Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

ANTON LEGNER Zur Plastik des Donaustils im Land ob der Enns Die Kenntnis vom Anteil des Landes an der Donaustilplastik vermitteln am besten die Bestände des Oberösterreichischen Landesmuseums. Zudem liegt seit 1958 ein Katalog der mittel alterlichen Bildwerke dieser Sammlung vor, der gleichzeitig die meiste bis dahin zum Thema erschienene Literatur enthälth Im Westtrakt des Linzer Schlosses ist oberösterreichische Pla stik — entsprechend dem Gesamtcharakter der gegenwärtigen Ausstellung — nur exemplarisch vertreten. Man hat bewußt die Skulpturen und Reliefs des Donaustils in den erst vor zwei Jahren eingerichteten Schloßräumen des Landesmuseums be lassen, weil es angebracht schien, gerade während der Aus stellung die Kollektion in ihrer schönen Geschlossenheit zu zeigen. Wer also die Bildnerei des Donaustils in diesem Land im ein zelnen kennenlernen will, wird sich nicht mit den wenigen exemplarischen Exponaten im Ausstellungstrakt begnügen, wird vielmehr auch dem Museum im Linzer Schloß seine Auf wartung machen und wird letztlich die Gebiete von Freistadt, Eferding, Wels und Kremsmünster aufsuchen müssen, in denen sich hauptsächlich Donaustilplastik erhalten hat. Die nachfolgenden Bemerkungen zu einigen Bildwerken aus dem Lande ob der Enns möchten gerne einen Beitrag zur Stil situation in Oberösterreich (das Innviertel ausgenommen) leisten. Der differenzierte Fragenkomplex um den aus Passau kommenden Meister des Kefermarkter Altars und um seine nachhaltige Wirksamkeit wird dabei nicht berührt'. Besonderes Interesse beanspruchen die Figuren der Heiligen Remigius, Dionysius und Rochus sowie drei Reliefs mit der Darstellung des bethlehemitischen Kindermordes im Ober österreichischen Landesmuseum®. Figuren und Reliefs gelten als Teile des ehemaligen Altars der Lorcher Bürgerspitals kirche''. Allein an die Zugehörigkeit des hl. Rochus zu diesem Altarensemble habe ich nie recht glauben wollen. Um so mehr freut es mich, als Alternativvorschlag mit einer Bischofsfigur (jetzt im Westtrakt des Linzer Schlosses ausgestellt) bekannt machen zu können, die ich im Vorjahr im Depot der Prager Nationalgalerie auf Burg Kfivoklät gefunden habe® und die im Stil so eindeutig zum hl. Remigius gehört, daß nunmehr sogar Stildifferenzen zwischen der Schreinsitzfigur des heiligen Remigius einerseits und dem hl. Dionys mit den Kindermord reliefs andererseits deutlich sichtbar werden. Den äußeren der drei Reliefs liegt ein vor 1514 entstandener Kupferstich Marcantonio Raimondis® zugrunde. Der Bild schnitzer hat diesen Stich verwertet, Einzelgruppen heraus gelöst und motivisch getreu übernommen. Es ist dies ein sehr instruktives Beispiel für die Umsetzung einer italienischen Graphik in die eigene traditionsverbundene Bildwelt seitens eines heimischen von den Errungenschaften des Südens nicht berührten Meisters. Daß der Reliefkomposition ein graphi sches Blatt zugrunde liegt, ist im Bereich der Donaustilplastik keine Ausnahme, sondern geradezu typisch. Die Art der Um setzung freilich gibt am ehesten Aufschluß über den künst lerischen Standort des Bildschnitzers; vermutlich bedurfte es einer tiefen Einfühlung, ja der unmittelbaren Beziehung zum vermittelnden Werk der Maler vom Range Altdorfers und Hubers, daß es zu jenen Reliefschöpfungen kommen konnte, die wir nicht genug bewundern können, zum Reliefstil Leinbergers oder des Meisters IP. So gesehen, steht der Bild schnitzer des Lorcher Kindermordes an der Peripherie. Den eigentümlichen Figuren würde man aber nicht gerecht, wollte man sie unter Kriterien einer akzentuierten plastischen Durchbildung betrachten. Die starke Bildhaftigkeit der male rischen Gesamterscheinung beruht nicht zuletzt auf dem üppig aufgetragenen Dekor. Die geschlossenen Konturen des Fi gurenblocks erinnern zumeist an Bildwerke der Zeit um die Jahrhundertwende, aus denen formal eine Figur wie der hl. Remigius abzuleiten ist. Doch nicht die (abgeschwächte) plastische Potenz entscheidet den visuellen Eindruck, sondern eben die malerische Wirkung des überschweren Dekors von Gewändern und Mitren. Einen gleich starken Oberflächen schmuck an blockgebundenen, im Umriß völlig einfachen Figuren wird man anderswo in der Plastik des Donaustils kaum noch finden. All dieser Paramentenzierat ist nicht Be standteil der Schnitzerei, sondern der Fassung, die Fassung siSsiWi Linz, Schloßmuseum, hl. Dionysius Foto: Eiersebner 14

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