Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

BENNO ULM Der Altar von Waldburg Mittelalterliche Frömmigkeit schuf das Gesamtkunstwerk des spätgotischen Altarretabels. Ihm kamen die besten Kräfte des Gottesdienstes zugute. An der Stätte des Meßopfers spiegelte es den Ablauf des Kirchenjahres: Bevorzugt wurde das Leben Christi, das in der Passion gipfelt und mit dem Programm des Marienlebens verschmolzen wurde. Die Patrone der Kirche oder des Altares, der Landschaft oder der Gemeinschaft, die speziellen Fürbitter und die Letzten Dinge fanden an diesem Werk aus Architektur, Plastik und Malerei sowie des Kunst gewerbes ihren Platz der Verehrung. Dome und Dorfkirchen nahmen den Flügelaltar unterschiedlos auf, Bischöfe und Bauern,Zünfte und Orden stifteten ihn gleichermaßen. Eine lange Tradition der handwerklichen und formalen Aus bildung hatte er bereits hinter sich, als um die Mitte des 15. Jahrhunderts seine letzte und größte Phase begann. Die besten Künstler des deutschen Volkes prägten die gültige Form des Flügelaltares; erst im 16. Jahrhundert bildete ein neues Kunstwollen, die Donauschule, einen neuen Typus aus. Dessen bildhafter Charakter (Mauer bei Melk, Altmün ster, Gebertsham, Zwettl-Adamsthal) setzte sich aber in kon servativen Werkstätten nicht immer durch. Daß es trotzdem auch am überlieferten Altarschema verschiedene Grade einer Übernahme der neuen Kunstübung gab, ist am Hochaltar von Waldburg nachzuweisen, wobei das Wesen der Donaukunst, ihr Formengut und ihre geistige Grundlage, stets neu zu be stimmen sein werden. Das Schaffen der Altarwerkstätten im Unteren Mühlviertel — und darüber hinaus in Südböhmen und im Waldviertel — beeinflußt bis zum Ende der gotischen Kunstübung der Genius des großen unbekannten Meisters von Kefermarkt. Die Werk statt von Freistadt, aus der neben den Altären von Wald burg u. a. auch das Retabel von St. Michael ob Rauhenödt und ein Altärchen in Freistadt hervorgegangen sind, bedient sich weiterhin seines Formenschatzes und seiner Charaktertypen. Davon legen auch Einzelwerke und Altarreste Zeugnis ab, die sich z. B. im Linzer Schloßmuseum, im Stifte St. Florian, aber auch in Privatbesitz befinden. Vielfach ist die Herkunft aus der weiteren Umgebung von Freistadt überliefert. Diese Hinweise gelten allerdings nur für Skulpturen; die Tafel bilder des Kefermarkter Altarwerkes wurden bei seiner Ret tung durch Adalbert Stifter vernichtet. Die überkommenen Malereien dieser Werkstatt lassen schwer ein Bild von deren ursprünglicher Qualität gewinnen. Die Faßmalerei vieler Skulpturen und Reliefs erlaubt aber gewisse Rückschlüsse auf die vergangene Farbigkeit des Altares. Von größerer Wichtig keit scheint es aber zu sein, mit Hilfe der Werkstattarbeiten tiefer in die Kunst des Hauptmeisters von Kefermarkt ein dringen zu können. Aus diesen Wechselwirkungen und dem Netz von Beziehungen ergibt sich dann die Dichte der Ab hängigkeit oder der Öffnung der Werkstatt für neue Ein flüsse, die dort ihren Niederschlag fanden. Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß die drei Schrein plastiken des Hochaltares von Waldburg vor 1517 aus der Hand eines Meisters hervorgegangen sind; der Gewandstil der Figuren zeigt allerdings Verschiedenheiten, die bei einem vorschnellen Urteil eine falsche Reihung ihrer Entstehung nach ergeben könnten. Die Zentralfigur der Muttergottes mit dem Kinde erschiene demnach als die altertümlichste — auch der Autor hat solche Überlegungen schon niedergelegt —, dann erst wäre die liebliche Katharina und schließlich, als die modernste, die Kirchenpatronin Maria Magdalena ent standen. Die Reihung ist jedoch gerade umgekehrt. Waldburg, Oberösterreich, Pfarrkirche, hl. Katharina aus dem Schrein des spätgotischen Hochaltares Foto: Eiersebner

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