"Großfahrt" in die Gottschee 1939

11 Marburg. Regenwetter, ein kalter unfreundlicher Morgen. Radeln werden gepickt, und es ist schon spät, als wir endlich startbereit in dem grossen sauberen Gutshof stehen und der freundlichen Gastgeberin zum Dank unser Lied singen. Sie sieht uns nach der Reihe an und als wir uns von ihr mit Handschlag verabschieden, hebt sie die Hand zum deutschen Gruss, nachdem sie sich vorher genau umge¬ sehen hatte, ob niemand Verräterischer in der Nähe weile und sagt: „Heil hitler:2“ Aber seien sie vorsichtig, hier sind sie im Feindland Mich dürfte man nicht sehen, wenn ich den Gruss der Deutschen spreche Der Regen wird ärger. Wir ziehen die Kleppermäntel an und nehmen die Kapuzen über und dann geht es in ge¬ schlossener Kolonne in das Stadtinnere von Marburg. Breite, saubere Strassen, eine romanische Kirche, schöne Bauwerke---kurz, eine deutsche Stadt. Viele Leute rufen uns deutsche Worte zu. —--Da wird das Gedränge dichter wir sind am Obstmarkt. In zwei dichten Zeilen sind die slowenischen„Obststandeln"aufgebaut. Wir müssen lachen, denn es ist, als ob jemand das Kommando gegeben hätte Augen rechts" so drehen sich alle Leute nach uns um und reissen Mund und Augen auf. Wir defilieren grinsend vorbei, Unter einem grossen Kastanienbaum stellen wir un¬ sere Räder zusammen und einige Mädel bleiben als Wache zurück, während die anderen ins "Schlaraffenland“ eines reichbeschickten Obstmarktes ausmarschierten. Birnen, Pflaumen, Ringlotten, Pfirsiche, Weintrauben----und alles für wenige Para. Wir gehen so ein paarmal, uns an den ver¬ schiedensten Früchten ergötzend und labend den Markt hinauf und hinunter und betrachten uns die Menschen. Dann gehen wir zurück um die Wache zu übernehmen. Schon sind wir auch von einem ganzen Schwarm von Neugierigen umringt, die uns mit den verschiedensten Fragen bestür¬ men. Wo wir herkommen, fragen sie, und ob es wahr sei, dass es bei uns keine Arbeitslosen mehr gebe? Sie greifen verwundert unsere Gummimäntel an und unsere Esschalen am Rucksack, "Ob wir am Ende gar das weibliche Militär seien, das es doch in Deutschland schon geben sollte? „Oder seid ihr wegen der Hungersnot aus Deutschland ge¬ flüchtet"„Wir müssen lachen, und dann erzählen wir von unserem Deutschland, wie es in Wahrheit ist. Manche unserer Zuhörer wollten im Anfang nicht recht glauben dass es so ist wie wir erzählen, aber, da wir bestimmt nicht so aussehen als wären wir dem Hungertode nahe, hö¬ ren sie uns bald gläubig zu. Dann erzählen sie vom Leben in Jugoslawien. Viel Gutes haben sie allerdings nicht zu berichten. Arbeitslose und Ausgesteuerte klagen ihr Leid. Andere wieder klagen, dass ihre Kinder nicht mehr deutsch sprechen dürfen, dass die Kinder nicht deutsch lesen und schreiben lernten. Es gibt keine deutschen Schulen mehr. Schon inder Volksschule müssen die Kinder neben

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