Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

OBERÖSTERREICH UND DIE DONAUSCHULE Dr. Kurt Holter Die Kunst der Donauschule 1490—1540 Dr.Benno Ulm Der Altar von Waldburg Dr. Anton Legner Zur Plastik des Donaustils im Land ob der Enns Rudolf Walter Litschel Dem Lebendigen fremd — und doch dem Lebendigen ganz verbunden. Silhouetten zur österreichischen Dichtung in der Zeit des Donaustils Dr. Kurt Holter Der Monogrammist A. A. und der Meister der Kremsmünsterer Katharinenlegende Dr. Rupert Feuchtmüller Die Architektur des Donaustils und die Besonder heiten der Hütte von Steyr Prof. Otfried Kastner Oberösterreichische Eisenkunst im Stile der Donau schule Dr. Franz Fuhrmann Meister Gordian Guckh von Laufen Schriftleitung: Dr. Otto Wutzel Umschlag: Detail aus den Werktags seiten eines Märtyreraltares vom Mei ster der Historia (Niclas Preu) in Sankt Florian (hl. Stanis'aus von Krakau wird beim Altare erstochen). Halbjahreszeitschrift — Kunst, Geschichte, Land schaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr, 13. Jahr gang, Heft 12, Sommer 1965. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Ober österreichischer Landesverlag; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Dok tor Otto Wutzel, sämtliche Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21. — Druck: Oberösterreichischer Lan desverlag Linz. — Einzelverkaufspreis: S 28.—, Jahresabonnement für 2 Hefte S 48.— exkl. Porlo.

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KURT HOLTER Die Kunst der Donauschule 1490 —1540 Der Name Donauschule wurde im Jahre 1907 von dem heute hochbetagt in München lebenden Kunsthistoriker Dr. Her mann Voß in eine Diskussion geworfen, in der fast gleich zeitig auch der Begriff des „Donaustiles" verwendet wurde. Er sollte auf eine Gruppe von Gemälden, Zeichnungen und Graphiken hinweisen, deren Entstehung im Gebiete der Donau zwischen Ingolstadt und Wien festgelegt worden war. Wenn wir von einer Problematik dieses Stiles sprechen, so gilt dies in mehrfacher Hinsicht. Die zeitliche Abgrenzung ist ziemlich einhellig auf die ersten vier Jahrzehnte des 16. Jahr hunderts anerkannt, das letzte Dezennium des 15. Jahrhun derts schuf wichtige Grundlagen hiefür. Knapp nach dem Jahrhundertwechsel erfolgte eine fast explosive Ausbildung der wesentlichen Eigenheiten, die das „Mittelalter" weit hinter sich ließen, die nächsten Jahrzehnte brachten die Höhepunkte, um dann allmählich zu verflachen. Um die Mitte des 16. Jahr hunderts sind zwar in einzelnen Schichten noch Wirkungen zu verspüren, dann ging die Entwicklung jedoch in einen oft mals steifen Manierismus über, der den „Sturm und Drang" der Frühzeit gänzlich vermissen läßt. Ein sehr wesentliches Problem kann mit dem Versuch einer örtlichen Abgrenzung angedeutet werden. Es zeigt sich zwar, daß die Kunst in Regensburg und Passau, in Salzburg, im Bereiche des heutigen Ober- und Niederösterreich, und hier vor allem in Krems und Wien, von dieser geistigen und stili stischen Bewegung so sehr ergriffen war, daß daneben kaum eine andere künstlerische Entwicklung festgestellt werden kann. Aber diese Bewegung dringt darüber hinaus in die Steiermark vor und in Böhmen und Mähren ein, sie erfaßt die Künstler in Ungarn und in der Slowakei, ja sogar in Siebenbürgen; ebenso ist sie auch im Westen verbreitet. Die Frage, ob die Entwicklung in Tirol um den maximilianeischen Hofkünstler Jörg Kölderer die Voraussetzung für den neuen Stil geschaffen hat, hat lange Zeit die Geister bewegt. Auch in der Schweiz, am Ober- und am Niederrhein finden wir Künstler, die von den gleichen Vorstellungen bewegt sind und manchmal von den Meistern entlang der Donau inspiriert erscheinen. Nach Norden zu ist Oberfranken trotz der Nähe von Nürnberg, sind Gruppen in Mitteldeutschland, ja ist die lübische Kunst von einzelnen „Donauschul"-Meistern mitbestimmt worden. In letzter Zeit — und diesem Anliegen gilt besonders die Ausstellung des Jahres 1965 — hat die Problematik dadurch eine bedeutende Erweiterung erfahren, daß man feststellen konnte, daß nicht nur die malerischen und graphischen Künste, sondern auch das Gebiet der Plastik von diesem Stil ergriffen worden ist, und daß auch die Baukunst, die gotische Architek tur, Formen aufweist, die sie aufs engste mit dem neuen „Kunstwollen" verbinden. Bei der Plastik mag es sehr nahe liegend sein, da die großen künstlerischen Aufträge der Zeit, insbesondere die Flügelaltäre, in gemeinsamer Zusammen arbeit von Malern und Bildschnitzern gefertigt wurden. Es ist oftmals nicht oder nur sehr schwer möglich, die Beteiligung einzelner Künstler sicher voneinander zu scheiden. Bei der Architektur freilich ergeben sich Probleme, die an die Grund lagen des Donaustiles greifen. Einzelne seiner Elemente, z. B. die Landschaft und ihre Einbeziehung in die Kunst, können auf die Architektur kaum übertragen werden. Andere, wie das Ornament, oder die grundsätzliche Entscheidung zwischen den alten, den „gotischen" Formen und den neuen, rasch vom Süden vordringenden Renaissanceornamenten, bzw. ihre oftmals zu beobachtende Durchdringung, all das stellt die Forschung vor interessante, noch nicht endgültig ent schiedene Fragen. Wir möchten nunmehr versuchen, das Wesen, die stilistischen Eigenheiten der Donauschule zu umreißen. Die Kunstwerke der Donauschule heben sich aus der reichen Fülle der sie umgebenden Kunstströmungen durch einige bestimmte Ele mente ab: durch die Verwendung der Landschaft, die beson dere Ausdruckskraft der Darstellungen, durch die Linie und durch die Farbe. Die Entdeckung der Landschaft für die Verwendung in der bildenden Kunst hat mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts einen Höhepunkt erreicht. Sie war gewiß in früheren Zeiten, z. B. ein Jahrhundert zuvor, in Süddeutschland oder noch früher von italienischen Künstlern aufgegriffen worden, aber sie blieb im Hintergrund, Staffage, im besten Fall ein beglei tender, lyrischer Effekt. Um und nach 1500 wird dies anders. Immer wieder werden landschaftliche „Porträts", Stadt- und Burgansichten, in die Altarbilder hineingestellt; Dürer geht noch weiter. Es ist allgemein bekannt, daß er von seiner Italienreise eine Anzahl von Landschaftsskizzen mitgebracht hat, die allein für sich stehen können. Die Landschaft der Donauschule ist in der Entwicklung noch weiter akzentuiert worden. Auch sie steht oftmals für sich allein, sowohl in graphischen Blättern als auch auf Tafelbildern. Aber sie verharrt nicht in der Naturtreue, sie wird ein hervorragender Ausdrucksträger. Sie wird zu einem der bemerkenswertesten Elemente des neuen Stiles, gleichgültig ob sie als Hintergrund auf den verschiedenen wichtigen Porträts auftritt, wie sie die Donauschule mit Vorliebe geschaffen hat, oder ob sie heiliges, oftmals auch mythologisches Geschehen umrahmt und in ihrer Wirkung verstärkt. Es ist nicht ein Baumschlag ge meinhin, was man auf diesen Blättern findet, oft sind es Weiden, noch häufiger Lärchen oder Fichten, Bäume, deren Zweige und Äste vom Stift des Zeichners wie von einem innerlichen Sturm erfaßt werden. Manchmal, besonders bei den Hauptmeistern, treten wir vor Landschaften hin, die mit diesem einfachen Wort gar nicht mehr erfaßt werden können. Es handelt sich um eine Weltschau, um Darstellungen, die man getrost als kosmisch bezeichnen darf, da viel mehr in ihnen zu finden ist, als eine Ansicht von dort und damals. Wenn damit die Ausdrucksgewalt ins Treffen geführt ist, so darf man bemerken,daß diese überhaupt für die Werke dieses Stiles als ein Hauptmerkmal zu bezeichnen ist. Sie hat zweifel los ihre Zeitgenossen erfaßt, und wir verspüren sie noch heute, nach den vielen seither vergangenen Jahren. Dies gilt auch für die vielleicht äußerlichste Schicht, für die Gewänder, deren Falten nun nicht mehr wie zur Zeit der Gotik Stilmittel und oftmals Ornament, sondern die wiederum zu Ausdrucks trägern werden. Hier schießen sie wie Orgelpfeifen in Paralle len auf und nieder, dort machen sie in auffallenden Bre chungen und vielfachen Farbeffekten die großen Schwünge irreal und unwirklich. Man kann sie nicht leicht auf einen Nenner bringen, wie überhaupt die Donauschule voll von Widersprüchen und Gegensätzen ist. Die Ausdrucksgewalt ergreift alle agierenden Menschen, die Heiligen ebenso wie die Schergen. An diesen, oftmals aber auch an jenen wird der Abgrund des Menschen in derben Fratzen und wilden Gesten in unübertrefflicher Weise sym bolisiert. Gewiß ist auch die bürgerliche Malerei der Mitte

'ü, r ■ JmrP'W^y, mti'P^ >.Ä/, ■ (Psfn ■) !1!)^ ß ..ßh - f ' « L . iv Hi Wolf Huber, Hügellandschaft mit Kirche, 1536, in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett Foto: Deutsche Fotothek Dresden des 15. Jahrhunderts schon weit in dieser Richtung vorge stoßen. Die Expressivität, ein Element, das die Expressionisten unseres Jahrhunderts stets so sehr verwandt empfunden haben, die Expressivität der Donauschule scheint uns den innerlichen Sturm in jener Epoche anzudeuten, der dazu ge führt hat, daß damals die alte Kirche zerbrach. Die Farbe als dritter fJauptakzent in dieser Kunst bedarf der unmittelbaren Anschauung, wozu ja die Ausstellung in Sankt Florian dienen soll. Auch sie ist voll Kraft und voll von Widersprüchen, voll Zartheit und Lyrik, aber sie strotzt auch von Lichteffekten, deren Konzentriertheit mit ihrem Nieder gang für lange Zeit unwiederholbar scheint. In ähnlicher Weise könnte man von den Werten der Linie und der Aus druckskraft des Strichs in Zeichnungen und Holzschnitten berichten, die mit durchaus vergleichbaren Elementen auch die Vollplastiken der Hauptmeister bestimmt haben. Die ersten Anfänge des neuen Stiles haben sich um Wien gruppiert, daneben um Krems und Klosterneuburg. In Wien war es der junge Lucas Cranach, der in Malerei und Graphik bahnbrechend voranging. In mehreren Porträts aus dem Kreis der Wiener Universitätslehrer sowie in kleinen religiösen Darstellungen hat er die neue Auffassung vorgelegt, die sehr bald in die Breite wirken sollte. Seine Graphik, die zum Teil mit der schwarzen Kunst, mit dem Buchdruck, eng verbunden ist, hat dazu beigetragen. Einige seiner Holzschnitte wurden zur Ausstattung von liturgischen Büchern verwendet, die der Wiener Drucker Winterburger für die Passauer Diözese an fertigte. Da diese ganz Ober- und Niederösterreich umfaßte, kann mit einer erheblichen Streuung gerechnet werden. Wie wir diesen Büchern weiter entnehmen können, fand der neue Stil allmählich auch bei anderen Meistern der Graphik Ein gang, so daß er im Laufe eines Jahrzehntes durch diese Buch holzschnitte im ganzen Land verbreitet wurde. Da Winter burger mit den gleichen Zierbuchstaben und Holzschnitten auch seine Drucke für die Diözesen Salzburg, Olmütz und Gran ausstattete, blieben sie ebenso dort nicht unbekannt. Es ist demgegenüber irgendwie kennzeichnend, daß Cranach selbst, nachdem sein kurzer Wiener Aufenthalt beendet war und er sich nach Sachsen begab, dem Donaustil in seiner ganzen Dynamik entzogen und ihm in seiner späteren Zeit nicht mehr zugerechnet werden kann. In Klosterneuburg ist es der Passauer Meister Rueland Frueauf der Jüngere, dem in seinen Tafeln für den Leopoldsaltar des Chorherrenstiftes besonders reizvolle Landschaftsszenerien geglückt sind. Im Gegensatz zur Dramatik von Cranachs frühen Werken ist bei Frueauf der Lyrismus vorherrschend, auch die Farbe bleibt zart und abgetönt. Wir sehen also schon an diesen beiden Meistern den Zwiespalt der Donauschule vorweggenommen. Auch bei Frueauf ist die Tätigkeit im Rahmen des neuen Stiles sehr kurz, es sei denn sein Oeuvre könnte für die Spätzeit noch erweitert werden. Vielleicht kann die Ausstellung in dieser Hinsicht Ergebnisse bringen. Der dritte dieser Meister der ersten Stufe der Donauschule ist Jörg Breu aus Augsburg, der im Rahmen einer Kremser Werk statt tätig war. Nach kurzer, aber bedeutender Wirksamkeit im Donauland, wir nennen die Altäre in Melk, Herzogenburg und Zwettl, kehrte auch er in seine Heimat zurück und schwor ebenfalls dem ungestümen Ausbruch seiner Jugend im wesentlichen wieder ab. Seine Donauschul-Altäre, d. h. ihre Tafelbilder, bezaubern einerseits durch ihre treffliche Natur beobachtung, andererseits sind ihre Passionsszenen von einer unerhörten Drastik und von wirkungsvollster Gestik erfüllt. Er ist darin noch weit über Cranach hinausgegangen und hat damit für die späteren Meister die Bahn frei gemacht.

' Ö r;- \ IV® ii ""i c^::^ -w — • L'.. ae-^. Iii.. % ^ Umkreis Wolf Huber, Tod und Himmelfahrt Mariens, Kupferstichkabinett des Wallraf-Richartz-Museums Köln Foto: Rheinisches Bildarchiv

Hans Wertinger, Pyramus und Thisbe, Herzog-Anton-Ulrich-Mu seum Braunschweig Der nächste der großen Meister, die hier genannt werden müssen, ist Albrecht Altdorfer aus Regensburg. Mit Recht wird er als die überragende Künstlerpersönlichkeit des Donau stiles angesehen. Auch für ihn, wie für die drei vorgenannten Meister, sind Aufenthalte in Österreich schon im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts nachgewiesen oder für seine künstlerische Entwicklung als notwendig postuliert worden. Als früheste Werke seiner Hand gilt eine Serie kleiner Holz schnitte, die aus Mondsee überliefert sind. Freilich sind sie erst um 1530 daselbst verwendet worden. Eine Begegnung mit Michael Fächers Hauptwerk, dem Altar von St. Wolfgang, wird aus dem Nachklang dieser Schöpfung in Altdorfers Werk schon für die frühe Zeit als schlüssige Notwendigkeit ange nommen. Bereits um 1509 — so lautet die neue These, ver treten von Prof. Dr. Winzinger, Regensburg, die im Aus stellungs-Katalog dargelegt wird — hat Altdorfer mit den Arbeiten für den großen Sebastiansaltar für St. Florian be gonnen. Die Tafeln dieses Altars sind für die Ausstellung im Marmorsaal des Stiftes in der ursprünglichen Kompo sition der farbenmächtigen Einzelstücke zusammengestellt worden. Man will damit zeigen, daß dieses gewaltige, durch den Propst Petrus Maurer in Auftrag gegebene Werk den anderen weltberühmten Werken jener Zeit auch als Gesamt heit durchaus gewachsen war. Die Tätigkeit Albrecht Altdorfers auf dem Gebiete der Malerei, der Zeichnung, des Kupferstichs und des Holz schnittes ist durch Monographien bedeutender Kunsthistoriker eingehend erforscht und wird in vielen Einzelfragen lebhaft diskutiert. Fast zur selben Zeit, in der Altdorfer erstmals in Österreich war, ist auch Wolf Huber, an künstlerischer Kraft und Wirk samkeit ihm kaum nachstehend, im Lande gewesen. Wolf Hubers Heimat wird in Vorarlberg gesucht, später war er in Passau ansässig und dort sowohl als Maler als auch als Baumeister am bischöflichen Hofe tätig. Seine früheste Land schaftszeichnung zeigt den Schafberg, von Mondsee aus ge sehen. Der Beitrag Wolf Hubers zur Donauschule fällt später als die entscheidenden Anregungen Altdorfers. Beiden ist die Einwirkung durch die Graphik gemeinsam, die nun nicht durch den Buchdruck, sondern durch Bilderfolgen ausgeübt worden ist. Es darf übrigens hier vermerkt werden, daß auch Dürers Graphik, vor allem in seinen Passionsfolgen, von den Kleinmeistern der Donauschule häufig verwendet worden ist. Daß hier nicht der Dürersche Stil, sondern die lokalen Eigenheiten durchgedrungen sind, zeigt, wie sehr der neue Stil die Meister unseres Landes erfaßt hat. Wolf Huber ist als Künstlerpersönlichkeit niemals vergessen worden. Dennoch war es möglich, erst kürzlich große Teile seines Feldkircher Altares wieder aufzufinden, für die die Ausstellung einen Ausschnitt bringen wird. Weitere Tafeln seiner Hand werden aus München, Dublin, aus Kremsmünster und aus den Beständen von St. Florian gebracht, um nur einige Beispiele zu nennen. Neben diesen Meistern, deren Ruhm, wie schon angedeutet, niemals ganz verblaßt ist, kommen solche zur Darstellung, deren Namen unbekannt bleiben oder in kunstvollen Hypo thesen erschlossen werden müssen. Zeitlich vor Wolf Huber liegt die Tätigkeit eines Meisters, dessen Hauptwerk sich seit kurzem im öberösterreichischen Landesmuseum in Linz be findet. Weitere Werke aus der Münchener Pinakothek, derzeit in Regensburg aufbewahrt und in internationalen Sammlun gen, zum Teil der USA, zeigen den Wert, den man den Schöpfungen seiner Hand beimißt. In der Wucht seiner Figu ren knüpft er bei Cranach und Breu an, geht aber noch weit darüber hinaus, während die Landschaft von ihm nicht immer im gleichen Maße verwendet worden ist. In mancher Hinsicht ist ihm ein weiterer Meister anzureihen, der ebenfalls zu den künstlerischen Hauptstützen der Donau schule gerechnet werden muß. Er ist als „Pulkauer" Meister bekannt geworden (obwohl an dem Altar von Pulkau drei oder vier Hände zu unterscheiden sind) oder auch als „Meister der Historia", da er eine Lebensgeschichte Fried richs III. und des jungen Maximilians mit Zeichnungen ver sehen hat. Neuerdings hat ihn Fritz Dworschak mit dem in Krems und Wien tätigen bzw. nachweisbaren Niklas Freu identifiziert. Um diesen Meister gruppieren sich verschiedene Werke und verschiedene Hände. Auch nach der jüngsten großen Veröffentlichung, dem Buch „Die Malerei der Donau schule" von Alfred Stange (1964), werden manche der dort vertretenen Gruppierungen umstritten bleiben. Gerade dieses Buch zeigt die Bedeutung der Diskussion, die hier anzu knüpfen hat. Für die Heimat und den Tätigkeitsbereich dieser Meister kommt nach den erhaltenen Werken vor allem der Donau raum einschließlich des Alpenvorlandes von öberösterreich bis über Wien hinaus in Frage. Die besondere Rolle, die dabei das Stift St. Florian gespielt haben muß, kann nur angedeutet oder vermutet werden. Tatsache ist, daß von den maßgebend-

ItÄo iw) 17- iramrtgö naai ßin^mart tnibr tan ifiitrftwlin Iw fiisMnff w taria 7afab iiöl iY)grr«nMltfr5iiiQffa^^ kMijffPt Jusj"'® tPil^ S"inisSi-"' ■ Wolf Huber, Epitaph der Familie des Passauer Bürgermeisters ]akob Endl (1517), Benediktinerstift Kremsmünster. Foto: Alfons v. d. Hove sten Meistern und aus ihrer Umgebung eine Fülle von Bildern in und durch dieses Stift auf uns gekommen ist. Eine zweite Gruppe von Werken läßt sich danebenstellen, die sich heute vorzugsweise in den Stiftsgalerien von Krems münster und Seitenstetten befinden. Ihrer kulturellen Bedeu tung nach und wegen der Lage dieser Galerien scheint sich für einen Teil dieser Tafeln Steyr als Sitz einer bedeutenden Werkstatt anzubieten. Freilich gehen wichtige Verbindungen auch nach Wels, wo nicht nur zahlreiche Nachrichten über Maler aus jener Zeit, sondern von wo sogar Bilder erhalten geblieben sind, deren Lokalisierung gesichert ist. Daß daneben die niederösterreichischen Stifte als Auftraggeber und manche der niederösterreichischen Städte als Sitze von Malerwerk stätten in Betracht kommen, haben wir schon vorne an gedeutet. Auch für St. Lambrecht in der Steiermark und seine Bemühungen um den ihm unterstehenden Wallfahrtsort Mariazell gelten die gleichen Grundsätze. Zweifellos zeichnet sich hier eine Struktur ab, die in ihren Einzelheiten noch zu klären ist, zu deren Erkenntnis aber die Ausstellung in Sankt Florian in hohem Maße beitragen kann. Die Bedeutung der Problematik mag dadurch belegt werden, daß zahlreiche Bei spiele dieser Kunst aus unserem Räume heute über die ganze Welt diesseits und jenseits des Ozeans verstreut sind. Die gleichen Voraussetzungen und die gleichen Auswirkungen müssen für die Nachbarländer angenommen werden. Auf dem Programm der Ausstellung stehen Tafelbilder, Überreste von ehemaligen Flügelaltären, die aus Mähren, aus der Slowakei und aus Ungarn, ja aus Siebenbürgen stammen. Sie sind heute vorwiegend im Besitze der großen staatlichen Sammlungen unserer Nachbarstaaten. Wenn hier vorzugsweise von Tafelbildern die Rede war, so gilt ein Gleiches für die Zeichnungen, von denen aus der Donauschule sowohl von den bekannten Meistern als auch von umstrittener Zugehörigkeit eine sehr beträchtliche Anzahl erhalten blieb. Ein besonders interessantes Teilgebiet ist die Buchgraphik, auf die wir schon einmal kurz hingewiesen haben. Die Buchmalerei verliert in dieser Epoche ihre eigent liche Bedeutung,die sie während aller Jahrhunderte des Mittel alters als Herzstück der künstlerischen Entwicklung innehatte. Sie blieb zwar in den Werkstätten der Briefmaler am Leben, welche für die künstlerische Ausstattung von Urkunden sorg ten. Teilweise sind auch Werke anderweitig bekannter Meister in handgeschriebenen Büchern erhalten, dann freilich meist in solchen, die für reiche Liebhaber, vor allem aber für den Hof angefertigt wurden. Daß hier Kaiser Maximilian 1. an erster Stelle zu nennen wäre, scheint sich von selbst zu verstehen. Für die Graphik, die sich sehr bald mit der Buchdruckerkunst verband, können aus Regensburg und Wien bedeutende Entwicklungen namhaft gemacht werden. Passau hat dafür in dieser Zeit weniger Bedeutung erlangt. In Regensburg ist es Michael Ostendorfer, der im zweiten Viertel für die Aus stattung vieler Regensburger Drucke mit Holzschnitten her angezogen wurde und dabei im Rahmen der Donauschule bleibt. In Wien ist die Auswirkung der Graphik in der Offizin Johann Winterhurgers, den wir schon nannten, viel lebhafter und abwechslungsreicher als bei Singriener und Vietor. Freilich hat man diesem Gebiet in den letzten Jahren verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt, und es ist zu erwarten, daß eine neuerliche Durcharbeitung des seinerzeit von Hedwig Gollob publizierten Materiales neue Gesichtspunkte ergeben wird. Eine eigene Abteilung ist in St. Florian der Architektur gewidmet. Nun versteht es sich von selbst, daß man Bauwerke als solche nicht zu einer Ausstellung bringen kann. Man muß daher, wie dies in ähnlichen Fällen schon mehrfach ver sucht worden ist, durch Risse und Modelle und durch foto grafische Wiedergaben die wichtigsten Denkmäler und ihre Eigentümlichkeiten der Öffentlichkeit vorlegen. Da die Aus stellung in einem Herzlande des Stiles stattfindet, kann man die gewonnenen Erkenntnisse an den nahegelegenen Bau werken überprüfen.

Kopf eines Bärtigen, 1511, Herzog-Anion-Ulrich-Museum Braun schweig, von F. Winzinger jüngst Georg Lemherger zugeschrieben (F. Winzinger: Unbekannte Zeichnungen Georg Lembergers, in: Zeitschr. des Deutschen Vereins f. Kunstwissenschaft, Bd. XVlll, H. 3l4, Berlin 1964) Eine Hauptgruppe dieser Baudenkmäler gehört zu jenen Bauten, die nach den Forschungen von Götz Fehr von nieder bayerischen Entwicklungen ausgingen und in Wien und in Böhmen zu großer Blüte gelangten. Bauten in Prag und in Kuttenberg, in unserer nächsten Nähe in Freistadt, in Königs wiesen und Weistrach können hier genannt werden. Eine andere Gruppe scheint von Steyr aus geschaffen worden zu sein. Ihre Bauten in St. Valentin und Krennstetten, in Thalheim bei Wels und andern ländlichen Orten verraten neue Prinzipien, die in ihrer Struktur dem nahestehen, was man in anderer Weise auf den Tafelbildern dieses Stiles fest stellen kann. Die Parallelen mögen zum Teil in struktureller Verwandtschaft mehr als in äußeren Formen beruhen. Die äußeren Formen hinwiederum finden sich in Gewölbefigurationen in Ingolstadt oder in Bauformen in Regensburg usw., so daß sich auch hier, gegensätzlich in vielen Details wie bei der Malerei, der Einblick in eine interessante Phase der „Endgotik" ergibt, die man berechtigterweise der Donau schule zurechnen kann. Ebenso neu und von grundsätzlicher Bedeutung ist die Ein reihung bestimmter Gruppen plastischer Kunstwerke aus unserem Raum in den Begriff der Donauschule. Ein Versuch dazu wird auf Grund umfassender Forschungen von Anton Legner, Frankfurt a. M., im Rahmen dieser Ausstellung, jedoch wegen der Vielzahl der auszustellenden Objekte räum lich getrennt, und zwar im Westtrakt des neuen Linzer Schloßmuseums, unternommen. Dieser Teil der Ausstellung verspricht nicht nur eine geschlossene künstlerische Schau, sondern auch bedeutsame wissenschaftliche Ergebnisse. Wie bei der Architektur scheint auch hier manches der Grund elemente des Donaustiles, die Farbe, die Landschaft, als ge meinsames Glied zu fehlen. Nun war aber die Plastik jener Zeit grundsätzlich auch farbig, und die Landschaft werden wir in den Reliefs der Flügelaltäre in überraschender Weise ebenso in die Plastik, in die Holzschneidekunst übernommen finden. Für die Linie haben wir schon vorne auf die Faltenlinearität als Gegenstück aufmerksam gemacht. Die Plastik der Donauschule kreist um zwei Zentren hoher künstlerischer Potenz, sie ist daneben freilich in unzähligen Händen und vielen Werkstätten, oft in unmittelbarer Zusam menarbeit mit der Malerei, zur Tatsache geworden. Der Landshuter Meister Hans Leinherger hat 1932,in einer großen Ausstellung und einem daraus erwachsenen Buch von Georg Lill (1942) eine erste Würdigung erfahren. Die Einbindung in die Donauschule und die dazu notwendige wissenschaftliche Begründung soll nunmehr erfolgen. Viel weniger bekannt ist hingegen der Salzburger Bildschnitzer 1. F., von dem wir nur das Monogramm kennen, während wir über seinen Namen vorläufig noch Vermutungen anstellen müssen. In der Welt der Kenner ist er freilich schon seit langer Zeit ein Begriff. Sein Werk, unter dem sich zahlreiche Kabinettstücke befinden, ist demgemäß über ganz Europa, von Rom bis nach Leningrad, verstreut. Ein weiterer Salzburger ist Andreas Lackner, da gegen bleiben die Namen in Oberösterreich anonym, die Wiener Entwicklung wird an einigen der Hauptbeispiele dar gestellt. Ein Überblick über die Ausstellung „Die Kunst der Donau schule" wäre unseres Erachtens unvollständig, wenn man nicht wenigstens mit einem kurzen Seitenblick die soziologische Komponente streifen würde. Wir haben schon vorne auf die Zeitparallelität des Ausbruchs der Reformation hingewiesen. Wir möchten aber auch an die Bauernkriege erinnern. Aus SB« anderen Gebieten, z. B. aus Würzburg, wissen wir, daß dort bedeutende Meister diesem Ausbruch ihren Beistand geliehen haben. Für die österreichischen Länder fehlen noch entsprechende Unterlagen, vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil die meisten der beteiligten Künstler anonym, als Persönlich keiten im Dunkel bleiben. Vielleicht haben wir manche von ihnen im Stande der Gesellen, in der Schicht der unbehausten Maler zu suchen, die uns aus allen Quellen entgegentritt. Eine unmittelbare Parallele zu dem ungemein fluktuierenden niederen Klerus scheint sich hier zu ergeben, welcher bekanntermaßen die Ideen der Reformation so rasch aufgegrif fen hat. Auch hier liegt viel Neuland für die Forschung vor uns. Aber auch dieser Aspekt erweist, daß die Kunst der Donauschule eine Kunst des Überganges ist, durchtränkt vom Mittelalter und erstrahlend im Licht einer neuen Entwicklung. Intuitiv mag man hier Parallelen zur heutigen Zeit erkennen. Vielleicht ist dies mit ein Grund dafür, daß man heute diese Kunst als so aktuell empfindet.

m i / M Georg Lemberger, Landsknecht mit Marketenderin und Hund, Stiftung Preußischer Kulturhesitz, Staatl. Museen, Berlin-Dahlem, Kupferstichkahinett Foto: Steinkopf

BENNO ULM Der Altar von Waldburg Mittelalterliche Frömmigkeit schuf das Gesamtkunstwerk des spätgotischen Altarretabels. Ihm kamen die besten Kräfte des Gottesdienstes zugute. An der Stätte des Meßopfers spiegelte es den Ablauf des Kirchenjahres: Bevorzugt wurde das Leben Christi, das in der Passion gipfelt und mit dem Programm des Marienlebens verschmolzen wurde. Die Patrone der Kirche oder des Altares, der Landschaft oder der Gemeinschaft, die speziellen Fürbitter und die Letzten Dinge fanden an diesem Werk aus Architektur, Plastik und Malerei sowie des Kunst gewerbes ihren Platz der Verehrung. Dome und Dorfkirchen nahmen den Flügelaltar unterschiedlos auf, Bischöfe und Bauern,Zünfte und Orden stifteten ihn gleichermaßen. Eine lange Tradition der handwerklichen und formalen Aus bildung hatte er bereits hinter sich, als um die Mitte des 15. Jahrhunderts seine letzte und größte Phase begann. Die besten Künstler des deutschen Volkes prägten die gültige Form des Flügelaltares; erst im 16. Jahrhundert bildete ein neues Kunstwollen, die Donauschule, einen neuen Typus aus. Dessen bildhafter Charakter (Mauer bei Melk, Altmün ster, Gebertsham, Zwettl-Adamsthal) setzte sich aber in kon servativen Werkstätten nicht immer durch. Daß es trotzdem auch am überlieferten Altarschema verschiedene Grade einer Übernahme der neuen Kunstübung gab, ist am Hochaltar von Waldburg nachzuweisen, wobei das Wesen der Donaukunst, ihr Formengut und ihre geistige Grundlage, stets neu zu be stimmen sein werden. Das Schaffen der Altarwerkstätten im Unteren Mühlviertel — und darüber hinaus in Südböhmen und im Waldviertel — beeinflußt bis zum Ende der gotischen Kunstübung der Genius des großen unbekannten Meisters von Kefermarkt. Die Werk statt von Freistadt, aus der neben den Altären von Wald burg u. a. auch das Retabel von St. Michael ob Rauhenödt und ein Altärchen in Freistadt hervorgegangen sind, bedient sich weiterhin seines Formenschatzes und seiner Charaktertypen. Davon legen auch Einzelwerke und Altarreste Zeugnis ab, die sich z. B. im Linzer Schloßmuseum, im Stifte St. Florian, aber auch in Privatbesitz befinden. Vielfach ist die Herkunft aus der weiteren Umgebung von Freistadt überliefert. Diese Hinweise gelten allerdings nur für Skulpturen; die Tafel bilder des Kefermarkter Altarwerkes wurden bei seiner Ret tung durch Adalbert Stifter vernichtet. Die überkommenen Malereien dieser Werkstatt lassen schwer ein Bild von deren ursprünglicher Qualität gewinnen. Die Faßmalerei vieler Skulpturen und Reliefs erlaubt aber gewisse Rückschlüsse auf die vergangene Farbigkeit des Altares. Von größerer Wichtig keit scheint es aber zu sein, mit Hilfe der Werkstattarbeiten tiefer in die Kunst des Hauptmeisters von Kefermarkt ein dringen zu können. Aus diesen Wechselwirkungen und dem Netz von Beziehungen ergibt sich dann die Dichte der Ab hängigkeit oder der Öffnung der Werkstatt für neue Ein flüsse, die dort ihren Niederschlag fanden. Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß die drei Schrein plastiken des Hochaltares von Waldburg vor 1517 aus der Hand eines Meisters hervorgegangen sind; der Gewandstil der Figuren zeigt allerdings Verschiedenheiten, die bei einem vorschnellen Urteil eine falsche Reihung ihrer Entstehung nach ergeben könnten. Die Zentralfigur der Muttergottes mit dem Kinde erschiene demnach als die altertümlichste — auch der Autor hat solche Überlegungen schon niedergelegt —, dann erst wäre die liebliche Katharina und schließlich, als die modernste, die Kirchenpatronin Maria Magdalena ent standen. Die Reihung ist jedoch gerade umgekehrt. Waldburg, Oberösterreich, Pfarrkirche, hl. Katharina aus dem Schrein des spätgotischen Hochaltares Foto: Eiersebner

Das Linzer Schloßmuseum stellt die Reste des Hochaltares von St. Leonhard bei Freistadt aus, der ebenfalls aus der Nachfolgewerkstatt von Kefermarkt stammt und der 1509 datiert ist. Auch hier tragen die Schreinfiguren einen unter schiedlichen Gewandstil vor, der aber gerade wegen der min deren Qualität eine augenfällige Stilentfaltung vorführt. Der stufenweise Durchbruch des Zeitstiles wird hier schulmäßig vorgeführt. Nun ist dieser Altar wichtig als Zwischenglied von Kefermarkt zu den Nachfolgewerken; ohne ihn ist die spätere Entwicklung nicht zu verstehen. Bereits 1934 hatte Gustav Gugenbauer, der verdiente Er forscher mittelalterlicher Kunst in Oberösterreich, feststellen können, daß gewisse Teile des Altares von Kefermarkt nicht dem betont spätgotischen, scharf akzentuierten Stil des Haupt meisters folgen, sondern gegen diesen weicher und im Physiognomischen unbestimmter wirken. Es gelang ihm auch, die Ursache in einer Mitwirkung des Schwaben Gregor Erhart zu finden und zu begründen. Ober zwanzig Jahre wußte niemand mit dieser Erkenntnis etwas anzufangen. Bei der letzten Restaurierung im Jahre 1959 konnte beobachtet wer den, daß der Hauptmeister und seine unmittelbaren Mit arbeiter den Charakter der heiligen Personen sehr entschieden prägten: Die Reihe reicht vom Petrus über den Wolfgang, den Christoph, die Erzmärtyrer, das Weihnachtsrelief und gipfelt zum Schluß noch in den vielfältigen Typen der trauernden Apostel des Marientodes. Schnitztechnisch charakterisiert, er scheint diese Werkstatt durch Schärfe und starke Unterschneidungen, die die Falten fast papierdünn herausarbeiten und auch dadurch jugendlichen Figuren eine Persönlichkeit zu gesteht, ausreichend beschrieben. Anders die zweite Gruppe von Mitarbeitern, der die übrigen Reliefs und die Gesprenge figuren angehören. Besonders am Relief der Anbetung der Könige wird das Neue augenfällig: Die älteren Könige sind typisiert, die jungen Leute entbehren jeglicher Charakteri sierung, die eventuell für den Erzengel Gabriel der Ver kündigung angemessen wäre. Ein Vergleich der Gesichter der Madonnen der rechten zu den linken Flügelreliefs ver deutlicht diese Situation. Als Leitform der jüngeren schwä bischen Werkstatt können hier auch die Rillen am Hals beob achtet werden, die ebenso in Blaubeuren und an der Frauen steiner Schutzmantelmadonna auftreten. Außer in Kefermarkt arbeitete Gregor Erhart weiter in Oberösterreich zwei Apostel in St. Thomas am Blasenstein und die Madonna aus einem Altarwerk in der Schloßkapelle in Eggendorf, dessen Flügel das Linzer Schloßmuseum- ver wahrt. Diese Arbeiten erhärten die Beobachtungen Gugenbauers. Wesentlich für die weiteren Darlegungen ist die Tatsache, daß die schwäbische Werkstatt den Stil des Haupt meisters von Kefermarkt in jeder Hinsicht aufweicht. Die extreme Aufschlitzung des Blockes, wie sie der Haupt meister anwendete, wird durch einen Gegenschlag aufgehoben, der das Volumen der Figur sehr bald wieder herstellt; über einen neu gewonnenen unantastbaren Block legt sich das Faltenwerk. Augenscheinlich sprengt nun der nach außen wachsende Kern das aufgeweichte Faltenrelief, was besonders am Altar von St. Leonhard vorgeführt ist. Die zersprengten Faltenwülste schlingern unorganisch auf der Masse der Figur des heiligen Leonhard, in Waldburg auf der Barbara des linken Seitenaltars von 1520. Der Prozeß dauert also auch später noch an. In der nächsten Phase finden die Teile wieder zusammen und organisieren sich nach dem Vorbild der Plastik des 14. Jahrhunderts neu zu Schüsselfalten, wie an der Madonna des Altars von St. Leonhard zu studieren ist. Schließlich wird ein Stadium erreicht, das, zukunftsträchtig, erstmals an dem im Jahre 1509 datierten Dionysius auftritt und den Stil des Hans Leinberger und damit der bayerischen Donauschule vorwegnimmt: Die nun durchlaufenden Röhren umziehen den Leib (Kern) mandelförmig, von einem Punkt ausgehend und zu einem Punkt wieder zusammenlaufend. Eine brechende Kleinform wird bewußt in diese Röhren der Schüsselfalten eingearbeitet. Damit ist die Grundform ge schaffen, mit der Hans Leinbergers Kunst operieren wird. Die Madonna in der Pfarrkirche von Windhaag bei Perg trägt die Handschrift dieses Meisters. Nach diesem Exkurs wird es klar, daß die Maria Magdalena von Waldburg als früheste Schöpfung am Altar angesehen werden muß. Was um 1510 sich ausbildete, hat der Meister, nur geringfügig durch den Zeitstil modifiziert, hier wieder vorgetragen. Die Katharina behält das Grundgerüst weiter bei, aber neue Elemente verunklären das Bild des Faltenreliefs. Es kann festgestellt werden, daß hier eine rückläufige Ent wicklung einsetzt: Die Katharina entspricht der Madonna von St. Leonhard. Die neuen Elemente entstammen zwei verschiedenen Quellen. Rückgriffe auf das ideale Vorbild, die Schreinfiguren von Kefermarkt, bewirken wieder tiefere Unterschneidungen der Falten. Dieses Phänomen ist sonst in der allgemeinen Stilentfaltung nicht zu beobachten, aber hier durch das bezwingende Vorbild verständlich. Die Madonna selbst bewahrt nur noch Reste, gerade den Ansatz für die Schüsselfalten, dagegen treten die rieselnden Knitterungen von Kefermarkt neben den tiefen Unterschneidungen wieder und sehr deutlich auf. Das zweite Element wird als spät gotischer Manierismus erkannt. Der unantastbare Kern, also die Masse, muß aufgeschlitzt werden, um ihm Platz zu geben. Die tief unterschnittenen Gewandsäume — sie erinnern an das frühgotische Motiv von Kern und Schale — zerknüllt nun ein unsichtbarer Sturm. Der immanente Manierismus in der deutschen Sondergotik gelangt im Zeitalter der Donauschule, die diesem Prinzip besonders verpflichtet ist, zum Durch bruch. Es ist nicht die einzige Möglichkeit, in welcher er er scheinen kann. Fast gleichzeitig schnitzt ein Ennser Künstler Figuren eines Altars aus Lorch, die im Linzer Schloßmuseum gezeigt werden. Sie erscheinen wie unter der Last der reichen Paramente niedergedrückt. Der pessimistische Ausdruck, auch der Gesichter, kontrastiert hier gegen den optimistischen Manierismus in Waldburg stärker, als es die altertümliche Maria Magdalena gegenüber ihrer Nachbarin im Schrein je vermöchte. Eine andere Erscheinung an den Skulpturen ist aus heimischen Wurzeln nicht abzuleiten: Parallelfalten ziehen sich über die Brust der Maria Magdalena, raffen ihren und den Mantel der Katharina und gliedern das Tuch der Maria unter dem Kind. Dieses Element findet besondere Anwendung an den erzählen den Flügelreliefs aller Altäre in Waldburg, in St. Michael, in Freistadt, aber fast ausschließlich an den Grabsteinen dieser Zeit. Seit ungefähr 1510 hatten sich in Wien Steinbildhauer nieder gelassen, die nicht der Bauhütte entstammten. Sie kamen aus Augsburg und schufen für eine humanistisch gebildete Bestellerschicht Wandgräber und Steinaltäre und sie führten damit auch das Renaissanceornament im Südosten ein. Der Parallelfaltenstil bildete ihre Gestaltungsgrundlage. Diese gekämmten Falten standen zu Anfang gegen das Prinzip der Schüsselfalten Leinbergers. Es ergaben sich aber bald Misch formen, die bezeichnenderweise zuerst in der Steinbildhauerei auftraten. Auch Leinberger verschließt sich nicht dem Anders artigen. Allerdings muß festgestellt werden, daß die Parallel falten an repräsentativen Werken nur untergeordnet auf treten, in den erzählenden Reliefs der Flügelaltäre fast aus schließlich verwendet sind. Die Tendenz des Flimmernden, des Lichterspiels auf schmalen Graten, und damit das Prinzip der Wiederholung wie in der Architektur in Königswiesen be stimmt dieses volkstümliche Schaffen. Der innere Gehalt eines Kunstwerks ist mit seinem Falten aufbau allein nicht zu erfassen. Die Seele offenbart sich im Ausdruck des Gesichtes. Dazu trägt wiederum die Form Wesentliches bei. Die Gegenüberstellung der Mariengesichter der Reliefs in Kefermarkt ergibt, daß die des linken Flügels 10

p» M % i 1 m 7 Waldburg, Oherösterreich, Pfarrkirche, Hochaltar, Schrein mit den Statuen Muttergottes mit Jesuskind, hl. Maria Magdalena, hl. Katharina foto: Eiersebner und die der Gesprengefiguren nach einem anderen Schema konstruiert wurden: Das Oval des Antlitzes kann in ein Rechteck eingeschrieben werden. Genauso sind die Gesichter der heiligen Frauen aufgebaut. Mit dieser Feststellung ist schon die Herkunft dieses Typus erklärt: Der Werkstatt von Blaubeuren und darnach der des Gregor Erhart in Augsburg gehört dieser Gesichtsschnitt als Leitform an. Außer der Frauensteiner Schutzmantelmadonna entspricht der Waldbur ger Ausbildung besonders die nackte Maria Magdalena in Paris, die „Schöne Deutsche". Gleichzeitig aber treten die typischen Halsfalten wieder auf: Die Tradition von Kefermarkt hat den Formenschatz der Werkstatt über zwanzig Jahre konserviert, wenn nicht eine direkte Neubeeinflussung anzunehmen ist. Diese Formen vermitteln einen ganz be stimmten seelischen Ausdruck, den Ausdruck des Magdlichen, des von einem höheren Willen geprägten und ihm sich er gebenden Durchschnittsmenschen. Im äußeren Habitus ist davon nichts ausgedrückt. Nach der historischen Vorlage soll in der Maria Magdalena die vornehme Hetäre, in der Katharina die jugendfrische Königstochter und in der Mutter gottes die eben von Engeln gekrönte Himmelskönigin gesehen werden. In diesen Überlegungen findet sich der Zugang zum Wesen der Donaukunst. Die Aussage der Tafelbilder unterstreicht die Hinweise auf das Wesen der Donaukunst noch offenkundiger: Entgegen mittelalterlichem Brauch erscheint Christus auf den Passions darstellungen der Wochentagsseiten in einem blaßvioletten bis rostroten Gewand von schmutziger, unansehnlicher Farbe. Seine Feinde dagegen tragen farbenfrohe und prächtige Kostüme. Durch die Unansehnlichkeit und Erbärmlichkeit inmitten der prunkenden Umgebung wird Christus seinem Wesen nach stärker hervorgehoben, als es die scharlachrote 11

Farbgebung des Mittelalters vermochte, weil sie der Repräsen tation diente. Diese Überlegung konnte vom Autor schon früher am Altar Albrecht Altdorfers in St. Florian gemacht werden, der in den gleichen Jahren wie Waldburg vollendet wurde. Hier ist der Abstand Christi zu seinen Häschern und Richtern noch viel offenbarer. Die Ohnmacht und Ergeben heit des Menschensohnes ruft auf zum Mitleid, die Andacht vor diesen Bildern zum inneren Mitleiden. Als Kontrast auch dazu wurde der Christus der Dornenkrönung weiß gekleidet inmitten der bunten Schar der Henker. Der feierliche Augen blick der Königskrönung dessen, der von sich sagte, er sei ein König, wird auch farblich untermalt. Noch ein schlagender Beweis, daß in der Donaumalerei die Farbgebung von tieferer Bedeutung war, wurde an Tafeln sichtbar, die unlängst ins OÖ. Landesmuseum kamen. Sie stammen vom Meister des Christophorus mit dem Teufel und sind 1507 datiert. Er hat wahrscheinlich in Wels gearbeitet. Vor der Restaurierung trug Christus auf den Tafeln des ölbergs und der Kreuztragung ein leuchtend rotes Kleid. Es zeigte sich aber, daß diese Farbe erst später aufgetragen wurde, als man die Religiosität der Donauschulzeit nicht mehr verstand. Unter dem Rot fand sich nämlich die ursprüngliche, blaßblau bis violette Originalgewandung. Überdies hatte man, um das leuchtende Rot der Übermalung noch stärker zur Geltung bringen zu können, die grellen Gewänder der Knechte in gebrochenen Tönen übermalt und gedämpft. Damit wurde das gerade Gegenteil dessen erreicht, was der Donaumaler an gestrebt hatte. Die eigentlich nie aufgeworfene Frage nach den geistig religiösen Grundlagen der Donaukunst wurde dank der Forschungen Alfred Stanges eindeutig beantwortet: Die neue Kunst im Donauland gründet auf der Devotio moderna. Sie entspringt der mittelalterlichen Mystik, die hauptsächlich im 14. Jahrhundert von den Bettelorden getragen wurde. Aber auch das Volk wollte an der Heiligung teilhaben, jedoch an einer Heiligung ohne Weltflucht im tätigen Leben. Diese Laienfrömmigkeit propagierten die Augustiner-Chorherren. Alfred Stanges wichtige Erkenntnis soll weitergeführt werden, indem die Bedeutung Oberösterreichs dabei hervorgehoben wird. Das Land hatte in der Person des Chorherrn Konrad von Waldhausen besonderen Anteil an der Ausformung der Devotio moderna, wie jüngst Alfred Zerlik gezeigt hatte. Konrad wurde von Karl IV. zum Beichtvater erwählt und wirkte in Prag. Im böhmischen Raum entfaltete sich das junge Reis der Mystik sehr rasch, Rauditz an der Elbe wurde das Zentrum der Bewegung. Gleichzeitig fand die Laienfrömmig keit auch ihren Niederschlag in der Kunst. Der Meister von Wittingau bediente sich zu Ende des 14. Jahrhunderts gleicher Tendenzen wie sie hundert Jahre später die Donaukunst be stimmen: Verhäßlichung zugunsten des Ausdrucks, Hell dunkel-Malerei und weitgehende Verwendung der Landschaft. Soweit erforscht ist, strömte die neue Bewegung nach Öster reich zurück, wo die Augustiner-Chorherren-Stifte in Dürnstein und St. Dorothea in Wien ihre Propagatoren wurden. Die Devotio moderna befruchtete von hier aus in der Mitte des 15. Jahrhunderts auch den Benediktinerorden, der in der Melker Reform diesen Idealen zum Durchbruch verhalf. Mit diesen Überlegungen sollen zwei bisher offene Fragen ver suchsweise beantwortet werden. Die Klöster und Stifte des Donauraumes hatten die zugewanderten Künstler, Cranach, Breu und Frueauf zuerst, beauftragt, im neuen Geist zu schaffen. Damit löst sich auch das Rätsel, wieso gerade in den Stiften der Augustiner und Benediktiner die überwiegende Fülle aller Werke geschaffen und bis auf den heutigen Tag aufbewahrt wurde. Es ist nun nicht mehr haltbar, was der Verfasser auch vortrug, daß die Donaukunst im Mühlviertel sich kaum realisiert hätte: Nicht allein in der formalen Ausbildung, sondern ebenso im geistigen Gehalt der Werke beruht die Donaukunst. Deshalb dürfen auch die Schreinfiguren des Hochaltares und die Reliefs, Tafelbilder und Helldunkel-Malereien mit diesem Prädikat bedacht werden. Im abschließenden Maßwerkschleier des Schreines treten Ele mente auf, die in der Architektur „gekappte Rippen" genannt werden, üm 1508 verwenden die Gewölbe der Wenzelskirche in Wartberg ob der Aist dieses Motiv besonders reichlich. Schon vorher trat es in den Schlingrippengewölben des Frei städter Chores auf. Es ist aber der Forschung bisher ent gangen, daß sich dessen Herkunft aus der Holzbaukunst ab leiten läßt; auch hier vermittelt der Kefermarkter Altar das Motiv. Auf dem Relief der Verkündigung erscheinen die Bogenläufe des Gewölbes im Wohngemach mit derart sich überschneidenden und abgekappten Bogenrippen. Linzer Schutzengel Apotheke 12

Den Mantelsaum der Muttergottes bedeckt eine Abfolge von Buchstaben, die als ICH+LEIHART HINZHI DE MAISTER WOLFGANE+ ISTAH gelesen wird. Vielleicht bedeutet die Inschrift soviel wie „Ich, Lienhart, bin der Meister, Wolfgang und Eustach (sind die Gesellen)", wobei das Wort HINZHI nicht gedeutet werden kann. Im Zuge einer Bearbeitung von Urkunden des reichen Freistädter Stadtarchivs, das aber wegen der Stadtbrände von 1507 und 1516 gerade in dieser Zeit Lücken aufweist, konnten in den Ungelt- und Kammeramts rechnungen zwei Maler nachgewiesen werden. (Als Maler be zeichnete das Mittelalter vielfach auch Schnitzer, deren Arbeit damals als zweitrangig empfunden wurde; erst durch die Fassung erhielt das Werk seine Krönung. Überdies arbeiteten in der Altarwerkstatt Schnitzer und Maler, auch Tischler, nebeneinander. Der Leiter der Werkstatt hatte als Meister Bürgerrecht und erhielt von der Stadt ein Haus, wie aus anderen Fällen nachzuweisen ist.) Der eine Maler, Jörg Reichenauer, war ein wohlhabender Meister, der ein Haus im Zentrum der Stadt besaß und neben seinem Gewerbe auch mit Zwirn handelte. Er tritt nicht nur in den Ungeltrechnungen, sondern auch in den Kammer amtsrechnungen hervor. Seiner dort angeführten Tätigkeit nach war er aber nur ein Anstreicher, da ihm von der Stadt Arbeiten wie das Malen von zwei Wappen am neu errichteten Rathausturm 1522, das Anstreichen von Wetterfahnen, Brunnenbekrönungen und von Gittern übertragen wurden. Im Schätzbuch von 1557 wird nur er allein noch als Maler an geführt, was die Situation der Kunst dieser Zeit apostrophiert. Der andere Meister dagegen, Lienhart Krapfenbacher, tritt nur in den Ungeltrechnungen von 1520 hervor (sie fehlen von 1515 bis 1520). Den Kammeramtsrechnungen zufolge erhielt er von 1520 bis 1530 keine städtischen Aufträge. Er wird in ihnen nur indirekt erwähnt: 1523 „Di Reichen zwischen des Rathaus khäppl vnd linhart mallern Rawmen lassen.. und 1528 „Vom den reichen Zwischen des Maller vnd Käppi zw Rämen gebm ..." Der Meister wohnte also im heutigen Hause Hauptplatz Nr. 18, dem Gasthaus „Zu den drei Rosen". Das Fehlen öffentlicher Aufträge erweist ihn als Künstler; die Errichtung von Altären lag damals in der Hand reicher Bürger durch ihre Stiftungen und Seelgeräte und fand in den Stadt rechnungen keinen Niederschlag. Es ist interessant, daß Ignaz Nößlböck vom Steirischen Lan desarchiv, der das Freistädter Archiv Jahrzehnte hindurch be treute, oft andeutete, er wisse, daß sich die Werkstatt des Kefermarkter Altares in der Nähe der Stadtpfarrkirche etabliert habe. Einen Christoph Habich, dessen Name sich auf den Altären von Waldburg und St. Michael fand, ver merken die Rechnungen nicht. Schließlich sei vermerkt, daß es sich bei diesen Mitteilungen um vorläufige Ergebnisse der Quellenforschung handelt, da noch große Komplexe der Untersuchung harren. In der vorliegenden Studie sollte dargestellt werden, aus welchen stilistischen Strömungen sich das Werk des Wald burger Hochaltares zusammensetzt, wie weit es der Donau kunst zugehört und wie weit sich die Religiosität der Zeit in ihm realisiert hat. Immer wieder mußte die überragende Rolle des Kefermarkter Altares und die Weiterführung seiner Tradition betont werden. Entscheidend aber schien die Er kenntnis, daß nicht allein Form und Qualität über eine Zu gehörigkeit zur Donaukunst bestimmen, sondern gleicher maßen der Geist und die Religiosität der Zeit, der Besteller und der Meister. Vür Ihren Bedarf an guten Büchern zur Weiterbildung und Unterhaltung empfiehlt sich die Buchhandlung im Oberösterreichischen Landesverlag Pächter Herbert Breinbauer Linz, Landstraße 41 (an der Mozartkreuzung) • Telefon 204 70 13

ANTON LEGNER Zur Plastik des Donaustils im Land ob der Enns Die Kenntnis vom Anteil des Landes an der Donaustilplastik vermitteln am besten die Bestände des Oberösterreichischen Landesmuseums. Zudem liegt seit 1958 ein Katalog der mittel alterlichen Bildwerke dieser Sammlung vor, der gleichzeitig die meiste bis dahin zum Thema erschienene Literatur enthälth Im Westtrakt des Linzer Schlosses ist oberösterreichische Pla stik — entsprechend dem Gesamtcharakter der gegenwärtigen Ausstellung — nur exemplarisch vertreten. Man hat bewußt die Skulpturen und Reliefs des Donaustils in den erst vor zwei Jahren eingerichteten Schloßräumen des Landesmuseums be lassen, weil es angebracht schien, gerade während der Aus stellung die Kollektion in ihrer schönen Geschlossenheit zu zeigen. Wer also die Bildnerei des Donaustils in diesem Land im ein zelnen kennenlernen will, wird sich nicht mit den wenigen exemplarischen Exponaten im Ausstellungstrakt begnügen, wird vielmehr auch dem Museum im Linzer Schloß seine Auf wartung machen und wird letztlich die Gebiete von Freistadt, Eferding, Wels und Kremsmünster aufsuchen müssen, in denen sich hauptsächlich Donaustilplastik erhalten hat. Die nachfolgenden Bemerkungen zu einigen Bildwerken aus dem Lande ob der Enns möchten gerne einen Beitrag zur Stil situation in Oberösterreich (das Innviertel ausgenommen) leisten. Der differenzierte Fragenkomplex um den aus Passau kommenden Meister des Kefermarkter Altars und um seine nachhaltige Wirksamkeit wird dabei nicht berührt'. Besonderes Interesse beanspruchen die Figuren der Heiligen Remigius, Dionysius und Rochus sowie drei Reliefs mit der Darstellung des bethlehemitischen Kindermordes im Ober österreichischen Landesmuseum®. Figuren und Reliefs gelten als Teile des ehemaligen Altars der Lorcher Bürgerspitals kirche''. Allein an die Zugehörigkeit des hl. Rochus zu diesem Altarensemble habe ich nie recht glauben wollen. Um so mehr freut es mich, als Alternativvorschlag mit einer Bischofsfigur (jetzt im Westtrakt des Linzer Schlosses ausgestellt) bekannt machen zu können, die ich im Vorjahr im Depot der Prager Nationalgalerie auf Burg Kfivoklät gefunden habe® und die im Stil so eindeutig zum hl. Remigius gehört, daß nunmehr sogar Stildifferenzen zwischen der Schreinsitzfigur des heiligen Remigius einerseits und dem hl. Dionys mit den Kindermord reliefs andererseits deutlich sichtbar werden. Den äußeren der drei Reliefs liegt ein vor 1514 entstandener Kupferstich Marcantonio Raimondis® zugrunde. Der Bild schnitzer hat diesen Stich verwertet, Einzelgruppen heraus gelöst und motivisch getreu übernommen. Es ist dies ein sehr instruktives Beispiel für die Umsetzung einer italienischen Graphik in die eigene traditionsverbundene Bildwelt seitens eines heimischen von den Errungenschaften des Südens nicht berührten Meisters. Daß der Reliefkomposition ein graphi sches Blatt zugrunde liegt, ist im Bereich der Donaustilplastik keine Ausnahme, sondern geradezu typisch. Die Art der Um setzung freilich gibt am ehesten Aufschluß über den künst lerischen Standort des Bildschnitzers; vermutlich bedurfte es einer tiefen Einfühlung, ja der unmittelbaren Beziehung zum vermittelnden Werk der Maler vom Range Altdorfers und Hubers, daß es zu jenen Reliefschöpfungen kommen konnte, die wir nicht genug bewundern können, zum Reliefstil Leinbergers oder des Meisters IP. So gesehen, steht der Bild schnitzer des Lorcher Kindermordes an der Peripherie. Den eigentümlichen Figuren würde man aber nicht gerecht, wollte man sie unter Kriterien einer akzentuierten plastischen Durchbildung betrachten. Die starke Bildhaftigkeit der male rischen Gesamterscheinung beruht nicht zuletzt auf dem üppig aufgetragenen Dekor. Die geschlossenen Konturen des Fi gurenblocks erinnern zumeist an Bildwerke der Zeit um die Jahrhundertwende, aus denen formal eine Figur wie der hl. Remigius abzuleiten ist. Doch nicht die (abgeschwächte) plastische Potenz entscheidet den visuellen Eindruck, sondern eben die malerische Wirkung des überschweren Dekors von Gewändern und Mitren. Einen gleich starken Oberflächen schmuck an blockgebundenen, im Umriß völlig einfachen Figuren wird man anderswo in der Plastik des Donaustils kaum noch finden. All dieser Paramentenzierat ist nicht Be standteil der Schnitzerei, sondern der Fassung, die Fassung siSsiWi Linz, Schloßmuseum, hl. Dionysius Foto: Eiersebner 14

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