Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 4, 1975

Betrachtung Von den Bergen den Hauch— den sie Nebel nennen und Dunst, manchmal auch Alpenglühn — in das Herz nehmen und darauf ein Leben bau'n: dreißig Jahre Vergangenheit,dreißig Jahre Zukunft; und immer auf der Schneide hin über die Straße gehn, wissend um sanftgeschwungene Hügel und um den Duft, der an ihren Säumen wohnt. Es haben dann alle Tage einen eigenen Klang, nicht leichter zwar und auch nicht tönender als alle andren, nur sicherer und geborgener. Tiefer. Denn selbst die Tränen schmecken nach Heimat. Still sein und schauen Still sein und schauen wie Blüten wachsen und wie das Wasser einen wartenden Stein verschiebt. Abende kommen imd gehn: rot noch die Kiellinie des vergangenen Tages und darüber schon blaß der Mond. Und in den See fällt all die Dunkelheit,deren wir so sehr bedürfen wie der Hand einer Mutter. Ruhig sein — still sein. Dann hörst du,daß Gottin allem dir unaufhörlich sein Wortzuspricht. In dem Streifen Abend In dem Streifen Abend,den mir die Nacht als einen Gruß vor die Augen legte, eingehülltin den Mond,eingebettet in Berge, in diesem Streifen lag meine Hoffnung. Sie wartete geduldig zwischen Osten und Westen auf den Lockschrei des heimlichen Vogels. Denn nur des Nachts,wenn es keiner mehr glaubt, fliegt er aus,um die schöne goldene Frucht im schweigsamen Dickichtzu bergen. Aber ich weiß nicht,ob heute mein Herz§chon bereit genug ist für diese ewige Herrlichkeit. Wozu es uns drängt Mitten im Traum von den Engeln reden und mit dem Blick hineingehn in einen grünen Wald. Manchmal legt erst der Abend sein Licht auf die Wiesen — es ist dann ein Abschied vom Tag. Trauer Verirrt sein; heimlich die Tränen weinen, die lange schon brennen. Warten und trauern. Jenseits der Fenster fliegt die Nacht vorbei, fliegt der Tag vorbei,fliegt die Zeit vorbei. Und ein Fröstlein liegt auf den Scheiben. Dies muß ich bekennen Man kann nur im Traum oder an fremden Ufern ruhig die Tauben füttern. Überall anders sind wir nicht sicher vor Rufern und zuvieles kann uns geschehn. Nachtstraßen Lichtketten an Bäumen vorüber an Bergen vorüber, an Häusern vorüber: fließendes Licht. Aber die Bäume bleiben und die Berge bleiben und die Häuser bleiben — auch in der Dunkelheit. Denn sie haben versprochen, den unnennbaren Einen voll Geduld zu erwarten, wenn er daherkommt — auch in tausend Jahren und mehr soll er alles wie immer finden: die Berge,die Bäume,die Häuser. Und dann ist der Tod besiegt.

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