Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

Altmühldorf, Bayern. Pfarrkirche, Der Meister von Mühldorf, Predella eines ehemaligen Flügelaltares Foto: Eiersebner (1481 bis 1535). Als Geheimschreiber Kaiser Maximilians arbeitete er am „Theuerdank" mit, und daß wir die Alle gorien dieses Rittergedichtes verstehen, ist ausschließlich Pfinzing zu verdanken, der sie in einem „Schlüssel" ver deutlicht hat. Als Propst zu St. Alban in Mainz — eine der treuesten Städte des Hauses Habsburg — konnte er den Aufstieg des Humanismus genau verfolgen, und Pfinzings Tagebücher muten heute noch wie eine Registratur zu dieser großen Geistesbewegung an. In Innerösterreich waren indessen Kräfte tätig, die zum Teil internationale Bedeutung beanspruchen dürfen, wie etwa Paracelsus (1493 bis 1541), der keine Vorstellung braucht, oder die Vielzahl der Passionsspiele. Der Kärntner Andreas Hasenberger — er lebte in der ersten Hälfte des 16. Jahr hunderts — verdiente hingegen dank seiner Lyrik gleicher maßen der Vergessenheit entrissen zu werden wie der in Salzburg und Wien als protestantischer Prediger gerühmte Paul Sprätter — genannt Speratus (1484 bis 1551) —, dessen Kirchenlied „Es ist das Heil uns kommen her" unsterblich geworden ist. Wer sich schließlich noch an Josef Freiherr von Lamberg (1489 bis 1554) und an seine Autobiographie in mehr als 1700 Versen, die gleichzeitig ein wichtiges Zeugnis für die kulturgeschichtliche Entwicklung Krains vermittelt, erinnert und in dieses Erinnern jenen Siegmund Freiherr von Herberstein (1486 bis 1566) einbezieht, der in seinem Bericht über das ältere Rußland („Rerum Moscovitorum Gommentarii", 1549) das vielleicht schönste Zeugnis eines humanistisch gesinnten Staatsmannes abgelegt hat, der wird letztlich er kennen, daß der Beitrag Österreichs zur Literatur der Donau schulzeit wohl einen Rang erreichte, der gilt und beachtet sein will. Doch mit Herberstein nähert man sich schon deutlich spürbar der Renaissance. Sicher gab es noch Ausläufer, wie Valentin Wagner (um 1500 bis 1557), der Honter als protestantischer Pfarrer zu Kronstadt in Siebenbürgen folgte, wie Klemens Stephani (um 1530 bis 1592) — ein überaus begabter Drama tiker —, wie Johannes Mathesius (1504 bis 1565) oder wie den Rektor an der Steyrer Lateinschule Thomas Brunner (gestor ben 1571), dessen protestantische Schuldramen „Jacob"(1566), „Tobias" (1569) und „Die Heirat Isaacs" (1569) noch heute als Lehrstücke für eine dramatische Werkstatt dienen können. Auch Herzog Ferdinand II. von Tirol (1529 bis 1594) gehört in diese Reihe, denn mit seinem „Speculum vitae humanae" nimmt er bereits das später so beliebte Stegreifspiel voraus. Aber gerade damit ist ein Endpunkt erreicht: die Literatur hatte die Gelehrtenstube und den Hörsaal verlassen, sie war mündig geworden, und die Trennung von den Idealen eines Celtis, Spießheimer und Watt erfolgte verhältnismäßig rasch und sicher. Aber so wie kein Satz, der je von einem Dichter niederge schrieben wurde, wirklich umsonst war — und mag er seine Bedeutung erst Jahrhunderte später zugesprochen bekom men —,so verfügte auch die Literatur der Donauschulzeit über eine Funktion, die sich nicht nur in der Wiederbelebung der Antike erschöpfte. Denn das Beben, das den entscheidendsten Ereignissen der Geschichte der Neuzeit — der Reformation und der Gegenreformation — vorausging, ließ das Licht in der ein samsten Studierstube erzittern, so daß selbst Geltis knapp vor seinem Tode zu der Erkenntnis kommt: „Es wird eine Zeit anbrechen, die das Alte verschlingt und völlig Neues gebiert." Benützte Literatur: Josef Nadier: „Literaturgeschichte Österreichs" (1951). Heinz Kindermann und Margarete Dietrich: „Lexikon der Welt literatur" (1950). Giebisch-Pichler-Vancsa: „Kleines österreichisches Literaturlexikon" (1948). Gustav Ehrismann: „Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters" (1932—1935). Paul Merker und Wolfgang Stammler: „Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte" (1925—1931). Dahlmann-Waitz: „Quellenkunde zur deutschen Geschichte" (1931—1932). Herbert A. Frenze): „Daten deutscher Dichtung" (1953). Mayer - Kaindl - Pirchegger: „Geschichte und Kulturleben Öster reichs" (1958). Rudolf Walter Litschel: „Siebenbürgische Literatur" (unter beson derer Berücksichtigung Johann Honters)(1954). 29

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