIII) Herausgegeben von Ferdinand Tremel, Das Handelsbuch des Judenburger Kaufmannes Clemens Körbler. 1526-1548, Graz 1960 Bibliographische Angabe Anmerkung Nr. 6. 10 Im Ein leitungseintrag hat sich der Eigentümer des Buches als "Nicolash Partolome ader Weinprenner" eingeschrieben. Einer der Geschäftspartner nennt ihn im Buche intrag Niclass Partlme. In Budweiser Stadtbüchern ist er am öftesten als Nicolasch Weinprenner oder Nicolasch Bartlme genannt. Im Eintrag in der tschechischen Sprache liest man den Taufnamen Mikulas. Im Briefe, mit welchem Nikolaus in Passau den Geldempfang bestätigt hat, schrieb er seinen Namen wie im Einleitungseintrag des Kaufmannsbuches ein, nämlich mit dem Zu- und Spitznamen: Nicolasch Bartholome sonst Weinprenner. 11 Über Budwe iser Salzhandel siehe Zdenek Simecek, Salz und das Haushaltswesen südböhmischer Städte, insbesondere von Budweis. In: Stadt und Salz (Beiträge zur Gesch ichte der Städte Mitteleuropas 10, red. v . Willibald Katzinger), Linz/Donau 1988, 195-212 und derselbe, Der Salztransport auf der Moldau von Budweis nach Moldautein im 16. Jahrhundert. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 136 (1991) 223-238

34 Zdenek S i m e c e k nicht erfaßt. Das Buch wurde 1560 vom Eisen- und Eisenwarenhändler Nikolaus Bartlme (Bartholome), genannt Weinprenner angelegt.12 Aus der Führung des neu angelegten Buches ist zu ersehen, daß er den Handel in dieser Ausrichtung schon längere Zeit hindurch geführt hat. Im Buche vermerkt ist der finanzielle Stand der vorhergehenden Geschäftskontakte mit einzelnenPartnern, denen eigene Abschnitte vorbehalten waren. Später, als sich die Zahl der Warenlieferanten vermehrt hatte bzw. die einzelnen Abschnitte vollgeschrieben waren, führte Bartlme die einzelnen Saldi auf den dazu vorgesehenen Seiten fortlaufend weiter. Nach der Klassifikation der Geschäftsbücher, wie sie W. Stieda erarbeitet hat- und die von der gegenwärtigen Fachliteratur angenommen wird13 - steht das Geschäftsbuch des Nikolaus auf der höchsten Stufe. Es erhebt sich die Frage, ob nicht ein Vorgänger-Geschäftsbuch existierte. Die Art der Führung und die Vorstellung über die Aufgaben des Buches im Geschäftsleben, wie es Bartlme auffaßte, schließt dies keineswegs aus. Die erste Nachricht über Nikolaus Bartlme in Budweis finden wir im Jahre 1554, als er gemeinsam mit Nikolaus Mathesius beim Testament des Bürgers Leonhard Schneider als Zeuge auftritt.14 Über seine Herkunft können wir nur Vermutungen anstellen. Soferne er nicht von Auswärts in die Stadt kam, könnte er mit jenen Familien Weinprenner in Zusammenhang gebracht werden, die in den 50er Jahren in Budweis Häuser besaßen. 15 Unter der Bürgerschaft ist er der erste Träger des Namens Bartlme. Der Familienname Bartlme weist keine älteren Verwandtschaftsbindungen in Budweis auf. 16 Der Kult des heiligen Bartholomäus erlaubt möglicherweise kulturelle Beziehungen der Familie zum Dunstkreis österreichischer Städte anzunehmen. Über die Verankerung Bartlmes in Budweis gibt es jedoch keinen Zweifel. Nikolaus Bartlme wird 1556 zum Mitglied des Äußeren Rates der Stadt gewählt. Voraussetzung hiezu war, daß er einen Hausbesitz in der Stadt hatte; in den Stadtbüchern findet sich jedoch keine entsprechende Eintragung. Als Käufer einer Liegenschaft scheint er 1560 auf, als er von Jakob Klingenschmid um 100 Schock Groschen ein Häuschen in der Vorstadt vor dem Strodenitzer Tor käuflich erwirbt. Er verpflichtet sich dabei, den Kaufpreis in Jahresraten abzustatten.17 12 Erwähnungen in der Literatur Jaroslav Kubak, Topografie mesta Ceskych Budejovic 1540-1800 (Topographie der Stadt Budweis), Ceske Budejovice 1973, 51, 286; derselbe, Mestska rada Ceskych Budejovic behem XVI. a pocatkem XVIl . stoletl (Budweiser Stadtrat im 16 . und am Anfang des 17. Jahrhunderts). In: Jihocesky sbomik historicky 27, 1958, 113 13 Siehe Othmar Pick!, ebenda 60 f. 14 Liber I testamentorum, Sign. I b 17, f.56' • 57 1s Die Angaben im Buche von Jaroslav Kubak, Topografie mesta Ceskych Budejovic, 185, 192, 221, 368 16 Unsicher scheint die Ausnutzung folgender Auskunft in den Bürgerchroniken. Franz Xaver Illing und Franz Seraphin Seyser, Kurz gefaßte Chronik der Berg- und Kreisstadt Budweis, Budweis 1841 , 100 haben auf Grund dieser Vorlage vermerkt, daß im J. 1560 im Haus von Georg Bartholomä am Ringplatz Feuer ausgebrochen ist. 17 Kaufvertragsbuch 1529-1575, Sign. X d 2, f. 181'

Handelsbuch des Nikolaus Bartlme 35 Abb.l:Einband des Kaufmannsbuches mit Bildprägung. Vorderseite

36 Zdenek S i m e c e k Im gleichen Jahr kauft er von Wenzel Liechtenecker um 55 Schock Groschen Tagwerkäcker oberhalb der Schmelzhütte bei Lodus. 18 Daraus läßt sich schließen, daß er Geldüberschüsse, wie es damals üblich war, in Liegenschaften anlegte. Der Ankauf der Äcker bei der Schmelzhütte könnte mit seiner Beteiligung an der Förderung von Silbererz zusammenhängen. Dies alles zeugt davon, daß Bartlme ein erfolgreicher Kaufmann war und die Anlage des Geschäftsbuches im Jahre 1560 belegt, daß er zu Vermögen gekommen ist. In den Jahren 1556 bis 1566 gehörte Bartlme ohne Unterbrechung zu den Stadtverordneten.19 1561, als er unter den 24 Mitgliedern des Äußeren Rates an 19. Stelle genannt wird, erlangte er gemeinsam mit dem Stadtnotar Magister Quirin, mit Andreas Ledenicky und Martin Meindl das bedeutende Vierherrenamt. Seine Mitglieder hatten die Aufsicht über die städtische Kasse, wie es die Bezeichnung des Amtes "zu der Truhen" ausdrückte. 20 Bartlme hatte also einen großen Einfluß auf die städtische Wirtschaft, sicherlich auch deswegen, weil dies ein seinen Erfahrungen naheliegender Bereich war. Dem entspricht auch der Auftrag des Rates, auf dem Paulimarkt zu Freistadt im Jahre 1561 einen Schuldbetrag der Stadt in der Höhe von 500 Taler zugunsten von E. Attl zurückzuzahlen. 21 Die Heirat des Nikolaus Bartlme mit der Witwe nach dem Bürger Hans Berkhamer erhöhte weiter sowohl sein Vermögen als auch seine gesellschaftliche Stellung. Die Ehefrau Ursula ließ auf ihren Namen und auf den Namen ihres zweiten Gatten ein Haus in die Stadtbücher eintragen, das an der Ecke der Priestergasse und der heutigen Domherrengasse stand, unmittelbar neben dem Haus des städtischen Notars Quirin.22 Im nachfolgenden Jahr wurde Bartlme in den Stadtrat gewählt (sein Name erscheint an 11. Stelle) und übernahm zum 31. Dezember 1563 das Bürgermeisteramt. 23 Damit erreichte er den Gipfel seiner Karriere, denn ein zweitesmal wurde er nicht mehr in den Rat gewählt. In diesem Zeitraum wurde er im Interesse der Gemeinde mit bedeutenden Aufgaben auf dem Gebiete des Finanzwesens betraut. Gemeinsam mit einem weiteren Mitglied des städtischen Rates Hans Cristeindl verhandelte er in Passau wegen eines Darlehens an die Stadt. Einen Schuldbriefüber die Summe von 1200 rheinischer Gulden stellten die beiden Gesandten dem Ortolf Fuchsperger und 18 Ebenda, f. 246 19 Die Angaben über Mitglieder des Stadtrates bei Jaroslav Kubak, Mestska rada Ceskych Budejovic, 81-89, 109-121 20 Ratsmanuale 1561, Sign. XIV a 51, F. 12, 13' 21 Der Schuldbrief im Konzeptenbuch 1560-1561, Sign. XII a 33, f. 9 wurde durch folgende Anmerkung ergänzt: "Ist erledigt durch Niclass Weinprenner aus beuelch M. Burgermeister eines ers. rats in der Freystatt auff Pauli bekerung anno 1561 ". 22 Kaufvertragsbuch 1529-1575, Sign. X d 2, f. 229 . Über die Identifikation des Hauses Jaroslav Kubak, Topografie mesta Ceskych Budejovic, 287-288 23 Ratsmanuale 1560, Sign. XV a 5, f. 108 und Ratsmanuale 1563, Sign. XIV b 8, f. 19

Handelsbuch des Nikolaus Bartlme 37 seiner Ehefrau aus. Die mit 20. September 1563 datierte Urkunde versah Bartlme mit seinem Siegelabdruck.24 Das Vertrauen, das er bei der Verwaltung der städtischen Finanzen genoß, wird auch durch die Tatsache bezeugt, daß er am Sonntag nach Peter und Paul (30. Juni) 1566 gemeinsam mit Andreas Ladinger und Christoph Schweher nach Prag geschickt wurde, um über eine Anleihe für den Kriegszug Kaiser Maximilians gegen die Türken zu verhandeln. Obwohl die Stadt mit der Ausrüstung und Musterung der Reiterei große Auslagen hatte, verlangte die Böhmische Kammer den Erlag von 1200 Schock Groschen innerhalb von acht Tagen. Die Gesandtschaft hatte somit keinen Erfolg. Die geforderte Geldsumme brachten am 8. Juli Mathes Kelbl und Daniel Matyas nach Prag.25 Nach dieser Reise sind Aktivitäten des Nikolaus in öffentlichen Angelegenheiten nicht mehr nachzuweisen. Auch im Bereiche des Privatrechtes reichen die Eintragungen in den städtischen Büchern nicht über das Jahr 1566 hinaus. Zum Jahre 1563 wird im Testamentenbuch eine Schuld des Bürgers Mathes Haushan für zwei Burt Eisen zugunsten von Nikolaus vermerkt.26 Im Jahre 1564 treten Bevollmächtigte des Nikolaus als Verkäufer des Hauses an der Ecke der Traubengasse und der Landstraße auf.27 Beim Prozeß des Budweiser Bürgers Melchior Plank! mit Andreas von Pisek im Jahre 1566 wird er zum letztenmal erwähnt.28 In den Steuerregistern wird Nikolaus als Zahler von einem Haus im vierten Stadtviertel angeführt, d.h. vom Haus in der Priestergasse, das er gemeinsam mit seiner Frau Ursula besaß. 1562 zahlte er für dieses Haus 1 Schock 2 Groschen an Steuer,29 im Jahre 1567 2 Schock 51 Groschen 2 den.30 Der Wert des :A:auses wird mit 200 Schock beziffert, obwohl die jeweiligen Verkaufspreise stets höher waren: 1552 400 Schock, 1578 450 Schock. Den Namen Nikolaus Bartlme treffen wir auch im Kontributionsbuch, welches in den Jahren 1567-1612 geführt wurde; der Name ist allerdings durchgestrichen und durch den Namen des Simon Lisovsky ersetzt.31 Mit der Tatsache, daß der Name Nikolaus Bartlme nach 1566 in den Quellen nicht mehr aufscheint, stimmen auch die Ergebnisse der Analyse des Geschäftsbuches überein. Im Jahre 1567 hörte Nikolaus auf, das Buch mit eigener Hand zu führen. Der Freistädter Kaufmann Adam Fischer, ein Geschäftspartner des Nikolaus, rechnete am 4. Juni 1567 nicht mit Nikolaus ab, sondern mit seiner Ehefrau Ursula. Es 2 • Konzeptenbuch 1560-1561, Sign. XII a 33, f. 59' - 60. Das Siegel von Nikolaus ist unbekannt. Auch Cristeindl hat zum Brief sein Siegel beigelegt. 25 Ratsmanuale 1566, Sign. XIV b 5, f. 17 ff. 26 Liber I testamentorum, Sign. I b 17, f. 76 27 Kaufvertragsbuch 1529-1575, Sign. X d 2, f. 277. Über die Identifikation des Hauses Jaroslav Kubak, Topografie mesta Ceskych Budejovic, 51 28 Ratsmanuale 1566, Sign. XIV b 5, f. 12 29 Steuerregister 1562, Sign . XVI e 4 30 Steuerregister 1567, Sign. XIV e 3 31 Contributionsbuch 1567-1612, Sign. XVI e 35

38 Zdenek S i m e c e k geschah in Budweis und Fischer anerkannte eine Schuld im gegenseitigen Geschäft. Er versprach, diese Schuld mit der Lieferung neuer Ware auszugleichen.32 Aus dieser Eintragung läßt sich nicht eindeutig schließen, daß Nikolaus Bartlme nicht mehr am Leben war. Wir wissen, daß Ursula im Geschäft mittätig war und gelegentlich Waren übernahm und Gelder auszahlte. Gesamtabrechnungen tätigten jedoch die Geschäftspartner bis zu dieser Zeit ausschließlich mit Nikolaus. Die Abrechnung mit Fischer spiegelt daher vermutlich eine neue Realität wider. Vielleicht war Nikolaus schwer erkrankt und unfähig, seine Geschäfte zu führen, aber auch sein Ableben kann nicht ausgeschlossen werden.33 Es fällt weiter auf, daß Anfang 1567 am Jahrmarkt in Freistadt an seiner Stelle ein Bruder von Nikolaus mit Geldbeträgen bezeugt ist; dessen Name wird nicht angeführt . Bei den Eintragungen im Geschäftsbuch wird die Ichform beibehalten, so daß nicht zu entscheiden ist, wer die Weisungen hiezu erteilt hat. Mit Sicherheit läßt sich nur feststellen, daß die Geschäfte weitergeführt wurden; an ihnen beteiligte sich Sebald, der schon früher bezeugte Helfer von Nikolaus. Nach 1566 wurden die Geschäftsaktivitäten eingeschränkt und es traten dafür Urgenzen von vorfinanzierten Warenlieferungen bei alten Lieferanten in den Vordergrund. Es verblieben deren zwei. M. Kirchmaier hat seine letzte Warenlieferung am 13. März abgefertigt, E. Attl am 13. April 1568. Das Geschäftsbuch wurde danach nicht mehr als Wareneingangsbuch weitergeführt und wurde abgeschlossen. Das Geschäftsbuch von Nikolaus Bartlme bezeugt, daß der Handel mit Eisen im Jahre 1568 aufgehört hat. Indirekt beweisen dies auch Fakten aus dem Leben der Witwe Ursula. Die Insolvenz der Ursula Weinprennerin, wie sie sich nunmehr nennt, zeigt die Verpfändung eines silbernen, vergoldeten Gürtels mit Verschnürung an Dorothea, Witwe nach Stefan Mülner im untertänigen Dorf Vierhöf. Dieses persönliche Eigentum verpfändete sie um 9 Schock.34 Im Jahre 1578 verkaufte Ursula das Haus in der Priestergasse, einstmals im gemeinsamen Eigentum mit Nikolaus, an Georg Tark um 450 Schock. Im Haus war unter anderem ein Himmelbett (Spannbett) und ein Harnisch, der früher sicherlich Nikolaus gehörte.35 Ursula verkaufte dieses Haus als Alleineigentümerin, was den Schluß zuläßt, daß sie mit Nikolaus keine Kinder hatte. Eine Eintragung im Geschäftsbuch belegt, daß Nikolaus einen Bruder hatte, dessen Namen wir nicht kennen. Es fehlen daher die Indizien, die es erlaubten, ihn mit 32 Edition, 148 33 So meinte auf Grund der Feststellung, daß Nikolaus nach dem J. 1566 nicht mehr als Mitglied des Stadtrates erwählt wurde, Jaroslav Kubak, Mestska rada Ceskych Budejovic, 113 34 Dorothea hat über das Pfand im Testament aus dem J. 1571 ausgesagt. Liber I testamentorum, Sign. I b 17, f. 174'-176 35 Kaufvertragsbuch 1531-1615, Sign. III a 14, f. 212. Jaroslav Kubak, Topografie mesta Ceskych Budejovic, 286 spricht durch Versehen über Ursula Weinsponner als Verkäuferin. Weinsponner steht auch im Namensverzeichnis.

Handelsbuch des Nikolaus Bartlme 39 Georg Partlme zu identifizieren; dieser Bartlme ist in den Jahren 1573-1598 in den Verzeichnissen des Budweiser Rates zu finden.36 Ein Thomas Bartlme wird 1602 als Ratsmitglied und Besitzer von zwei Häusern auf dem Platz angeführt. Sein Hausbesitz reiht ihn zu den reichsten Bürgern von Budweis. Als Ratsmitglied wird er zum erstenmal im Jahre 1594 erwähnt.37 Ein anderes Mitglied der Familie Bartlme - Simon - war von 1601 bis 1619 Mitglied des Äußeren Rates.38 II. Anlage und Führung des Geschäftsbuches Das Handelsbuch des Eisenhändlers Nikolaus Bartlme dokumentiert schon durch sein Äußeres den Reichtum des Besitzers. Dies bezeugt sowohl der Umfang des Buches als auch dessen Einband. Die Papierbogen zur Anlage des Buches (27 Bogen) kaufte Nikolaus auf einmal, wie es das einheitliche Filigran beweist. Es zeigt den gotischen Buchstaben "P" mit einem Schild, in welchem ein Föhrenzapfen abgebildet ist-dem Wappen der Stadt Augsburg. Das Filigran stimmt mit der Abbildung Nr. 8880 in Briquets Werk "Les Filigranes" überein.39 Aus diesem Grund ist anzunehmen, daß das Papier aus einer Augsburger Papiermühle stammt. Es war in ganz Mitteleuropa und in der Alpenregion verbreitet, wie es Briquet aus Archiven in Böhmen, Bayern, Salzburg, Kärnten, Ungarn und in der Steiermark belegt, dies gerade zur Mitte des 16. Jahrhunderts und insbesondere in den 60er-Jahren, als Nikolaus sein Handelsbuch anlegte. Es ist anzunehmen, daß das Papier durch Vermittlung von Kaufleuten nach Budweis kam, die von Augsburg nach Linz kamen und über Freistadt und Budweis nach Prag weiterzogen. Die Papierbogen sind in 5 Quaternen, 2 Quinternen und 6 Sexternen zusammengeheftet und in einen feinen Renaissanceeinband zusammengebunden.40 Die Vorderseite des Einbandes ist dekorativer; in einem aus geometrisch geraden Linien bestehenden Ornament finden wir folgende Abbildungen in Blindprägung: in beiden Seitenfeldern sowie im unteren Feld die antiken Philosophen Platon, Sokrates und Aristoteles, in den drei inneren Feldern abwechselnd die Figuren von 36 Jaroslav Kubak, Mestska rada Ceskych Budejovic, 113 37 Jaroslav Kubak, Mestska rada Ceskych Budejovic, 114; derselbe, Topografie mesta Ceskych Budejovic, 12, 25 38 Jaroslav Kubak, Mestska rada Ceskych Budejovic, 114 39 Charles Moise Briquet, Les Filigranes. Dictionnaire historique des marques du papier, 2. Ed., Bd. 3, Leipzig 1923 (Zitation nach dem anastatischen Druck Hildesheim - New York 1977) 469. Schild mit Abbildung eines Kieferzapfens evidiert unter Nr. 2112, Bd. 1, 157 4-0 Die einzelnen Papierlagen wurden noch vor dem Einband des Codex selbständig benutzt. Die Saldokontos sind jedoch nicht mit Quaternen identisch und wurden nicht an diese gebunden.

40 Zdenek S i m e c e k Josef, männlichen Zwillingen, einer weiblichen Gestalt, die Gerechtigkeit darstellend (Iustitia) und eines Mannes in einer Staatsrobe, mit "Karolus" bezeichnet. Auf der Rückseite des Einbandes ist die Blindprägung einfacher. Im Innenfeld beschränkt sie sich auf geometrische Linien, während sich auf den seitlichen und oberen Feldern übereinstimmendmit der Vorderseite die Porträts von Platon, Sokrates und Aristoteles finden.41 Es ist zu vermuten, daß das Buch von einem Buchbinder in einer südböhmischen Stadt oder in einer Stadt auf österreichischer Seite, über welche der Handel nach Böhmen ging, hergestellt wurde. Ein ähnlicher Einband ist beim Stadtbuch im südböhmischen Bavorov zu finden.42 Nikolaus Bartlme unterteilte das Buch ursprünglich in fünf Abschnitte. Der erste, umfangreichste Abschnitt war dem Saldo des Freistädter Eisenhändlers Eustach Attl vorbehalten.43 Es handelt sich hier ohne Zweifel um einen Geschäftspartner, der bei der Anlage des Buches der bedeutendste war. Die weiteren Abschnitte sind wesentlich knapper. Der zweite diente zum Eintragen des Saldos des Freistädter Bürgers Wolfgang Gebenhoffer,44 der dritte des Maximilian Lindinger, ebenfalls eines Kaufmannes aus Freistadt.45 Gleich am Anfang wurde in Lindingers Abschnitt auch eine Lieferung des FreistädterKaufmannes Peter Khnol eingetragenund bald auch Lieferungen des Freistädter Kaufmannes Balthasar Reichenauer. Für den Saldo von Reichenauer war ursprünglich ein eigener (vierter) Abschnitt vorgesehen.46 Der fünfte Abschnitt des Buches war dem Saldo des Freistädter Kaufmannes Paul Geißenheimer reserviert.47 Die ursprüngliche Einteilung des Buches aus dem Jahre 1560 konnte im Laufe der Zeit nicht eingehalten werden. Es zeigte sich, daß die Saldi weiterer Geschäftspartner ebenfalls einzutragen waren. Dazu eignete sich am besten der umfangreichste erste Abschnitt, in den dann ab 1563 die Saldi aller weiteren Lieferanten in chronologischer Reihe angeführt wurden, einschließlichjener, denen ursprünglich ohnehin eigene Abschnitte vorbehalten waren. 41 Die Bildnisse mit Überschriften sind heute teilweise undeutlich, denn der Einband mit Blindprägung ist abgegriffen . Die Fibeln zum Zuknöpfen der kleinen Riemen fehlen. 42 Bezirksarchiv Strakonice, Bestand Stadtarchiv Bavorov, Abt. Stadtbücher, Nr. 1. Der Einband wurde unlängst restauriert. Über die hervorragenden Einbände eines südböhmischen Meisters, welcher für Rosenberger und Budweis gearbeitet hat, siehe B. Nuska, Jihocesky knihar mistr CW (Südböhmischer Buchbinder Meister CW). In: Jihocesky sbornfk historicky 32 (1963) 60-63 43 Die Abteilung beginnt auff. 2; Saldokonto bloss für Alt! geführt, endet auff. 26'. Vom J. 1564 an hat die Abteilung auch zur Saldoführung anderer Lieferanten gedient. 44 Die Abteilung beginnt auf f. 106; Saldokonto bloß zum J. 1561 für Gebenhoffer geführt, endet auf f. 109. 45 Die Abteilung beginnt auf f. 131; Saldokonto endet im J. 1563 auf f. 141'. 46 Die Abteilung beginnt auf f. 142, für Saldo wurde nur ein Blatt vorbehalten. Saldo endet auf f. 142'. 47 Die Abteilung beginnt auff. 143 . Bloß für Geißenheimer wurde Saldo bis zum J. 1564 geführt, sie endet auf f. 170'.

Handelsbuch des Nikolaus Bartlme 41 ~ ,,- . - ' ,,.,____ di~ii .· ~ 6m~ti.lfi · Sf,n]\'ir ) mio ,,Mt1'if w 111ato ; rdo Abb.2: Einleitungseintrag mit Versen fol.l

42 Zdenek S i m e c e k Die Bedeutung, die Nikolaus Bartlme dem Geschäftsbuch beimaß, bezeugt der einführende, gereimte Ausspruch (vgl. Abb .2). Der Besitzer des Buches spricht hier vom entscheidenden Grundsatz der Vertrauenswürdigkeit der Eintragungen, der die Sicherheit bei geschäftlichen Unternehmungen garantiert. Er drückt zugleich die Überzeugung aus, daß allein die vom Grundsatz der Gerechtigkeit getragenen Handlungen den Lebensunterhalt oder modern ausgedrückt, den Geschäftserfolg garantieren. Die Devise, daß alles Tun das Vertrauen in Gott ausdrücken und die menschliche Sterblichkeit bedenken möge, verleiht der Absicht, durch das neuangelegte Buch das Gesetz und die gerechte Ausgleichung der Verbindlichkeiten zu sichern, zusätzliche Überzeugungskraft. Auf jeder Lage des Buches wendet sich Nikolaus Bartlme zu Gott als den Garanten für die Verläßlichkeit der Eintragung. Die für die einzelnen Partner reservierten Saldi eröffnet er mit der Invokation "Laus deo omnipotenti semper". Mit der Anrufung Gottes läßt er auch Eintragungen über Zahlungen an Gläubiger beginnen und das Zeichen des Kreuzes ist oft auch am Beginn der einzelnen Seiten zu finden. Der christlichen Moral, zu der er sich durch diese Art der Buchführung bekennt, entspringt auch sein Bekenntnis zur Pflicht, dem Nächsten und insbesondere dem Armen zu helfen. Belege über konkrete Manifestationen dieser christlichenNächstenliebe sind indiesem Handelsbuche allerdings nicht zu finden. Im Einklang mit der hohen Einschätzung des Handelsbuches auf moralischem und rechtlichem Niveau steht die Tatsache, daß Nikolaus die Eintragungen lange Zeit mit eigener Hand tätigte. Ab dem Jahre 1565 macht sich im Buch im verstärkten Maße eine weitere Schreiberhand bemerkbar. Aus Eintragungen im Handelsbuch sowie einer Erwähnung im Budweiser Testamentenbuch ist ersichtlich, daß Nikolaus im Geschäft einen Helfer Sebald beschäftigte, weshalb vermutet werden kann, daß sich dieser an der Führung des Buches beteiligte. 1567 finden sich auch Eintragungen von dritter Hand. Das Feld der Vermutungen, wem diese gehört, ist weit. Ist es die Hand jemandes, der die Geschäfte führte, d.h. Ursulas, oder aber eines Mannes, dem sie mehr vertraute als Sebald? Die Ichform der Eintragungen in Verbindung mit den Angaben der einleitenden Worte, wo sich Nikolaus Bartlme zur Verantwortung für die Forderungen der Gläubiger bekennt, erlaubt die Feststellung, daß das Recht der geschäftlichen Disposition bei Nikolaus lag. Durch ihn wurden auch die Eintragungen des Helfers autorisiert, die dieser wahrscheinlich nach Diktat oder nach den vom Prinzipal vorbereiteten Zetteln tätigte. Diese Autorisierung der Eintragungen, wie sie Nikolaus Bartlme in den einleitenden Worten niederschrieb, wurde durch keine einzige weitere Eintragung in Frage gestellt. Ausgehend von dieser Autorität bekannte sich auch die Witwe zweifelsohne zu den Verbindlichkeiten und Forderungen ihres Mannes. Für sie waren die Eintragungen der Forderungen ebenfalls verbindlich. Nachdem sich Nikolaus im Laufe der Zeit mehr zum Gläubiger als zum Schuldner entwickelt hatte, drängte sie vor allem auf die Lieferung von bereits angezahlten Waren.

Handelsbuch des Nikolaus Bartlme 43 Nikolaus Bartlme erkannte als Benützer des Handelsbuches bald die Notwendigkeit, sich die Orientierung im Inhalt des Buches zu erleichtern. Beim Vorbereiten der Abrechnung mit seinen Geschäftspartnern mußte er in erster Linie Eintragungen anmerken, die in eine bestimmte Zeitperiode fielen. Aus diesem Grund begann er, die Eintragungen mit dem Jahresdatum zu versehen. Die Unterteilung der Konti in Kolonnen, die er auf allen Seiten vorlinierte, erlaubte es, die Posten bequem zu addieren und die Summen zu den einzelnen Abrechnungsterminen, später auch Summen für jede Seite, zu erstellen. Die Kolonnen waren zur Kontoführung in Guldenwährung bestimmt und gaben die Angaben in Gulden, Schilling und Denaren (Pfennigen) wieder. Die Führung der einzelnen Saldi war von Anfang an konsequent in einen Einnahmenteil ("sal ich") und Ausgabenteil ("sal mir") untergeteilt. Wie es Nikolaus schon in den einleitenden Worten hervorhebt, war der Einnahmenteil die Grundlage des Geschäftsbuches. Hier wurde Menge und Art des aus Freistadt angelieferten Eisens und der Eisenwaren festgehalten. Die Lieferungen waren nach Lieferanten untergeteilt und der Saldo nach den einzelnen Lieferungen eingetragen. Die Eintragung enthielt in den meisten Fällen den Namen des Fuhrmannes, der die Ware angeliefert hatte, die Anzahl der Fuhrwerke und den Tag, an dem die Ware in Freistadt abgefertigt oder ausnahmsweise auch, wann sie von Nikolaus übernommen wurde. Die Eintragungen im Buch tätigte Nikolaus nach jenen Zetteln, die der Lieferant ausstellte und dem Empfänger gemeinsam mit der Ware übersandte.48 Der Zettel (Polette) war für die Eintragung entscheidend, weil die Geschäftspartner bei der Abrechnung von dessen Wortlaut ausgingen. Bei der Übernahme der vom Fuhrmann angelieferten Ware konnte selbstverständlich auch eine Differenz zwischen den Angaben des Zettels und der tatsächlichen Liefermenge festgestellt werden. In so einem Fall machte Nikolaus zu den Angaben des Zettels eine entsprechende Anmerkung. Hier führte er an, daß er einen Teil der Lieferung bisher nicht erhalten habe, weil diese noch beim Fuhrmann liege oder weil es zu einem Warendiebstahl gekommen sei. Er machte auch auf eventuelle Differenzen im Gewicht, auf Verwechslungen einzelner Eisengattungen oder aufeinen abweichenden Preis aufmerksam. Formale Fehler hielt er ebenfalls fest; diese fand er am häufigsten in der Datumsformel, wo es zu Verwechslungen bei Monatsangaben kam. Er wiederholte jedoch stets das ursprüngliche Datum des Zettels und begnügte sich mit einem Hinweis, daß eine Berichtigung notwendig sei. Er ließ vermutlich deshalb so viel Vorsicht walten, um die Identifizierung der Eintragung im Buch und des vom Lieferanten ausgestellten Zettels zu erleichtern. Auch dadurch wurde die Vertrauenswürdigkeit der Übertragungen unterstützt. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß für die Abrechnung mit Freistädter Lieferanten allein deren Geschäftsunterlagen 48 Im ersten Bucheintrag, der ante 11 . Jänner 1560 gehört, bemerkt Nikolaus ausdrücklich, daß die Angaben "laut seines (Attl's) schreiben" eingetragen wurden.

44 Zdenek S i m e c e k maßgebend waren, wie es die Eintragung im Kaufmannsbuche bezeugt: Eustachi Attl buerger /hat/ mein hausfraw abgezalt nach laut seines auszug. Die Führung des Buches ermöglichte es Nikolaus,jederzeit die Übersicht über seine Verbindlichkeiten den Lieferanten gegenüber zu behalten, und gab ihm zugleich die Möglichkeit, die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten kontinuierlich zu verfolgen. Bei der Analyse des Geschäftsbuches hinsichtlich des Inhaltes ist es schwierig, sich mit der Tatsache abzufinden, daß die Einnahmensummen öfter mit den einzelnen, gemäß den Zetteln in das Buch eingetragenen Posten nicht übereinstimmen. Im konkreten kommt es vor, daß die den Wert der gelieferten Ware ausdrückende Hauptsumme mit den an die Lieferanten ausbezahlten Summen nicht übereinstimmt und auch nicht mit der Höhe der Schuld, die sich aus der vierteljährlichen oder allfälligen Verrechnung mit den Partnern ergeben hat. Nikolaus führt nirgends aus, wie die Preise kalkuliert werden und unter welchen Bedingungen er die Ware in Freistadt einkauft. Wir wissen auch nicht, ob für den Kredit Zinsen bezahlt und wie die Unkosten verrechnet wurden.49 Im Zeitraum zwischen dem Lieferdatum und dem Datum der Abrechnung oder sogar der Zahlung war es wahrscheinlich möglich, die Bedingungen zu ändern. Im Buche haben sich jedoch keine Berechnungen erhalten, die es erlauben könnten, diese Änderungen aufzuklären. Über Schwankungen der Preise einzelner Warengattungen herrscht kein Zweifel. Keinesfalls wäre aber die Erklärung zulässig, daß Nikolaus bemüht war, seine Geschäftspartner irrezuführen und zu betrügen, oder daß er die Rechnungen unordentlich geführt hätte . Welche Sorgfalt er bei den Eintragungen im Buch walten ließ, bezeugt die fortlaufende Numerierung der Zettel und die Übertragung der einzelnen Posten. Er bemühte sich, bei der Eintragung die Vollständigkeit der Lieferung so beizubehalten, wie sie auf dem Zettel angeführt war. Die Angaben des Zettels übertrug er nicht in der Eile bei der Warenübernahme, sondern oft in einem zeitlichen Abstand. Aus der Schrift ist ersichtlich, daß er die Zettel nicht immer einzeln, wie sie einlangten, sondern oft in Gruppen eintrug. Beginnend jeweils mit der ersten Lieferung nach einer Abrechnung wurden die Zettel fortlaufend eingetragen. Auf jeden Fall mußten sie ins Buch eingetragen worden sein, bevor die nächste Abrechnung fällig war. Von der Übung, die Zettel zu numerieren, nahm Nikolaus erst Abstand, als er aufhörte, die Saldi in den den einzelnen Lieferanten vorbehaltenen Abschnitten zu führen. 49 In der Fachliteratur konstatiert man, daß Preiskalkulationen im 16. Jahrhundert wenig entwickelt waren. In Eisenhandel war es üblich, die Nebenausgaben dem Käufer gesondert zu verrechnen. In solchem Fall sollten die Eisenpreise, wie sie die Freistädter Lieferanten verrechnet haben, den Preisen in der Niederlage in Freistadt gleichen. Siehe Ferdinand Tremel, ebenda, XXIII. Über die Organisation des Handels mit dem steirischen Eisen, über die Preise und die Wichtigkeit Freistadts im Handelsleben siehe die grundlegenden Feststellungen von Hans Pirchegger, Bd . 1. Das Steirische Eisenwesen bis 1564. Bd. 2. Das Steirische Eisenwesen von 1564-1625. Graz 1937-1939 und ungedruckte Dissertation von Wilhelmine Krenn, Steyr als Mittelpunkt des oberösterreichischen Eisenwesens von den Anfängen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts (phil. Diss . Graz 1951).

Handelsbuch des Nikolaus Bartlrne 45 Die einzelnen Zettel sind nicht erhalten. Hinsichtlich ihrer Form werden sie wohl jenen Zetteln entsprochen haben, die wir in Budweis vom Salzhandel her kennen. Die Salzfuhrleute aus dem Freistädter Magazin wiesen sich mit einem vom dortigen Salzamtmann ausgestellten Zettel aus. In Budweis wurden sie abgegeben, die Angaben wurden in ein besonderes Register (Register auf die Salzzettel) eingetragen50 und gingen dann an den Budweiser Salzamtmann weiter, der die Salzrechnung führte. Was Nikolaus mit den Originalen der Zettel der Freistädter Lieferanten weiter tat, ist nicht bekannt. Dem Einnahmenabschnitt des Handelsbuches, in dem die gelieferten Eisenwaren evidiert und verrechnet wurden, schloß sich ein Ausgabenabschnitt an. Die Führung dieses Abschnittes diente ebenfalls zum Vorbereiten der Abrechnung mit den Lieferanten, die zu relativ festen Terminen abgewickelt wurde. Bei der Eintragung der Ausgaben, die zum größten Teil Zahlungen für gelieferte Ware darstellen, war es nicht möglich, sich auf Rechnungsbelege zu stützen. Diese Forderung schien übrigens anfänglich überflüssig zu sein. Mit den einzelnen Ausgabenposten wurde eigentlich der Geschäftskredit für gelieferte Waren getilgt. Deshalb wurde wahrscheinlich auch kein Schuldschein ausgestellt. Aber auch später, als Nikolaus die Eiseneinkäufe seiner Freistädter Geschäftsfreunde zum Teil vorfinanzierte, finden sich keine Quittungen für die Abzahlung von Krediten oder des Angeldes. Die Führung des Ausgabensaldos war eben nicht mit der Erfordernis eines schriftlichen Niederschlages verbunden und die authentischen Rechnungsbelege bildeten keine Beilage des Handelsbuches in Aktenform. Entscheidend war der Wille des Kaufmannes, den einen oder anderen Posten einzutragen. Das Geschäftsbuch war somit keine Tagesrechnung des Nikolaus Bartlme, in der alles, was er im Geschäft an Ausgaben tätigte, zu finden wäre, genauso wie auch im Einnahmenabschnitt nicht alle Einnahmen enthalten sind. Es handelt sich eben um ein spezialisiertes Geschäftsbuch zum Eintragen jener Posten, die mit den Geschäftsbeziehungen der Freistädter Partner zusammenhingen. Im Ausgabenabschnitt sind wesentlich mannigfaltigere Posten eingetragen, als im Abschnitt der Einnahmen. Dies heißt jedoch nicht, daß Nikolaus hier vom Grundsatz, den Saldo nach der Person des Lieferanten zu reihen, abgewichen wäre. In dieser Hinsicht stimmen beide Abschnitte miteinander überein. Ein wesentlicher Teil der Ausgaben-Eintragungen sind Vermerke von Geldsummen, aber es fehlen auch nicht Ausdrücke inWorten über den Zahlungszweck oder die Umstände, unter denen die Zahlung erfolgte. Im ersten Fall geht es um die Feststellung, daß es sich um eine Zahlung für bereits getätigte Lieferungen handelt oder aber für eine Anzahlung für noch zu liefernde Waren. lm zweiten Fall wird als Gedächtnisstütze vermerkt, wer, wann und wo Geldbeträge dem Geschäftspartner übergeben hat.51 so Das Register wurde in den Jahren 1585 bis 1592 geführt, Sign. XV e 49 s, Der Grundsatz wurde nicht konsequent eingehalten. Nikolaus verließ sich auch weiter auf sein Gedächtnis, was bei niedriger Zahl der Zahlungsaufträgen immer möglich blieb .

46 Zdenek S i m e c e k War Nikolaus in seinem Hause nicht anwesend, so zahlte seine Ehefrau Ursula die Forderungen aus, war das Geld nach Freistadt zu bringen, so tat dies der Helfer Sebald öfter als Ursula. Am häufigsten vertraute aber Nikolaus das Geld Geschäftsfreunden an, die am Wege nach Freistadt oder zu einem Jahrmarkt in oberösterreichischen Städten waren, insbesondere den Fuhrleuten. Es waren nicht nur Fuhrleute, die Nikolaus eine Ladung Eisen brachten oder mit denen er in reger Geschäftsbeziehung stand, sondern auch Spediteure, die sich gerade in Budweis aufhielten und Beziehungen zu Nikolaus' Freistädter Geschäftsfreunden hatten. Die Zahlungen waren an keine festen Termine gebunden, Nikolaus schickte Geld so, wie es ihm zur Verfügung stand. Die Frequenz der in Freistadt getätigten Zahlungen stieg zur Zeit der Freistädter Jahrmärkte und der Linzer Messen deutlich an.52 Auch während der Zeit der beiden Jahrmärkte in Budweis waren die Geschäftsaktivitäten intensiver. Das Handelsbuch war ein reines Privatbuch und Nikolaus Bartlme war sich dessen voll bewußt, daß zur Bereinigung aller geschäftlichen Fragen mündliche Verhandlungen und das Erzielen eines Einvernehmens nötig waren. Diese Gelegenheit bot die gemeinsame Abrechnung zwischen den Partnern, zu der es zu jeweils vereinbarten Terminen kam. Durch die Führung des Handelsbuches, durch andere geschäftliche Vermerke und durch ein gutes Erinnerungsvermögen wurden die Abrechnungen erleichtert. Strittige Zahlungen waren demnach etwas Außergewöhnliches. Diese Tatsache spricht dafür, daß die damaligen Zahlungsmodalitäten verläßlich funktioniert haben und die handelnden Parteien keine Gelegenheit hatten, den Empfang von Geldern etwa zu leugnen. In keinem einzigen Fall stellten die Freistädter Partner des Nikolaus Barzahlungen in Frage, wenn er das Geld Fuhrleuten aus den untertänigen Dörfern und Märkten anvertraute oder Mitbürgern, am häufigsten sicherlich Kaufleuten. Die Gefahr, daß eine Zahlung nicht anerkannt werde, drohte nur dann, wenn ein Kaufmann (bei Fuhrleuten kam eine solche Situation nicht in Betracht) mit der Zahlung betraut wurde, weil er selbst Schulden bei Nikolaus hatte oder aber wenn er von Nikolaus beauftragt wurde, die nötigen Geldbeträge vorher von Dritten einzufordern. Bartlme zweifelte nicht daran, daß in solchen Fällen die Eintragung im Geschäftsbuch aus der Sicht des Handelsrechtes irrevelant war. Eine solcherart "angewiesene" Post reihte er weiterhin unter die Schuldenposten ein. 52 Siehe die Angaben der Tafel G. Für Freistadt war der zweiwöchige St. Pauli Markt (am 25 . Jänner), für Linz der vierwöchige St. Bartholomäi Markt (am 24. August) und zweiwöchige Ostennarkt (das bewegliche Datum vom 24./25. März bis zum 6.17. Mai) entscheidend.

· 1 Handelsbuch des Nikolaus Bartlme 1 . '• i( 1 . + 3 -, ' 1 . •l.3 " Abb.3: Verrechnung mit E. Attl. Einnahmsposten mit Numerierung einzelner Zettel. fol. 9' 47 '-z

48 Zdenek S i m e c e k Eine etwas andere Rolle spielte das Geschäftsbuch mit seinen Eintragungen jener Waren, die Nikolaus den Geschäftspartnern als Gegenleistung anstatt des Bargeldes übersandte. In so einem Fall ist anzunehmen, daß er die Warenliste, wie wir sie dem Buch entnehmen können, aufeinen Zettel schrieb, ähnlich jenen, die die Eisenlieferungen von Freistadt nach Budweis begleiteten. Der Zettelinhalt war im Buch vermerkt, um zu wissen, was er dem Partner schickte, um die richtige Übernahme der Waren kontrollieren und den verlangten Preis hiefür fordern zu können. Abschließend muß die Vermutung ausgesprochen werden, daß sämtliche Angaben auf der Ausgabenseite mit jenen der Einnahmenseite in direkter Beziehung standen und bei der Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva im gegenseitigen Geschäft eine bedeutende Rolle spielten. Indirekt haben sie wahrscheinlich auch die Preiskalkulation sowie die gemeinsame Abrechnung beeinflußt. Mit der unterschiedlichen Aufgabe der Eintragungen in den Abschnitten der Einnahmen und der Ausgaben hängt das Durchstreichen der Eintragungen zusammen. Im Einnahmensaldo wurden regelmäßig alle Eintragungen einer Seite durchgestrichen. Offensichtlich war es nicht mehr nötig, zu den einzelnen Posten zurückzukehren, denn durch das gemeinsame Abrechnen haben sie ihre Bedeutung als Einheit verloren. Dies stimmt auch mit der Tatsache überein, daß im jüngsten Teil des Handelsbuches Eintragungen über Eisenlieferungen in der zweiten Hälfte des Jahres 1567 und am Beginn des nachfolgenden Jahres nicht durchgestrichen sind. In diesem Zeitraum ist nur die Abrechnung mit E. Attl bekannt, die im Dezember 1567 erfolgte. Die in diesen nicht durchgestrichenen Eintragungen festgehaltenen Geschäfte können als offen betrachtet werden. In früheren Zeiten finden sich nicht durchgestrichene Eintragungen nur dort, wo auch durch Verhandlungen die Frage nicht geklärt werden konnte, ob Nikolaus auch jene Waren bezahlen soll, die er entweder überhaupt nicht oder nicht in der vereinbarten Menge erhalten hatte.53 Im Ausgabenabschnitt wurden die Eintragungen im Zusammenhangmit Verhandlungen bei der gemeinsamen Abrechnung ebenfalls durchgestrichen. Dies geschah aber nicht en bloc, sondern öfter in kleineren Gruppen der Eintragungen oder auch einzeln. Nicht durchgestrichen blieben Angaben im Zusammenhang mit dem Empfang von Waren, über deren Bezahlung Zweifel bestanden. In solchen Fällen blieb der Grund der Zahlung unsicher. Das Durchstreichen der Eintragungen hängt mit der Art und Weise der Abrechnung zusammen und sagt nichts aus über die Gültigkeit oder Ungültigkeit, Kompetenz oder Inkompetenz des Rechnungsbeleges . Es ist eher als ein Ausdruck eines formellen Buchhaltungsvorganges anzusehen, der jene Partien des Buches, zu denen man nicht zurückkommen brauchte, von jenen trennte, die man erst abrechnen mußte . s, Undurchgestrichen blieb der Eintrag auff. 41'. Für die Interpretation des Zahlungseintrages ist die Anmerkung entscheidend, daß Eisen dem Lieferanten G. Buergerbezahlt wurde. Weitere nicht durchgestrichene Einträge auff. 50, 59 betreffen die strittigen Lieferungen, die Landshuetter realisieren sollte . So steht es auch mit Lieferungen von Scherhakl (f. 63) und Kirchmaier (f. 71).

Handelsbuch des Nikolaus Bartlme 49 In der Edition mache ich daher auf diese Durchstreichungen im allgemeinen nicht aufmerksam. Eine Interpretation in Ausnahmsfällen, wo Eintragungen nicht deshalb durchgestrichen wurden, weil mit den dort enthaltenen Angaben etwas nicht in Ordnung war, ist von meinen Ausführungen über das Durchstreichen nicht abhängig. Umgekehrt führe ich in der Edition Durchstreichungen in einzelnen Posten an, wenn sie etwa Abänderungen innerhalb eines Postens verursachten oder einen ganzen Posten stornierten. Nach dem Eintragen der letzten Einnahmsposten zu Jahresbeginn 1568 blieb das Geschäftsbuch des Nikolaus Bartlme nur mehr als Gedächtnisstütze für das Eintreiben von vorausbezahlten Lieferungen bestehen. Vielleicht blieb es gerade deshalb erhalten, obwohl seine Weiterführung keinen Sinn mehr hatte . Die einheitliche Einteilung des Buches und seine solide Führung erlaubt die Annahme, daß Nikolaus Bartlme schon vor dem Jahre 1560 eine schriftliche Buchführung hatte . Wir sind sogar geneigt, die Führung eines regelrechten Geschäftsbuches anzunehmen. Mit einem Verweis auf die Existenz eines solchen Vorgänger-Geschäftsbuches könnte nämlich am leichtesten erklärt werden, warum in dem 1560 angelegten Buch keine Zahlungen für die vor dem 1. Jänner 1560 getätigten Lieferungen aufscheinen. Es ist anzunehmen, daß diese Zahlungen noch in das alte Geschäftsbuch eingetragen wurden. Durch den Verweis aufdieses vorhergehende Buch wäre auch die Frage beantwortet, warum Nikolaus imstande war, im neuen Buch bei jedem Geschäftspartner die Höhe der Schulden für Waren, die er vor der Anlage des neuen Buches empfangen hatte, genau anzuführen. III. Analyse der im Geschäftsbuch enthaltenen Angaben Das über einen Zeitraum von mehr als acht Jahren geführte Buch bietet eine gute Basis zur Analyse der Geschäftstransaktionen, der Transportbedingungen und des finanziellen Ausgleiches. Die Geschäftsbilanz läßt sich in statistischen Tabellen ausdrücken. Die einzelnenAngaben erlauben aber auch, Erscheinungen zu verfolgen und zu werten, die in ihrer Gehäuftheit die Fragestellung ermöglichen, welche Rolle der aufgeblühte Handel mit den österreichischen Ländern für die südböhmische Region und insbesondere für die südböhmischen Städte spielte. Wiewohl das Geschäftsbuch in erster Linie Angaben über Lieferungen von Eisen und Eisenwaren von Freistadt nach Budweis enthält - und zwar aus der Sicht des Bestellers und Warenempfängers - so ist dessen Aussagewert im Hinblick auf die Stellung Freistadts im Handel mit steirischem Eisen in die böhmischen Länder und weiter nach Schlesien und in die Lausitz, auch dank der Stellung von Budweis im Handel mit österreichischen Städtenwesentlich umfassender. Die geschäftlichenAktivitäten des Budweiser Bürgers Nikolaus Bartlme bieten reichlichen Stoff zu Überlegungen über die Rolle des Eisens im Fernhandel, der, von den Donauländern kommend, die böh-

50 Zdenek S i m e c e k mischen Länder passierte und bis in die Region der Hanse ging. Auf der anderen Seite wieder aktivierte der Handel mit österreichischem Eisen den Export von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und von Rohprodukten tierischer Herkunft zurück in die österreichischen Länder. Im Geschäftsbuch ist auch diese Tatsache feststellbar. Sonderbarerweise befinden wir uns auf unsicherem Boden, wenn wir eine Antwort auf die Frage suchen, inwieweit das Geschäft von der Konkurrenz des Budweiser Eisenhammers beeinflußt wurde: ob es möglich war, österreichisches Eisen eher in der Stadt und ihrer Umgebung oder aber in Prag abzusetzen, und wer die Abnehmer jenes Eisens waren, das Nikolaus Bartlme nach Budweis brachte. Die von den Freistädter Eisenhändlern an Nikolaus Bartlme gelieferten Eisenmengen sind in der Tabelle A zusammengefaßt. Sie zeigt, daß in der Zeit von 1560 bis 1568 der Freistädter Kaufmann Paul Geißenheimer den größten Anteil an den Lieferungen hatte.54 Nur um weniges zurück blieb der Freistädter Kaufmann Eustach Attl.55 Beide zusammen bestritten mehr als die Hälfte der Handelsgeschäfte (55 %). Eine Gruppe von drei Lieferanten, nämlichMaximilian Lindinger56, Michael Kirchmaier7 und Gabriel Buerger8 bestritten weitere 27 % der Gesamteinfuhr. An den 54 Georg Grüll, Die Bevölkerung von Freistadt um die Mitte des 16. Jahrhunderts. In: Freistädter Geschichtsblätter, Heft 2 (1951) 35, 54 führt an, daß Geißenheimer nicht nur Großhandel mit Eisen, besonders mit Roheisen, sondern auch mit Messern, Südwaren (Süßweinen), Salz und Meerfischen aus Norddeutschland (Heringe, Stock.fische) und Lebensmitteln, die teilweise südböhmische Herkunft ausweisen (Käse, Nüsse, Bier), getrieben hat. Im Gewölbe hatte er böhmische Tuche (Braunauer, Zwickauer, Polner, Iglauer) sowie Tuche aus Lausitz (Görlitzer) und Schlesien (Reichenbacher); er verkaufte auch Londoner Tuche. Im J. 1572, als er gestorben ist, wurde sein Eigentum auf 4.292 fl . geschätzt. In der Stadtverwaltung hat er sich nicht betätigt. Er besaß ein Haus in der Stadt und ein Haus in der Vorstadt. 55 Ebenda, 34. E. Attl betrieb Handel und besaß in der Stadt 2 Häuser. Über seine Gesellschaftslage zeugt die Tatsache, daß er im J. 1570-1601 als Mitglied zum Außenrate gehörte. Zweimal wurde er zum Richter und Bürgenneister gewählt. Sein Vater war Thomas Attl. Von den Familienmitgliedern sind Benedikt als reicher Messermeister in Steyr, Eustach als Bürger in Pilsen und Nikolaus als Bürger in Mies bekannt. Siehe dazu auch Georg Grüll, Die Stadtrichter, Bürgerme ister und Stadtschreiber von Freistadt. In: Freistädter Geschichtsblätter, Heft 1 (1950) 19, 40 56 Georg Grüll, Die Bevölkerung, 37 führt an, daß er Handel mit Eisen, insbesondere mit Sensen und auch mit Meerfischen und Garn betrieben hat. Sein Hauseigentum war besonders groß . Im J. 1573 wurde er zum Bürgermeister gewählt. Siehe Georg Grüll, Die Stadtrichter, 43 57 Georg Grüll, Die Bevölkerung, 36, 42 führt an, daß Kirchmaier besonders mit Eisen gehandelt hat und daß seine Nachkommen nach Böhmen ausgewandert sind. Mit der Person des Altprager Primators veroindet er jedoch den Sprößling von Kirchmaier mit Unrecht, es handelte sich um einen Nachkommen von Valentin K.irchmaier, der Handel mit Eisen in Prag betrieb und ein Altersgenosse von Michael war. 58 Georg Grüll, Die Bevölkerung, 34, 53. G. Buerger ist am 20. Juli 1568 gestoroen. Er hatte Forderungen in der Höhe von 9.272 fl und dazu 5.484 fl in Bargeld. In seinem Gewölbe hatte er Eisen für 642 fl Georg Grüll führt an, daß der Umfang seines jährlichen Eisenhandels 1.604 Zentner betrug. Im Inventar erwähnt man auch Eigentum von Kuxen am Silberbergwerk in der Nähe von Budweis.

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