Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 4, 1975

Inhaltsverzeichnis Dr. Hans Koepf Die Zukunft der alten Städte — Gedanken zum Jahr des Denkmalschutzes 1975 2 Prof. Franz Eng! Die Altstadt von Schärding am Inn als Ensembleobjekt 14 Dr. Hanns Kreczi Das Linzer Nordico — ein Schwerpunkt der gemeindlichen Altstadterneuerung 16 Dr.Volker Lutz Die Wandlung des Stadtbildes Steyr von der Vergangenheit in die Gegenwart 23 Dr.Volker Lutz Das Neutor in Steyr 29 Denkmalpflege Dr.Wilhelm Rieß Der Welser Stadtplatz 30 Bildende Kunst Dr.Georg Wacha „Linzer Tore" von Karl Hayd 38 Josef Rausch Amüsiergelände 42 Landschaft und Fremdenverkehr Sepp Wallner Oberösterreichischer Dachsteinwinter. Obertraun — Tor zu einem hochalpinen Skiparadies 44 Kulturelle Termine 48 Buchbesprechungen 49 Literaturbeilage Franz Kain Man wird in jenem Grade verwandt...53 i Elfriede Priilinger Gedichte August Karl Stöger Eine Art Vertrauensperson 56 59 Umschlagidee: Herbert Erich Baumert Grundlage:Supralibros der landesfürstlichen Städte des Erzherzogtums Österreich ob der Enns (frühes 17. Jahrhundert), OriginalMessingstock im OÖ.Landesarchiv Linz. Umschlaggestaltung: Herbert Friedi, mit Auswechslung der historischen Städtewappen gegen zeitgenössische Städtefotos; in der Mitte Linz, außen im Sinne des Uhrzeigers: Freistadt, Vöcklabruck, Gmunden, Enns, Wels und Steyr.

□ □ Kulturzeitschrift Kulturzeitschrift Oberösterreich 25. Jahrgang, Heft 4/1975 Vierteljahreszeitschrift: Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; Redakteur: Dr. Otto Wutzel; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Elfriede Wutzel; Grafische Gestaltung: Herbert Friedl; Druck: 00. Landesverlag Linz; sämtliche 4020 Linz, Landstraße 41, Ruf (0 72 22) 78 1 21. Jahresabonnement (4 Hefte): S 148.— ; Einzelverkaufspreis: S 45.—. (Aiie Preise inkl. 8 % MWSt.)

Die Zukunft der alten Städte Gedanken zum Jahr des Denkmalschutzes 1975 Nachdruck aus dem Jahrbuch 1975 des österreichischen Gewerbevereines Hans Koepf Alte Städte und neue Menschensiedlungen Eine Stadt ist keine Agglomeration von Häusern, die sich möglichst wohlgeord net um Straßen und Plätze gruppieren, wie dies einige Duodez-Städtebauer im 19. Jahrhundert — und manchmal sogar heute noch — „geplant" haben. Gewiß kommt man im Städtebau nicht ohne Planung aus, doch verwechselten einige Städtebauer oder „Baupolizisten" ihre Ordnungsaufgaben mit architektoni schem Kasernenhofdrill: Sämtliche Häu ser müssen in einer Fluchtlinie stehen, die Stockhöhen und Gebäudehöhen ha ben in einer Straße gleich zu sein, Ge simse, Dachneigung, Dachdeckung, Dach aufbauten werden ebenso reglementiert wie der Schornstein! Das Fazit aller die ser wohlgemeinten (und in manchen Punkten vielleicht sogar notwendigen) Bau-,,Ordnungen" aber ist Monotonie. Am Ende steht das Unbehagen. Untersuchen wir dagegen die Struktur einer alten, gewachsenen Stadt, so fällt sofort auf, daß die Einheitlichkeit im Gro ßen mit größtmöglicher Freizügigkeit in allen Einzelheiten kombiniert war. Ein heitlich waren bei alier Variabilität im einzelnen die Haustypen, einheitlich auch Dachform, Dachneigung und Dach deckung, die Wandkonstruktion und die Gesimsausbildung. Dabei gibt es aber - entgegen unserer heutigen Normung und Typisierung - in einem alten Stadtkern keine zwei Häuser, die einander in Größe und Form völlig gleich wären. Es gibt auch kaum eine ,,Straßenflucht", vielmehr ,,fluktuieren" die Hausfronten ganz unbe sorgt, was den optischen Reiz eines Straßenbildes verstärkt. Aber auch die Straßenführung ist nie starr, sondern meist leicht geschwungen, so daß man nie direkt durch die Straße ,,durchsehen" kann, sondern immer eine geschlossene Straßenwand vor sich hat und sich in die sem Straßen-Raum geborgen fühlt. Bei mehrfacher Schwingung der Straßen wand in Form einer ,,Ondulation" erge ben sich immer neue Bilder und Über raschungseffekte, wodurch der Erlebnis ablauf beim Durchschreiten einer derarti gen Straße abwechslungsreich und fast spannend wird. Auch die Haushöhen und Gesimsausla dungen sind nie genau gleich. Man stellt ein dauerndes Auf und Ab, Vor und Zu rück fest, und dies noch kombiniert mit den bereits oben erwähnten Schwingun gen. Tests bei Architekturstudenten, die eine derartige alte Straße durchschritten haben und nachher (an anderer Stelle!) über den Bewegungsablauf eine Skizze machen sollten, haben ergeben, daß die meisten Beobachter Knicke und Kurven gar nicht bemerkt haben und ,,selbstver ständlich" annahmen, die Straße sei ganz gerade gewesen. Wenn man natürlich in der Hast unserer schnellebigen und im mer schablonenhafter werdenden Epoche die Gabe des Schauens verlernt hat, so wird auch die innere Vorstellung als Ouelle der Phantasie immer schwächer werden: Die heute geschaffene bauliche Wirklichkeit bestätigt diese Diagnose. Das Straßennetz einer alten Stadt ist auch nie so schematisch und geome trisch, wie man dies bei Neuplanungen immer wieder findet, sondern organisch aufgebaut wie die Aderung eines Blattes oder das Geäst eines Baumes. Die äuße ren Elemente sind schwächer als die im Zentrum gelegenen. An Knotenpunkten entstehen Erweiterungen oder Ausbau chungen. Wenn auch diese Strukturierung des Straßengefüges mit den die Stadt umschließenden Mauern und Toren in Zusammenhang steht, so war die Ausbiidung der breiten Straßen für den Ver kehr und der engen Wohngassen für die Fußgänger dennoch eine fast klassisch klare Differenzierung. Vor allem herrschte in den zahlreichen Sackgassen nahezu völlige Verkehrsruhe, wodurch auch die Lärmbelästigung unterbunden Die Fassadenpläne der öster reichischen Städte des Institutes für Baukunst an der Technischen Hochschule Wien, Vorstand o. Professor Dr. Ing. Hans Koepf, sind zu einem wichtigen Hilfsmittel der Denkmalpflege in Österreich geworden — im Bild Teilabwicklung der Fassaden des Hauptplatzes von Freistadt

Tiefblick auf Freistadt mit dem Zug der alten Stadtmauer im Bereich des Scheibiingturmes (im Vordergrund rechts), mit dem saaiartigen Geviert des Hauptpiatzes und der iandesfürstiichen Burg sowie der Stadtpfarrkirche als Dominanten Foto: Wöhri '>■ 0 I i i

Die Plätze sind nicht im Mittelpunkt, son dern an den Schwerpunkten des Stadtgefüges angeordnet und nehmen in ihrer Gestaltung weitgehend auf die einmün denden Straßen Rücksicht. Dabei ist der Platz natürlich nicht allein ,,Verkehrskno tenpunkt". Seine Funktion als Markt konnte er nur erfüllen, wenn ein großer Teil des Platzraumes im Verkehrsschat ten lag. Die moderne Fehlleistung, eine Stadt dem Autoverkehr zu öffnen und ,,autogerecht" zu gestalten, ist nicht nur eine Gedankenlosigkeit, sondern ein im Prinzip falscher Denkansatz. Unsere Stadtkerne sind partiell wohl für den Wagen-, nicht aber für den Autoverkehr geschaffen. Je mehr man sie den Autos ausliefert, desto mehr werden die Stra ßen den Fußgängern verleidet und von diesen gemieden. Veröden aber die Stra ßen,so veröden auch die Städte. Mit dem Ausbieiben des Passantenstromes ster ben unsere Städte aus, die sich heute schon manchmal nach dem frühen La denschluß in ,,Geisterstädte" verwandein. Nachdem die Autos die Straßen der Städte zu einem Gefahrenherd ersten Ranges gemacht haben, setzten in der Zeit nach 1970 ein Umdenkprozeß und eine Trendwende ein: Die Autos wurden ganz aus den Hauptstraßen gedrängt und aus dem zentralen Stadtkern machte man eine Fußgängerzone. Die Geschäftsweit ist mit dem Trend zur Fußgängerzone nicht immer ganz einverstanden; da sie mit dem Ausbieiben des Autofahrers automatisch einen Geschäftsrückgang befürchtet. Andererseits hat aber der Baudezernent der ,,geschäftstüchtigsten" deutschen Großstadt, Frankfurt am Main, ganz unmißverständlich klargestellt: ,,Das Auto zerstört die Städte, und mit dem Sterben der Städte wird ein Teil unserer Kultur vernichtet..." in sterbenden Städ ten werden aber auch Handel und Ge werbe nicht weiter zu leben vermögen. Betrachtet man das Leben in den Straßen und auf den Märkten der Städte auf al ten Stichen, so herrscht dort immer em siges Treiben und sogar äußerst reger Verkehr. Der Verkehr gehört zum Fluidum einer lebendigen Stadt — ein men schenfreundlicher und stadtgerechter Verkehr natürlich! Schweriaster sind nicht stadtgerecht und schnelle Flitzer nicht menschenfreundlich. Das stadtge rechte und menschenfreundliche Ver kehrsmittel wird in immer wieder neuen Variationen ent- und verworfen, ein Ideal gefährt ist aber immer noch nicht gefun den. Es darf dies kein Individualverkehrsmittel, aber auch kein Massenverkehrs mittel zu großen Zuschnittes sein, son dern ein möglichst geräuschloses und äußerst umweltfreundliches (genauer ge sagt: ,,stadtfreundiiches") computerge steuertes Kabinensystem. Die paradoxe Tendenz, die Stadt dem Individualverkehr zu opfern und die öffent lichen Verkehrsmittel als U-Bahn unter die Erde zu legen, hat als ,,Jahrhundert aufgabe" die schöne Stadt Wien für Jahr zehnte in eine schmutzige Bausteile ver wandelt. Endlos lang werden der Karlspiatz, der Stephansplatz, der Graben, die Randstraßen des Donauseitenkanals lahmgelegt. Einst blühende Geschäfts straßen, wie jetzt schon die Favoritenund demnächst auch die Praterstraße, veröden, und immer weitere Straßen wer den oben veröden, weil man unten baut. Die bange Frage ist nur, ob sich dieser gigantische Aufwand auch für die Zukunft lohnt oder ,,auszahlt", wie man in Wien so schön sagt. Sicher wird man in weni gen Minuten vom Stephansplatz zum Praterstern gelangen können. Doch muß man bei künstlicher Belüftung und künst licher Beleuchtung tief unter der Erde wie Bergknappen in einen Schacht einfahren. Der Fremde aber - für den im Frem denverkehrsland Österreich natürlich die U-Bahn nicht allein geschaffen ist, jedoch von ihm sicher auch benutzt wird — sieht von der Stadt Wien nur noch an den Ansteig- und Ausstiegsstellen etwas,

Fassadenabwicklung der gotischen und barocken Häuser an der Westseite des Stadtpiatzes Steyr mit dem „Bummerihaus" ais baugeschichtiichem Schwerpunkt wobei Ouvertüre und Finale Roiltreppen sein werden. Derartige „Eriebnisse" wird er in Hamburg und Chikago ebenfalis ha ben können. Die Endabrechnung wird aber dann prä sentiert, wenn ums Jahr 2000 die ölreserven iangsam, aber sicher zu Ende ge hen und damit der Individualverkehr ohnehin iangsam zum Eriiegen kommen wird. Wozu war aber dann die ganze gi gantische stadtzerstörende Aktion ,,gut"? Was hätte man mit diesen fehlinvestier ten Miiiiardenbeträgen leisten können, um ,,oben" eine schöne und menschen freundlichere Stadt zu bauen? Das ,,Leben" im Stadtkern hängt weit gehend von einem regen Geschäftsleben, aber auch von dem Anteil der Wohn bevölkerung ab. Leider hat sich in den vergangenen Jahren überall die Ten denz bemerkbar gemacht, daß immer mehr Dienstleistungsbetriebe in die City einsickern und die einstigen Wohnun gen derjenigen übernehmen, denen das Leben in der Altstadt wegen des schlech ten Bauzustandes vieler Häuser und der Geruchs- und Lärmbelästigung durch den Autoverkehr nicht mehr möglich erscheint. So verödet der Stadtkern lang sam — vor allem nach Geschäftsschluß, wenn jeder möglichst rasch nach Hause eilt. Sogar die guten alten Gasthäu ser und Speisewirtschaften wandern iangsam in attraktivere Zonen ab. Was bleibt — Bars und Diskotheken — trägt nicht unbedingt dazu bei, das Wohnen in der Altstadt angenehmer zu machen. Ein schwieriges Kapitel sind auch die Ladeneinbauten im gewachsenen Be stand der Altstadthäuser. Am besten sind da die Laubenganghäuser in Tirol und Vorarlberg dran, deren Erscheinungsbild durch moderne „Portalbauten" kaum be einträchtigt wird. Laubengänge bieten übrigens die menschenfreundlichsten Einkaufsmöglichkeiten. Geschützt vor dem Straßenverkehr, vor Wind und bren nender Sonne, Regen und Schnee, kann man sich hier beim Einkauf direkt ,,er holen". Sonst wird aber beim Portalbau schwer gesündigt, indem Häuser in ihrer Sub stanz durch Ausreißen eines breiten Lochs zerstört werden. Die Ursachen für diese Misere liegen weiter zurück, ais man zunächst vielleicht annimmt. Die mit telalterliche Parzellierung, die jedem Handelstreibenden möglichst den glei chen Platz an den nicht ausweit- und ver mehrbaren Geschäftsstraßen einräumte, mußte aus diesem Grunde fast funktionsiose, ,,handtuchähnlich" schmale Haus grundrisse schaffen, die teilweise (etwa in Innsbruck, Salzburg oder in Linz) Ex tremwerte von 1 (Straßenfront):10 (Ge bäudetiefe) aufweisen. Es ist deshalb verständlich, wenn Geschäftsinhaber heute am liebsten diese schmale Front zur Gänze in Glas auflösen wollen. Ob manche Gewerbezweige, wie etwa Fri seure oder chemische Reinigungen, Ca fes, Banken und vor allem Selbstbedie nungsgeschäfte, unbedingt so viel Glas brauchen, ist schon ziemlich fragwürdig. Man erkennt die Problematik schon äußerlich daran, daß viele der schönen Giasfenster später durch Sonnenblenden, Bauplatten oder Farbe wieder ,,geschlos sen" wurden, was schlagend beweist, daß man sie gar nicht will und auch nicht braucht. Auf jeden Fall muß man Handel und Ge werbe die Möglichkeit einer ausreichen den Schaufensterfläche zugestehen, schließlich handelt es sich dabei um eine Existenzfrage. Keine Existenz-, sondern eine Gestaltungsfrage ist es, ob man bei einem Geschäft mit zehn Metern Front breite noch zwei tragende Mauerpfeiler zu beiden Seiten des Schaufensters be läßt oder nicht, denn diese Pfeiler existie ren auf jeden Fall — wenn auch oft hinter der Glasfläche der Schaufenster verbor gen. Eine großzügige Gestaltung der Schaufenster muß völlig neue Wege ge hen, wobei sich die oft extrem großen Par-

□ zellentiefen als Lösungsmöglichkeit direkt anbieten: Einige Meter hinter der tragen den Fassade Passagen in die Tiefe des Hauses zu führen, die dann beidseitig von beliebig langen Schaufenstern bekleidet sein können. Ist hinter dem straßenseiti gen Haustrakt ein größerer Hof, so emp fiehlt es sich, auch diesen Hof in den Schaubereich einzubeziehen, wobei die Schaufenster hinter (nicht zwischen) den Arkadenpfeilern liegen können. Gute An sätze in dieser Richtung findet man be reits in der Salzburger Judengasse und In der Landstraße zu Linz. Eine absolute Fehlentwicklung, die es mit allen Steuerungsmitteln derRaumordnung radikal zu eliminieren gilt, sind die Super märkte auf der grünen Wiese außerhalb der Städte. Diese führen zu einer Ausblu tung und letztlich zur Vernichtung des städtischen Handels und sind somit abso lut stadtzerstörend. Das Einkaufen zu einem vollrationalisierten Funktionsablauf allein zu machen, anstatt zum Familien- ,,Einkaufsbummel" auszuwerten, zeugt genauso von einer grenzenlosen mensch lichen Verarmung, wie die ,,Architektur" der Supermärkte, die wohl die traurigsten Erscheinungen auf dem Sektor des Bau ens sind. Es wird alles gleichgemacht. Der Mensch wird zur Nummer, und dies auf allen Sektoren der neuen Menschen siedlungen. Da es aber ein Urtrieb des Menschen ist, sich zu differenzieren und so von der grauen Masse etwas abzuheben, benutzt man die Benzinkarossen als Statussymbol und Prunkwagen, um wenigstens für kurze Zeit der Misere der neuen Umwelt entflie hen zu können. Wenn weite Kreise, die ein Auto beruflich nicht unbedingt brauchen, die Aufwendungen für das Auto für etwas mehr Wohnkomfort umwidmen würden, so könnte sich heute das Wohnniveau und im Endeffekt auch die Erscheinung der Häu ser und der Städte wieder etwas „heben". Mit der Anhebung der Stadtqualität und dem Nachlassen der infolge Übermotori sierung bedingten Stadtverschmutzung durch Abgase und Lärm wären aber auch die notwendigen Voraussetzungen ge schaffen, die Städte nicht mehr - mittels Auto — fluchtartig verlassen zu müssen. Aus dem tödlichen circulus vitiosus könnte so durch eine Trendumkehr eine Wende zum Besseren werden. Sind unsere Städte noch zu retten Die schönen bunten Bilder der Illustren alten Städte Österreichs dürfen uns nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß viele dieser Städte in ihrer inneren Struk tur krank sind. Wenn die Fremden, die in der Salzburger Getreidegasse flanieren und diese ungemein reizvoll finden, ein mal das eine oder andere Hoftor öffnen würden, so kämen sie in eine ganz neue Welt, die fast eine Schockwirkung auslö sen könnte: dunkle Höfe, die luftigen Arkarden vermauert, Küchen-, Remisenund WC-Einbauten, Materiallager, Abfälle, Tristesse. Ähnlich ,,präsentleren" sich die Stiegenhäuser und leider auch manche Wohnungen. Schöne Fassaden (Gesichter) und kranke Häuser (Körper) sind ein beängstigendes Symptom! Das äußere Bild verschleiert nämlich nur eine weit gediehene innere Krise eines schon weit fortgeschrittenen Substanzverlustes. Als Leiter der 1963 begonnenen Stadtbauaufnahmen-Aktion hat der Verfasser zusammen mit seinen Assistenten und mehreren hundert Stu dierenden der Technischen Hochschule Wien nicht nur die Fassaden der Häuser in fast hundert Städten Österreichs aus gemessen und fotografiert, sondern auch die gesamte innere Struktur und den Bauzustand genau untersucht. Die innere Durchleuchtung war höchst aufschluß reich, die Diagnose eindeutig, und die Therapie konnte in manchen Fällen nur lauten: Eine öperation lohnt sich nicht mehr! Selbst wenn man radikal operie ren wollte, würden sich nach der öpera tion neue Metastasen bilden — ein hoff nungsloses Unternehmen. Aus diesem Grunde hat sich in den letz ten Jahren — von den Denkmalämtern toleriert — eine neue Therapie entwickelt: Die Fassaden erhalten, die Innere Sub stanz total auskernen und durch einen Neubau ersetzen: Im Grunde genom men kein Kompromiß, sondern eine Be wußtseinsspaltung. Doch was soll man sonst tun! Neubauten in den bekannten Rasterfassaden errichten, die sich denk bar schlecht in das Stadtbild einfügen?

Links: Fassadenabwicklung des Kirchen platzes In Aschach Rechts: Vöcklabruck, Stadtplatz 1, 37—39 Unten: Herbert Frledl, Stadtlandschaft von Vöcklabruck. — Neben dem Techniker tritt In der Altstadtpflege In unserer Zelt Immer stärker der Künstler In Erscheinung, der sich bemüht, die alte Stadt Im Reiz Ihrer historischen Architektur zu erfassen. Von Herbert Frledl erscheint für das Jahr 1976 ein Kalender mit oberösterreichischen Stadt ansichten In einer Reproanstalt lüTi m nii •1' : i##7\ ■■■ ! f i-'Ä i . K i: ■ifjfti ' yU'(4^ ! ■ ■ i 1 ■ ■ 1 " ^ ^'1 \ \ i'-K .i' rt ra / ../ .Ml. I / y I .. . c j is y i ' ' f Iii j'/ '"Mfw !j ! \} / jß t' '

Luftaufnahme von Schärding mit Oberem und Unterem Stadtpiatz, Stadtpfarrkirche und aitem Burgbereich Foto: Wöhrl ''üS* ■/ l| ' ' I ' .iilR'Ol IS? m *' ,v'

Städtebauliche Stimmungsbilder aus Schärding mit Häuserfassaden des Unteren Stadtplatzes und ehemaligem äußeren Burgtor, In dem heute das Stadtmuseum untergebracht Ist Fotos: Elersebner f # > ■ ■■■' i Srana? ffM t

dpflege von Schär igsvoile Außenans der Häuserzeilen r MitJ,"'.1. Oben: Außenansicht der Stadtpfarrkirche in ihrer barocken Architektur aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, Barockbau begonnen von Jakob Pawanger,fertiggestellt von den Münchner Baumeistern Joh. Gunetzrhainer und Joh. Michael Fischer Links: Schärding, Bück in den Unteren Stadtplatz Rechts: Mustergültige Restaurierung einer Barockfassade in der Barockstadt Schärding Fotos: Eiersebner

Die Rasterfassade neben der Wiener Karlskirche dürfte eine Menetekel sein, wie ,,kongenial" sich manche moderne Architekten heute in eine vorgegebene einmalige städtebauliche Situation einzu leben vermögen. Am Kornplatz in Langenlois finden wir ein Gegenbeispiel: Ein Neubau nimmt, um sich anzupassen und ja nicht aufzu fallen, alle köstlichen Details der Langenlolser Baukunst des 17. Jahrhunderts auf und an. Ganz froh kann man aber über diese Stilmaskerade auch nicht sein. In St. Pölten hat man am Hauptplatz und rund um das mitten im Stadtkern neuge schaffene Handelszentrum einige Neu bauten errichtet, die sich ohne eigene Ambitionen als moderne Neubauten maß stäblich und gestalterisch gut In den vor gegebenen Rahmen einzufügen bemü hen. Ähnlich hat man in der Kremser Landstraße unmittelbar neben der goti schen Spitalkirche einen Neubau ge schaffen, der sich ausgezeichnet in das gewachsene Ensemble einfügt. Die Einbindung neuer Bausubstanz in das Gefüge einer alten Stadt ist zu einer wichtigen Aufgabe bei der Architekten ausbildung geworden. Nur an wenigen Hochschulen (wie etwa in Dresden) gibt es hiefür eigene Lehrgebiete — von Lehr kanzeln ganz zu schweigen. Die Techni sche Hochschule In Wien hat sich im Rah men des Wahlgegenstandes ,,Bauen In der Altstadt" bemüht, dieser wichtigen Zukunftsaufgabe, die nichts mit histori schen Regungen zu tun hat, gerecht zu werden. Die Ausbildung der Architekten hat nach der verfehlten Entwicklung, bei der es Im 19. Jahrhundert Lehrkanzeln für Renais sance-Baukunst (identisch mit Entwürfen in Renaissance-FormenI) gab, in einer großen Purifizierungswelle das Entwer fen in historischem Stil abgeschafft und die Stilkunde nur noch im Rahmen der Lehrgebiete Kunstgeschichte und Bau kunst als reines Bildungsfach geduldet. Die wichtigsten Kriterien der Architektur wurden jetzt ,,Sachlichkeit" und ,,Moder nität" - wenn nicht gleich Mode und sogar Konfektion I Die Entwürfe der Architekturstudenten, von denen die Mehrzahl später wohl nur Wohnhäuser errichten dürfte, reichten vom Airport bis zu Botschaftsgebäuden in Südamerika. Die viel näher liegende Frage, wie man eine Bank in Langenlois oder ein Postamt in Zwettl gestalten sollte, stellte aber niemand. Das Entwerfen einer Allerweltsarchitektur ist aber für die aktuelle Problemstel lung wenig zielführend. Die Aufgabe lau tet vielmehr: Wie kann man zum Beispiel einen Neubau in Feldkirch oder aber ein Geschäftshaus in Kufstein organisch in ein gewachsenes Ortsbild einfügen? Da bei brauchen wir vorrangig keine histo rischen Stilformen Integrieren, sondern nur wieder regionale und lokale Symp tome besser als bisher beachten, damit Alt- und Neusubstanz nicht zu sehr aus einanderklaffen, sondern wieder eine Einheit biiden. Die Rettung der alten Stadtkerne Öster reichs ist aber keineswegs nur ein tech nisches und gestalterisches Problem, sondern auch eine wirtschaftliche Not1 ^ ^ ■■ I ^

r re.-::. •• l- /.-^ Links; Luftaufnahme von Enns mit dem Geviert des Hauptpiatzes, in seiner Mitte der mächtige Stadtturm Rechts: Luftaufnahme von Braunau am inn mit Stadtpiatz, Stadtpfarrkirche und typischer Brückeniage der Stadt am inn. Sämtiiche Luftaufnahmen dieses Aufsatzes von H. Wöhr!, freigegeben zur Veröffent lichung vom Bundesministerium für Landes verteidigung mit Zi. 2721 wendigkeit. In einer Zeit, in der sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt, sta gniert und vielleicht sogar in eine Rezes sion umschlägt, muß man von der Idee der kurzlebigen ,,Wegwerfarchitektur" abkommen und vorhandene Werte und Substanzen wieder mehr in Rechnung stellen. In einer Epoche, in der Energie und bald auch das Material knapp zu werden drohen, ist die Altstadterhaltung eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben. Da auch die Vollbeschäftigung und die Erhaltung der Arbeitsplätze zur Diskus sion stehen, bietet sich dieses extrem lohnintensive und kaum rationalisierbare Arbeitsgebiet direkt ais klassische Zu kunftsaufgabe an. Die Lösung könnte al lerdings dann scheitern, wenn die Bau arbeiter nun einen neuen Boom erwarten und zu extensive Lohnforderungen stel len, die nach den Gesetzen der wirt schaftlichen Entwicklung wieder zur Ar beitslosigkeit führen müssen. Die Bau unternehmer stehen natürlich in der Frage der Preisgestaltung vor einer ana logen Problematik. Die wichtigste Frage, ob man die alten Städte überhaupt noch retten kann, müs sen aber die Politiker und letztlich jeder Staatsbürger beantworten. Die Wohnung, ein Haus und im Endeffekt auch die Stadt kosten ihren Preis, den man nicht im Schlußverkauf anbieten kann. Mieten stopp, Friedensmieten und Mietenbeihil fen sind vielleicht vordergründig soziale Maßnahmen, die aber letztlich später wieder auf Kosten der Allgemeinheit und des Volksvermögens auf Heller und Pfen nig bezahlt werden müssen. Technisch macht sich der Zerfall mit einer Zinses zinsenrechnung „bezahlt", für die kom mende Generationen aufzukommen ha ben. Der ,,exitus" wird dann gegeben sein, wenn die Kindeskinder die Zinses zinsen nicht mehr bezahlen können. Dann werden trotz allen Denkmalgeset zen die schönen Stadtkerne langsam zu zerfallen beginnen: Eine für ein vom Fremdenverkehr lebendes Land wie Österreich fast tödliche Gefahr! Ob die neuen Bodenbeschaffungs- bzw. Assanierungsgesetze diese Materie in

I den Griff bekommen können, ist fragwür dig, da sie zu umständliche und zeitrau bende Apparate sind. Beim Assanie rungsgesetz vermißt man vor allem eine Berücksichtigung der künstlerisch beson ders wertvollen Bausubstanz. Man müßte einmal untersuchen, wie das mehr auf eigene Initiative aufgebaute Modell Krems funktioniert und zu so ausgezeich neten Ergebnissen geführt hat, ehe es ein Bodenbeschaffungs- und Assanie rungsgesetz gegeben hat. Es ist sonst zu befürchten, daß die Wiedergeburt un serer Stadtkerne an den äußerst ver wickelten und verzwickten Bundes-, Lan des- und Gemeindekompetenzen schel tern könnte. Städtebau war zu allen Zeiten eine Ge meinschaftsaufgabe aller Gesellschafts schichten und eignet sich auf keinen Fall als Experlmentlerfeld für gewagte Um schichtungen auf dem sozialen Sektor. Die öffentliche Hand hat hier nur mo derierend und koordinierend einzugrei fen, um Fehlentwicklungen auszuschalten oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Mit dirigistischen Zwangsmaßnahmen ist hier nicht viel zu erreichen, wie das para doxe System der,,Friedensmiete" bewie sen hat, das zu den schweren Substanz verlusten geführt hat, die wir und kom mende Generationen zu bezahlen haben. Jeder Staatsbürger muß aber künftig mehr für menschenwürdiges Wohnen in vestieren, da ihm die öffentliche Hand diese Sorgen nicht ganz abnehmen kann — es sei denn, die Finanzierung würde durch neue Steuerlasten erfolgen. Da nicht mehr viel Zeit zu verlieren ist, müs sen rasche, effiziente und unbürokrati sche Lösungen gefunden werden. Die Vergangenheit wird keine Zukunft haben, wenn wir uns so zu ihr einstellen, wie das in den letzten 60 Jahren geschehen ist. Die Zeugen der Vergangenheit sind keine Geschenke, die glücklichen Erben ein sorgenfreies Leben in der Zukunft er möglichen, sondern für den Staat und je den einzelnen Staatsbürger dauernde Verpflichtung, die Substanz der Vergan genheit zu erhalten, zu verbessern und so für die Zukunft zu retten. Als österreichischer Beitrag zum Jahr des Denkmalschutzes 1975 wurde die vom Insti tut für Baukunst der Technischen Universität Wien unter Leitung von o. Prof. Dr. Ing. Hans Koepf gestaltete Ausstellung ,,Stadtbaukunst in Osterreich" in der Eingangshalle vor dem Sitzungssaal der Parlamentarischen Versamm lung des Europarates in Straßburg ausge stellt. Die Ausstellung wurde am 19. August durch den stellvertretenden Generalsekretär, Graf M. Sforza, eröffnet und auf Wunsch des Generalsekretärs bis zum 9. Oktober verlän gert. Am 6. Oktober wurde diese Ausstellung den Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung durch deren Präsidenten, NR Karl Czernetz, und den Vorsitzenden der Sektion Education et Culture, Herrn Doktor Olaf Schwencke, vorgestellt. In der vom Europarat (Division de l'amenagement, de monuments et sites) herausgege benen Erläuterungen für die Ausstellungsbe sucher heißt es: ,,Diese Ausstellung ist ein wichtiger Beitrag zum Europäischen Denkmal schutzjahr. Inventarisierung ist Grundlage und Beginn der systematischen Erhaltung des historischen Bauerbes in Europa. Noch ist diese in Österreich geleistete Arbeit einzig artig in Europa; es wäre zu wünschen, daß von hier Anstöße zur Nachahmung in vielen anderen Ländern ausgingen."

Die Altstadt von Sohärding am Inn als Ensembieobjekt Franz Engl Links außen: Sebastian-Kirche, 1783 profaniert, zuletzt bis 1954 Maschinen halle der Tischler Schärdings. Daneben: Sebastians-Kirche, nach der Restaurierung evangelische Pfarrkirche. Der Turm wurde nach altem Kupferstich in der ehemaligen Gestalt wieder aufgebaut. Durch die Wiederverwendung als Kirche revitalisierte sich das ganze umliegende Stadtviertel. ■ Ä. : Si H »1 Links unten: Denisgasse. Ein Textilgeschäft vor, und Bild unten nach dem Umbau. tlKS- «.-i 4£', 1i * ! 1 Xiv Seit 30 Jahren betreibt der Stadtverein in engster Zusammenarbeit mit dem Stadtbauamt bewußten Ensembleschutz der Altstadt innerhalb der Stadtmauern und damit Erhaltung des Stadtbildes so wie echte Revitalisierung. Damit wurden bedeutende Erfolge erzielt. Grundlage dafür ist die Ortssatzung als geschrie bene Ergänzung des Teilbebauungspla nes ,,Altstadt" und zur allgemeinen Lan desbauordnung. Im wesentlichen geht es darum, die Gie belform und -höhe sowie die Fenster achsen und Sprossung zu erhalten, nach Möglichkeit auch den Rund-, Korb und Segmentbogen, weil diese typisch sind für das Erdgeschoß. Die Bogengestaltung mit der Stein- oder Putzrahmung erleichtert es auch, die große quer rechteckige Auslage besser in das hoch rechteckige gotische Schärdinger Haus einzufügen, ohne das Erdgeschoß durch Glasfronten von den oberen Stockwer ken zu trennen. Leuchtschriften dürfen nicht über das Erdgeschoß hinausreichen und die Höhe von 40 Zentimetern nicht überschreiten. Plastikschilder sind unter sagt. Bei Fassadenerneuerungen übernimmt die Stadtgemeinde die Gerüstkosten. K , iß ■»l i

Oberer Stadtplatz: Die Erdgesctioßzone wurde Im Sinne des Ensembleschutzes erneuert (Verhinderung großer Auslagen als Glas front). ■ "v? I 11 r - ^ X. n #-► / SM:11Ü Rechts: Oberer Stadtplatz, vor der Restaurierung. Rechts außen: Oberer Stadtplatz, nach der Restaurierung. Hier galt es, den häßlichen Holzkasten von 1880 wegzubringen, um In Anlehnung an das alte Aussehen einen großen Gaststättenraum zu gewinnen. ■' " iWi '1 I !! [! !| ■ ■ sl, hse» 2 ■» .. K: B II B ys V R t- ■' I I lil l II! ■ ^ - TB i i iiiiiiHiii □ □ □ □ n n □ □ 'ü\ n n □ . " I HÖTtt-OÄ^Ur&N KHCUSB(Zi&

Das Linzer Nordico — ein Schwerpunkt der gemeindlichen Aitstadterneuerung Hanns Kreczi Linz hat, wie jede Stadt, die in Jahrhun derten gewachsen ist, Altstadtprobleme. Eines dieser Probleme: Die Linzer Alt stadt ist noch nicht ,,entdeckt". Der Lin zer besitzt kein ausgeprägtes Altstadtbe wußtsein, wie etwa der Grazer, und muß erst für die Werte der Altstadt als zei chenhafte und unverwechselbare Mitte der gewachsenen Stadt, die durch Revitalisierung wieder zum Herz des Stadtor ganismus werden kann, aufgeschlossen werden. Einer der Gründe hiefür: Andere Städte im Land haben größere und bedeuten dere Altstädte, wie z. B. Wels oder Steyr; Linz ist verhältnismäßig spät zum Vorort des Landes aufgerückt und erst die Wel len der Industrialisierung haben die Stadt „groß" gemacht. Der Großteil der Linzer Bevölkerung sind Zugewanderte, nicht hier Geborene. Die wirtschaftliche Existenz aufzubauen, ihr Leben zeitge mäß einzurichten. Neues zu schaffen — danach stand ihr Sinn. So ist Linz eine ,,neureiche" Industriestadt geworden, die alte Tradition der Stadt schien lange überhaupt dem Untergang geweiht zu sein. Das bedeutet nicht, daß es in Linz keine Altstadtpflege gäbe, wenn auch zugege ben werden muß, daß in der stürmischen Entwicklung der Stadt gerade in den letz ten Jahrzehnten, vor allem im Wieder aufbau nach dem zweiten Weltkrieg und da insbesondere aus Verkehrsrücksich ten, wertvolle Bauten geopfert wurden, beklagenswerterweise manchmal aus Un verstand infolge des Mangels an einem bewahrenden breiten Altstadtbewußtsein, wie die alte, ebenso historisch wie kunst geschichtlich wertvolle Wollzeugfabrik. Es beginnt sich aber ein Wandel abzu zeichnen, und dies nicht nur auf Grund der allgemein in Europa einsetzenden Besinnung auf das alte Kulturerbe un seres Kontinents, das in der vom allge meinen Wohlstand ausgelösten Baukon junktur der Nachkriegszeit in vielen Städ ten geringgeachtet wurde, sondern wohl auch als Auswirkung der stillen, aber hartnäckigen Denkmalpflegearbeit seit dem zweiten Weltkrieg. Vielen Linzern und Oberösterreichern ist durch das Linzer Schloßmuseum zum Be wußtsein gekommen, was aus einem al ten Bau gemacht werden kann. Das Schloß des ehemaligen Stadtherrn — Linz war ja eine landesfürstliche Stadt, wenn auch nur einmal kurz Residenz — war zur verluderten ,,Schloßkaserne" herabgesunken. Bund, Land und Stadt haben nach 1945 in vielen Jahren ein mütiger Zusammenarbeit die Sanierungs arbeiten durch die Bundesgebäudever waltung wahrnehmen lassen; die Adaptierungsarbeiten für das Museum wurden sodann von der oö. Landesbaudirektion auf Kosten des Landes durchgeführt. Das Schloß ist wieder zur Linzer Stadtkrone geworden und hat durch das Museum eine neue, unserer Zeit dienende Zweck widmung erhalten. A * . ^ im. p * t 4. \ Ji ;^j\ Ä IWn.KWTSON, l\ L-^ V.. 7.,/^ •, ' ^ i,- Un«..//-I ■■■A.'/ i\* Wrl •.. . . . .» ^ ' A ^ ■ r-1 -Tiiii Jk ■ A « A .A 'S. A Alk VW j' ■ \ A A A . A .S ¥ M ^ . A ^ 'A * . • ^ M "i- \ ■ I. £„j ..t .I., - mAv ■ K ■ . 'ii ' ij... ^ ' I' • A ( <■ ^ • ii" ♦'jAi A/ptviuc/fH : • in J fP

hilS Abb. 2 Das Nordico mit Bauzustand Im Jahre 1910. Foto: Stadtmuseum Linz, Llchtbiidarchlv Abb. 1 Das Colleglum Nordicum Im Jahre 1755 (historischer Plan). Foto: Fr. MIchalek Einen besonderen Rang Im historischen Stadtbild nehmen die kirchiichen Bauten ein. ihre Türme in erster Linie prägen das barocke Linz. Da die Kirche allein die Erhaltung der denkmalgeschützten Bauten nicht gewährleisten kann, half und hilft die öffentliche Hand mit Zu schüssen zu den Sanierungskosten die ser Baudenkmale. Ein besonderes Bei spiel hiefür ist die Martinskirche, be kanntlich ein einmaliges geschichtliches Denkmal, das vielen Linzer Bürgern den Wert alter Bauten zum Bewußtsein ge bracht hat. Andere wertvolle Bauten wurden, ohne viel Aufhebens davon zu machen, zum Teil mit hohem finanziellen Aufwand sa niert, wie das Landhaus, das die geistli chen und weltlichen Landstände vor 400 Jahren als Regierungssitz erbauten, aber auch Stadtpalais, die oberösterreichi sche Klöster und adelige Herrensitze im Land in früherer Zeit in Linz benötigten und zum Teil mit viel Kunstsinn erbauen ließen, und nicht zuletzt bürgerliche Bau ten, hauptsächlich Handelshäuser, die den Kern der Altstadt bilden. An systematischen Altstadtaktionen hat es in Linz bislang gefehlt, wenn man von der ,,Fassadenaktion" absieht, die seit Jahren vor allem für das äußere Erschei nungsbild der alten Stadt verdienstvoll arbeitet. Doch zeigen einzelne Großak tionen der unmittelbaren Gegenwart den Wandel der Gesinnung auf, wie z. B. die Revitalisierung des Nordico, die mit der Eröffnung der archäologischen Abteilung in diesem Jahr abgeschlossen werden konnte, die Sanierung des Ursulinenhofes und sein Ausbau zu einem Kultur zentrum durch das Land Oberösterreich und die im heurigen Denkmalschutzjahr begonnene Sanierung des Prunerstiftes. Das Nordico, auf das hier näher einge gangen werden soll, stellt einen Schwer punkt gemeindlicher Altstadterneuerung dar. Nordico ist die italienische Kurzbezeich nung für Gollegium Nordicum oder Nor disches Stift und hat vor über 250 Jahren dem Gebäude den Namen gegeben. Nach Aufhebung der Stiftung im Zuge der Jo sefinischen Reform lebte das Nordico im Bewußtsein der Linzer Bevölkerung als ein zum Elendsquartier herabsinkendes Stück Alt-Linz fort, bis es durch Sanie rung und Revitalisierung in neuem Glanz dem heutigen Leben dienstbar gemacht werden konnte. Das Nordico hat auch der Straße, an der es liegt, durch sein Got teshaus, das der Kirche in Bethlehem nachgebildet wurde, den Namen gege ben. So hat sich die Erinnerung an das nordische Stift erhalten und wird weiter dauern, wenn die Stiftung auch nur knapp neun Jahrzehnte bestanden hat. Es ist so gut wie alles verschwunden, was von ihr gebaut und umgebaut wurde; denn das (erhaltene) Hauptgebäude war vom Stift Kremsmünster errichtet worden. Freilich, die Bedeutung des Nordico für die Kulturgeschichte unserer Stadt recht fertigt die Erhaltung der Namen, die als Lokalnamen lange vor der offiziellen Be nennung durch viele Menschenalter le bendig geblieben sind. Der Linzer Jesuitenpater Martin Gottseer hatte als Gesandtschaftssekretär in den nordischen Ländern die bedrängte Lage der Katholiken in diesen fast durchwegs evangelischen Ländern kennengelernt und brachte 1709 eine Stiftung zustande, deren Hauptaufgabe darin bestand, Prie ster für Dänemark, Schweden und Nor wegen heranzubilden. Zöglinge, die keine Berufung zum geistlichen Stand zeigten, sollten in der katholischen Reli gion bestärkt und in den Wissenschaften, schönen Künsten und anderen Fertigkei ten ausgebildet werden. Sie hatten ein eidliches Versprechen abzugeben, in ihr Vaterland zurückzukehren, nach katholi schem Ritus zu heiraten, die Kinder ka tholisch erziehen zu lassen und den ka tholischen Glauben auf jede nur mögliche Weise zu fördern. Insgesamt gab es Im Nordico zwischen 30 und 40 Plätze (1781 z. B. 32). In Schwerin war eine „Vor schule" eingerichtet, d. h. jeweils vier Zöglinge aus Schweden, Dänemark und Norwegen warteten dort auf Abruf nach Linz, um freiwerdende Plätze sofort be setzen zu können. Die Stiftung wurde am 21. August 1787 aufgehoben. Das Nordico-Gebäude müßte eigentlich Kremsmünsterer Haus heißen. Abt Alex ander a Lacu ließ 1608/09 durch Fran cesco de Silva ein Sommerhaus und einen (dreigeschossigen) Stadel errich ten. Abt Erenbert Schrevogl ließ das Haus 1673-75 von Franz Ganevale ver größern und nach Süden erweitern, so wie bis 1677 künstlerisch ausgestalten (Stukkaturen von Johann Peter Spaz, Fresken von Jacob Antonio Mazza). Da mals erhielt der Bau sein endgültiges Aussehen. Das Gomasken-Schema der Doppelachse über dem Mittelportal und die schlichte Gliederung durch gerade Fensterverdachungen entsprechen den Linzer Frühbarock-Bauten. Das Haupt portal mit schmiedeeisernem Oberlicht gitter von 1609 (von Hans Walz?) wurde bei der Adaptierung des Gebäudes für

mmm i\ RV \ '■^'f'^ W.M-^ kkv^i^ L 'f>>- W- K^-"' y' :K.Äan, i «IC (H■^i^^ m:'^W <<^' J, % w^ .JL' ■ mrv Ütme' ■ J<.Ä<?laa.l JlectCoc/ViJ '•■ .V\gr-^' . W. \ \ 16 . VX" % i > „X"7\ f .< ' aV Links: Abb. 3 Straßenparzellierungsplan für das Straßen stück Graben-Bethiehemstraße-Harrachstraße im Jahre 1914, Ausschnitt. Foto: Fr. Michaiek Unten: Abb. 4 Arkadierungspian 1935. Foto: Fr. Michaiek Rechts: Abb. 5 Das Hauptgebäude des Nordico um 1940. Foto: Bundesdenkmaiamt Linz. Daneben: Abb. 6 Reguiierungs- und Zubaupian 1960. Foto: Fr. Michaiek das Nordische Stift umgestaltet und mit einem die nordischen drei Könige zei genden Wappen versehen (1710?). Nach dem Stift Kremsmünster waren Be sitzer der Liegenschaft ab 1691 Octavian Graf Gavriani, ab 1708 die Jesuiten, ab 1788 durch vier Generationen die Familie Schräm! und seit 1911 die Stadt Linz. Die Bethlehemkirche wurde 1709-12 pa rallel zum Hauptgebäude (an der Stelle eines Stalles, vorher Stadel) errichtet, ab 1805 für Wohnzwecke umgebaut und 1963 gleichzeitig mit dem Verbindungsbau ab getragen. Die ursprüngliche Anlage wurde durch eine Abschlußmauer des Hofes zur Bethlehemstraße abgeschlos sen (s. Abb. 1 und 2). Kurz nachdem die Gemeinde den Nordico-Komplex zu Sanierungszwecken an gekauft hatte, ließ sie die Abschlußmauer des Hofes abbrechen. Das war der erste Eingriff in die harmonisch geschlossene Hofanlage. ,,Durch welche geringfügig erscheinende Änderung das Straßen bild stark beeinflußt werden kann", schrieb der damalige Landeskonserva tor, ,,können wir am Nordico in der Bethlehemstraße 7 beobachten, wo die schräge Verbindungsmauer zwischen den ungleich tiefen Seitentrakten des Hauses abgebrochen und durch ein Git ter ersetzt wurde. Trotz des Zurücktre tens des Gitters wurde der Verkehr an dieser Stelle der Straße nicht erieichtert, aber dafür eine dem Zuge der Straße folgende Verbindung der beiden Seiten fluchten des Gebäudes zerstört, daß jetzt der tiefer in der Straße liegende Flügel geradezu störend In diese hineinspringt." Nach dem damaligen Regulierungsplan sollte eine neue Straße (heute Dametz straße) den Graben mit der Harrach straße verbinden. Sie sollte die Markt straße (= Teil der heutigen Dametz straße, damals Straße von der Harrach straße zum Marktplatz, dem heutigen Hessenplatz) mit dem Straßenzug Gra ben—Pfarrplatz—Donaukai verbinden und ,,ln erster Linie eine Entlastung der Land straße vom Schwerfuhrwerk bewerkstel ligen, was mit Rücksicht auf die Verbin dung der Donau und der dort befindlinii t ■ ' 'f ,....... I ^ 1 1«

chen Lagerhäuser der Donaudampfschifffahrtsgesellschaften mit dem neuen Frachtenbahnhof von Wichtigkeit und von Erfolg begleitet sein wird". Der Straßen parzellierungsplan für das projektierte Straßenstück Graben—Bethlehemstraße wurde 1914 rechtskräftig (s. Abb. 3). Krieg und Nachkriegszeit verhinderten den Straßendurchbruch zunächst. Durch den Einbau von Wohnungen in das Nordico wurden die alten Stuckdecken teil weise zerstört, der Grundriß der ur sprünglichen Räume aber völlig verän dert. Das zum teilweisen Abbruch vorge sehene Nordico blieb auch in den wirt schaftlich notleidenden dreißiger Jahren erhalten. Ja, Entwürfe von damals woll ten es zu einer einheitlichen dreistöcki gen Hausanlage ausbauen, offenbar um das Gebäude in die benachbarten kunst losen Wohnblocks einzugliedern. Auch der Entwurf einer Arkaden-Anlage ist er halten (s. Abb.4 und 5). Zum ersten Mal tauchte damals auch der Gedanke auf, das Nordico für museaie Zwecke zu verwenden. Die Stadt hatte sich 1928 die Pachinger-Sammlung durch Leibrentenvertrag gesichert. Anton Pachinger hatte das Recht, die Sammlung, die in den Häusern Bethlehemstraße 31 und 33 untergebracht war, bis zu seinem Tod zu betreuen. Die Sammlung war linzerisch stadtgeschichtlich orientiert, hatte aber auch einen großen volkskundlichen Bestand. Bürgermeister Dr. Wilhelm Bock verfügte am 12. Dezember 1936 die ailmähliche Freimachung des Nordico für ein Linzer Voikskundemuseum. Pachinger starb 1938. Das Landesmuseum (da mals Gaumuseum) richtete 1939 eine volkskundliche Abteilung ein. Die Stadt tauschte daraufhin ihre volkskundlichen Bestände gegen stadtgeschichtliche aus dem Landesmuseum. Mehr als ein halbes Jahrhundert dauerte es, bis die immer wieder ins Auge ge faßte Sanierung des Nordico reaiisiert werden konnte. Mit dem Generalver kehrsplan, der im November 1956 vom Gemeinderat beschlossen wurde, schlug auf Grund der Schaffung der Einbahn schnellverbindung durch die Dametz straße und verkehrsgerechter Querver bindungen die Schicksalsstunde des Nor dico. Der Seitentrakt, die ehemaiige Bethlehemkirche, sprang 4 bis 8 m über die Straßenfluchtlinie der Dametzstraße, das Hauptgebäude 5 m über die der Bethlehemstraße vor. Das Bundesdenkmalamt stimmte am 2. Oktober 1959 der Verkürzung des Gebäudes zu, weil nur durch diese eine einwandfreie Beseiti gung der Engstelle der Bethlehemstraße möglich sei. „Die ursprünglich geplante Verlegung der Fahrbahn bzw. eines Fuß gängerdurchganges durch den südiichen Teil des Gebäudes würde neben tech nischen Schwierigkeiten auch optisch keine befriedigende Lösung darstellen". Als das Abbruchsprojekt 1958 spruchreif geworden war, konnte die Kulturverwal tung ihren Vorschlag, im zu erhaltenden Hauptbau das Stadtmuseum unterzu bringen, gegenüber dem Plan durchset zen, das Objekt wieder als Kleinwoh nungshaus zu verwenden. Die Museal planung setzte sofort ein, ihre Grundzüge wurden erstmals im Jänner 1959 festgeiegt. Eine Variante des Planes sah einen Zubau zum Hauptbau gegen die Dametz straße (an Stelle des bisherigen Verbin dungstraktes) vor (s. Abb. 6). Bürgermei ster Dr. Koref berichtete in der Gemein deratssitzung vom 14. Dezember 1959 zum ersten Mai offiziell über den Mu seumsplan im Nordico. Mit Bescheid des Stadtbauamtes vom 22. August 1960 wurde die Abbruchsbe willigung für den West- und Zwischen trakt sowie die nördlich angebauten Holzlagenobjekte im Nordico erteilt, ebenso für die teiiweise Abtragung des südlichen Gebäudeteiles des Haupttrak tes. Auf Grund von Schwierigkeiten bei der Aussiedlung der Mieter (es mußte erst ein Teilbebauungsplan als Nachweis für die Wichtigkeit des Abbruches vom Gemeinderat beschiossen werden) konn te der Abbruch der südlichen Fenster achse im Haupttrakt erst 1962 und des Seiten- und Zwischentraktes sowie der Holzlagenobjekte erst 1963 erfolgen. Der Teilabbruch des Hauptgebäudes wurde in den oberen Geschossen treppenweise gegen die Gebäudemitte fortgesetzt. Der Ii - Mff y.j «tin V I tl' ÄWrti. • \- h Ij — l \i P? m T^i: -■-'■'ii -AAa'"' ■■ mm)

Teil bis zur neuen Baufluchtlinie wurde wieder errichtet (s. Abb.7). Durch den Abbruch der südlichen Fen sterachse wurde die Symmetrie der Hausfassade zerstört. Die Dachrinnen führung bringt dies stark zur Geltung (s. Abb. 8). Die fehienden Erdgeschoß fenster im Norden der Hauptfassade (im ersten Stock wurden die Fenster wieder angebracht) weisen auf den seinerzeit bestandenen Verbindungsgang (später zum Bautrakt ausgebaut) hin. Der von der Kulturverwaltung vorgeschlagene Anbau könnte hier einige Probleme lö sen. Es könnten hiedurch die Symmetrie der Fassade optisch ausgeglichen, eine Abschirmung vom benachbarten Wohn bau erreicht und die für den Betrieb des Museums noch erforderlichen Räume ge schaffen werden. Im Zuge der Abbruchsarbeiten zeigten sich ,,früher verborgene Baugebrechen". Es mußten der Dachstuhl und alle Decken erneuert werden. Die Gesamtwir kung des Gebäudes wurde wesentlich mitbestimmt von der Dachkonstruktion. Das seit alters mit Schindeln gedeckte Dach war der großen Traktbreite wegen in zwei abgewalmte Satteldächer In der Mitte aufgelöst. In der Schrägansicht wa ren die beiden abgewalmten Flächen von der Dametzstraße aus zu sehen. Im Zuge des Umbaues wurde ein zusammenhän gendes Dachgeschoß neu errichtet, zwar mit der gleichen Firsthöhe, aber wesent lich flacher in der Neigung, wodurch sich in der Silhouettenwirkung eine Beein trächtigung ergibt. Überdies hatte die Änderung der Dachkonstruktion zur Folge, daß auch die Treppenführung im Innern abgeändert werden mußte. Der von der Kulturverwaltung Im Zuge der Sanierungsarbeiten beantragte Einbau eines Aufzuges wurde erst 1971 bewil ligt und 1974 realisiert. Die Sicherungsarbeiten konnten im Früh jahr 1964 abgeschlossen werden. Die Kulturverwaltung hatte nicht verhindern können, daß nach und nach sämtliche Reste der ursprünglichen Stuckdekora tionen abgenommen wurden. Sie wurden in zum Teil nur handtellergroßen Stücken heruntergebrochen und mußten dann mühsam zusammengesetzt, ergänzt und wieder appliziert werden. Nach Abschluß der Arbeiten für den Roh bau konnten die Aufträge für die Stuck deckenherstellung vergeben werden (1964): auch wurden die Anlage eines Bilderdepots im dritten Geschoß (1964) und die Sanierung von weiteren zwei Decken (1965) bewilligt. Für den Ausbau des Museums standen zunächst keine Mittel zur Verfügung. Es gelang zwar 2 Mill. S für die Adaptierung des Nordico als Gemeinderatsbeschluß zu erwirken, aber nur unter der Bedingung, daß die Linzer Kunstschule zur Akademie erho ben werde. Dieser Beschluß unterstrich die Bereitschaft der Stadt, das Museum aus dem Amtsgebäude Hauptplatz 8 aus zusiedeln, damit dessen Räume für die Akademie frei würden. Da die Erhebung zur Kunsthochschule aber auf sich war ten ließ, wurden die Bauarbeiten am Nor dico mit Abschluß der Sanierungsarbei ten eingestellt. Es war wohl verständlich, daß die Stadt, solange die Arbeiten für die Errichtung des Brucknerhauses liefen, keine weite ren Auslagen für einen größeren Kultur bau bewilligte. Der Kulturverwaltung ge lang es aber, die Allgemeine Sparkasse in Linz zu einer Schenkung von 2 Mill. S und der Zusage eines verbilligten Kredi tes von 6 Mill. S für den Ausbau des Nor dico zum Stadtmuseum aus Anlaß des 120jährigen Bestandes der Sparkasse zu bewegen (10. Mai 1968). Dieses Anbot wurde vom Gemeinderat erst am 19. Mai 1969 angenommen, nachdem eine erbe tene Umwidmung des Schenkungsbetra ges für den Bau des Brucknerhauses von der Sparkasse abgelehnt worden war. -4 #

m ' % Abb. 8 Das Nordico (Hauptgebäude)zur Zeit der Eröffnung des Stadtmuseums im Jahre 1974. Foto: Fr. Michaiek Links oben: Abb. 7 Das Hauptgebäude des Nordico nach Verkürzung um eine Fensterachse (1964). Foto: Stadtmuseum Linz, Lichtbiidarchiv Links unten: Abb. 9 Fiaum im Erdgeschoß des Nordico mit aiten Wandmaiereien. Foto: Fr. Michaiek

fA m Abb. 10 Die „Adlerdecke" im großen Saal des Nordico nach ihrer Restaurierung, Fotomontage Mit diesem Gemeinderatsbeschluß wurde zugleich die grundsätzliche Genehmi gung für die Adaptierung des Nordico als Stadtmuseum erteilt. Die Detailplanung wurde aber aus Ersparungsgründen dem (überlasteten) Entwurfsamt übertragen. Wieder ein Jahr später, am 15. Mai 1970, beschloß der Gemeinderat, die Architek ten Dipi.-Ing. Helmut Eisendle, DiplomIngenieur August Kürmayr und DiplomIngenieur Jakob Sabernig mit der Pla nung zu betrauen. So begannen die Aus bauarbeiten des Nordico mit zweijähriger Verspätung erst im Oktober 1970. Bis zum Sommer 1971 waren die Arbei ten so weit gediehen, daß sämtliche Instailationen durchgeführt waren und der Innenverputz im Dachgeschoß und im Verwaltungsgeschoß angebracht werden konnte. Gegen Jahresende 1971 stellte das Bauamt die Bauarbeiten, aber auch die weitere Detaiipianung der Architekten ein, nachdem eine Kostenschätzung er geben hatte, daß die Budgetmittel (vor allem auf Grund des verzögerten Baube ginnes) nicht reichten. Es gelang der Kul turverwaltung bei der Sparkasse einen Nachtragskredit in der Höhe von 7 Mill. S zu erwirken. Nach einer strengen Über prüfung der geleisteten und noch zu ieistenden Arbeiten und ihrer Kosten faßte der Gemeinderat am 14. Dezember 1972 den Grundsatzbeschiuß für den Endaus bau des Stadtmuseums mit einer Ge samtsumme von 15,5 Mili S. Im Juli 1973 konnte das Museum ins Nordico übersie deln, am 17. Juni 1974 wurden die Kunstund kulturgeschichtlichen Sammlungen und am 26. Mai 1975 die Archäologische Abteilung eröffnet (s. Abb. 8). Vom Dekorationsprogramm des Nordico ist ein freskiertes Gewöibe im Erdgeschoß und sieben Räume mit stukkierten Dekken im ersten und zweiten Stockwerk er halten. Der erste Raum links vom Haupt eingang — ursprünglich ein quadratischer Raum mit Mittelsäule und vier Gewöiben ohne Wandmaierei, später durch eine Ost-Westmauer links und rechts von der Säule unterteilt und in beiden Räumen mit Fresken (ornamentaies Rankenwerk) versehen — wurde wiederhergestelit, das Fresko eines Gewöibes restauriert (siehe Abb. 9). Die Decken im ersten und zwei ten Stockwerk zeigen die gieichen Kom positionsprinzipien. Sie stehen „das größte einheitliche und originellste Dekkenprogramm dar, das in Linz im profa nen Bereich erhalten ist. Es zeigt in sei nen noch geometrischen, cinquecentesken Rahmen- und Kassettenschemata eine frühbarocke Ornamentik mit noch deutlichen Anklängen an den Ohr muschelstil. Die Datierung 1677 ist ur kundlich gesichert, der Autor ist wohi mit ziemlicher Sicherheit Johann Peter Spaz" (Alexander Wied)(s. Abb. 10). Die Sanierung des Nordico und seine Adaptierung zum Stadtmuseum war die erste große Revitaiisierung, weiche von der Gemeinde aliein durchgeführt wurde. Es war ein hindernisreicher, aber erfolg reich abgeschlossener Weg und zugleich ein ,,Lehrpfad", der bei der Revitaiisie rung des Prunerstiftes allen beteiligten Dienststellen zugute kommen wird.

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