Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

freilich wieder Korrelat der Form. Bei der Bischofsfigur aus der Prager Nationalgalerie ist von der ursprünglichen Fassung nichts, vom plastischen Oberflächenschmuck nur wenig übrig geblieben, das Fragmentarische ist darum deutlich genug. Die „Hochstickereien" der Paramente gingen zum größeren Teil verloren. Vergleiche aus dem Donaustil-Komplex (z. B. Andreas Lack ners Schreinfiguren des Abtenauer Altars oder Figuren des Zwettler Altars) zeigen, wie sich die Linzer Werke durch ihre seltsame Vereinfachung des Plastischen von jeder spätgoti schen Gewandfigur unterscheiden. Was ihnen hauptsächlich fehlt, sind die Faltenstege und Faltenwülste, die ordnenden Faltenbahnen, Schüsselfalten und dergleichen mehr, eben alles, was wir bei spätgotischen Gewandfiguren gewohnheits mäßig voraussetzen. Hier hingegen wird die plastische Detail form zumeist überhaupt erst durch das Relief der Hoch stickerei geschaffen, also durch die Fassung. Daß sich Ver gleiche aus der Malerei anbieten, ist wiederum symptomatisch. Die gedrungene Proportion des hl. Dionys und die Auffas sung des Dekorativen erinnern sehr an den hl. Valentin auf dem kleinen Gemälde, das Lucas Cranach während seiner Zeit in Österreich gemalt hat'. Die Bischofsfigur aus der Prager Nationalgalerie läßt sich mit der Dionysiusfigur nicht in so unmittelbaren Zusammenhang bringen wie mit der Figur des hl. Remigius. Die Proportionen sind merklich verschieden, der Dionys besonders auffällig in seiner Gedrungenheit, der Bischof demgegenüber eher hochgewachsen. Denselben Ge gensatz konstatiert der Betrachter zwischen dem Hochrelief des Königs Herodes (stilgleich mit Dionys) und dem sitzenden Remigius (stilgleich mit dem Bischof aus der Prager National galerie). Diese Differenzierung innerhalb eines freilich ganz nahen Zusammenhangs stellt aufs neue vor die Rekonstruk tionsfrage des Altares. Alles Erhaltene braucht nicht von einem, kann von zwei Altären stammen, der hl. Rochus viel leicht zu einem dritten gehört haben, wenn die Vorstellung von der einheitlichen Bildhaftigkeit eines Altarretabels sich behaupten will. Doch gibt es genug Beispiele, daß die klare Konzeption der Bildeinheit eines Altares — durch die ver schiedensten Faktoren bedingt — nicht bestimmend blieb. Offensichtlich stilverwandt sind die Lorcher Werke mit der erlesensten Renaissancestatue, die sich in der Passauer Gegend erhalten hat — mit der Hötzdorfer Magdalena**. Auch sie ist auf der Ausstellung zu sehen. Schon Georg Lill hat die Be ziehungen der Lorcher Werke zu dieser Figur erkannt und folgendermaßen formuliert: „Andererseits greifen in dieses Gebiet (Fürstbistum Passau) auch schon Einwirkungen aus Oberösterreich herüber. Die in der Passauer Gegend etwas unvermittelte Magdalena von Hötzdorf (LK Passau) kommt ohne Zweifel aus derselben Werkstätte eines Meisters in Enns (?) wie der Dionys und Pantaleon aus der Friedhofs kirche zu Enns, jetzt im Museum zu Enns. In diesen Figuren wird der Bewegungsstil ins übermäßig Gebauschte übertrie ben, eine fast barbarische Schmuckfreude macht sich bemerk bar. Dieser Meister von Enns, wie wir ihn einmal nennen wollen, ist nicht der einzige, der in Oberösterreich als Persön lichkeit faßbar wird"". Leider hat die Magdalenenfigur aus Hötzdorf ihre ursprüng liche Fassung vollkommen eingebüßt, doch von entstellenden neueren Bemalungen konnte sie eben in den Werkstätten des Bayerischen Landesdenkmalamtes befreit werden. Das Ge wand gliedert sich in steife Faltenröhren (wie z. B. ähnlich bei der Begleitfigur des Königs Herodes). Am Halsausschnitt und an der Stirn kräftig aufgesetzter Dekor (von den Lorcher Figuren her wohlbekannt). Die weiten Hängeärmel werden von einer großen, steifen Ärmelschlaufe des Obergewandes umschlossen (nicht ohne gewisse Entsprechungen im Kreis der Lorcher Bildwerke). Um den röhrenförmig festen, hart fallen den Rock ringt sich aber das Obergewand in ausgreifendem und bewegtem höchst unregelmäßigem Umriß. Darin freilich entfernen sich die Lorcher Bildwerke von der Hötzdorfer Magdalena am weitesten. Am nächsten kommen sie ihr in der passiven, müden Herbheit des Gesichtsausdrucks. Hier ist vor allem die Figur des hl. Remigius eigentümlich wesensver wandt. In ihrer malerischen Konzeption — und dies ist vielleicht das entscheidende Kriterium — weist die Magdalenenfigur auf die Berührung ihres Schnitzers mit dem stilbestimmenden Maler der Stadt'". Einzelmotive, wie z. B. das röhrenförmige Ge wand (ähnlich bei der hl. Elisabeth der Heimsuchungstafel von Wolf Huber im Bayerischen Nationalmuseum"), sind 16

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