Das Handelsbuch des Budweiser Eisenhändlers Nikolaus Bartlme 1560-1568

42 Zdenek S i m e c e k Die Bedeutung, die Nikolaus Bartlme dem Geschäftsbuch beimaß, bezeugt der einführende, gereimte Ausspruch (vgl. Abb .2). Der Besitzer des Buches spricht hier vom entscheidenden Grundsatz der Vertrauenswürdigkeit der Eintragungen, der die Sicherheit bei geschäftlichen Unternehmungen garantiert. Er drückt zugleich die Überzeugung aus, daß allein die vom Grundsatz der Gerechtigkeit getragenen Handlungen den Lebensunterhalt oder modern ausgedrückt, den Geschäftserfolg garantieren. Die Devise, daß alles Tun das Vertrauen in Gott ausdrücken und die menschliche Sterblichkeit bedenken möge, verleiht der Absicht, durch das neuangelegte Buch das Gesetz und die gerechte Ausgleichung der Verbindlichkeiten zu sichern, zusätzliche Überzeugungskraft. Auf jeder Lage des Buches wendet sich Nikolaus Bartlme zu Gott als den Garanten für die Verläßlichkeit der Eintragung. Die für die einzelnen Partner reservierten Saldi eröffnet er mit der Invokation "Laus deo omnipotenti semper". Mit der Anrufung Gottes läßt er auch Eintragungen über Zahlungen an Gläubiger beginnen und das Zeichen des Kreuzes ist oft auch am Beginn der einzelnen Seiten zu finden. Der christlichen Moral, zu der er sich durch diese Art der Buchführung bekennt, entspringt auch sein Bekenntnis zur Pflicht, dem Nächsten und insbesondere dem Armen zu helfen. Belege über konkrete Manifestationen dieser christlichenNächstenliebe sind indiesem Handelsbuche allerdings nicht zu finden. Im Einklang mit der hohen Einschätzung des Handelsbuches auf moralischem und rechtlichem Niveau steht die Tatsache, daß Nikolaus die Eintragungen lange Zeit mit eigener Hand tätigte. Ab dem Jahre 1565 macht sich im Buch im verstärkten Maße eine weitere Schreiberhand bemerkbar. Aus Eintragungen im Handelsbuch sowie einer Erwähnung im Budweiser Testamentenbuch ist ersichtlich, daß Nikolaus im Geschäft einen Helfer Sebald beschäftigte, weshalb vermutet werden kann, daß sich dieser an der Führung des Buches beteiligte. 1567 finden sich auch Eintragungen von dritter Hand. Das Feld der Vermutungen, wem diese gehört, ist weit. Ist es die Hand jemandes, der die Geschäfte führte, d.h. Ursulas, oder aber eines Mannes, dem sie mehr vertraute als Sebald? Die Ichform der Eintragungen in Verbindung mit den Angaben der einleitenden Worte, wo sich Nikolaus Bartlme zur Verantwortung für die Forderungen der Gläubiger bekennt, erlaubt die Feststellung, daß das Recht der geschäftlichen Disposition bei Nikolaus lag. Durch ihn wurden auch die Eintragungen des Helfers autorisiert, die dieser wahrscheinlich nach Diktat oder nach den vom Prinzipal vorbereiteten Zetteln tätigte. Diese Autorisierung der Eintragungen, wie sie Nikolaus Bartlme in den einleitenden Worten niederschrieb, wurde durch keine einzige weitere Eintragung in Frage gestellt. Ausgehend von dieser Autorität bekannte sich auch die Witwe zweifelsohne zu den Verbindlichkeiten und Forderungen ihres Mannes. Für sie waren die Eintragungen der Forderungen ebenfalls verbindlich. Nachdem sich Nikolaus im Laufe der Zeit mehr zum Gläubiger als zum Schuldner entwickelt hatte, drängte sie vor allem auf die Lieferung von bereits angezahlten Waren.

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