8. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1878

Achter Jahres-Bericht der k. k. Staats-Ober-Realschule Steyr. Veröffentlicht am Schlusse des Studienjahres 1877-1878. Steyr 1878. Herausgeber: Der k. k. Oberrealschul - Director Josef Berger. Druck von M. Haas Erben in Steyr.

Ueber Beleuchtung. Licht und Wärme sind die zwei mächtigen Agenzien, von denen das Leben und Gedeihen der organisirten Naturalien wesentlich abhängt. Für unsere Erde ist die Sonne die unerschöpfliche Licht- und Wärmequelle und wurde als solche, schon von den ältesten Zeiten an, erkannt. Gelehrte und Dichter aller Zeitalter, Verstand und Gefühl haben mit einander gewetteifert, uns all' die wohlthätigen Einflsse des köngen Gestirnes aufzuzählen: — ganze Völkerschaften zollen demselben gegen¬ wärtig noch göttliche Verehrung. Leider vertheilt die Sonne ihre für alles Leben unentbehrlichen Gaben so ungleich über die Erde, in Folge dessen übergrosser Reichthum der Thier- und Pflanzenwelt unter den Tropen, Mangel und Oede um die Pole. Alle Geschöpfe aber, mit alleiniger Ausnahme des Menschen, mußten sich mit der ihnen von der Sonne zugetheilten Licht- und Wärmemenge begnügen; der Mensch allein hat in dem Maße, als er sich vom Naturzustande entfernte, auch versucht, sich künstlich Licht und Wärme zu verschaffen; wenn auch seine Versuche im Vergleiche zur ganzen Natur verschwindend kleine Resultate lieferten, wenn auch seine künstliche Beleuchtung auf den Wechsel der Tageszeiten und seine Heizung auf den Wechsel der Jahreszeiten von gar keinem Einflusse ist, so hat er doch diesen Wechsel für seinen Lebenskreis erträglicher gemacht. Was nun insbesonders das menschliche Bedürfniss nach Licht an¬ belangt, so ist es eine erwiesene Thatsache, dass das Bedürfniss nach in¬ nerer, geistiger Erleuchtung mit dem nach äusserer, stets Hand in Hand ging In den Städten der alten, geistig so hoch stehenden Culturvölker, der Griechen und Römer, finden wir eine ganz gute Strassenbeleuchtung mittelst Pechpfannen, Pechkränzen und Pechfackeln; das grausame Genie eines Nero erfand leider auch die lebendigen Fackeln. Eine gute Strassen¬ Beleuchtung war damals ein allgemeines Bedürfniss, so dass Basilius der Grosse im Jahre 371 n. Ch. die Stadt Cäsarea in Kappadozien wegen ihrer schlechten Strassenbeleuchtung mit Vorwürfen überhäufte. Die Wohnungen der Griechen und Römer waren auch ganz gut beleuchtet; wenn auch die wegen ihrer Schönheit und Vollendung der Form bekannte antike Lampe in Bezug auf Construction nach unseren heutigen Begriffen und Anforderungen

4 von Zweckmässigkeit, Vieles zu wünschen übrig liess, so war doch das darin verbrannte Matcriale, feines Olivenöl und Petroleum, ein sehr gutes; denn die Griechen hatten auf der Insel Zante grosse Anlagen zur Gewinnung von Petroleum und das Petroleum von Agrigent war als „sizilianisches Oel“ ein allgemein gebräuchlicher Leuchtstoff. Mit der nach dem Untergange des römischen Reiches hereinbrechen¬ den tiefen geistigen Finsterniss verschwand auch die Strassenbeleuchtung auf viele Jahrhunderte hinaus. Erst zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts, im Jahre 1414, wurde die Strassenbeleuchtung in London eingeführt, Paris folgte im Jahre 1558. Das durch den dreissigjährigen Krieg fürchterlich verwüstete und entvölkerte Deutschland blieb noch lange zurück; den Anfang machten Berlin und Hamburg und beleuchteten ihre vornehmsten Strassen und Plätze im Jahre 1670. — In Neapel und Warschau finden wir noch im ersten Viertel unseres Jahrhunderts keine Spur einer öffentlichen Beleuchtung. Wie jämmerlich und elend noch dazu war diese Strassenbeleuchtung selbst in London und Paris! Kleine, trüb und russig brennende Oel¬ Lämpchen, ihren matten Schein in den Pfüzen des Strassenkothes spiegelnd, machten die tiefe Finsterniss der Winkel und Nebengäßchen noch schauerlicher. Mit dem Einbruche der Nacht wurden daher die Strassen und Plätze zum Tummelplatz der verwegensten Wegelagerer und es war nicht gerathen, dieselben ohne Begleitung handfester, bewaffneter und mit Windlichtern ver¬ sehener Diener zu betreten. Die Beleuchtung der menschlichen Wohnungen war im Mittelalter eine sehr trübselige. Grosse Feuer in den freilich sehr geräumig angelegten Kaminen; kleine, offene, mit Fett oder übelriechendem Oel gefüllte Lämp¬ chen, Kienspähne und Pechfackeln machten den ganzen Beleuchtungs Apparat aus; denn noch im dreizehnten Jahrhundert war die Talgkerze so selten und theuer, dass deren Gebrauch als übertriebener Luxus erschienen wäre. Im vierzehnten Jahrhundert war eine Wachskerze selbst in fürstlichen Wohnungen noch eine Seltenheit; - nur in den Kirchen waren die Wachs¬ kerzen trotz ihres enormen Preises schon seit dem vierten Jahrhundert all¬ gemein gebräuchlich. Mit Anbruch der neueren Zeit, im Zeitalter eines Guttenberg, Copernicus, Columbus, Luther u. s. w., wurde die häusliche Beleuchtung auch besser; denn Hanns Sachs zählt die Talgkerze schon zum nothwendigen Hausgeräthe. Vom Beginne des sechszehnten bis zum Anfang unseres Jahrhun¬ derts stellt sich die häusliche Beleuchtung im Folgenden dar: In der Stube der Bauern brannte der Kienspahn, der Kleinbürger benützte kleine, offene Oellämpchen (gegenwärtig noch als „Küchenlampe“ im Gebrauch), der wohl¬ habende Bürger Talgkerzen und die höheren Stände beleuchteten ihre Prunk¬ gemächer mit Wachskerzen, von denen, als das Bedürfniss nach einer bes¬ seren Beleuchtung immer dringender wurde, ungeheuere Mengen verbraucht wurden. Zur Zeit Friedrich Wilhem II. verschlang die Beleuchtung am IIofe

5 zu Berlin solche Summen, dass selbst ein Unterschleif von 6000 Thalern gar nicht bemerkt wurde, und bei einem zu Dresden im Jahre 1779 abgehaltenen Hoffeste verbrauchte man in einer einzigen Nacht 60 Centner Wachskerzen. Die damalige Zeit hatte aber trotzdem kein Bedürfniss nach einer noch besseren Beleuchtung, wie dies Nachstehendes sogleich zeigen wird. Der deutsche Alchymist Becher (geboren nach seiner eigenen Angabe 1635 zu Speyer, gestorben nach einem zwar abenteuerlichen, dabei aber wissenschaftlich thätigen Leben zu London 1682) spricht schon in seinem Werke: „Pbysica subterranea s. Acta laboratorii chemici Monacensis“. (Frankfurt 1669, mit Supplement neu herausgegeben von Stahl, Leipzig 1735) von einem brennbaren Gase, das sich beim Mischen von Weingeist mit Vitriolöl bildet, denn er schreibt darüber Folgendes: „Evidens demonstratio ignis est in spiritu vini et oleo vitrioli, utroque probe rectificato. Quam primum enim confunduntur, ignem concipiunt qui vase obstructo exstinguitur, aperto rursus incenditur. In seinem 1682 zu Frankfurt a. M. erschienenem Buche: „Närrische Weisheit und weise Narrheit“ beschreibt er im § 69 die Entwicklung eines brennbaren und stark leuchtenden Gases durch trockene Destillation der Steinkohle. Becher experimentirte damit selbst zu London vor dem Könige, ohne jedoch mit seiner hochwichtigen Entdeckung des Leuchtgases etwas zu erreichen; — sie fiel der Vergessenheit anheim. Später, als die allgemeine Einführung des Leuchtgases einen epoche¬ machenden Abschnitt in der Geschichte der Beleuchtung ausmachte, stritten sich Engländer und Franzosen um die Ehre dieser Erfindung; thatsächlich wurde sie aber doch von einem Deutschen gemacht. In den Jahren von 1727—1739 beobachteten die Engländer Clayton und Hales abermals das Entweichen eines brennbaren Gases beim Erhitzen der Steinkohle; im Jahre 1767 wies der Bischof Landlaff nach, dass sich das brennbare Gas überall hin durch Röhren leiten lasse. Der Professor Pickel zu Würzburg erzeugte durch Erbitzen von Knochen ein Gas, womit er sein im Garten des Juliusspitals gelegenes Laboratorium beleuchtete (1786). Um dieselbe Zeit stellte der Earl von Dundonald auf seinem Landgute „Culross-Abtei“ Versuche zur Anwendung des Steinkohlengases als Beleuchtungsmittel an. Ursprünglich handelte es sich freilich nur um die Gewinnung von Steinkohlentheer als Nebenproduct der Koksbereitung. Die Arbeiter hatten in die Kühlvorlage, in welcher sich der Theer absetzt, eiserne Röhren ein gekittet und verbrannten das entweichende Gas, um sich bei ihren nächt¬ lichen Arbeiten zu leuchten. Dem Earl fiel das schöne Licht auf und er liess später das Gas in die Abtei selbst leiten, wo es als eine Art von Wunderding verbrannt wurde. — Für das Beleuchtungswesen selbst aber blieben alle diese Versuche vorderhand noch erfolglos. Ist es demnach nicht mehr als Zufall, dass, als die durch die fran¬ zösische Revolution angeregten neuen Ideen sich über alle Länder ver¬

5 -- breiteten, auf einmal auch die bisherige Beleuchtung nicht mehr genügte, und dass das vom Mechaniker Murdoch zu Redruth in Cornwallis aus Stein¬ kohle erzeugie Leuchtga- eine rolche Beachtung fand, dass wir bereits im Jahre 1802 die grosse Maschinenfabrik des als Beschützer von James Watt bekannten Bolton zu Sohofoundry bei Birmingham mit Steinkohlengas be¬ leuchtet finden. Im Jahre 1804 richtete Murdoch die Gasbeleuchtung in einer grossen Spinnfabrik bei Manchester und dann noch in einigen eng lischen Fabriken ein. Im Jahre 1799 stellte der Ingenieur Lebon zu Paris das Leuchtgas aus Holz dar und beleuchtete damit einen öffentlichen Garten. Frankreich war aber damals im Kriege mit fast ganz Europa und die Zeitverhältnisse friedlichen lnernehmuugen äusserst ungünstig. Xur diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass die weitgreifenden Plâne Lebon's, die er in einer kleinen Schriu: „Thermolampe, oder Apparat, der zugleich mit Vortheil wärm and leachtet" veröffentlichte, wieder der Vergessenheit anheimfielen. l'nabhängig von Mudoch und Lebon machte auch noch der Amerikaner ilenfrey im Jahre 1801 in Baltmor die Eptdeckung, dass das Gas, welches die Steinkohlen bei der trockenen Destillation geben, mit Vortheil bei der Be¬ leuchtung zu verwenden wi, und da die Amerikaner den Thatsachen williger Gehör schenken, so wurde schon Baltimore im Jahre 1802mit Gas beleuchtet. Iu England wurde bis zum Jahre 1812 die Gasbeleuchtung aus¬ schliesslich nur m Fabriken und ähnlichen Etablissements angewendet, denn da: damals erzeuzie Leuchiga» war, da man dasselbe noch nicht zu reinigen veistand mit cinem sehr ielu Cieruch behaftei den man, auch mit Grund. ir aie Clesuudher schdlich hiel lieser Lmstaad kam natürlich bei den englischen Fabrikaner niei in Betracht, da nieht sie selbst, sondern nur die Arbeiter daruntei zr lexlen hatten; ei ibnen tielen nur die Vortheile, welehe die (asbeleuchiuna ibrem teldbeutel brachte, m's Gewicht und diese wurden schr bald erkannt as Verdienst, as ieuchtgas in die Städiebeleuchtung eingefuhri zu haben, gebuit, da wir hier von Amerika absehen wollen, wiederum einem Deutschen uud zwar dem llofrathe Winzer, der freilich seinen deutschen Namen zegen den enalscher Winsor vertauschte Seinen Bemuhungen lang es, die Jaspeleuchtung 812 in London und 1820 in Paris einzufübren. Die Verdiensie Winzers sind in dieser liinsicht nicht za unterchätzen, denn die Zahl seiner Widersacher war wirklich sehr gross. Zu nächst die nichi unbedeutende Anzahl solcher Gewerbetreibenden, die die risteaz ihrer guten Cieschäne durch die Einführung der Casbeleuchtung bedroht sahen, nbesonders di- Oelhandlei. Decht- und Lampenfabrikanten, Wzieher. Kerzentabiikann und Seiler, weil die neuc Beleucntung das O, die Dochte. d. Lerzen. die Lampen ud die Seile zam Aufh'ingen on Lampen on Lateren ibe fssi maente i. Phanasie der grossen, oiehin ncht denkenden Menge, wurde aufgeschreckt durch übertriebene Ausmalung von Gefabr.n. welche die Anhäufung so ungeheurer Mengen

7 - brennbaren und leicht entzündlichen Gase im Gefolge haben müsse. Selbst unter den Gelehrten fanden sich Gegner der Gasbeleuchtung: so schreibt zum Beispiel John Webster in seinen 1811 herausgegebenen „Elements oi Chemistry“ Folgendes: „Es ist zwar wahr, dass man dem Leuchtgase da¬ durch, dass man es durch Kalkwassei strômen lasst, viel von seinem un¬ angenehmen Geruch nehmen kann: alicin dei ganze Process der Gas¬ bereitung ist so mühsam und ko-tspielig. dass, ungeachtet des Werthes. den die gewonnenen Koks und der Theer besitzen, dennoch die meisten wissen¬ schaftlich gebildeten Männer der Ansicht sind, dass die Beleuchtung mit Gas nur als eine Spielerei zu betrachten sei and dem Publieum im All¬ gemeinen so wenig Xutzen bringen werde, als Jenen, die sich in dergleichen Unternchmungen einlassen.“ Selten wol hat cine Prophezeiung aus dem Munde eines Gelehrten eine so schnelle und gründliche Widerlegung erfahren, als es mit der John Webster's der l'all war Zu den Beschützern Winzeis gchörte, au-ser den grossen Fabrikauten und Kaufleuten, hauptsächlich die Polizei. Mit der önentlichen Sicherheit war es in den grossen Städten, wie schon früher erwähnt, schr übel bestellt und man erkannte ganz richtig, dass die mangelhafte öffentliche Beleuchtang das nächtliche Handwerk der Stiolche wesentlich begiastige. in Deutschland beleuchtete mit as zunächet Berlin, nämlich 1826, danu Dresden 1827, Leipzig 1*37. — Heutzutage gibi es wol in der ganzen civilisirten Welt keine bedeutendere Stadt ohne Gasbeleuchtung ie den Strassen, öffentlichen Localen und grösseren Wohnungen. Die häusliche Beleuchtunz wurde inzwischen auch rasch reiormirt, es wurden complicirt eingerichtete Oellampen eingefihrt, die Kerzenfabrikation wurde fort und fort verbessert, bis die Steariakerze das leld behauptete; den grössten Lmschwung aber in der häuslienen Beleuchtung bewirkte das seit dem Jahre 1859 cingeführte Petroleum, dars sei dieser Zeit der drirtwichtigste Ausfuhrsartikel der Vereinigten Staaten ordamerika's gewerden ist. — Die Petroleumlampe verdrängte wegen ihres schônen und dabei hilli gen Lichtes den Kienspahn, die Oellampe und vieltach auch die Kerze. Wie ungeheuer gross und stetig zunehmend der Polamverbrauch zum Beispiel in Deutsch'and zeworden ist, zeigt die Einfuhr deeselben in das deutsche Zollgebiet. Diese betrug: 136 918 9.44 (1 1867 1.785.000 1865 2,232.00 1869 2.695.882 2,201.000 1870 )- 1871 . 1872 3,012.00 3.164.00 1873. 1874. 3,629.000

8 Der Verbrauch des Petroleums ist demnach im deutschen Zollgebiete innerhalb acht Jahre um das Vierfache gestiegen. Heutzutage begreift man unter Petroleum die specifisch schwereren und schwerer flüchtigen, über 140° C. siedenden Oele des in der Natur vorkommenden Steinöls oder Erdöls. — Am massenhaftesten findet sich das Erdöl in Nord- Amerika und zwar in Schichten, welche dem AlleghanyGebirge parallel liegen und sich vom Ontario-See bis in das Thal des klei¬ nen Kanawha in Virginien verbreiten. Dieser Streifen umfasst die westlichen Grafschaften des Staates von New-York und von Pennsylvanien, einen Theil von Obio und die an den Ohio grenzenden Theile des gleichnamigen Staates. Die hauptsächlichsten Oelquellen sind zu Mecca (Grafschaft Trum¬ hall, Ohio), Oil-City, P’ithole-City, Rouseville, M'Clintockville (Grafschaft Venungo, Pennsylvanien). Das Gebiet der Bohrlöcher heisst Oil-creek, sie sind bis 23 Meter tief und in grosser Anzahl vorhanden. Man unterscheidet Bohrlöcher mit beständigem Oelausfluss (Flowing well) und Bohrlöcher, aus welchen das Oel erst gepumpt werden muss (pumping well). Ausserdem kommt noch viel Erdöl in Canada, Californien, P’eru und Bolivia vor; ferner an den Ufern des lrawaddy in Ilinterindien, auf der Halbinsel Apscheron im Caspi-Sec, in Galizien (hauptsächlich im Somborer Kreis), in Ungarn, Croatien, zu Tegernsce in Baiern; zu Sehnde bei Hannover, zu KleinSchöppenstedt in Braunschweig, zu Bechelbronn im Elsass, zu Coalbrookdale in England und Neufchatel in der Schweiz. Grosse Massen verdickten Erdöls finden sich hauptsächlich in Syrien und Mesopotamien. Unter die Fundorte gehört auch das todte Meer, welches ja früher der Asphaltsee (lacus asphaltites) hiess. Durch Reinigung dieses natürlich vorkommenden Stein- oder Erdöls wird dann erst das eigentliche Petroleum gewonnen. Diese Reinigung besteht in einer theilweisen und fractionirten Distillation, um die sehr flüchtigen und leicht entzündlichen Kohlenwasserstoffe zu entfernen. Nach den vorlie¬ genden chemischen Untersuchungen aller Erdöle sind dieselben Gemenge von den homologen höheren Gliedern der Reihe der Ethane (von der Formel Ca H an +2), von welcher das Sumpfgas (Methan, Carbol) C H a, das erste ausmacht. Von den Glieden dieser Reihe sind im Steinöl bis jetzt folgende nachgewiesen worden: Die Gase Methan CII., Acthan C2IIc, Propan C3Hs, Butan Callio: — die Pentane Cs IIiz und zwar normales (normaler Amylwasserstoff) Siedep. 38", Isopentan (Isoamylwasserstoff) Sp. 30°, die Hexane CIIia, Sp. 70°, die Hleptane CIIi, Sp. 97•5°, die Octane C, IIis, Sp. 125°, die Nonane Co 1l 2o, Sp. 132°, die Dekane Cio1l22, Sp. 158°, die Dodekane C 12 1l 2e, Sp. 200°; ferner die Ethane Cocinylwasserstoff (Tridekan) Ci H »», Sp. 220°, Myristylwasserstoff (Tetradekan) C a 1I so, Sp. 240° Benylwasserstoff (Pentadekan) C is 11 22, Sp. 262° und Palmitilwasserstoff Cis H34, Sp. 280°. Die aus dem Steinöl sich entwickelnden Gase bestehen hauptsächlich aus einem Gemenge von Methan, Acthan und Propan. Die

flüchtigsten flüssigen Antheile desselben sind Gemenge von Butanen mit Pentanen, welche gleich dem Methan beim Verbrennen eine nur schwach leuchtende Flamme geben. Die Bestandtheile des gereinigten oder raffinirten, als Lampenöl verwendeten Petroleums werden durch Kohlenwasserstoffe repräsentirt, welche zwischen den Heptanen und den Dodekanen liegen. Die höheren Glieder der Reihe der Ethane haben eine butterähnliche Con¬ sistenz, die von Cis IIss bis zu den Gliedern C2r Hso und C 3o Hez als Pa¬ raffin zum Vorschein kommen, welche in den meisten Petrolcumsorten sich finden. Wie es erscheint, kommen in einigen Petroleumsorten äusser den Ethanen schwere Kohlenwasserstoffe vor, welche der Reihe der Aethylene angehören, namentlich die Glieder Amylen C3 Hio, Hexylen Ce Hi2, Heptylen C7 Hia und Octylen Cs Hic. Wegen der ausserordentlichen Feuergefährlichkeit des rohen Erdöls darf kein solches mehr ans Amerika versendet werden. Es besteht dort ein Gesetz, wonach jedes Fass Erdöl einer Untersuchung zu unterwerfen ist, bevor es in den Handel kommt, und wonach kein Oel zugelassen werden darf, welches bei einer Temperatur unter 100° F. brennbare Dämpfe (von Butylwasserstoff) entwickelt. Auch in England hat man im Jahre 1868 ein ähnliches Gesetz (Petroleum-Bill) erlassen. Bemerkenswerth ist die Beobach¬ tung von Ommeganck in Antwerpen, dass eine Petroleumflamme durch Chloroform sofort zum Erlöschen gebracht werden kann. Die heutzutage im Gebrauche stehenden Kerzen werden hauptsächlich aus Talg, Paraffin, Wachs, Wallrath oder Stearin (ein Gemenge von Stearinund Palmitinsäure) verfertigt. Es finden demnach bei gewöhnlicher Temperatur feste Leuchtmaterialien ihre Verwendung, es sind dabei alle complicirteren Apparate Überflüssig, wesshalb auch die Kerzenbeleuchtung trotz ihrer Kostspieligkeit ihre praktische Seite hat und sich auch noch lange im Gebrauche erhalten wird. Das feste Leuchtmaterial der Kerzen bekommt immer die Form eines Cylinders, nach dessen Längenaxe der Docht gespannt ist. Von grosser Wichtigkeit ist es, dass die Stärke des Dochtes zu der des Leucht¬ materials im richtigen Verhältnisse stehe; denn ist der Docht zu dick, so schmilzt beim Brennen desselben der Kerzenrand schnell ab, die Kerze „läuft“. Ist er zu dünn, so bleibt der Rand zu lange stehen, es entsteht ein Hohl¬ brennen und das geschmolzene Materiale ertränkt den Docht, so dass nur eine kleine, schwach leuchtende Flamme entstehen kann. Bei Talg-, Paraffin¬ und Wachskerzen soll der Durchmesser des Dochtes sich zu dem des Materials wie 1 : 10 verhalten, bei den Stearinkerzen wie 1 : 8. Ueberhaupt ist der Docht ein sehr wichtiger Bestandtheil einer jeden Kerze und von seiner guten Beschaffenheit hängt das gleichförmige und ruhige Brennen der Kerze wesentlich ab. Man verfertigt den Docht desshalb aus einem gleiebförmig dicken und rein gesponnenen Garn, damit er überall gleich dick werde und keine nicht eingesponnenen Fäden, sogenannte „Räuber oder Neider

10 — von ihm abstehen. Das zu diesem Zwecke am häufigst verwendete Garn ist schwach gedrehtes Mulegarn und zwar Nr. 16—20 für Talgkerzen, Nr. 30 bis 40 für Stearinkerzen. Früher wurden die Dochte nur gedreht, wie es auch noch jetzt bei Talg und Wachskerzen der Fall ist, die einzelnen Baumwollfäden liegen dabei, eine steile Spirale beschreibend, neben einander. Cambacérés verbesserte die Dochte durch das Flechten derselben. Unter dem Einflusse der Spannung, in welcher sich die einzelnen Baumwollfäden des zopfartig geflochtenen Dochtes befinden, erleidet das aus der Kerzenmasse hervorragende Ende desselben eine Krümmung, welche seine Spitze stets ausserhalb der Flamme hält und in der Luft rasch verglimmt. Für bessere Kerzensorten werden die Dochte auch noch präparirt: sie werden zu diesem Zwecke zuerst in eine stark verdüunte Schwefelsäure (3—5 pro Mille) getaucht, um sie mürbe und leichter verbrennlich zu machen, weil der bei einer un¬ vollständigen Verbrennung des Dochtes entstehende Kohlenrückstand die Capillarwirkungen des Dochtes bedeutend abschwächt; hierauf mit einer Borsäurelösung getränkt, welche dann mit der beim Verbrennen des Dochtes entstandenen Äsche eine Glasperle bildet, die sich beim Herausragen des Dochtes aus der Flamme abkühlt und herabfällt; man erspart bei solchen Kerzen das lästige „Putzen“. Bolley empfiehlt als eine billige Dochtbeize eine Salmiaklösung von 2 bis 3° B. Beim Anzünden einer Kerze brennt zuerst der Docht, welcher durch seine Hitze einen Theil des Leuchtmaterials schmilzt, es bildet sich an der Oberfläche der Kerze sogleich ein kugelig vertiefter Napf, da der von unten an der Kerze aufsteigende kalte Luftstrom die Oberfläche der Kerze und den Rand des Napfes abkühlt, so dass derselbe weniger einschmilzt als die Mitte desselben. Dieser Napf füllt sich mit dem geschmolzenen Leuchtmateriale. Wirkt aber auf die Kerze ein seitlicher Luftstrom ein, so dass die Flamme nach irgend einer Seite getrieben wird, so schmilzt daselbst der Rand des Napfes ab, wird schief und das Materiale tropft ab. — Durch die Haarröhrchenthätigkeit des Dochtes wird der geschmolzene Brennstoff in die Höhe gezogen und erleidet in der Flamme eine Art trockener Distillation, wodurch sich brennbare Gase, hauptsächlich Kohlenoxyd und Kohlenwasserstoffe bilden, welche aufsteigen und verbrennen. Bläst man die Kerzenflamme vorsichtig aus, so kann man die noch einige Zeit lang aufsteigenden Gase durch einen brennenden Körper bis auf 7 Cm. Entfernung anzünden. Man kann desshalb die Be¬ leuchtung mit Kerzen und Lampen, womit diese auch gespeist sein mögen als eine Gasbeleuchtung im weiteren Sinne auffassen. Der ganze Unterschied läuft einzig darauf hinaus, dass bei der Kerze und Lampe die Gaserzeugung und Consumtion gleichzeitig vor sich gehen, während bei der eigentlich sogenannten Gasbeleuchtung beide durch Zeit und Raum weit von einander getrennt sind. Während dort der Docht die Stelle der Retorte und der Gasleitungsröhren vertritt, nehmen diese hier zu ihrer Herstellung bedeutende Kosten in Auspruch. Man sollte daher glauben, dass die Gasbeleuchtung

11 eben wegen der bedeutenden Kosten der Anlage und der weitschweifigen Operationen bei der Bereitung des Gases nicht als ein Fortschritt zu bezeichnen wäre, und sicher würde man diesc Ansicht auch gehegt haben, wenn diese Beleuchtungsart die ursprüngliche gewesen wäre und man erst hinterher die Kerzen und Lampen erfunden hätte. Die Erfahrung lehrt aber doch das Gegentheil; sie hat bewiesen, dass die Gasbeleuchtung nicht nur ein sehr schönes, sondern auch billiges Licht liefert, weil sic gestattet, dazu ein billiges Material zu verwenden und die Verbrennung des Gases so genau zu reguliren, dass der Verbrauch stets dem Bedürfniss entspricht. Die schein¬ baren Nachtheile bei der Gasfabrikation werden dadurch ausgeglichen, dass man dabei noch vielerlei werthvolle Nebenproducte, wie die Koks, den Theer u. s. w. gewinnt, welche nicht selten die Kosten des Rohmaterials und der Gasbereitung decken. Dass der Begriff von Gasbeleuchtung ein ganz allgemeiner ist, wird noch klarer, wenn man die Natur einer Flamme genauer betrachtet; denn jede Flamme, sic mag welchen Ursprung immer haben, ist ein brennender Gasstrom. Am besten beobachtet man diese Gasbereitung im Kleinen an einer Kerze, wo sich die verschiedenen Operationen ohne unser Zuthun selbstständig und zwar mit einer gewissen Präcision reguliren. Der Docht der Kerze besteht in seiner Hauptmasse aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff; nähert man demselben einen brennenden Körper, so wird durch die Ilitze des letzteren der Docht zersetzt, die brennbaren Gase entzünden sich und verbrennen mit schwachem, röthlichblauen Scheine, der den Raum erfüllt, innerhalb dessen jene Gase mit der Luft in Berührung treten. Die Gase selbst bilden ein plattrundes Kügelchen, dessen dunkler Inhalt durch die umgebende Flamme mit prachtvoll lasurblauer Farbe hindurchscheint. Gewöhnlich bemerkt man dies blauc Kügelchen allein, welches auf der Spitze des Dochtes wie ein Knäulchen zu schweben pflegt. Ist jedoch der Ilintergrund ein günstiger und der Blick des Beobachters ein aufmerksamer und geschärfter, so sicht man stets auch den röthlichblauen Flammenschein. Diesen nennt Volger den Schleier der Lichtflamme und die ganze Erschei¬ nung dieses ersten Stadiums die Flammenknospe. Sehr bald bemerkt man, dass die platte Form der Knospe anfängt zu schwellen. Die sich fortwäh¬ rend steigernde Hlitze des verbrennenden Wasserstoffgases wirkt bereits auf das Material der Kerze ein, dieses schmilzt und wird durch die Haarröhr¬ chenthätigkeit in den Faden des Dochtes in die Höhe gezogen. In demselben Masse, als es in den Bereich der Flamme kommt, wird es zersetzt. Die Zersetzungsprodukte, die brennbaren Gasc streben gleichfalls aufwärts und sobald sic sich der äussersten Grenze des blauen Kügelchens und somit der heissen Sphäre des verbrennenden Wasserstoffgases nähern, zerlegen sich die Kohlenwasserstoffgasc. Der Wasserstoff verbrennt augenblicklich; der Kohlenstoff aber, der schwerer verbrennlich ist, scheidet sich in kleinen, festen Theilchen aus, die durch die Hitze und das aufsteigende Wasserstoff¬ gas mit fortgerissen werden und erst in der äusseren Begrenzung der Wasser¬

12 stoffflamme verbrennen. Während die Kohlenstofftheilchen den Weg durch die Wasserstoffflamme zurücklegen, erglühen sie und zwar mit blendend weissem Licht, welches durch die röthlich weisse Wasserstoffflamme theils kaum geschwächt, theils gelblich und röthlich hindurchscheint. Bei diesem zweiten Stadium der Flamme erscheint plötzlich auf dem Gipfel der Knospe, wo die Wasserstoffflamme rasch emporwächst, ein glänzend leuchtender Punkt, der schnell das kleine Kügelchen nach oben durchbricht. Das Kügel¬ chen nannte Volger die Hülle der Knospe. Im dritten Stadium sind Hülle und Schleier wie der Kelch einer Blume geöffnet und bilden die äussere Flamme, aus welcher die innere mit ihren verschiedenen Theilen als ein stumpfer Kegel hervorgebrochen ist. Die verschiedenen Theile dieser letzteren lassen sich hier bereits deutlich unterscheiden. Die Flamme hat einen grös¬ seren Theil des Dochtes erfaßt und ist durch die damit verbundene stärkere Destillation und Zersetzung gewachsen. Zunächst um den Docht befindet sich der dunkle Gaskern; dieser ist hier nicht mehr kugel-, sondern kegel¬ förmig, welche Gestalt dadurch hervorgebracht wird, dass die Gase, im Begriff, sich nach oben zu verflüchtigen, mehr und mehr mit der Luft in Berührung kommen und somit durch die Verbrennung vermindert werden. Der dunkle Kern besteht in seinem innersten und bedeutendsten Theile aus den unmittelbaren Zersetzungsprodukten der Fette. Dieser innerste Gaskegel des Flammenkernes ist umhüllt von einem ebenfalls zum dunklen Kern gehörenden Hoblkegel der bereits in Kohlenstoff und Wasserstoff geschiede¬ nen Zersetzungsprodukte. Die Hitze in diesem Theile, die Volger die in¬ nere Mütze nennt, ist nicht sehr bedeutend und der Kohlenstoff glüht darin nur schwach, so dass ein röthlich dunkler Schein diese Mütze des innersten Kegels bezeichnet. Die äußere Mütze, welche aus den in der innern von einander befreiten Gasen besteht, die hier aber mit dem Sauerstoff der Luft in Be¬ rührung treten und verbrennen, ist viel größer und tritt mehr hervor. Es ist eine große Wasserstoffgasflamme, in welcher die Kohlenstofftheilchen weiß erglühen und sodann verbrennen, besonders im mittleren Theile der Flamme. Der untere Rand dieser Mütze, welcher im Querschnitte in zwei Spitzen erscheint, ist noch nicht brennendes, sondern nur stark glühendes Gas, indem von diesem Theile der Zutritt der Luft durch die Hülle abge¬ schlossen ist und daher glühen hier die Kohlenstofftheilchen auch noch nicht so hell. In der Spitze der äußern Mütze dagegen und überhaupt in den äußern Theilen derselben verbrennen Kohlenstoff und Wasserstoff zugleich so dass hier die Mütze einc röthlichblaue Umgebung besitzt, welche dem Schleier völlig gleicht und ebenso wie dieser keinen Russ gibt, aber eine sehr heftige Gluth entwickelt. Ist nun die Zufuhr des geschmolzenen Leuchtmaterials so bedeutend, dass sich die Flamme ganz entwickelt hat, so unterscheidet man deutlich sechs verschiedene Theile derselben und zwar: die Hülle, den Schleier, den innersten Kegel, die innere Mütze, die äußere Mütze und die Umgebung

13 der äußeren Mütze. Der Schleier und die ihm ganz ähnliche Umgebung der äußeren oder leuchtenden Mütze pflegen sich bei einer lebhaften Flamme zu vereinigen. Dass im Schleier der Kohlenstoff nicht leuchtet, hat seinen Grund darin, dass dort derselbe nicht glüht, sondern brennt, wie in der Umgebung der Lichtmütze. Dass bei der Kerzenflamme oder der Flamme der gewöhnlichen Lampen nur am äußeren Umfange der Flamme, an welchem allein der Zutritt der Luft stattfindet, eine vollständige Verbrennung vor sich geht, kann man auf verschiedene Weise erproben. Hält man z. B. einen Draht quer durch die Flamme, so glühen die beiden Punkte im äußersten Rande sehr stark, während die Mitte des Drahtes dunkel bleibt. Bei Flammen mit dickem Dochte kann man sogar kleine Stückchen Phosphor oder Schwefel mitten in die Flamme, den dunkeln Kern, bringen, ohne dass sie sich entzünden. Die ersten und wichtigsten Aufklärungen über die Natur der Flamme und das Leuchten derselben, namentlich über die Ursache ihrer ungleichen Lichtstärke verdanken wir H. Davy. In neuerer Zeit haben wieder mehrere Chemiker ihre Aufmerksamkeit dem Studium der Flamme zugewendet und unsere Kenntnisse hinsichtlich der Natur des Leuchtens der Flamme wesentlich erweitert. Hieher gehören unter anderen: Hilgard, H. Landolt, Pitschke, R. Blochmann, Kersten und besonders Deville, Volger, G. Lunge, Frankland, E. v. Meyer, K. Knapp, W. Stein und F. Wibel. — Insbesonders hat Frankland durch vielfache Versuche nachzuweisen gesucht, daß das Leuchten einer Flamme im Allgemeinen nicht durch einen festen in der Dampfsäule glühenden Körper, sondern durch die Dichte der Gase und Dämpfe, die zur Verbrennung gelangen, bedingt werde. Es würde nach diesem das Leuchten unserer gebräuchlichen Beleuchtungsflammen nicht von ausgeschiedenem weißglühenden Kohlenstoff, sondern von sehr schweren, das heißt koblenstoffreichen und wasserstoffarmen Dämpfen herrühren, die eine sehr hohe Verbrennungstemperatur besitzen und dann erst zur Verbrennung gelangen, wenn durch hinreichenden Zutritt von Sauerstoff die Temperatur am Orte der Verbrennung entsprechend gestiegen ist. — Man pflegt dagegen als Beweis für die bisherige Ansicht, daß es der glühende feste Kohlenstoff sei, der in der Flamme leuchte, gewöhnlich den Umstand anzuführen, daß sich der Kohlenstoff auf einem Stücke Porzellan, welches man in die Flamme bringt, auffangen läßt. Dieser Niederschlag, der Ruß, ist aber nicht reiner Kohlenstoff, sondern stets mehr oder minder wasserstoffhaltig und will man reinen Koblenstoff haben, so muß der Ruß noch lange geglüht werden oder man leitet über den weißglühenden Ruß einen Strom von Chlorgas. Der Ruß ist wahrscheinlich weiter nichts als ein Conglomerat der dichtesten licht¬ gebenden Kohlenwasserstoffverbindungen, deren Dämpfe sich an der kalten Fläche des eingebrachten Porzellankörpers condensiren. Wäre eine Flamme wirklich mit festen Kohlenstoffpartikelchen angefüllt, so könnte sie unmöglich so durchsichtig sein und es wäre dann für die photometrische Messung

14 auch nicht gleichgiltig, ob man eine Flamme auf die flache oder auf die schmale Seite einstellt, wenn es die festen Kohlenstofftheilchen wären, welche das Licht geben. Es mag sein, dass im geringen Grade auch eine Zersetzung der Kohlenwasserstoffe und eine Ausscheidung festen Kohlen¬ stoffs stattfindet: in der Hauptsache aber sind es die sehr dichten brennen¬ den Kohlenwasserstoffdämpfe selbst, welchen die Flamme ihre Leuchtkraft verdankt. Obgleich die Untersuchungen über diesen Gegenstand, besonders in Folge der Einwürfe Deville's noch lange nicht abgeschlossen sind, so er¬ scheint das über den „weißglühenden Kohlenstoff“ als Ursache des Leuchtens einer Flamme Gesagte auch nach Frankland's Versuchen noch richtig, wenn man die Bezeichnung „Kohlenstoff“ im praktischen Sinn anwendet, wie es ja im gewöhnlichen Leben für Kohle, Ruß u. s. w. geschicht, welche Körper auch nicht reiner Kohlenstoff, sondern stets wasserstoffhaltig sind. Unter den gewöhnlichen Verhältnissen gehört es zur Zusammen¬ setzung eines Leuchtmaterials, welches bei ruhiger Luft leuchten, aber nicht russen soll, dass es auf sechs Gewichtstheile Kohlenstoff ein Gewichtstheil Wasserstoff enthalte, wie es ungefähr bei dem Aethylen, dem Paraffin, dem Wachse und der Stearinsäure der Fall ist. Terpentinöl zum Beispiel, welches auf 1 Gewichtstheil Wasserstoff 7•5 Gewichtstheile Kohlenstoff enthält, ver¬ brennt schon mit russender Flamme, in weit höherem Grade ist dies bei dem Benzol der Fall, das aus 1 Theil Wasserstoff und 12 TTheilen Kohlen¬ stoff besteht, oder bei dem Naphtalin, in welchem das Verhältniss von Wasserstoff zum Kohlenstoff wie 1 : 15 ist. Soll der überschüssige Kohlen¬ stoff, der sich als Ruß ausscheidet, verbrennen, so kann dies nur durch vermehrte Luftzufuhr geschehen, bei den Lampen durch Aufsetzen eines Glascylinders. Flammen, die keine Kohle ausscheiden, wie die des Methan's und des Alkohols, brennen nur schwach leuchtend. Die Leuchtkraft eines leuchtenden Gases wird sogleich vernichtet, wenn man demselben athmo¬ sphärische Luft zumischt, wie es bei den Heizungsgasbrennern häufig geschieht. oder wenn man es mit indifferenten Gasen oder Dämpfen mengt. Dieses Entleuchten einer Flamme ist nach F. Wibel's Versuchen (1875) keineswegs in einer Verdünnung der Gase begründet, sondern heruht auf der Abkühlung des Flammeninnern durch die eintretenden Gase; erhitzt man letztere, so wird die Flamme wieder leuchtend. Das Leuchten einer Flamme aus kohlen¬ stoffhaltigen Substanzen ist daher abhängig von der im Innern derselben herrschenden Temperatur, welche diejenigen Asso- uud Dissociationsprocesse ermöglicht, aus denen der eigentlich leuchtende Körper hervorgeht. Was die Fabrikation der Kerzen im Allgemeinen anbelangt, so werden dieselben entweder gegossen, indem man das geschmolzene Materiale in hoble, cylindrische Metallformen (bestehend ans 1 Th. Zinn und 2 Th. Blei), in welchen die Dochte eingespannt sind, giesst; oder sie werden ge¬

15 zogen, indem man die Dochte wiederholt in das geschmolzene Materiale eintaucht, bis die Kerzen die erforderliche Dicke haben. Die gegenwärtig im Gebrauche stehenden Talgkerzen werden aus einem Gemenge von ge¬ reinigten Rinds- und Hammeltalg entweder gegossen oder gezogen. Sie sind Anfangs gelb und übelrichend, sie werden desshalb, bevor sie in den Verbrauch kommen, einige Zeit in kalten Räumen gelagert, dadurch und besonders durch Ausfrieren werden sie weiss, fest und geruchlos. In England werden Wallrathkerzen, die wegen ihrer reinen, weissen Farbe und alabasterähnlichen Beschaffenheit ausgezeichnet, aber sehr theuer sind, als Luxuskerzen gebrannt. Der Wallrath (Cetaceum, Sperma C’eti) ist ein festes Fett, welches sich in mehreren Cetaceen, hauptsächlich im Pott¬ wall (Physeter macrocephalus) findet. Im lebenden Thiere ist der Wallrath in Folge der Körperwärme in einem flüssigen Fette, dem Wallrathöle gelöst. Dieser „flüssige Wallrath“ füllt eigene Höhlungen und Gefässe aus, welche oberhalb der Hirnschale, unter der Haut vom Kopfe bis zum Schwanz und zertheilt im Fleisch und Speck liegen. Nach dem Tode des Thieres erstarrt der flüssige Wallrath, indem der feste Wallrath gerinnt; man scheidet letzteren durch wiederholtes Pressen mittelst hydraulischen Pressen von dem Wallrathöle. Die so erhaltenen „Wallrathkuchen“ kocht man mit starker Natronlauge, um das noch anhängende Wallrathöl zu entfernen; die ab¬ gezogene klare Flüssigkeit erstarrt dann beim Erkalten zu einer weissen krystallinischen Masse. Man erhält von einem Pottwall 30—60 Ct. fester Wallrath. Derselbe besteht nach Heintz aus einem Gemenge der Cetylester der Stearinsäure, Palmitinsäure, Myristinsäure, Cocinsäure und Cetinsäure. Aus dem Wallrath werden die Kerzen gegossen; man setzt der geschmolzenen Masse, um ihr die Neigung zum Krystallisiren zu benehmen, 5—10°o weiles Wachs zu. Die fertigen Kerzeu werden mit einem mit Weingeist befeuchteten Tuchlappen polirt. Die Wallrathkerzen geben beim Brennen ein schön weißes, glänzendes Licht. Zur Verfertigung der Wachskerzen wird das Wachs zunächst ge bleicht, da das durch Ausschmelzen aus den Waben gewonnene Wachs cine gelbe Farbe besitzt. Da das Wachs nur durch Einwirkung der Luft und Sonne gebleicht wird, so nimmt das Bleichen je nach der Witterung einen Zeitraum von 3—5 Wochen in Anspruch. Die Anwendung der Chlor¬ bleiche hat beim Wachse den grossen Uebelstand, dass sich dabei feste und spröde gechlorte Producte bilden, die dem Wachse beigemengt bleiben und bei der Verbrennung der daraus gefertigten Kerzen zur Bildung von Salz¬ säure Anlaß geben. Der chemischen Zusammensetzung nach ist das Wachs ein Gemenge von Cerotinsäure und Melissin, auch Myricin genannt, und besteht letzteres nach Brodie aus dem Melissylester der Palmitinsäure. Äusser diesen beiden Stoffen enthält das Bienenwachs noch 4—5% eines bei 28° C. schmelzenden Körpers, das Cerolein, welchem das Wachs seine Fettigkeit verdankt. Das Mengenverhältniss zwischen der Cerotinsäure und dem Myricin varirt im Bienenwachse beträchtlich und daraus lässt sich der

16 bei den einzelnen Wachssorten beobachtete verschiedene Schmelzpunkt erklären. Die Wachskerzen werden am häufigsten durch das sogenannte Angiessen oder Anschütten hergestellt. Zu diesem Zwecke werden die Dochte an den am Umfange eines freistehenden Reifens, dem Kranze, befestigten Hacken aufgehängt und unter stetigem Umdrehen des Dochtes um seine Axe, mit dem flüssig erhaltenem Wachse übergossen, bis sie soviel davon aufgenommen haben, als zur Dicke der Kerzen erforderlich ist. Durch Ausrollen auf einer Marmor- oder Holzplatte erhalten die Wachskerzen eine vollkommen cylindrische Form. Die Wachsstöcke werden verfertigt, indem man einen entsprechend langen Docht durch ein flüssiges Gemenge aus Wachs, Talg und Terpentin oder Fichtenharz durchzieht, hierauf durch eine messingene oder kupferne Ziehscheibe durchgehen lässt und auf einer Trommel aufwickelt. Die so erhaltene Wachsschnur wird in noch biegsamem Zustande zu Wachsstöcken zusammengewunden. Durch Zerschneiden der Wachsstöcke erhält man die Christbaumlichter. Zur Fabrikation der Stearinkerzen verwendet man als Rohmaterial den Talg und das Palmöl, nur in den vereinigten Staaten Nordamerikas (in Cincinnati) auch noch das Schweineschmalz. Durch genaue Untersuchungen von Chevreul und von W. Heintz wurde festgestellt, dass die obgenannten Fette aus Palmitinsäure, Stearinsäure, Oelsäure und Glycerin bestehen. Das Stearin, Palmitin und Olein sind daher Glyceride und zwar ist das Stearin als Tristearin CsHio Oe, das Palmitin als Tripalmitin C si IIos Os und das Olein als Triolein Cs7 Hios Oe in den Fetten enthalten. Behufs Kerzenfabrikation werden zunächst die Fettsäuren ausgeschieden und zwar entweder durch Verseifung mittelst Kalk oder Schwefelsäure, oder Wasser unter Hochdruck, oder endlich mittelst überhitzter Wasserdämpfe. Zur Verseifung mittelst Kalk wird der Talg in mit Bleiblech ausgefütterterten Holzbottichen geschmolzen: die Bottiche haben durchschnittlich einen Gehalt von zwanzig Hektolitern und werden gewöhnlich mit 500 Kilg. Talg und 8 Hektoliter Wasser beschickt und mittelst Wasserdämpfen durch ein Rohr, dessen Ende spiralförmig am Boden der Bottiche liegt, erwärmt. Nachdem aller Talg geschmolzen ist, wird unter fortwährendem Umrühren Kalkmilch zugesetzt. Nach vollständig erfolgter Bildung der harten, krüm meligen Kalkseife, nach ungefähr 6—8 Stunden, wird die gelbliche GlycerinLösung, das sogenannte Glycerinwasser, abgezapft und weiter auf Gly cerin verarbeitet. Die Kalkseife wird gewöhnlich noch in denselben Bottichen, oder auch in Steinkufen mit einem Dampfrohr am Boden entweder mittelst concentrirter Schwefelsäure oder Kammersäure zersetzt. Die Abscheidung der Fettsäuren nimmt unter fortwährendem Umrühren und Erwärmen ungefähr 3 Stunden in Anspruch. Nach vollkommen er¬ folgter Abscheidung der Fettsäuren lässt man die Flüssigkeit einige Zeit ruhig stehen, wobei sich die geschmolzenen Fettsäuren an der Oberfläche

17 ansammeln, während das Calciumsulfat sich am Boden des Bottichs absetzt. Man erhält auf diese Weise aus gut gereinigtem Talg und bei genauer Behandlung beinahe 95% Fettsäuren. Ein grosser Uebelstand dieses Verfahrens ist aber der, dass dabei eine grosse Menge Schwefelsäure in beinahe werthlosen Gyps verwandelt wird. Man benützt deßhalb gegenwärtig statt des Kalkes mit mehr Vortheil den Aetzbaryt zur Verseifung der Fette, weil das erhaltene Bariumsulfat (Barytweiss) die Kosten der Schwefelsäure beinahe deckt. In Amerika benützt man in neuerer Zeit zur Verseifung der Fette Natrium—Aluminat (Natrona refined Saponifer). Die Schwefelsäureverseifung wurde durch Dubrunfault erst im Jahre 1841 in die Industrie eingeführt, obwol sie Achard schon im Jahre 1777 bekannt war und von Frémy 1836 wissenschaftlich erklärt wurde. Die Schwefelsäureverseifung ist deßhalb sehr praktisch, weil sich dazu auch minder reine Fette, wie Fettabfälle in den Schlächtereien und Küchen eignen. Die durch Umschmelzen etwas gereinigten Fette kommen in grosse, aus Schwarzblech verfertigte und mit Blei überkleidete Kessel, welche mit einem Rührapparat verschen sind und einen doppelten Boden haben. Durch Einleiten von Wasserdampf zwischen die Böden kann der Kessel erwärmt werden. Die Fette werden daselbst durch Schwefelsäure von 66° B. unter fortwährendem Umrühren und Erhitzen zersetzt. Die durch¬ schnittlich verwendete Schwefelsäuremenge beträgt ungefähr 9% vom Ge¬ wichte der Fette. Die Masse im Kessel färbt sich braun und entwickelt viel schweflige Säurc. Das neutrale Fett geht hierbei in ein Gemenge der Sulfo¬ fettsäuren mit Sulfoglycerinsäure über. Nach 15—20 Stunden ist der Verseifungsproceß beendigt und man schreitet nun zur Zersetzung der Sulfofettsäuren. Man läßt zu dicsem Zwecke die Masse abkühlen und dann in große mit Bleiblech ausgekleidete Holzbottiche fließen, die zum dritten Theil mit Wasser gefüllt sind und woselbst das Gemisch mittelst Dampf auf 100° erwärmt wird. Dadurch werden die Sulfofettsäuren zerlegt und die ausgeschiedenen Fettsäuren schwimmen oben auf und werden hierauf noch durch Dampfdestillation unter Anwendung überhitzter Wasserdämpfe von 250 bis 350° gereinigt. Die Verseifung der Fette durch überhitztes Wasser gründet sich darauf, daß neutrale Fette dabei in Glycerin und Fettsäuren gespalten werden. Die Chemiker Tilghman und Melsens haben hiebei die Ideen Appert’s und Manicler’s in die Industrie eingeführt. Nach dem Tilghman' schen Verfahren werden die F'ette mit 1—1 Volumen Wassers versetzt und dann läßt man dieses Gemenge durch ein Rohr circuliren, welches bis auf 320° crhitzt ist. Das Verfahren von Melsens besteht darin, dass man die Fette in einem Papin’schen Digestor bei 180—200° mit 10—20% Wasser in Berührung bringt, welches mit 1—10% Schwefelsäure versetzt worden ist. Unmittelbar daran schließt sich die Verseifung der Fette mittelst überhitzter Wasserdämpfe, wie selbe hauptsächlich in England von der Compagnie Pricc angewendet wird.

187 Die nach der einen oder der anderen Methode gewonnenen Fettsäuren werden dann stark gepresst, um die festen Fettsäuren (Stearin- und Palmitinsäure) von der flüssigen Oelsäure zu trennen. Der Pressrückstand bildet eine weisse krystallinische Masse, das Stearin, ein Gemenge von Stearin- und Palmitinsäure mit nur wenig Oelsäure. Dieser Stearinmasse wird dann ungefähr 2—5% weisses Wachs zugesetzt und die Kerzen ge¬ gossen. Sehr häufig wird gegenwärtig der Stearinmasse 15—20°0 Paraffin zugesetzt und daraus die Apollo- oder Melanylkerzen gegossen. Zur Erzeugung der Paraffinkerzen verwendet man die durch Destillation des Ozokerites, der Braunkohle, der Bogheadkohle, des Torfes und des Rangoontheeres erhaltenen Paraffine, die einen Schmelzpunkt von 45•5°—65•5° besitzen. Um diesen Schmelzpunkt zu erhöhen und die Kerzen auch etwas fester zu machen, setzt man dem Paraffin 5—15% Stearin zu. Die Paraffinkerzen werden gegossen und erhalten einen präparirten dünnen Docht. Die Belmontinkerzen werden aus dem aus den Erd- und Steinölen — Schwarze Paraffinkerzen, wie sie zu abgeschiedenen Paraffin verfertigt. Trauerfeierlichkeiten hie und da üblich sind, werden aus einem Paraffin verfertigt, das man zuerst bis zum Kochen erwärmt und dann mit Anacardiumschalen versetzt hat. Das Paraffin löst dabei das in den Anacardiumschalen enthaltene Harz auf, wird zunächst dunkelbraun und nach dem Abkühlen schwarz wie eine Steinkohle. Die Paraffinkerzen haben unter allen jetzt gebräuchlichen Kerzensorten die grösste Lichtstärke, denn man braucht, um die gleiche Lichtintensität zu erzielen: 8•42 Gewichtstheile Paraffinkerzen Wallrathkerzen 10: Wachskerzen 11•95 12•5 Stearinkerzen 16•30 Talgkerzen. Die gasförmigen Beleuchtungsmaterialien sind ein Gemenge ver¬ schiedener Kohlenwasserstoffe, unter denen das Aethylen oder ölbildende Gas C2 H. und eine Reihe homologer Verbindungen die wichtigsten sind. Nach Verschiedenheit der zur Gasfabrikation verwendeten Rohmaterialien und der Fabrikation selbst, unterscheidet man: Steinkohlengas, Holzgas, Harzgas, Oelgas, Torfgas, Wassergas und Petroleumgas. Zur Steinkohlengasfabrikation eignen sich am besten die sogenannten Backkohlen, die sich beim Erhitzen erweichen und aufblähen. Unter den¬ jenigen Backkohlen, die man gewöhnlich Gaskohlen nennt, zeichnet sich wieder die Cannelkohle aus, die aber nur in einigen Gegenden Gross¬ brittaniens, so zum Beispiel in Lancashire im nördlichen England und bei Glasgow in Schottland gefunden wird. Der Name Cannelkohle kommt von Candle, Kerze, weil die ärmeren Volksklassen beim Scheine dieser Kohle, die mit sehr heller Flamme verbrennt, ihre häuslichen Geschäfte verrichten.

— 19 - Der Cannelkehle oder Kerzenkohle stehen die Kohlen von Newcastle, die Bogheadkohle und die böhmische Blattelkohle sehr nahe. In Frankreich und England verwendet man zur Gasfabrikation die Kohle von Mons und Commentry, in Deutschland äusser der englischen Kohle auch noch sächsische, schlesische, rheinische und westphälische Steinkohle. Die zur Gasfabrikation verwendeten Steinkohlen dürfen nur wenig Schwefel enthalten und nach dem Verbrennen wenig Äsche hinterlassen. Die Darstellung des rohen Leuchtgases geschieht durch trockene Destillation der Steinkohle bei Glühhitze und möglichstem Luftabschlusse. Die zu diesem Zwecke verwendeten Destillationsapparate heißen Retorten und waren früher Cylinder aus Gusseisen. Die Kostspieligkeit und allzuschnelle Abnützung derselben gab Veranlassung zur Einführung von ThonRetorten (Charmotte-Gasretorten mit oder ohne Glasur). Diese Retorten haben gemeiniglich einen Durchmesser von 50 cm. und eine Länge von 3 Meter. Ausserdem verwendet man heutzutage auch noch Retorten aus genietetem Eisenblech, diese haben die Form flacher, breiter Backöfen und werden meist nur cinzeln in die Feuerung gelegt. — An dem einen Ende ist die Retorte durch eine feste Wand geschlossen und am anderen Ende durch einen Deckel, welcher nicht direct an der Retorte, sondern an ein Mundstück oder Kopf aus Gußeisen befestigt ist, der mit der Retorte selbst wieder durch Schrauben und Flantschen verbunden wird. Die auf solche Art armirten Retorten werden horizontal in den Gasofen und zwar so eingemauert, dass der Retortenhals frei bleibt. Der Gasofen wird mit Koks geheizt. Die Zahl der Retorten in einem Gasofen beträgt in grösseren Fabriken fünf bis sieben, doch gibt es auch Oefen mit 12—13 Retorten. Das Beschicken (Chargiren oder Laden) der Retorten geschieht mittelst muldenförmiger Schaufeln aus Eisenblech, welche die Länge der zu beschiekenden Retorte haben und die Gesammtmenge Kohle fasst, die zu einer Charge nothwendig ist. Man führt die mit Kohle gefüllte Schaufel in die Retorte ein, wendet sie darin um und zieht sie wieder leer heraus. Die Retorte ist dann ungefähr zur Hälfte ihres Inhaltes mit Kohle gefüllt. Nach dem Schließen der Retorten beginnt sogleich eine lebhafte Gasentwicklung, die aber immer schwächer wird und nach ungefähr fünf Stunden endlich so schwach ist, dass man die Destillation unterbricht. Man öffnet den Retortendeckel und zündet, um einer gefährlichen Explosion vorzubeugen, die entweichenden Gase an. Der Retortenrückstand, die zu einer Masse zusammengebackenen Koks werden mit eisernen Hacken herausgezogen, entweder noch im glühenden Zustande zur Heizung des Gasofens verwendet, oder mit Wasser abgelöscht. Nach dem Entleeren wird die Retorte sofort von Neuem beschickt. — Ein jeder Gasofen ist mit einer Vorlage (Hydraulik, Trommel) verschen, durch welche die Aufsteigeröhren mit den Retorten in Verbindung stehen. Die Gasabzugsröhren haben einen Durchmesser von 12—18 cm. und steigen senkrecht nahe an der Retortenmündung auf. Der Zweck der Vorlage ist, aus sämmtlichen Retorten des Gasofens

- 20 die flüchtigen Producte der trockenen Destillation aufzunehmen und zu gleicher Zeit eine hydraulische Absperrung der einzelnen Retorten in der Art herbeizuführen, dass die in der Vorlage nicht condensirten Producte zwar weiter nach den Verdichtungen und Reinigungsapparaten gehen, aber nicht rückwärts in die Retorte treten können. Die Vorlage ist cin weites horizontal liegendes Rohr von Gusseisen oder von genietetem Eisenblech und von 30—69 cm. Durchmesser. Gewöhnlich läuft eine einzige Vorlage über eine ganze Ofenreihe. Bei Beginn der Thätigkeit eines Gasofens wird Wasser in die Vorlage gebracht, welches aber nach kurzer Zeit schon durch Theer und Theerwasser ersetzt wird. Damit sich aber die Vorlage nicht zu hoch damit anfülle, ist eine Thecrabflussröhre der Art an die Vorlage an¬ gebracht, dass letztere stets bis über die Höhe der Mündung des Gasrohres mit Theer und Theerwasser angefüllt bleibe. Die flüchtigen Destillations¬ Producte, welche in der Vorlage nicht verdichtet wurden und aus dem Abzugsrohre der Vorlage strömen, bestehen aus einem Gemenge von Gas¬ Wasser- und Theerdämpfen, in den Wasserdämpfen sind Ammonium-Ver¬ bindungen gelöst. Dieses Gemenge gelangt nun in den Condensator oder Abkühler. Die Einrichtung desselben ist sehr verschieden: im Allgemeinen aber ist es ein weitläufiges Röhrensystem, das fortwährend durch einen Strom kalten Wassers abgekühlt wird. Gewöhnlich stehen die eisernen Röhren in Reihen aufrecht auf einem Kasten mit doppeltem Boden. Der Raum zwischen den Böden ist wieder durch senkrechte Scheidewände, die nicht ganz den unteren Boden erreichen, in Zellen getheilt, so dass in jede derselben zwei Röhren einmünden, die wieder oben heberförmig mit einander verbunden sind. Durch dieses Röhrensystem geht nun das Gasgemenge durch und setzt Wasser und Theer beim Abkühlen ab, die sich in dem unteren Raume ansammeln und von hier in einem allgemeinen Sammelbehälter ab¬ fliessen. Im Winter reicht die niedrige Temperatur der Luft zum Abkühlen aus, wobei es zuweilen vorkommt, dass sich die Röhren durch einen Ansatz von festem kohlensauren Ammon verstopfen, welches Hinderniss dann durch einen Strom von heißem Wasserdampf gehoben werden muss. In neuerer Zeit wendet man neben den Röhren-Condensatoren auch noch den Scrubber oder Wascher an, wobei das Gas mit der Kühlflüssigkeit in unmittelbare Berührung gebracht wird. Der Scrubber gründet sich auf das Princip, das Gas in einem kleinen Raume mit einer möglichst grossen Oberfläche in Be¬ rührung zu bringen, und besteht aus eisernen Cylindern oder Tonnen, welche mit Koksstückchen, groben Holzspähnen, Reisigbündeln u. s. w. angefüllt sind, welche durch herabträufelndes Wasser feucht erhalten werden. Der Scrubber hat auch noch den Zweck, dem rohen Gase vor seinem Eintritte in die Reiniger schon einen Theil des Schwefelwasserstoffs und Schwefel¬ Ammoniums zu entzichen, wodurch der Aufwand an Kalk und anderen Reinigungsmaterialien in den Reinigern beträchtlich vermindert wird. Aus den Condensatoren wird das rohe Gas durch den Exhaustor in den Reinigungs¬ apparat oder Epurateur geführt. Der Exhaustor (Aspirator) ist eine Vor¬

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