Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

OTFRIED KASTNER Oberösterreichische Eisenkunst im Stile der Donauschule Eine genaue Datierung bis ins Detail ist für die gotischen Ab schnitte der Eisenkunst bisher nicht gelungen. Die archivalischen Belege sind sehr dürftig und die Erwähnungen allge mein und ohne Beschreibungen, die Zuweisungen erlauben würden. Es helfen uns weder Datierungen, noch bringen zeit genössische Maler gotische Beschläge an Türen über ein ein faches Band mit Lilienendungen hinaus zur Darstellung. Gitterabbildungen, wie wir sie Michael Fächer verdanken, sind nur in einfachen Stäben ohne Auszier gegeben. Dazu kommt, daß wir ein Handwerk mit unterschiedlichem Können der Meister und nicht zuletzt einen nicht immer ursprüng lichen oder unbeschädigten Erhaltungszustand vor uns haben. Wir wissen nicht, ob wir etwa einen Türbeschlag aus dem Bummerlhaus in Steyr, dessen Erbauungsjahr wir kennen (1497) mit einem Stück der Pfarrkirche in Braunau gleich setzen dürfen. Es geht uns hier mit der Datierung noch wie unseren Vorgängern, die weithin mit der Angabe „um 1500" das Auslangen finden mußten. Haben wir dann auf einem Sakristei-Torbeschlag wie in Mondsee 1487 stehen, so kom men wir mit diesem Einzelstück nicht viel weiter. Schaut man über die Grenzen des Landes nach helfenden Belegen aus, so wird einem vor allem deutlich, daß ein Kulturgefälle etwa von Notre Dame in Paris bis an die Donau zugleich auch eine zeitliche Komponente und so neuerdings eine Datierungs erschwerung bringt. Sucht man in Augsburg nach dem Ver gleichsstück zu dem Mondseer Sakristeitor, das nach einer nicht belegbaren Äußerung eine Augsburger Arbeit sein soll, so fehlt das erhoffte Stück. Erst zu Ende des 16. Jahrhunderts ändert sich diese Lage; Datierungen wie Nachrichten häufen sich, Meisternamen tauchen auf, Zusammenhänge werden sichtbar, und schließlich ist es keine besondere Leistung, die einzelnen Werke mit den einzelnen Stilströmungen zu verbin den, doch da ist die Gotik längst vorüber. Eine Geschichte mit der genauen Abfolge der Stilströmungen und der dazugehörigen Belege, entsprechend der Plastik oder der Kirchenarchitektur, läßt sich in der Eisenkunst für die Gotik Oberösterreichs auch deshalb schwer erstellen, weil bei spielsweise das ganze 14. Jahrhundert (abgesehen von Ranshofen?) nicht belegt erscheint. Stellen wir uns die Frage, wie schaut etwa in der Eisenkunst der „weiche Stil" aus, so können wir dazu keine Antwort geben. Gewiß wurde vor allem das oberösterreichische Material jahrelang und gründlich gesam melt, aber aus dem gotischen Vorkommen ließ sich keine ver läßliche Reihe erstellen. Zeichnen wir auf einer Karte diese Beispiele ein, so fällt uns auf, daß das Innviertel — vor allem der Braunauer Bezirk — einen ganz besonders reichen Be stand aufweist. Er ist noch dichter als der der südböhmischen Sakramentshäuschengitter, wovon das von Gojau durch das Wappen der Stadt Budweis mit ihr verbunden scheint. Vom Formalen her ergibt sich zwischen dem Osten und Westen Oberösterreichs — durch die „Traunlinie" deutlich geschieden — ein derartig auffallender Unterschied, daß er kaum nochmals seinesgleichen haben wird. Trotz einer durchgreifenden Barockisierung der kleinen gotischen Dorfkirchen haben sich im Innviertel die alten gotischen Beschläge noch voll erhalten. In der Regel haben wir zwei Eingangstore und eine Sakristei tür, dazu kann noch vereinzelt ein Sakramentshäuschengitter kommen. Wir haben so an 100 Kirchen- und Sakristeitore, an denen sich noch heute spätgotische Beschläge befinden. Das bietet ein reiches Material von einer seltenen Dichte. Ob nun diese Eisenbeschläge ihre Entwicklung von Burghausen aus genommen haben oder ob etwa zusätzlich Braunauer, Schär dinger und Rieder (?) Meister an dieser Ausformung beteiligt waren, läßt sich nur als Vermutung aufwerfen, weil Burg hausen durch seine Vorhütte von Passau in der Gotik durch die Arbeiten Meister Oswald Bürkels in das damals bayerische Innviertel ausgegriffen hat und möglicherweise auch die Ein richtungen der Kirchen von Burghausener Meistern gearbeitet worden sein könnten. Da Eisenbeschläge schwer zu transpor tieren sind, darf man jedoch die Werkstätte nicht allzuweit von den Landkirchen suchen, für die man die Torbeschläge bestellt hatte. Auch hat das Innviertel nicht dieselbe Voraus setzung wie unsere „Eisenwurzenlandschaft", doch hat es wohl mit größter Wahrscheinlichkeit über die Märkte von Wels oder Linz sein Bandeisen aus der „Eisenwurzen" bezogen. Vielleicht reichen einige der Eisenhämmer in der Mattigtalfurche so weit zurück, daß sie als Lieferanten in Frage kom men könnten? Wüßte man schon mehr über die Stärke der gelieferten Eisen in den Zeitläuften, so würden die Profil stärken zur Lokalisierung mithelfen. Diese Grundlagen für die Verarbeitung darf man jedoch nicht überschätzen. Die besagten Bandeisen haben im Innviertel eine Aus schmiedung erfahren, die sich von den übrigen oberöster reichischen Beispielen dadurch am stärksten unterscheidet, daß ihr Beschlagwerk von einer auffallend starken Dynamik er füllt ist, wie wir sie weiter im Osten nicht mehr feststellen können. Die Eigenart dieser Arbeiten kommt vor allem aus der heute nur mehr selten verwendeten Spalttechnik. Aus ihr ist das ganze Ornament organisch entwickelt, d. h. die Grundidee ist vom Anfang an überlegt und nur dort, wo der Schmied mit dem gegebenen Eisenstück nicht auskommt, ist er zum Anstückeln gezwungen. Das prachtvolle Geranke spaltet sich von den eigentlichen Bändern, die die Türe tragen ab, verjüngt sich bei jeder Spaltung mehr und mehr und endet schließlich in zwar variierenden, doch bei der Lilienform bleibenden Endungen. Da diese Lilien und ihre Stengel meist durch große Nagelköpfe an dem Holz niedergehalten sind, läßt sich nun auch in diesem Motiv eine Äußerung erreichen, die mithilft, das Dynamische zu einer geradezu erregenden Aussage zu steigern. Schließlich wollen wir uns vor Augen halten, daß diese Blumen den Schmieden nicht ein beliebiges Ziermuster darstellten, sondern daß sie Bedeutungsträger waren, deren Gewichtigkeit immer sicherer wird, je mehr man altes Eisen gesehen hat. Der Symbolgehalt dieser Blumen in der Heraldik ist von französischen, burgundischen und italienischen Bei spielen bekannt. In der Eisenkunst sind sie seit dem 13. Jahr hundert verfolgbar. Da sie bei unseren Schmieden sinnbild lichen Charakter annehmen, werden sie gleichsam Archetypen und treten eben an der Schwelle zum 16. Jahrhundert ganz besonders in den Vordergrund. Sie gelten unseren Schmieden als Bild des Feuers mit seiner reinigenden Kraft, als Zeichen des Hellen und Sieghaften. Diese Kräfte sind es, die das Feindliche, Böse, Dämonische an der Kirchentür abwehren und bannen sollen. Die Lilie wird so das vorzüglichste Heils zeichen, wie auch die „Schelle", die an gotischen Beschlägen in Oberösterreich — wenn auch nirgends so gerne wie in der Braunauer Umgebung — wiederholt verwendet wird. Die glückbringende Bedeutung der Schelle ist vom Kartenspiel her bekannt, die Lilie übernimmt die „Dämonenabwehr" des uralten „Gorgo-Themas"'. 43

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