Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

Der energiewirtschaftliche Ausbau der Enns durch die Ennskraftwerke AG Wasserkraftnutzung und Naturschutz Der Mensch hat sich der Kraft, die dem stürzenden und fließenden Wasser innewohnt, schon frühzeitig bedient; Wasserräder waren der Antrieb für Bewässerungen und kleingewerbliche Betriebe wie Mühlen, Sägen und Hammerwerke. Durch das Bestreben der Technik die Kraft des Wassers möglichst vollständig auszunützen, wurden aus den Wasserrädern die Turbinen entwickelt. Namen wie Segner, Euler, Francis, Pelton und des Österreichers Kaplan sind in die Geschichte dieser Entwicklung eingegangen. Der Wasserreichtum Österreichs hat schon frühzeitig den Ausbau der Wasserkräfte begünstigt und Gewerbebetriebe und Indu strien (Hammerwerke, Sägewerke und Papierfabriken) wählten ihren Standort dort, wo die Betriebsenergie aus dem Wasser gewonnen werden konnte. Vor etwa 90 Jahren begann in Österreich der Siegeszug der Elektrizität, jener Edelenergie, die aus unserem modernen Leben nicht mehr wegzudenken ist. Im Jahre 1873 nahm die erste Gleichstrommaschine die Versorgung des Industriebetriebes KruppBerndorf auf; das erste Wasserkraftwerk der Welt aber ent stand 11 Jahre später in Steyr, an der Mündung des Steyrflusses in die Enns. Um die Jahrhundertwende begann auch die Industrie den Über gang von der mechanischen in die elektrische Ausnützung der Wasserkraft. Die Lösung des Transportproblems größerer Ener giemengen auf weite Entfernungen und der Verlust der reichen Kohlenvorräte Böhmens nach dem ersten Weltkrieg rückte den Ausbau der Wasserkräfte immer mehr in den Vordergrund, der insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg einen gewaltigen Auf schwung nahm. Schon in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg erkannte man die günstigen Vorbedingungen für einen wasserwirtschaftlichen Aus bau der Enns. Doch die damals noch stark betriebene Flößerei sowie zahlreiche miteinander im Widerstreit stehende Projekte verzögerten den Ausbau der Ennswasserkräfte. Erst durch die wirtschaftlichen Erfordernisse des zweiten Weltkrieges wurde der Bau der Kraftwerke Großraming, Staning, Mühlrading und Ternberg in Angriff genommen. Nach einer kriegsbedingten Unter brechung und Stillegung der Bautätigkeit wurden diese vier Kraftstufen in den Jahren 1946—1950 fertiggestellt und in Betrieb genommen. Das zweite Verstaatlichungsgesetz im Jahre 1947 brachte eine Neuordnung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft. Für Groß kraftwerke bzw. Kraftwerksgruppen, die nicht zur Erfüllung der Aufgaben der Landesgesellschaften bestimmt sind, wurden Sonder gesellschaften gegründet. Die Ennskraftwerke AG, eine dieser Sondergesellschaften, an der die oberösterreichische Landesgesell schaft (OKA) und der Bund zu je 50 Prozent beteiligt sind, hatte vordringlich die während des Krieges begonnenen Bauten fort zusetzen und fertigzustellen. Im Zuge des weiteren energiewirtschaftlichen Ausbaues der Enns wurde 1953 das Ennskraftwerk Rosenau fertiggestellt und 1962 folgte das Ennskraftwerk Losenstein. Vor einigen Wochen konnte das Umleitungskraftwerk St. Pantaleon, die siebente und größte Kraftstufe der Ennskraftwerke AG den Betrieb aufnehmen. Im Sommer 1965 wird mit dem Bau des Ennskraftwerkes Garsten begonnen. Nach dem Ausbau der zwei projektierten Kraftwerke Weyer und Schönau wird die Enns in einer geschlossenen Kraft werkskette mit zehn Staustufen von der steirisch-oberösterreichischen Landesgrenze bis zur Mündung in die Donau energiewirt schaftlich genutzt werden. Die Enns, einer der wasserreichsten Flüsse Österreichs, entspringt in den Radstädter Tauern, folgt im Oberlauf bis Admont der Grenze zwischen den nördlichen Kalkalpen und den Zentral alpen und durchbricht in einer tiefen Schlucht die Gesäuseberge. Kurvenreich windet sie sich durch die nördlichen Kalkalpen und mündet nach Durchqueren der Voralpenzone und des Flachlandes in die Donau. Mit einer Länge von 254 km durchfließt die Enns drei Bundesländer (Salzburg, Steiermark und Oberösterreich) und ist der größte,zur Gänze innerhalb Österreichs liegende Fluß. Als Wasserweg für Flöße und Schiffszüge sowie als Holztrift straße kam ihr seit Jahrhunderten eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung zu. Die alte Eisenstadt Steyr war schon um die Jahrtausendwende der Mittelpunkt einer blühenden Eisenindustrie, und in den Seitentälern der Enns trieben kleine Wasserkraft anlagen zahlreiche Hämmer sowie Mühlen und Sägewerke. Im 19. Jahrhundert verlor die Enns ihre Bedeutung als Schiffahrts straße durch den Bau der Eisenbahn, doch blieben sie und ihr Nebenfluß Salza der billigere Weg für die Flöße, die wertvolles Holz in die Donau verfrachteten. Früher war das landschaftlich so reizvolle Ennstal dem modernen Verkehr kaum erschlossen. Durch den Kraftwerksbau wurden große Teile der bisher unzulänglichen Eisenstraße verlegt und ausgebaut, neue Brücken und Stützmauern entstanden, die sich mit ihren Natursteinverkleidungen gut in die Landschaft einfügen. Häuser und Gehöfte, die im Stauraum lagen, wurden an anderer Stelle neu aufgebaut. Die Jahre des Kraftwerksbaues brachten den einzelnen Gemeinden spürbare wirtschaftliche Impulse; nach der Fertigstellung der Kraftwerke entstanden an den Stauseen Erho lungsräume, die von Jahr zu Jahr mehr Fremde anziehen und den Ufergemeinden einen beachtlichen Aufschwung des Fremdenver kehres bringen. 48

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