Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 4, 1975

Die Plätze sind nicht im Mittelpunkt, son dern an den Schwerpunkten des Stadtgefüges angeordnet und nehmen in ihrer Gestaltung weitgehend auf die einmün denden Straßen Rücksicht. Dabei ist der Platz natürlich nicht allein ,,Verkehrskno tenpunkt". Seine Funktion als Markt konnte er nur erfüllen, wenn ein großer Teil des Platzraumes im Verkehrsschat ten lag. Die moderne Fehlleistung, eine Stadt dem Autoverkehr zu öffnen und ,,autogerecht" zu gestalten, ist nicht nur eine Gedankenlosigkeit, sondern ein im Prinzip falscher Denkansatz. Unsere Stadtkerne sind partiell wohl für den Wagen-, nicht aber für den Autoverkehr geschaffen. Je mehr man sie den Autos ausliefert, desto mehr werden die Stra ßen den Fußgängern verleidet und von diesen gemieden. Veröden aber die Stra ßen,so veröden auch die Städte. Mit dem Ausbieiben des Passantenstromes ster ben unsere Städte aus, die sich heute schon manchmal nach dem frühen La denschluß in ,,Geisterstädte" verwandein. Nachdem die Autos die Straßen der Städte zu einem Gefahrenherd ersten Ranges gemacht haben, setzten in der Zeit nach 1970 ein Umdenkprozeß und eine Trendwende ein: Die Autos wurden ganz aus den Hauptstraßen gedrängt und aus dem zentralen Stadtkern machte man eine Fußgängerzone. Die Geschäftsweit ist mit dem Trend zur Fußgängerzone nicht immer ganz einverstanden; da sie mit dem Ausbieiben des Autofahrers automatisch einen Geschäftsrückgang befürchtet. Andererseits hat aber der Baudezernent der ,,geschäftstüchtigsten" deutschen Großstadt, Frankfurt am Main, ganz unmißverständlich klargestellt: ,,Das Auto zerstört die Städte, und mit dem Sterben der Städte wird ein Teil unserer Kultur vernichtet..." in sterbenden Städ ten werden aber auch Handel und Ge werbe nicht weiter zu leben vermögen. Betrachtet man das Leben in den Straßen und auf den Märkten der Städte auf al ten Stichen, so herrscht dort immer em siges Treiben und sogar äußerst reger Verkehr. Der Verkehr gehört zum Fluidum einer lebendigen Stadt — ein men schenfreundlicher und stadtgerechter Verkehr natürlich! Schweriaster sind nicht stadtgerecht und schnelle Flitzer nicht menschenfreundlich. Das stadtge rechte und menschenfreundliche Ver kehrsmittel wird in immer wieder neuen Variationen ent- und verworfen, ein Ideal gefährt ist aber immer noch nicht gefun den. Es darf dies kein Individualverkehrsmittel, aber auch kein Massenverkehrs mittel zu großen Zuschnittes sein, son dern ein möglichst geräuschloses und äußerst umweltfreundliches (genauer ge sagt: ,,stadtfreundiiches") computerge steuertes Kabinensystem. Die paradoxe Tendenz, die Stadt dem Individualverkehr zu opfern und die öffent lichen Verkehrsmittel als U-Bahn unter die Erde zu legen, hat als ,,Jahrhundert aufgabe" die schöne Stadt Wien für Jahr zehnte in eine schmutzige Bausteile ver wandelt. Endlos lang werden der Karlspiatz, der Stephansplatz, der Graben, die Randstraßen des Donauseitenkanals lahmgelegt. Einst blühende Geschäfts straßen, wie jetzt schon die Favoritenund demnächst auch die Praterstraße, veröden, und immer weitere Straßen wer den oben veröden, weil man unten baut. Die bange Frage ist nur, ob sich dieser gigantische Aufwand auch für die Zukunft lohnt oder ,,auszahlt", wie man in Wien so schön sagt. Sicher wird man in weni gen Minuten vom Stephansplatz zum Praterstern gelangen können. Doch muß man bei künstlicher Belüftung und künst licher Beleuchtung tief unter der Erde wie Bergknappen in einen Schacht einfahren. Der Fremde aber - für den im Frem denverkehrsland Österreich natürlich die U-Bahn nicht allein geschaffen ist, jedoch von ihm sicher auch benutzt wird — sieht von der Stadt Wien nur noch an den Ansteig- und Ausstiegsstellen etwas,

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