"Großfahrt" in die Gottschee 1939

NSDAP Hitlerjugend Untergau Steyr (536 Prevenhubergasse 3 /242 Steyr,25.7.1939. Jgn. ...................................................... Betr,: Grossfahrt in die Gottschee Fahrtenziel: Gottschee, Südslawien Zeit: 17. - 30.August 1929 Teilnehmerzahl: 13 BDM und JM Führerinnen Beförderungsmittel: Fahrrad und Bahn. Geplanter Fahrweg: 84 km 17,8. Steyr - Hieflau 51 18.8. Hieflau - Eisenerz - Leoben 60 19.8. Leoben - Bruck - Graz 66 20.8. Graz - Grenze - Marburg 57 21.8. Marburg - Gilli 50 22.8. Cilli - Steinbrück - Rudolfswert ung. 45 - 23.8. Rudolfswert - Töplitz Gottschee 24.8. Gottschee und Umgebung 25.8. 26.8. 60 - 27.8. Laibach Gottschee - 65 Assling Krainburg 28.8. Laibach 43 Klagenfurt 29.8. Assling - 329 - Steyr (Bahnfahrt) 30.8. Klagenfurt Die Fahrt erfolgt mit dem Fahrrad. Die Rückfahrt von Kla¬ genfurt bis Steyr mit der Bahn. Übernachten: Soweit vorhanden Jugendherbergen, sonst bei den Bauern in der Scheune auf Stroh. Verpflegung: selbst abkochen. Kosten: RM 30.-- Zur Beschaffung der Devisen ist es not¬ wendig, dass ich einen Teilbetrag von RM 20.-- schon frü¬ her bekomme. Ich ersuche Dich deshalb, bis 3.8, an die Banngeldverwal¬ tung den Betrag von RM 20.-- mit dem Vermerk„Grossfahrt des BDM“ einzuschicken und mir zugleich die Absendung des Betrages bekanntzugeben.

Reisepass: Der Reisepass muss von Dir selbst besorgt wer¬ den. Es dauert mindestens eine Woche, bis Du ihn bekommst gehe deshalb früh genug auf das Passamt. Du brauchst dafür 2 Lichtbilder in Zivil. Die Ausreisebewilligung der RJF liegt bei, die Du auf das Passamt mitnehmen musst. Mitzunehmen Ist: Turnzeug Rucksack Trainingsanzug Brotbeutel Turnschuhe 2 Dirndlkleider Badezeug genügend Dirndlblusen Decke mehrere Schürzen Schlafsack genügend Wäsche Waschzeug weisse Sockerl Nägzeug Stutzen Schuhputzzeug 1 Paar lange Strümpfe Taschenhampe feste Halbschuhe Batterie Regenmantel Schreibzeug Jackerl warme Socken Esschale Becher Kopftuch Essbesteck Radlpickzeug Fotoapparat Riemen Tücher, die zur Reinigung de Schnur Geschirrs verwendet werden Reisepass können Ausreisebewilligung der RJF Bleistift Jugendherbergsausweis Sicherheitsnadeln HJ Mitgliedsausweis, dieser Messer wird nur bis Graz mitgenommen wers hat Zeltbahn. Handtücher Kein Uniformstück. kein Abzeichen, keinen politischen Ausweis ausser HJ Ausweis, der aber im Inland gelassen wird. Fahrrad: Das Fahrrad muss vorher von einem Mechaniker durchgesehen werden und in tadellosem Zustand sein. Starke möglichst neue Bereifung und Schläuche, mindestens 2 gut funktionierende Bremsen, gute Beleuchtung, gut geschmiert Werkzeug, Pickzeug,Ol, Gepäcksträger, Es schadet nicht, wenn Du einige Tage vorher eine Tour von etwa 50 KM machst, damit Du etwas eingefahren bist.

Steyr, 17.8.1939. Betrifft:Grossfahrt. Unsere Grossfahrt hat sich nun um einige Tage verschoben. Wir fahren am Montag, den 21. August und treffen uns um 6.30 Uhr vor der Dienststelle. Rucksäcke müssen aber schon sonntags gepackt sein, und wir halten am Sonntag Nachmittag um 16 Uhr unseren Probe¬ appell in vollständiger, vorschriftsmässiger Ausrüstung ab. Ort: Dienststelle Folgende Sachen müssen noch mitgenommen werden: lo dkg Kakao 1/2 Kilo Zucker 1/4 Laib Brot 2 dkg Tee 2 Suppenwürfel (Maggi oder Knorr-Erbswurst) 1/4 Kg Butter Brotbelag: Käse, Sardellenpasta, Sardinen etwas Obst Griess wer hat eine Feldflasche. Arbeitseinteilung auf der Fahrt :Folgende Führerinnen sind für die verschiedenen Arbeitsgebiete verantwortlich: Kochen: Elsa Moser, Emmi Ferflinger Quartier: Inge Berger, Mimi Feichtner Verwaltung: Erna Peintner Lichtbild:Helene Wagner Fahrtenbuch: Traudl Moser, Helene Wagner Nehmt euch daher die nötigen Sachen mit: Geldtasche, Schreibpapier, usw. damit alles klappt. gez, Hilde Bollinger Führerin des Untergaues 536 Steyr.

Endlich waren die Devisen eingelangt,- nun konnte es losgehen. Für Sonntag, den 19.August, war grosser Radappell angesagt. Pünktlich auf die Minute waren alle 13 da, gut gelaunt, in Erwartung der bevorstehenden gemeinsa¬ men Erlebnisse. Noch dazu lachte die Sonne aus dem schönsten Blau des Himmels, der weiter gutes Wetter versprach:richtiges Radlwetter. Vor dem Haus, in dem sich Unsere Dienststelle befindet, standen vollbepackt unse¬ re 13 Drahtesel, neu hergerichtet und frisch geschmiert. Nun sollten sie der Reihe nach vor den gestreng blik¬ kenden und prüfenden Augen unserer Fahrtenmutter be¬ stehen. Einige Räder waren schon gut abgefertigt, da hing an einem Rad der Rucksack ganz schief und war doch eben noch daheim so fest und sicher aufgeschnürt wor¬ den. Die Besitzerin des Rades musste es sich nun gefallen lassen, dass sie tüchtig ausgelacht wurde. Wenn die Sonne so schön scheint und man noch dazu 14 frohe Wandertage in Aussicht hat, sitzt eben das Lachen doppelt locker. Nicht nur wir belagerten unsere Tretmaschinen, sondern alle Hausbewohner beteiligten sich rege an den Vorbereitungen zu unserer Fahrt. Was nicht an den Fen¬ stern war, stand eben um uns herum. Als nun die Räder nach allen Regeln der Kunst betrachtet waren, stiegen wir noch ein letztes Mal zu den gewohnten Räumen unserer Dienst¬ stelle hinauf, und nun kam es zur Verteilung der Ämter. Wir stellen vor: - Hibo, die Reiseleiterin, na, der Geldscheich, Emmi und Elsa: die Küchenchefs, inge und Mimi, die Quartiersucher, Helen und lraudl, die Bildberichterstatte Singerl,der Gesundheitsdienst, Vev, die Verwalterin der Kochgeräte, isa, der Gast aus dem Untergau 532, Anni und Gretl, für besondere Verwendung frei. Als wir dann unsere Räder besteigen wollten, fanden wir sie reich geschmückt mit allerlei komischem Zeug: z.B.Vogelhäuschen, Schirmen (Modell Chamberlain) Spielkar¬ ten.. jede von uns fand noch einen schönen, sinnigen Blumengruss aus Brennesseln vor. Am Abend wurde noch ein Eierpflaumenbaum geplün¬ dert und die schönen, saftigen Früchte sollten auch ein Stück der Fahrt mitkommen.

Endlich war die Stunde der Abfahrt da; in schöner, langer Reihe ging frohgemut „zum Städtle hinaus", berg¬ auf, bergab durchs Ennstal. Vor Grossraming,knapp an der - Enns, hielten wir erste Rast. Auf grossen Baumstämmen, die auf die Flossfahrt warteten, liessen wir uns nieder. Brot, und die gelben Eierpflaumen mundeten herrlich. Bald wurde wieder zum Aufbruch geblasen und wieder ging es in ewigem Au-Ab weiter. Die Sonne btannte unbarmherzig auf uns herunter. „Schwitzen ist gesund“ und „lasst euchs nicht verdriessen“ Treten... treten.treten! Steil geht es dann wieder aufwärts. Die Rucksäcke ziehen gewaltig, aber Arme und Beine bleiben Sieger und dann geht es zur Belohnung in sausender Fahrt talab, dass der Wind kühl um die Ohren pfeift. Es wurde schon finster, als wir unser Reiseziel Hieflau erreichten. Nun, wir hatten auch 6 "Patschen“ zu picken und, da es immer ge¬ lang, die erste Probe als Radmechaniker bestanden. Nun sassen wir auf einem alten Wagen um den Kessel mit der duftenden Griessuppe und bei der Festbeleuchtung von 2 Taschenlampen waren unsere hungrigen Mägen bald befriedigt. Hell glitzerte das Mondlicht im schäumenden Was¬ ser der Enns und das Rauschen des „Gesäuses„schläferte uns ein, als wir im ersten Stock eines Stadels im duften¬ den Heu lagen. Unter uns scharrten noch einige Pferde. Bald hörten wir auch das nicht mehr.. alle 13 schliefen tief und fest.

Von Eisenerz bis Leoben. Der Morgen war schon heiss gewesen und hatte einen strahlenden Tag versprochen. Wir hatten schon ein gutes Stück Weg hinter uns.. Hieflau-Eisenerz, Immer war es bergauf gegangen, aber, die Höhe des Passes vor Augen, drängten wir vorwärts, wir wollten uns ja unser Ziel er¬ kämpfen. Und nun begannen wir den Anstieg. Zwischendruch donnern die Sprengungen um den Erzberg und verrollen in den dunklen Wäldern. Zu beiden Seiten des We¬ ges steht dichter Fichten-und Tannenwald. Nur hie und da öffnet ein Holzschlag die Sicht ins Tal, in dem rauschend der Bach fliesst. Nun teilen sich auch rechts die Stämme. Ein kleines Wasser sprudelt auf die Strasse nieder, gerade recht für uns, durstige Seelen. Wir halten Rast. Eine rote Schlakenhalde verrinnt in einem Schlag und eine 3 m hohe Bretterwand schützt die Strasse vor Steinschlag.Bald geht es wieder weiter. Eine Kurve um die andere lassen wir hinter uns und haben schon viel an Höhe gewonnen. Von einem freien Platz sehen wir ins Land. Der Horizont der Hügel ringsum liegt schon unter uns. Langsam kriechen dort weisse Wolken auf... riesige Haufenwolken ballen sich bald¬ regendrohend- über uns. Die Sonnenstrahlen stechen nur mehr vereinzelt aus den Wolken,es fallen die ersten Trop¬ fen, leicht beginnt es zu regnen. Fast angenehm empfinden wir die Nässe auf unseren erhitzten Gesichtern. Mit doppel¬ ter Kraft und erhöhtem Eifer schieben wir unsere Räder aufwärts, es schimmert auch schon ganz hell durch die Bäu¬ me. Noch eine scharfe Kurve.... durch ein Viadukt hindurch und schon sehen wir die Passhöhe. Über uns rattert die Prebichlbahn. Die Strasse läuft frei, zwischen Wiesen in leichter Steigung über den Pass. Mittagsrast: Butterbrote mit Käse und frischer Milch. Noch nie mundete diee einfache Kost so gut. Wir freuen uns schon alle auf die bevorstehende Abfahrt! Der Wetter¬ gott hatte es ja besonders gut mit uns gemeint, die Stras¬ se ist richtig staubfrei, schön rein gewaschen von allem, was unsere Lungen verpesten wollte. Die Sonne lacht und freut sich das arge Wetter verjagt zu haben. Mit Saus und Braus geht es zu Tal. Kaum atmen können wir, denn scharf schneidet der Wind um Mund und Nase. Am Ende der Fahrt steht jede vor ihrem räuchenden, stinkenden Freilauf. eine kleine steirische Stadt, sah Vordernberg, zu, als wir um die Wette die Passtrasse herunterblitzten. Bevor es über das holprige Pflaster der Stadt hinausgeht müssen wir noch Ernas Rad in Ordnung bringen. Hermi läuft um einen Kübel Wasser, Hibo und Helen haben den Schlauch aus dem Mantel gekitzelt und - da steigen auch schon lus¬ tig Bläschen aus dem durchstochenen Schlauch, als wir ihn ins Wasser tauchten. Das Loch ist entdeckt, im Nu wird es gepickt sein. Wer gerade nicht beim Picken beschäftigt ist hat auch bestimmt keine Langeweile, den ein alter Schuster erzählt vertrauensvoll seine Lebensgeschichte und reicht stolz das Bild seines Enkelkindes herum. Bald ist der Schaden im Rad behoben, und es geht weiter. 6

Wir stehen bald draussen am andern End der Stadt. Wir warten, denn die "Kunstverständigen" von uns, allen voran unsere ruinenbegeisterte Helene, hatten es nicht lassen können, ein altes verfallenes Bauwerk, von sicherlich grösster Wichtigkeit zu durchsuchen. Auf guter, immer fal¬ lender Strasse geht es weiter zwischen den netten stei¬ rischen Lattenzaunen durch, an hohen Felsen vorbei, auf denen Burgen oder Burgruinen zu Tal schauen. In Trofaiach und Donawitz bestaunen wir die rauchenden Essen und Schlote. Wir können unsere ei¬ genen Worte kaum verstehen,so donnern die Motore und dröhnen die Maschinen.....Hoch über uns gleiten die Hunde" auf mehrfachen Seilen mit ihren Lasten hin und her. Mitten in dem Lärm stehen wie ruhende Pole mächtige, schwarze Kessel.M Kaum haben wir jemals deutlicher und eindringlicher die Symphonie der Arbeit gehört.—---- Wieder streichen Bäume, Weisen, Felder an uns vorbei. Die Räder singen über leichtem Kiesel. Noch eine kurze Baustelle ist zu passieren, und wir halten Einzug in Leoben dem heutigen Tagesziel. Links erblickten wir den Bahnhof mit seiner unangenehm auffallenden russigen Umgebung, rechts von uns die Stadt. Nun geht es kreuz und quer durch Strassen, Plätzen, und Gassen, bis wir endlich vor der Massenburg stehen. Einen schöneren Platz hätte man wohl kaum für eine Jugendher¬ berge finden können. Wir lehnen unsere Räder an-die Mauer des Brughofes und schauen nieder auf die Stadt. Dunst hat sich über das Becken gelegt, nur die Kirchturmspitzen se¬ hen wie neugierig daraus hervor. Wir packen unsere Räder ab und lassen uns; nach einer gründlichen Reinigung von Kopf bis zum Fuss, das prächtige Abendessen: Speckwurst und Kartoffelschmarrn, besonders gut schmecken. Es ist dunkel geworden. Unter uns flammen die Lichter auf und still ist es ringsum über den Ruinen der alten Massenburg. 61 Gute Nacht, Kameraden! Bewahrt euch diesen Tag!

Von Leoben nach Graz. Schon in aller Früh ist es schön kühl und neblig, fahren wir von Leoben weg - auf herrlicher Asphaltstrasse ge¬ gen Süden. Zu Mittag haben wir müde und staubig, Graz erreicht. In der schönen Jugendherberge, dem Studentenheim, das uns zur Verfügung steht, erwachen wieder die Le¬ bensgeister. Das Heim liegt in einem grossen Park, Linden, Akazien und Jasmin stehen im engen Umkreis. Ganz begeistert sind wir, als wir denpfundigen Wasch¬ raum entdecken, der soviele Becken hat, dass wir uns alle gleichzeitig waschen können. Schnell geht es ans Reine¬ machen, doch, oh weh, als wir gerade im besten Plantschen und Spritzen sind,klopft es an die Tür, von einer Eanzlei geht der einzige Asusgang nur durch den Waschraum.So gehen wir schleunigst in Deckung“ bis die“ Durchwan¬ derer“ bei der 2.Tür draussen sind.... Mit frischen Blusen und Schürzen angetan geht es dann an die Stadtbesichtigung. Wir sind“sehr vornehmund einige von uns reden nur mehr"weanerisch' haben wir da ge¬ lacht, als man uns am Schlossberg alsrichtige Wiener so etwas von der Seite ansah, als Hibo ihre Eindrücke vom-Löwen mit den grossen Nasenlöchern" auf gut wienerisch gab. Vom Schlossberg bot sich das Bild der Stadt doppelt schön, denn die Stadt hatte Festschmuck angelegt, erwartete sie doch viele Gäste zur VDA Tagung. So schlenderten wir dann den Stiegenaufgang über den Herbersteingarten hinunter und landeten schliesslich im Schlossgarten bei Eis und Lampionbeleuchtung. Müde gings dann in die Betten.

Über die Grenze. In sengender Hitze führte unser Weg auf der herrlichen Reichsstrasse durch die Süd-Steiermark. Wir radelten wie toll, denn wir freuten uns auf das neue Land, das wir auf unserer Fahrt kennenlernen sollten. Endlich standen wir vor dem Wegweiser: "Spielfeld 5 km zur Reichsgrenze"' Wie von selbst bewegt sich unsere Kolonne auf einmal noch schneller vorwärts, obwehl es ge¬ gen Abend geht und die Strasse leicht ansteigt. Schnur¬ gerade liegt sie da - zwischen Mais - und Buchmeizenfel¬ dern und scheint überhaupt kein Ende zu nehmen. Aber schliesslich stehen wir doch vor dem Zollschranken. Langsam hebt er sich, und wir verlassen den deutschen Reichsboden. Nachdem unsere Pässe durchgeschaut sind, geht es ein paar hunder Meter auf neutralen Gebiet bis zum jugoslawischen Grenzbalken. Da ist es auf einmal ganz anders, fremde Aufschriften, fremde Uniformen! Was ist das für ein weiblicher Massenangriff auf Jugoslawien? "fragt der Zollbeamte im Scherz, aber man spürt doch ganz deutlich einen versteckten Hass dahinter. Viele von uns fahren zum ersten Male ins Ausland. Das, was nun vor uns liegt ist fremdes Land. Jeder von uns spürt die Sehnsucht nach dem Erlebnis in der Fremde.... Wir stehen alle still, eigentümlich klingt die fremde Sprache an unser ehr und reizt noch mehr unsere Fahrten-und Abenteuerlust. Die Grenzbeamten debattieren heftig auf slowenisch mitei¬ nander, dann erklären sie, Hibo dürfe nicht über die Grenze! Sie müsse zurück nach Spielfeld und von dort ab mit der Bahn nach Marburg fahren, um-sich dort das Visum zu besor¬ gen, das sie wahrscheinlich(!) dort kriegen würde. Da hilft nichts, nicht einmal Mimis äusserst energische Erklärung, dass Hibo ja unsere Reiseleiterin,sei, und daher auf jeden Fall mitmüsse, „Die Dame bleibt hier“ wird unerbittlich entschieden. In der Dämmerung, einen“Patschen" im Radl. nimmt Hibo von uns Abschied. Wir verabreden noch schnell dass wir bis dicht vor Marburg fahren werden, und dass 2 Mann“ sie am Bahnhof erwarten werden. Dann ist bereits der Grenzbalken zwischen uns. Wir singen ihr den "hätt i di" hinüber und sie stimmt ein" halts Maul, sei still... Schliesslich wird doch noch alles recht. Wir übernachten in einem Gutshof. Die Frau Baronin wollte zwar zuerst gar nichts von uns wissen und uns gar nicht einlassen. Aber zuletzt dürfen wir sogar in ihrer Küche Abendbrot und Früh¬ stück bereiten und die Küchenmädchen sollen uns dabei helfen. Auf der schönen, von Weinlaub umrankten Veranda dürfen wir sitzen, die elektrischen Lampen, die im Laub verborgen sind strahlen magisches Licht aus. Wir fühlen uns alle ganz gross, und als uns dann die Gutsfrau einen grossen Korb mit Apfel, Birnen und Eierpflaumen schickt, sind wir doch schnell finden wir wie aus allen Himmeln gefallen —- uns wieder zurecht und lassen uns den unerwarteten Nach¬ tisch gut munden.

Bald liegen wir im Haberstroh. Ich habe gerade noch nicht ganz fest geschlafen, denn die Mäuse rascheln so unverschämt laut unter meinem Kopf ------da, fahre ich auf, höre Schritte die Stiege herauftappen... Stimmen: „stretschni! lachkonotschjsi ti latschn? Das ist ja slowenisch! Vas war denn das? Und nun beginnt es wieder so unverständliches Zeug zu kauderwelschen. Da werd ich ganz munter. Helen und Singerl sind es, die vom Bahnhof zurückkommen und uns narren. Doch da lachen sie los und mir fallen wieder beruhigt die Augen zu. Nun höre ich auch Hibos Stimme..... sie ist also auch da¬ bei. Fein, dann ist ja alles gut gegangen! Und schon schlafe ich wieder.

11 Marburg. Regenwetter, ein kalter unfreundlicher Morgen. Radeln werden gepickt, und es ist schon spät, als wir endlich startbereit in dem grossen sauberen Gutshof stehen und der freundlichen Gastgeberin zum Dank unser Lied singen. Sie sieht uns nach der Reihe an und als wir uns von ihr mit Handschlag verabschieden, hebt sie die Hand zum deutschen Gruss, nachdem sie sich vorher genau umge¬ sehen hatte, ob niemand Verräterischer in der Nähe weile und sagt: „Heil hitler:2“ Aber seien sie vorsichtig, hier sind sie im Feindland Mich dürfte man nicht sehen, wenn ich den Gruss der Deutschen spreche Der Regen wird ärger. Wir ziehen die Kleppermäntel an und nehmen die Kapuzen über und dann geht es in ge¬ schlossener Kolonne in das Stadtinnere von Marburg. Breite, saubere Strassen, eine romanische Kirche, schöne Bauwerke---kurz, eine deutsche Stadt. Viele Leute rufen uns deutsche Worte zu. —--Da wird das Gedränge dichter wir sind am Obstmarkt. In zwei dichten Zeilen sind die slowenischen„Obststandeln"aufgebaut. Wir müssen lachen, denn es ist, als ob jemand das Kommando gegeben hätte Augen rechts" so drehen sich alle Leute nach uns um und reissen Mund und Augen auf. Wir defilieren grinsend vorbei, Unter einem grossen Kastanienbaum stellen wir un¬ sere Räder zusammen und einige Mädel bleiben als Wache zurück, während die anderen ins "Schlaraffenland“ eines reichbeschickten Obstmarktes ausmarschierten. Birnen, Pflaumen, Ringlotten, Pfirsiche, Weintrauben----und alles für wenige Para. Wir gehen so ein paarmal, uns an den ver¬ schiedensten Früchten ergötzend und labend den Markt hinauf und hinunter und betrachten uns die Menschen. Dann gehen wir zurück um die Wache zu übernehmen. Schon sind wir auch von einem ganzen Schwarm von Neugierigen umringt, die uns mit den verschiedensten Fragen bestür¬ men. Wo wir herkommen, fragen sie, und ob es wahr sei, dass es bei uns keine Arbeitslosen mehr gebe? Sie greifen verwundert unsere Gummimäntel an und unsere Esschalen am Rucksack, "Ob wir am Ende gar das weibliche Militär seien, das es doch in Deutschland schon geben sollte? „Oder seid ihr wegen der Hungersnot aus Deutschland ge¬ flüchtet"„Wir müssen lachen, und dann erzählen wir von unserem Deutschland, wie es in Wahrheit ist. Manche unserer Zuhörer wollten im Anfang nicht recht glauben dass es so ist wie wir erzählen, aber, da wir bestimmt nicht so aussehen als wären wir dem Hungertode nahe, hö¬ ren sie uns bald gläubig zu. Dann erzählen sie vom Leben in Jugoslawien. Viel Gutes haben sie allerdings nicht zu berichten. Arbeitslose und Ausgesteuerte klagen ihr Leid. Andere wieder klagen, dass ihre Kinder nicht mehr deutsch sprechen dürfen, dass die Kinder nicht deutsch lesen und schreiben lernten. Es gibt keine deutschen Schulen mehr. Schon inder Volksschule müssen die Kinder neben

der slowenischen Unerrichtssprache — Serbisch lernen und in den höheren Klassen kommt noch Kroatisch dazu. So kommt es, dass wohl die Leute über 30 Jahre noch deutsch können - von der Donaumonarchie her während die Menschen unter dieser Altersgrenze zwar noch deutsch verstehen, aber vielfach nicht mehr deutsch sprechen können Da kommt ein Polizist vorrüber, der sich lächelnd auf slowenisch nach Herkunft und Fahrtenziel der „schönen Damen“ erkundigt. Etwas weniger freundlich fordert er die Leute auf, nicht so um uns herumzustehen und uns in Ruhe zu lassen. Dann geht er weiter, behält uns aber im Auge, von Zeit zu Zeit vorrübergehend. Inzwischen sind alle pünktlich von ihren Einkäufen zurückgekehrt, schwer beladen mit Obstsackerln. Es ist Zeit zum Aufbruch. Die Leute rufen uns noch freundliche Abschiedsgrüsse zu, —---wir nehmen Kurs auf Cilli.

8 Wir fahren über die Draubrücke, von der sich der Blick nach den riesigen, mit Wein bebauten Hügelzügen weitet, zur Stadt hinaus. Die Strasse wird an der Stadtgrenze furchtbar schlecht, und kommen so nur langsam vorwärts. Bergauf, bergab geht es. Nach mehreren Stunden Fahrt be¬ ginnen unsere Mägen zu knurren, und auch die Beine ziehen und spannen vom Treten, der Körper ist schon ganz durchgebeutelt“. Da es ausgibig zu regnen beginnt, su¬ chen wir nach einem schützenden Dach, 2 Mädel werden in das nächstliegende Bauernhaus geschickt, kommen aber bald wieder zurück. "Daitsche nix eini“ berichten sie, und fuch¬ teln abwehrend mit den Händen. Ach so nun versuchen wirs beim nächsten Bauernhaus. Da dürfen wir in den Schuppen. Stumm und misstrauisch beobachtet man uns. Schnell haben wir zwischen Karren, Pflug und Hackstock ein paar Bretter quer gelegt und schon sitzen wir gemütlich im Trockenen. Nun kommt die "Fütterung" der Raubtiere'. Herrlich, heut gibt es echte Krainerwürstl und frische Tomaten. Die Leute beobachten uns noch immer. Nach und nach hellen sich die Gesichter auf, und als wir mit unserem Essen endlich fertig werden, deutet uns der Bauer mit ihm auf die Wiese zu kommen. Er führt uns geradewegs zum"Griabaum“ und dann schüttelt er und schüttelt er.... Singerl ist gleich mit dem Kopftopf da, im Nu ist er bis oben mit den herrlich saftigen Früchten gefüllt. Wieder gehen wir in unseren Schuppen und es wird ehrlich geteilt. Als wir die Pflaumen verspeist haben, wobei uns die ganze Familie des Bauern zuschaute, führt uns der Bauer lachend zum Birnbaum. Er steigt auf die Leiter und schüttelt, dass es einen richtigen Birnenplatzregen gibt. Jede von uns sammelt die gelben, rotbackigen Birnen in die Schürze Zum Dank singen wir den Leuten einige Lieder und Jodler, freundlich lachend stehen sie beisammen und hören uns zu. Es ist schon fein, wenn man mithelfen kann, dumme künstlich genährte Vorurteile zu vernichten. Ein anderes Mal halten wir in einem kleinen Ort. Inge und Anni müssen dringend verschwinden, also fragen sie im nächsten Haus, sittsam und artig, nach einem gewissen Ort, wo¬ rauf man ihnen ein Glas Wasser bringt. Nun fragt Inge: Können sie deutsch?“ Nein. Können sie slowenisch?antwortet die Gefragte" Nein“ "Achso wir sollen deutsch können, aber sie sprechen nicht slowenisch, was?“ geben die 2 ältlichen Damen mit spitzen Nasen zur Antwort. Am liebsten hätte Inge und Anni „tichobodi"oder so was ähnliches ge¬ antwortet, das hätten sie ja können. Aber sie sagen über¬ haupt nichts und suchen sich den gewünschten Ort selbst. Inzwischen späht man hinter den Vorhängen eifrig nach un¬ serer Schar aus- und siehe da, als Inge und Anni zurückkommen werden sie auf deutsch gefragt, ob sie irgend was mit¬ hätten, darein man Äpfel geben könne, "Nein leider „Die Frauen waren auf einmal ganz nett und brachten ein grosses Einkaufsnetz, das sie mit rotbackigen Apfeln füllten. Auch süssen Most könnten wir haben, wenn wir solchen wollten. Was mag da wohl die Ursache zu dieser plötzlichen Anderung des Verhaltens uns gegenüber sein?Wahrscheinlich haben

14 sie Mitleid mit diesen "Nemtschi“die doch bald Hungers sterben werden in diesem armen Deutschland; Wir haben natürlich die Apfel gleich begeistert in Empfang genommen und all unsere Feldflaschen haben wir mit dem süssen Apfelsaft gefüllt. Bald waren dann die Flaschen leer, denn die Sonne brannte unbarmherzig auf unseren Fahrtenweg, doch süssen Most - und nochdazu in solchen Mengen - trinkt man nicht“ ungestraft“ Na, Apfel und Apfelsaft haben uns grossartig geschmeckt und die 2 Tanten freut dies sicherlich auch. Als wir ihnen zum Dank und Abschied den "Passhammer“ hinaufjodelten, zeigten sie sich lächelnd am Fensterbrett. Cilli. Es beginnt schon zu dunkeln, als wir in das stadtgebiet von Cilli einfahren. Grosse Hopfengärten, in denen die Frauen mit ihren bunten Kopftüchern noch bei der Erntearbeit sind, geben der Landschaft ihr eigenes Gepräge Dazwischen stehen riesige Scheunen, deren Wände nur aus Holzstangen bestehen, sodass der Wind von allen Seiten durchstreichen kann und das Heu und die Maisblätter ra¬ scher trocknen können. Immer wieder unterbrachen Hopfengärten die endlos schein nenden Weizenfelder. Dicht neben der Strasse steht ein Gutshof und einige solcher offenen Scheunen. Wir suchen Nachtlager und bekommen es auch. Die blossfüssigen, zer¬ lumpten Gesellen, die vor lauter Freude über unsere An¬ kunft wie toll von einem Bein aufs andere hüpfen, lassen wir nach Eintritt ins Gut zurück, und sind darüber heils¬ froh, denn in den freien Scheunen - dicht neben der Strasse¬ hätten wir es nicht wagen dürfen uns einzurichten. Da wären wir trotz unserer Müdigkeit noch viele Km gefahren Nun unser Nachtlager. Die Scheune ist umgeben von einigen anderen Scheunen und einem sauberen Wohnhaus mit Balkon, der Besitz ist von einer grossen Mauer eingeschlossen. Wir fühlen uns gleich ganz sicher und wie" daheim“. In der Mitte des Hofes steht ein grosser Ziehbrunnen, den wir gleich tüchtig pumpen lassen, denn es dauert geraume Zeit bis wir alle den dichten Staub der auf uns liegt heruntergewaschen haben. Wer gerade nicht mit Seife und Waschlappen beim Brunnen beschäftigt ist, richtet sich im duftenden Heu sein Lager zurecht. Der Küchendienst ist natürlich sofort abgerückt, denn 13 hungrige Mägen können die Fütterung kaum mehr erwarten. Vov Zeit zu Zeit wird eine Abordnung in die Küche geschickt um zu fragen, wie weit es mit dem Kochen steht, Endlich ist es so weit.—-- Unsere Gastgeberin und ihre Familie spricht gutes Deutsch und ist freundlich und hilfsbereit. Der grosse Tisch in ihrer Wohnküche wird freigemacht und wir setzen uns

rundherum zum Abendbrot. Wie gewöhnlich singen wir zuerst unser Lied. Richtig fein klingt der Passhammer durch den Raum. Unsere Gastgeber und die anderen Hausbewohner sind alle zu den Türen gekommen und horchen zu. Diesmal sagen wir nicht "guten Hunger“ denn das könnte wieder zu Missverständnissen führen, zum Schluss glauben die Leute dann wir wären am"Verhungern" Also wünschen wir uns diesmal guten Appetit“. Dann herrscht die bekannte gefrässige Stille, dafür klappern die Löffel umso eifriger. Es mundet aber auch herrlich' Griesskoch mit Zucker und Schokolade und heisse Butter darüber. Ob das der berüchtigte Eintopf ist, den man in Deutschland essen muss, fragt man uns. Die Hungersnot soll doch so gross sein. Und ob es wahr ist, dass es den Ostmärkern so schlecht gehe, seit sie zum Reich gehören. Da müssen wir nun alle lachen und können uns nicht genug wundern, woher sie diesen Unsinn nur haben können. Das steht alles in der Zeitung bekommen wir zur Antwort, Sie erzählen uns noch mehr solcher Schauermärchen, Nach der Angliederung des Sudetenlandes und Memellandes sind in den Buchhandlungen Karten herausgegeben worden, auf denen die“Neue Grenze" zwischen Deutschland und Jugoslawien zu sehen war, und die Gebiete Südslawiens, die Hitler in nächster Zeit besetzen und "angliedern“ werde. Der Bevölkerung wurde bereits in allen Farben geschildert, dass sie dann nichts mehr zu essen bekämen, ausser ab und zu einmal Eintopf.--- Also das waren die typischen Mittel, deren sich die Juden immer wieder bedienen in ihrer Hetzpropa¬ ganda gegen das Reich und die uns ja schon genügend be¬ kannt ist Auch in unserer Familie fährt die Hausfrau fort, ist ein Junge, der sich weigert dautsch zu sprechen, obwohl er deutsch versteht. In der Tat, der 18 Jährige mimmt zwar regen Anteil an unserm Gespräch, äussert sich aber sehr selten, und dann auf slowenisch, sodass die Mutter über¬ setzen muss Dann kommt die Frage nach dem Krieg. Man meint wir müssten ganz grosse Angst haben. Als wir verneinen und das Gegen¬ teil behaupten, meint der Slowene augenzwinkernd: Sind sie denn so sicher, dass Deutschland einen Krieg gewinnen würde? Deutschland hat doch kein Benzin und keine Menschen die das Kriegführen verstünden!!. Das ist aber nun doch die Höhe' Ja, was stellt man sich denn eigentlich von unserem Deutschland vor Wir fühlen uns verpflichtet die Leute über einige Tatsachen aufzuklären. Nach einer Weile fragt der Hausherr mit ernster Miene, ob wir auch wüssten was sich die Russen von Wien geschworen haben, Er will zunächst gar nicht herausrücken, denn er möchste nicht, dass wir uns aufregen und ängstigen. Erst nachdem wir ihm mehrmals versichert haben, dass uns so was nicht erschüttern könne, und dass uns ausserdem die Gemeinheit der Juden und die Niedertracht ihrer Gesinnung schon längst bekannt sei, eröffnete er uns zögernd den Inhalt der schrecklichen

76 Drohung: „Sie werden nicht ruhen noch rasten, bis sie den Tag erleben werden, an dem die Strassen Wiens mit Christenköpfen (wir empfehlen dem Mann Günthers Rassenkun¬ de) gepflastert sein werden. „Da beobachtete er gespannt was für einen Eindruck diese Eröffnung auf uns machte und es ist ihm scheinbar ganz unbegreiflich als er zur Antwort ein einziges schallendes Gelächter bekommt. Mittlerweile ist es aber Zeit geworden, dass wir in die Schlafsäcke schlüpfen, Man bittet uns, noch ein Lied zu singen. Das tun wir gerne. Dann ziehen wir uns in unsere luftigen Gemächer zurück. Wieder ein Tag. Gleichmässig bewegt sich unsere Fahrradkolonne vorwärts... es dämmert schon. „Quartiersuchen?“ ertönt Hibos Stimme ganz von rückwärts und... "weitersagen“! Von Rad zu Rad wird der Befehl weitergegeben, bis er Inge und Anni an der Spitze erreicht hat, Sie spähen schon eine ganze Weile nach allen Seiten, doch weit und breit ist kein Haus und kein Stadel. Eine weite Ebene liegt vor uns schnurgerade läuft die Strasse hinein. Es dunkelt rasch und unsere Scheinwerfer blitzen auf.—--noch immer kein Haus in Sicht. So fahren wir immer weiter, zwischen endlosen Buchweizenfeldern. Plötzlich taucht ein Strohdach auf - und noch eins, wirklich rechts und links von der Strasse stehen ein paar Häuser. Eines davon scheint ein "Gostillna" zu sein. Endlich) Wir steuern darauf zu. Ob wir da übernachten könnten? Der Mann schüttelt verständnislos den Kopf, redet slowenisch auf uns ein, fuchtelt mit den Händen. Wir versuchen es eben¬ falls mit den Händen, können uns aber trotzdem nicht ver¬ ständlich machen. Da kommt ihm anscheinend eine Erleuchtung. Er läuft in ein anderes Haus und kommt bald darauf mit einem Mann wieder. Aha ein Dolmetsch! „What do You want? wendet er sich an Helene. Die fängt gleich an mit ihm zu verhandeln, Nach einiger Zeit scheint er auch wirklich begriffen zu haben, dass wir schlafen wollen und zwar nicht in Betten, sondern auf Heu oder Stroh. Hibo fragt noch, ob wir Milch bekommen könnten und ob da irgendwo ein Herd in der Nähe sei. "Pourquoi?" Der Mann scheint schon etwas in der Welt herumgekommen zu sein. Nun da ist ja gleich Mimi zur Stelle. "Parlez vous francais? „und Traudl rückt noch mit dem Slowenischen Vorrat heraus. Ja, ja, slama, slama, seno! Da bricht sie sich fast dabei die Zunge, "Slama una seno soll Heu und Stroh bedeuten, das haben wir unterwegs ge¬ lernt. Inzwischen hat sich die Bevölkerung um uns versammelt Aus dem Wirtshaus sind eine ganze Bande Burschen und Männer herausgekommen, lauter verwegene Gestalten. Sie reden eifrig und heimlich miteinander und schauen dabei zu uns

herüber. Jedesmal wenn die Wirtin vorbeigeht, wird sie mit Fragen bestürmt, und gibt ihnen dann ebenso leise Antwort, dabei zu uns herüberdeutend. Es ist jetzt so dunkel, dass wir nur mehr die glühenden Punkte der Pfeifen sehen können und die fremden Laute dahinter hören sich nocheinmal so seltsam an.. Da fallen uns die alten Räubergeschichten ein, die wir immer mit Gruseln hörten, als wir noch klein waren:" Vom verirrten Wanderer, der in weiter Ferne ein Lichtlein schimmern sah, und zu einem einsamen Wirtshaus kam, das aber eine Räuberherberge war.... "Es kommt uns vor, als wären wir mitten in so einer Geschichte drinnen. Doch wir sind müde und daher froh, als uns der Wirt ohne ein Wort zu sagen über die Strasse führt, zwischen niedrigen offen gebauten Scheunen hindurch. Dort öffnet er ein knarren- - des Stadltor. Wir leuchten mit unseren Lampen hinein gar nicht übel! Jede von uns verstaut zuerst ikren „Garbn"und haut sich dann selbst ins Stroh. Bald schnar¬ chen alle um die Wette. Geschlafen haben wir prima. Einige wollen zwar allerhand verdächtige Geräusche gehört haben----Rascheln im Stroh---Knarren der Torangeln und so ähnlichen Lauten und wissen von gruseligenTräumen zu berichten. Aber eines steht fest: das Schnarchenheute Nacht hat man bestimmt einen halben Kilometer im Umkreis gehört.... davor hätte auch der grimmigste Räuber Reissaus genommen. —-- Jetzt können wir uns erst so richtig in der Gegend um¬ schauen, wir sehen, dass der Brunnen sehr tief ist, und ganz glashelles Wasser hat, dass man trotzdem jeden Stein am Grunde sehen konnte, Wir müssen es natürlich alle nach der Reihe probieren, wie man einen Schöpfer voll Wasser an der langen Stange hochzieht. Es ist gar nicht so ein¬ fach, das Gefäss richtig herauszubringen, ohne sich den Bauch anzuschütten. Helene ist natürlich mit ihrem Kasten da und knipst Alles was ihr in den Weg kommt wird auf den Film gebracht. Auch die unschuldigen Entenviecher werden solange ver¬ folgt, bis sie drauf sind. Eine Stunde später sitzen wir wieder im Sattel, denn sch wir haben noch eine schöne Strecke vor uns.

7. Rast an der Gurk. Einen ganzen Tag sind wir in der Hitze und Staub bergauf und bergab gesaust, immer neben dem klaren glasgrünen Fluss.So still ist sein Wasserspiegel, dass er vollkommen stillzustehen scheint, wie ein See. Es ist die Gurk, die so verlockend grün und kühl heraufschimmert. Aber endlich wird Rast gemacht, Schnell den Badeanzug angezogen und dann hinein in die Fluten. Es ist gerade Sonntag nachmittags, die Kinder gehen schön gekämmt und angezogen mit langen Strümpfen und langen Armeln in die Kirche. Aber kaum haben sie uns erblickt, ist alles andere vergessen. Sie scheinen uns für einen Zirkus zu halten oder so etwas ähnliches. Im Nu stehen mehr als 30 Buben und Mädels dicht gedrängt an der Mauer des Strassenrands, und verfolgen mit offenem Mund und Augen unsere" Vorführungen“ Da ertönt plötzlich die Kirchenglocke und da gibt es den Kindern einen Riss------wupps, sausen sie ab. Als wir genug vom Schwimmen und Plätschern haben, und uns tüchtig gestärkt haben,patzen wir uns noch ein bisschen in der Sonne und dann: Auf in den Kampf! Da kommt auf einmal ganz atemlos unsere kleinen Zuschauer ange¬ rannt, jedes der Kleinen rennt was es nur rennen kann und schnaufend beziehen sie wieder ihren Aussichtsposten auf der Mauer um unseren Aufbruch mitanzusehen. Wir aber besteigen unsere braven Stahlrösser - unser nächstes Ziel heisst Gottschee.

11 Nach Gottschee. Wir schieben bergauf, Immer gleichmässig steigt das Gelände an. Die grüne Gurk mit ihrer spiegelglatten Oberfläche fliesst immer tiefer unter uns. Bald nimmt der Wald uns die Sicht. Die Strasse führt nun ganz einsam dahin - nur hie und da sitzen zerlumpte Zigeuner am Strassenrand.Der Boden wird steinig - wir sind im Karst. Endlich haben wir auch die Höhe erreicht und es geht verhältnismässig eben dahin über die bewaldeten Höhenrücken. Der Pflanzenwuchs ist sehr spärlich, nur in den Mulden der Dolinen wächst etwas Mais und drüben auf den Aüdhängen, wo der Wald in breiten Streifen gerodet ist sehen wir auch Wein. Einzelne Höfe liegen dazwischen hoch oben und weit auseinander, Sonst ist alles Wald und Weideland. Auf einmal fahren wir durch ein Dorf. Am ersten Haus hängt ein Schild, "Franz Hutter, Bäckerei - Fecarna" Zum ersten Mal ein deutscher Name, Franz mit richtigem "z" nicht immer das Franco! Da sehen wir die Leute, die aus den Häusern kommen. Sie haben deutsche Gesichter Verwundert aber freundlich grüssen sie uns“ss God" und „Gudn Abnd“. Wie das klingt mitten im fremden Land. Burschen sind dabei, die tragen weisse Stutzen, wie bei uns daheim, Saubere Häuser, freundliche Dorfplätze Wir fragen nach dem Weg, denn es wird dunkel und wir müssen weiter, Noch immer nimmt der Wald kein Ende. Hie und da ist er unterbrochen, dort wo er einst in mühevol¬ ler Arbeit gerodet worden ist---und dann liegt jedes¬ mal ein Dorf auf kargem Boden. Die freundliche, saubere Vorderfront der Gehöfte liegt der Strasse zugewendet, nach rückwärts schliessen sich dann die Stallungen. Schuppen und Scheunen an. Es sind immer nur wenige Häuser ein paar rechts und ein paar links von der Strasse und dann kommt wieder Wald. Da geht es auf einmal abwärts,ein ganz beträchtliches Stück. Vor uns tauchen Lichter auf, die immer näher kommen, wir überqueren einen Bahndamm und fahren in eine breite Strasse mit regelmässigen Häuserzeilen zu beiden Seiten. Zwischen den Lichtern sehen wir undeutlich zwei Türme gross und dunkel in den Nachthimmel aufragen. Gottschee, das Ziel unserer Fahrt ist erreicht.

Ankunft in Gottschee. "Cotjebia"so steht auf der Ortstafel. Also, für heute hätten wirs wieder geschafft, Mit zerzausten Haaren, erhitzten Gesichtern und verstaubten Rädern stehen wir am Hauptplatz, Freude ist in uns allen. Jetzt stehen wir endlich auf dem Boden, von dem uns bisher immer nur ein winziger Fleck auf der Sprachenkarte erzählt hat, dass dort Deutsche wohnen. Wir freuen uns darauf in der kur¬ zen Ruhepause die wir haben werden, ehe wir ans Meer weiterfahren, dieses Land kennenzulernen. Inzwischen hat sich wie überall bisher eine grosse An¬ zahl der Bevölkerung um uns staunend und neugierig ver¬ sammelt. Vor allem aber ist hier die deutsche Jugend da. Man könnte eigentlich genau so gut sagen Hitlerjugend, In den Lederhosen und den weissen Hemden schauen sie auch genau so aus wie einst unsere illegale HJ. Stolz schlagen sie den Kragenumschlag zurück und zeigen und das Hakenkreuz, das jeder auf der Unterseite des Aufschla¬ ges trägt. Doch wir dürfen uns nicht zu lange aufhalten, noch heisst es die Führerin der deutschen Mädel in der Gottschee aufzusuchen, und vor allem noch für Quartier und Verpflegung zu sorgen. Elfi wohnt ausserhalb des Ortes, also heisst es nochmals auf die Räder steigen obwohl uns die Beine schwer sind und die Rucksäcke nicht minder- geht es in altgewohnter Ordnung die staubige achnurgerade Strasse dahin, geführt von einem deutschen Jungen. Endlich sind wir da. Elfi, im Dirndl,mit dem gottscheer Faltenkragen, kommt uns entgegen. Hibo reicht ihr die Hand, wechselt einige Worte, denn schon haben wir Elfis Wink verstanden"Aufpassen, Slowenen in der Nähe"! Nach kurzem leisen Gespräch gibt Hibo den Befehl: „Aufsitzen, zurück in die Stadt“.Schweigend radeln wir die schnurgerade Strasse zurück, auf der wir gekommen sind.—---Auf halber Strasse zur Stadt kässt uns Hibo halten, Sie erklärt uns kurz, dass Leute in der Nähe wa¬ ren, die auf keinen Fall wissen durften, dass wir bei Elfi übernachten wollen. Es gibt nichts anderes, als Elfi später nochmals aufzusuchen. Vorläufig müssen wir für einige Zeit in der Stadt verschwinden und werden Nach¬ richt bekommen, sobald die Luft rein ist. Eben wollen wir wieder zum Hauptplatz einbiegen, da er¬ tönt hinter uns lautes Geschrei und Gejohle, Ein Lastenauto, vollbesetzt mit einer lärmenden Horde, fährt an uns vorrüber. Mitten aus dem Menschenknäul flattert blau und rot eine Fahne Am Paltz macht das Auto halt, Männer springen herunter, die Fahne wird geschwenkt und aus rauhen betrunkenen Kehlen ertönen Lieder mit immer den gleichen Kehrreimen. Und dazwischen brüllen sie mit gros¬ der Ausdauer Worte, die wir nicht verstehen können. Wir haben am Eingang des Platzes Halt gemacht, von wo aus wir die ganze Geschichte mitansehen können. Inzwischen hat sich eine Menschenmenge um das Auto ver¬

87 sammelt, die teils begeistert mitjohlt, teils stumm beobachtet.— Da sind auch wieder die Gottscheer Jungen, sie sehen mit geballten Fäusten dem Treiben zu, Sie erklären uns die ganze Sachlage Das sei eine Kundgebung der "Sokolnanhänger“die von einem Sportfest zurückkommen, Sie haben trotz der Dunkelheit an unseren Radeln erkannt, dass wir aus Deutschland kommen und das hat allem Anschein nach den Anlass zu dieser grossartigen Veranstaltung gegeben. Die Jungen übersetzen uns den Kehrreim des Liedes, das sie immer wieder singen schreien, brüllen: „Nieder mit den Deutschen, nieder mit den " Deutschen, ohne Slowenen gibts keine Gottschee Dann schlagen uns die Jungen vor, in das gegenüberliegende deutsche Haus zu gehen, bis der Wirbel vorrüber ist.So schieben wir also unsere Räder über den Platz hinüber Da steigert sich das Gejohle und Gepfeife, sie brüllen dass ihnen die Stimmen überschnappen. Die Jungen aber, die die Flanke bilden, recken sich auf, als wollten sie sagen: Ihr braucht euch nicht zu fürchten, wenn die da mit uns anbinden wollen, wir werden schon fertig mit ihnen. Im deutschen Haus werden wir von der Wirtin herzlich empfangen. Rückwärts in dem schönen geräumigen Hof können wir zuerst einmal unsere Räder abstellen, dann wollen wir so rasch als möglich wieder hinaus. Da merken wir, dass das grosse Gittertor fest abgeschlossen ist. Wir stecken hin¬ ter Schloss und Riegel. Von wegen der Sicherheit erklärt uns die Wirtin und lässt sich nicht erweichen uns hinaus¬ zulassen. Draussen ist inzwischen ein Bursche mit einer Ziehharmonika unter die Tobenden getreten. Augenbkicklich ist das Toben vorbei, man fasst sich gegenseitig an, und johlend und singend gehts im Walzerschritt über den Marktplatz, Über all dem Tumult wird die Fahne wieder hin und her geschwungen. Wie sie endlich genug haben wird die Fahne ins Auto geworfen, johlend rollen sie ab, - die Stadt ist wieder ruhig. Wir aber beschliessen einstimmig, nicht ans Meer zu fahren sondern die 3 Tage, die uns zur Verfügung stehen, hier bei den Leuten zu verbringen. Heimabend in Gottschee. Heute ist Heimabend mit den Gottscheer Mädeln! Schon am Nachmittag ist ein Jungmädel in unser Quartier gekommen und hat uns Post gebracht von der Mädelführerin. Wir sollen in kleinen Gruppen zu 4 und 5 Mädeln zum Heimabend kommen, damit es nicht auffällt.—--Alle haben wir frische Blusen und Schürzen angezogen und weisse Stutzen dazu. (Die sind nämlich den einheimischen Deutschen verboten worden.)—-Es ist Punkt halb acht, der Küchendienst

22 klappert noch mit dem Kochtopf und den Esschalen, da kommt ein Mädel und holt den ersten Trupp ab. Es ist beinahe wie in der illegalen Zeit. Harmlos mischen wir uns unter die bummelnde Menge, biegen dann rechts ab durch ein paar stille Strassen. Mit der Taschenlampe leuchtet uns das Mädel eine Stiege hinauf. Wir kommen in einen geräumigen Turnsaal, er sieht sauber und ordentlich aus. Auf den Sesseln, die in einem grossen Kreis aufge¬ stellt sind, sitzen schon einige Gottscheer Mädeln im Dirndl mit den weissen, gefälteten Kragerln an den Blusen und dem wollenen selbstgestrickten Schultertüchern. Kaum sitzen wir beisammen, haben wir auch schon feste Kameradschaft geschlossen, und erzählen uns gegenseitig von unserem Leben und unserer Heimat. Sobald sie alle beisammen sind, wird unten sorgfältig abgeschlossen. Wir fangen mit dem gemeinsamen Lied an: Ein junges Volk steht auf. Es ist alles so, wie wir es in unseren Heimabenden gewohnt sind. Die Gottscheer Mädel wollen nun vor allem von unserer praktischen Arbeit im BDM hören. Hibo erzählt ihnen davon, aus der Verbotszeit und jetzt. Dann erzählt uns Elfi Lackner von ihrer Arbeit und von ihrer Heimat. Es wohnen da in Gottschee in den etwa 30 umliegenden Dörfern 16.000 Deutsche, Hier in der Stadt sprechen sie hochdeutsch, aber draussen am Land, da reden sie gottscheerisch, Sie haben sich ihren eigenen Dialekt gebildet die Bauern, während der 600 Jahre, die sie hier das Land bebauen, Sie sind von fast allen Gauen des Reiches hiehergekommen, damals im 14. Jahrhundert. Aus Bayern, Thüringe und Schwaben, aus Kärnten und Tirol sind sie hier angesiedelt worden, im steinigen Karst zur Strafe, weil sie sich als Rebellen gegen ihre Herrschaft empört haben. Da haben sie den Wald gerodet und das Wort hat wohl auch für sie gegolten: Der Erste hat den Tod, der Zweite hat die Not, der Dritte erst das Brot. Aber es ist ein sehr karges Brot gewesen, das sie dem Boden abgerungen haben. Zu Zeiten ist es so schwer gewor¬ den, dass viele sich aufgemacht haben, ihren Hof verlassen haben und nach Amerika ausgewandert sind. Immer wieder, bis in unsere Zeit, sind Jahr für Jahr eine Reihe der Besten ausgewandert und haben ein fremdes Volk mit ihrem Blut genährt.30.000 Deutsche aus dem Gottscheerland leben jetzt schon im Ausland, vorwiegend in Amerika. Erst voriges Jahr, erzählt Elfi, sind wieder 80 Mädel aus¬ gewandert, die hofften, drüben ein besseres Auskommen zu finden. Mancher Hof drohte leer zu werden, aus dem die Jungen fortwanderten und die Alten aussterben. Da ist es oft schwer geworden den Hof und Boden zu halten und nicht preiszugeben. Denn es besteht ein Gesetz, wonach Deutsche keine slowenischen Höfe aufkaufen dürfen, wohl aber Slo¬ wenen einen deutschen Hof. Da hat sich die Jugend zusammengetan im Schwäbisch¬ deutschen Kulturbund und hat angefangen zu arbeiten so, wie bei uns in der illegalen Zeit gearbeitet wurde. Die Mädels sind zu den Bauern hinausgegangen und haben

ihnen bei der Ernte geholfen. Am Feierabend sassen sie dann mit den Leuten beisammen, und haben mit ihnen Lieder gesungen und den Kindern Märchen erzählt Sie haben dafür gesorgt, dass in jedem Haus eine deutsche Fibel ist und wo die Bäuerin nicht Zeit hat dort tun es die Mädel vom Kulturbund und lernen mit den Kindern lesen, schreiben und singen. Und dann im Winter da haben sie angefangen mit den Bauernmädeln zu sticken. Da haben sie die alten Stickmuster auf ihren Trachten wieder hervorgesucht und sie auf Kopftücher und Taschentücher gestickt. Anfangs war das schwer für die grobe ungeübte Hand, aber nach und nach gelang es immer besser und jetzt liegen im Genossenschaftshaus ganze Stösse solcher Tücher, die von hier aus den Weg nach Deutschland nehmen, Sie versuchten dann auch Borten und Gürteln nach alten Vorlagen zu weben und bald hat sich eine regelrechte Heimindustrie entwickelt, die den notwendigen Lebensunterhalt für den langen Winter sichern hilft Die Burschen haben sich den Arbeitseifer der Mädel zum Vorbild genommen und begannen nach alter Väter Sitte mit Holzdreherarbeiten. Wie einst ihre Vorfahren, so ma¬ chen die Gottscheer Jungen auch jetzt wieder saubere Arbeiten:Teller, Holzschüsseln, Eierbecher, Kochlöffel und derlei Dinge mehr. Diese Heimarbeiten geben den jun¬ gen Leuten in der Gottschee wieder Gemeinschaftssinn und Halt für die langen Winterabende, Noch andere Schwierigkeiten waren da, die in zähem Kampf überwunden werden mussten. Da war zum Beispiel die Kleidung. Es war in den Jahren nach dem Krieg schon so weit gekommen, dass die Mädel die unmöglichsten Toiletten zur Arbeit trugen die ihnen ihre Verwandten aus Amerika schickten, wenn sie dort unmodern geworden waren. Nun aber sahen sie nach und nach ein, dass das Dirndlkleid zu ihrer Arbeit auf Feld und im Stall besser passt. Und die Mädel vom Kulturbund halfen ihnen beim Nähen. Am Sonntag nahmen sie dann das weisswollene, gestrickte Schultertuch, das sich jede sel¬ ber mit bunter Stickerei geschmückt hatte, und an den Blusen trugen sie den weissgestärkten Faltenkragen dazu, den sie von der Feiertagstracht iherer Vorfahren übernommen haben. So haben sie wieder zurückgefunden zu einer eigenen vernünftigen artgemässen Kleidung. Natürlich wollen wir nun alle diese Tücher genau besehen, Unsere Gottscheer Kameradinnen müssen sie von den Schultern nehmen, und allgemein bewundert wandern sie von Hand zu Hand. Da stimmt die Führerin eines ihrer Gottscheer-Lie¬ der an. Langsam, fast feierlich ernst klingt es durch den Raum. Eins nach dem anderen singen sie, mit ihren schönen etwas schwermütigen Weisen. Es sind die Lieder von ernsten Menschen auf hartem Boden. Dazwischen singen wir unsere Vilkslieder und Jodler, wohlauch das eine oder andere gemeinsame Lied. Ein Lied lernen wir von den Gottscheer Mädeln: „Dirndle, wer wird die wohl treaschten.. 2.

29 In und um Gottschee. Wir fühlen uns in Gottschee wie daheim. Mit den Jungen und Mädeln halten wir gute Kameradschaft. Schon am ersten Tage erzählen sie uns von den Sehenswürdigkeiten ihrer Heimat, die wir natürlich alle kennenlernen wollen Gerne verzichten wir darum auf die erst geplante Fahrt ans Meer Gleich am ersten Tag führen sie uns in ihr schönes aufschlussreiches Heimatmuseum, Ein Volksdeutscher geht mit uns als Führer. Er erzählt uns von der Geschichte der deutschen Siedlung, zeigtuns die hübschen lichten Vielfache Stickerei Trachten der Frauen und Männer . ziert die Gewänder. Diese Muster finden wir immer wieder kehren und erinnern uns an die Volkskunstmotive, die wir in der Ostmark so reich und ausgeprägt überall antreffen. Gottscheer Stuben und Küchen sind sauber und verraten viel Schönheitssinn. Ganz deutlich merken wir den Einfluss der alten Heimat. Bauern, Holzarbeiter und Schnitzer sind die Gottscheer. In Geräten, Modellen und Bildern zeigt sich uns der Fortschritt einiger hundert Jahre In der Verkaufsstelle des Kulturbundes gibt es viel Begehrenswertes. Wenn auch unser Taschengeld nicht grosse Einkäufe erlaubt, so nimmt doch jede von uns ein Anden¬ ken aus der Gottschee mit. Die einen erwerben hübsch gedrechselte Eierbecher auf Holztellern, andere Holzscha¬ len, Zierteller, Tücher, Gürtel und noch ein nettes Lesezeichen. An einer gedrehten Schnur baumeln aus Holz ausgesägt und bemalt 2 Gottscheermandeln. Voll Begeisterung erzählen uns die Jungen von ihren schönen Tropfstein- und Eishöhlen, Natürlich wollen wir sie sehen, und voll Wander-und Forscherlust ziehen wir geführt von den Jungen los. Wir haben auch alle auf Anraten unserer Führer Taschenlampen und Jacken mitgenom¬ men ,denn so sagen die Jungen, ohne die gibt es keinen vergnügten Höhlenbesuch. Endlich sind wir, nach Aufstieg durch schönen Buchenwald-beim Höhleneingang der „Drei-Brüdergrotte" angekommen. Es beginnt leicht zu regnen und so warten wir nicht lange und beginnen im Gänsemarsch den Einstieg. In den gähnenden Rachen des Höhleneinganges geht es erst ziemlich steil und steinig abwärts. Kühle etwas dumpfe Luft streicht uns entgegen, wir lassen die Taschenlampen aufblitzen, denn bald um¬ fängt uns nach einer Wegkehre das Dunkel. Ab und zu fällt klatschend ein Tropfen von der Decke der Höhle und die ist so 30 Meter über uns.-Wie unsere Schritte in der riesigen Halle dröhnen. Wir sind ganz still und horchen auf dieses eigenartige dumpfe Stampfen, Klirren und Tappen das von unseren Schritten kommt Plötzlich wird der Gang eng und niedrig und führt steil aufwärts. Bald ist diese Stelle durchklettert und wir stehen in einer schönen geräumigen Grotte. Das sind die

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