Das Handelsbuch des Budweiser Eisenhändlers Nikolaus Bartlme 1560-1568

116 Zdenek S i m e c e k Aus dem Gesagten geht hervor, daß sich das System der Rechtschreibung bei den einzelnen Schreibern autonom entwickelt hat und daß es nur bis zu einem bestimmten Grad auf das gesprochene Wort reagiert. Das heißt, daß es die Erkenntnis des gesprochenen Wortes zum Teil verdunkelt; andererseits ist man aber auch nicht berechtigt, die Orthographie als einen einengenden Panzer anzusehen, der es nicht erlaubt, das gehörte Wort richtig zu erfassen. Falls Nikolaus hörte, daß ein Fuhrmann einmal Paidl und ein anderes Mal Pairl genannt wurde, fühlte er sich nicht verpflichtet, den Namen einheitlich anzuführen. Sicherlich war ihm bewußt, daß es sich um ein und dieselbe Person handelte oder denselben Namen, z.B. den eines F·..ihrmannes aus Leopoldschlag und seines Sohnes aus Summerau. Daß es falsch wäre, den Fuhrmann Paidl vom Pairl zu unterscheiden, beweist die vom Helfer des Nikolaus verwendete Rechtschreibung, der den gehörten Namen in einer anderen Form, nämlich als Beirdl oder Beirtl festhielt. Zu den Überlegungen über die Orthographie gehört auch das Problem der Zusammen- bzw. Getrenntschreibung zusammengesetzter Wörter. Auch hier befolgte Nikolaus keinerlei Regeln, gleichviel ob es sich um Präpositionen, Präfixe, Adjektiva, Adverbia oder Substantiva handelte. Im Text sind beide Varianten zu finden, z.B. anstat und an stat, Freistat und Frei stat, schlosplech und schlos plech. Beim Großteil der Fachausdrücke auf dem Gebiet des Roheisens läßt sich jedoch feststellen, daß Nikolaus die Getrenntschreibung bevorzugte; so insbesondere in Zusammensetzungen mit den Wörtern "eisen" und "stahl" (stang eisen, zieher eisen, gattr stegraiff eisen, haken stahl, scharach stahl) oder "nagl" (schintl nagl). In Zusammensetzungen mit dem Wort "plech" ist er jedoch uneinheitlich vorgegangen (schlosplech / schlos plech). Die Getrenntschreibung zusammengesetzter Wörter habe ich in der Edition belassen, wenn damit die Verständlichkeit nicht gefährdet war. Diese Art und Weise habe ich vereinzelt auch in jenen Fällen angewendet, wo Nikolaus zusammengesetzte Wörter ohne Trennung schrieb . Die Schreibung der Großbuchstaben habe ich in der Edition vereinheitlicht. Nikolaus verwendete diese unsystematisch, öfters zur graphischen Unterscheidung am Absatzbeginn, zur Ausschmückung oder Hervorhebung. In den lateinischen Zitaten war es das Bestreben zur Feierlichkeit, zugleich verbunden mit der Ehrfurcht eines gläubigen Menschen vor Gott. Diese Aspekte bleiben jedoch in der Edition unberücksichtigt. Verwendet werden die Großbuchstaben am Satzbeginn, bei Eigennamen, Monatsnamen und in lateinischen Phrasen dort, wo es heute noch üblich ist, z.B. bei den Namen der Feiertage (Trinitas). Ein Interpunktionssystem einzuführen, schien dem Autor beim Führen des Geschäftsbuches nicht nötig zu sein. Die Angaben des Rechnungsbuches sind der Saldorechnung untergeordnet, bei der die Rubriken mit den Eintragungen der Einnahmen und Ausgaben entschieden den Vorrang haben. Die Zahlenreihen sind nach Münzrecheneinheiten gegliedert: fl (Gulden), ß (Schilling), d (Denar). Sie entsprechen dem Währungssystem, bei dem die Rechnungsmünze das Pfund Pfennig (= Gulden) darstellte, wie es auch in Freistadt gebräuchlich war. Im betreffenden Textteil verwendete Nikolaus keine Interpunktion, die einzelnen Posten und Infor-

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