8. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1878

— 19 - Der Cannelkehle oder Kerzenkohle stehen die Kohlen von Newcastle, die Bogheadkohle und die böhmische Blattelkohle sehr nahe. In Frankreich und England verwendet man zur Gasfabrikation die Kohle von Mons und Commentry, in Deutschland äusser der englischen Kohle auch noch sächsische, schlesische, rheinische und westphälische Steinkohle. Die zur Gasfabrikation verwendeten Steinkohlen dürfen nur wenig Schwefel enthalten und nach dem Verbrennen wenig Äsche hinterlassen. Die Darstellung des rohen Leuchtgases geschieht durch trockene Destillation der Steinkohle bei Glühhitze und möglichstem Luftabschlusse. Die zu diesem Zwecke verwendeten Destillationsapparate heißen Retorten und waren früher Cylinder aus Gusseisen. Die Kostspieligkeit und allzuschnelle Abnützung derselben gab Veranlassung zur Einführung von ThonRetorten (Charmotte-Gasretorten mit oder ohne Glasur). Diese Retorten haben gemeiniglich einen Durchmesser von 50 cm. und eine Länge von 3 Meter. Ausserdem verwendet man heutzutage auch noch Retorten aus genietetem Eisenblech, diese haben die Form flacher, breiter Backöfen und werden meist nur cinzeln in die Feuerung gelegt. — An dem einen Ende ist die Retorte durch eine feste Wand geschlossen und am anderen Ende durch einen Deckel, welcher nicht direct an der Retorte, sondern an ein Mundstück oder Kopf aus Gußeisen befestigt ist, der mit der Retorte selbst wieder durch Schrauben und Flantschen verbunden wird. Die auf solche Art armirten Retorten werden horizontal in den Gasofen und zwar so eingemauert, dass der Retortenhals frei bleibt. Der Gasofen wird mit Koks geheizt. Die Zahl der Retorten in einem Gasofen beträgt in grösseren Fabriken fünf bis sieben, doch gibt es auch Oefen mit 12—13 Retorten. Das Beschicken (Chargiren oder Laden) der Retorten geschieht mittelst muldenförmiger Schaufeln aus Eisenblech, welche die Länge der zu beschiekenden Retorte haben und die Gesammtmenge Kohle fasst, die zu einer Charge nothwendig ist. Man führt die mit Kohle gefüllte Schaufel in die Retorte ein, wendet sie darin um und zieht sie wieder leer heraus. Die Retorte ist dann ungefähr zur Hälfte ihres Inhaltes mit Kohle gefüllt. Nach dem Schließen der Retorten beginnt sogleich eine lebhafte Gasentwicklung, die aber immer schwächer wird und nach ungefähr fünf Stunden endlich so schwach ist, dass man die Destillation unterbricht. Man öffnet den Retortendeckel und zündet, um einer gefährlichen Explosion vorzubeugen, die entweichenden Gase an. Der Retortenrückstand, die zu einer Masse zusammengebackenen Koks werden mit eisernen Hacken herausgezogen, entweder noch im glühenden Zustande zur Heizung des Gasofens verwendet, oder mit Wasser abgelöscht. Nach dem Entleeren wird die Retorte sofort von Neuem beschickt. — Ein jeder Gasofen ist mit einer Vorlage (Hydraulik, Trommel) verschen, durch welche die Aufsteigeröhren mit den Retorten in Verbindung stehen. Die Gasabzugsröhren haben einen Durchmesser von 12—18 cm. und steigen senkrecht nahe an der Retortenmündung auf. Der Zweck der Vorlage ist, aus sämmtlichen Retorten des Gasofens

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