Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

ligen Welt, St. Pölten mit der Kirche des Priesterseminars und die ehemalige Klosterkirche von Pernegg umgrenzen diesen Raum. Admont, ein untergeordneter Hüttenbetrieb, der an Steyr südlich anschließt, ist viel individueller in seinem künst lerischen Dekor. Hier finden sich Kreismuster als Rippenfiguration (Gaishorn, St. Gallen, Lassing, Gröbming und Goß), spiralenförmig gedrehte Säulen (Gaishorn, Göß), Vor hangportale und Stabwerk (Eisenerz, Aflenz, Göß) sowie die individuell geformte Orgelempore von Eisenerz. Direkt aus der täglichen Umwelt gegriffen, erscheinen hier die ein zelnen Motive: das Faß, auf dem die Treppe des Stiegenauf ganges ruht, und die plastische Dekoration der Brüstung. Nachbildungen des Weidengeflechtes, der Viehzäune treten neben den phantastischen Verschlingungen der Eisenblüte als Ziermotiv auf. Auch gedrehte Eisenstäbe (Aflenz) werden neben alpinen Kerbschnittmustern als Dekoration verwendet. Südlich von Steyr — rund um den Erzberg, der alten Handels straße nach Italien folgend — ist eine gewisse Verwandtschaft festzustellen. Nördlich dagegen, im Mühlviertel, kommen wir in den Bereich des südböhmischen Raumes, der durch die Kreissternmuster ausgezeichnet ist. Sie treten in Freistadt, Königswiesen und Haslach auf. Gramastetten und Weigersdorf geben mit ihren weiten Rippenschleifen das Ende der Entwicklung an. Um in die Formensprache des Donaustiles eindringen zu können, muß man auch viele Details beobachten. Der Bau körper und seine Gliederung, das Verhältnis von Ornament und Wand und die Gewölbemuster wurden schon erwähnt; an der Säulenform sind weitere Eigentümlichkeiten festzu stellen. Sie zeigen sich bei den spiralenförmig gedrehten Basen, eine Bewegung, die auch auf die Säule übergreifen kann (Göß, Gaishorn), wobei auch die Dienste dieser Bewe gung folgen (Haidershofen); gekerbte Muster (Vöcklamarkt) wirken demgegenüber viel passiver. Die glatten Säulen bilden zu den Kastenkapitellen den stärksten Kontrast. Auch hier sehen wir verschiedene Möglichkeiten: durchstäbte Ringe (Sindelburg), Deckplatten mit kleinen Rippenkonsolen (Pabneukirchen, Steinakirchen am Forst), geknickte Dienste (Sankt: Valentin, Krenstetten) oder reiche Kastenverschränkungen (St. Valentin). Alle diese Details aber dienen dem gleichen Ausdruck. Sie nehmen der Stütze ihre eigentliche tragende Funktion, weichen der lastenden Kraft aus und setzen an Stelle des einfachen, sehr klaren Verhältnisses eine span nunggeladene Bewegung, die in Blickbahnen emporführt und überraschende Kontraste voll bildhafter Wirkung ergibt. Bei Maßwerk- und Rippenformen kontrastieren Bogen mit starren Kassetten. Plötzliche Rippenabkappungen verwandeln den Bewegungsstrom in eine gedachte Linie und führen damit vom Realen ins Irreale. Ähnlich ist die Wirkung der kleinen Architekturen und bildhaften Sonderformen. Baldachine und Türmchen lassen die aufstrebenden Elemente miteinander verflechten. Kielbogen durchdringen sich, ausladende Körper schaffen einen Gegensatz zu schlanken Stützen. Die Fialen selbst drehen sich wie ein lebendiges Schlinggewächs zu sammen (Sakramentshäuschen von Pfaffendorf). Portalumrah mung mit geraden und gebogenen Stäben (Göß, Aflenz) zeugen von der gleichen malerischen Vitalität. Geht man den Wurzeln der einzelnen Elemente nach, so erkennt man zum Unterschied von der Auseinandersetzung mit der Frührenaissance, wie sie vielfach in Süddeutschland fest zustellen ist, eine effektvolle Ausdruckskunst. Den dynami schen Formen einer räumlich schwingenden Rippe, die durch eine plötzliche Unterbrechung eine Steigerung der Wirkung erfährt, stehen die vegetabilischen Formen zur Seite. Hier wird das aus dem Innersten kommende Wachstum auch in der äußeren Erscheinung realisiert. Das beste Sinnbild dafür ist die Astwerkgotik. Nirgends kommt jenes labile Verhältnis besser zum Ausdruck. Der unbelaubte Ast mit den abgehack ten Zweigen erscheint tot, es regen sich keine sprießenden Blätter, und doch kündet die Form noch den Wuchs des Baumes. Er ist eine Erstarrung voll vitaler Kraft, ein Leben in den anscheinend toten Dingen. Diese grundsätzliche Beobachtung, die auch in Malerei und Plastik ihre Bestätigung findet, läßt sich ebenso in den Innenräumen der Kirchen machen. Trotz der geringen Maße ist zum Beispiel die mystische Halle von Weistrach unendlich weit in ihren Bewegungsströmen. Es ist eine geistige Weite, die mit ganz realen Elementen erreicht wird. Oft finden sich unter diesem architektonischen Zierat auch Nachahmungen aus dem Bereich des täglichen Lebens: steinerne Nägel, die einen Rippenlauf fixieren wollen, Tauverknotungen oder Geflechte. Wieder erkennt man darin jene realistische Tendenz, die so häufig in den Tafelbildern der Donauschule zu beobachten ist. Die Umsetzung in leblosen Stein vermittelt eine eigene Spannung, sie bedeutet ein Abstrahieren des Natürlichen und bleibt doch lebensnah. Bedenkt man die geographische Lage der hier angeführten Beispiele, dann erkennt man eine starke Konzentration auf ein bestimmtes Gebiet. Es ist verständlich, daß ein solches vitales Zentrum rund um den Erzberg nicht abgeschlossen wie eine Insel blieb, sondern ausstrahlte. Eberndorf in Kärnten ist solch ein Bau, der nur aus der Konzeption der Steyrer Hütte verständlich ist. Aber auch in den Rippenfigurationen der Gurker Seitenschiffe sind Nachwirkungen er kennbar. Die Stadtpfarrkirche von Villach zeigt verwandte Tendenzen, die auch von Salzburg (Nonnberg, Georgskapelle in Hohensalzburg, Berchtesgaden, ehemalige Franziskaner kirche) angeregt sein können. Es scheint, daß auch die Tiroler Bauten nicht nur in Verbindung mit Augsburg zu bringen sind. Die Pfarrkirche von Schwaz, die Orgelempore von Klau sen, die Erasmuskapelle von Bozen-Gries sind Architekturen, die einen guten Vergleich zu den donauländischen Beispielen ergeben. Die mittelrheinischen Bauten, die Fischer anführt, können keineswegs vorbildlich für Österreich gewirkt haben. Die Chorlösung von Zweibrücken hat nur eine ganz all gemeine Ähnlichkeit mit Krenstetten, das durch seine bewegte Konzeption in andere Zusammenhänge gehört. St. Martin in St. Martin in der Pfalz verwendet wohl eine Gewölbefiguration, die sich auf einem Riß der Wiener Äkademie vor findet, aber müssen wir deshalb am Mittelrhein den Äusgangspunkt dieser Konzeption vermuten und einen Großteil der Risse für Schwaben in Änspruch nehmen? Dem wider spricht doch die Tatsache, daß die Gewölbeform von Sankt Martin in Österreich beheimatet ist, wie es die Äusführungen in Weyer, Äschbach, Weißenkirchen a. d. Traun, Goldwörth, Pernegg und Raach beweisen. Äuch die prinzipielle Ähnlich keit der Risse mit Gewölbefigurationen in Freistadt, Sindel burg, Brunn am Gebirge und Wien lassen auf einen hier gewachsenen Bestand schließen. Äußerdem hat vor kurzem Hans Koepf in einem der Risse das Vorbild für die Dom kirche in Preßburg erkannt. Äus all dem geht hervor, daß der österreichische Donauraum ein bedeutendes und sehr lebendiges Zentrum spätgotischer Ärchitektur war. Die künstlerische und geistige Einheit mit Plastik und Malerei ist hier offenkundig. In der bewegten Formung des Baukörpers, in dem weiten, schwingenden Raumgefühl, in der irrealen Linienführung der Rippen und in dem phantastischen Realismus der Details, erkennt man die Eigentümlichkeiten des Donaustiles, wie sie in keiner süddeutschen Landschaft in ähnlicher Konzentration auftreten. Umseitig links: St. Valentin, NO., Pfarrkirche, Gewölheansatz; rechts: Weistrach, NO., Gewölhezapfen — typische Beispiele der DonauschularMtektur im Räume der Bauhütte Steyr. 40

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