Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 16, Dezember 1956

Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr Schriftleitung: Dr. Erlefried Krobath „ ... mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gerichtet..." Das Schulwesen der Stadt Steyr im Mittelalter Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung) Bemerkenswerte Bauten der Altstadt Steyrs (Stadfplafz, Enge) und ihre Besitzer (1. Teil) 61. Jahresbericht des Heimathauses Steyr Hess 16 Dezember 1956 Dr. Ilse Neumann Josef Ofner Dr. Erlefried Krobafh Dr. Erlefried Krobath Prof. Johann Pichler Die Seiler der Stadt Steyr Dipl.-Ing. Friedr. Bernds

II ..... mit Dem Schwerte vom Sehen jum lode gerichtet... Sr. Ilse Neumann Die Steyrer Viertelnieister halten am 16. und 17. September 1599 in ihren Vierteln besonders gewissenhaft für Ruhe und Ordnung zu sorgen; der Rat der Stadt hatte deswegen ernste Instruktionen an sie ergehen lassen. Diese Aufforderung. Ruhe zu halten, war gewiß nichts Überraschendes für die Bürger, die seit dem Ende des Bauernkrieges 1597 immer stärker zu spüren bekamen, daß ihr Landeshauptmann Hans Jakob Freiherr von Löbl energisch daranging, den Protestantismus aus dem Lande ob der Enns zu vertreiben und der katholischen Sache zum Sieg zu verhelfen. Wie oft waren sie von ihren Stadtvätern ermahnt worden, Zusammenrottungen und Protestaktionen zu unterlassen, die ihrer Sache nur schaden würden, diesmal aber ertönte die Aufforderung aus einem besonderen Grunde. Auf dem Stadtplatz sollte Georg Tasch, der bedeutendste Führer des Bauernaufstandes (1595—1597), hingerichtet werden. Die Steyrer hatten ihn noch recht gut in Erinnerung, denn einmal hatte er ihnen einen mächtigen Schrecken eingejagt. Am 1. Dezember 1596 war es gewesen; die Bauern zogen in hellem Aufruhr durch das Land, da tauchte plötzlich Tasch, der Wirt aus Pettenbach, mit seinen Bauern vor Steyr aus und errichtete im Stadlmayrholz und beim Gottesacker ein Lager. Um die Angst der Bürger noch zu verstärken, erschien auch auf dem Wachtberg eine Abteilung Bauern aus llnterösterreich und errichtete ihr Lager am Ramingbach. Die Angst währte nicht lange, denn die Stadtväter beharrten fest auf ihrem Willen, daß die Bauern die Stadt nicht betreten dürfen. Da der Winter den Bauern das Lagerleben hart machte, zog Tasch nach fünf Tagen wieder ab und die Bauerngcsahr war von Steyr abgewendet. Vieles bekam man nachher noch von Tasch zu hören, wie geschickt er bei den Verhandlungen gewesen sei, daß er seine Korrespondenz allein und geheim geführt habe — man hätte ihm seine Schriften wohlverwahrt in einer Butte immer nachtragen müssen —- und daß er ein aufrechter Protestant sei. Was aber hatte er, der Wirt aus Pettenbach, der eine Frau und acht Kinder zu versorgen hatte, mit der Sache der Bauern zu schaffen? Hatte ihn wirklich der Streit mit seinem Herrn, dem Edlen Nimrod Khölnpeck, so erbittert, daß er allen „Herrn" Krieg ansagte? Er behauptete später den kaiserlichen Commissären gegenüber, er wäre von seiner Taferne vertrieben worden und 15 Wochen wider alles Recht eingesperrt gewesen, so wäre er der Anwalt der Bauen geworden und ihre Forderungen wären die seinen: Abschaffung des Freigeldes, Abgaben nur nach den Aufzeichnungen der alten Urbarien und Rechtsbriefe — nicht mehr, denn der Bauer läßt sich nicht von dem Herrn schinden und ausbeuten! Und Tasch lag vor Linz, er bedrohte mit seinen Bauern das Land, die Klöster und Schlösser, wer nicht mittat, war ein Feind, und mit Feinden wußten sie umzugehen — im Gefecht und bei der Verhandlung. Das war Tasch! Und plötzlich war es aus mit ihm; ganz überraschend einfach war er in die Falle gegangen. Der Burggraf von Wels, Christoph Weiß, hatte ihn am 11. Juni 1597 zu einer Unterredung nach Crastendorf eingeladen; Tasch war hingeritten und — gefangen genommen worden. Hatte man den Kopf, und daß man ihn hatte, zeigte sich bald, hatte man auch die ganze Bauernschaft. Bald saß auch der zweite Führer, der Bauer Hans Gundensdorfer von dem Salinggütl zu Knittling, Pfarre 3

Kematen, kurz der „Salig" genannt, hinter Schloß und Riegel. Verhaftungen >va- ren aller Orten an der Tagesordnung. Kerker, gütige und peinliche Befragung, Gericht und Tod harrten der Rebellen. Tafch hoffte anfangs, die Bauern würden sich ihres Eides erinnern, ihn zu befreien, wenn er gefangen werden sollte, doch bald sah er ein, daß er umsonst hoffte, daß die ihn ini Stich ließen, deren Sache er so heiß verfochten hatte. Am Ende eines langen Verhörs sagte er: Er wisse wohl, daß er dieses Bauernaufstandes halber sterben müsse. Er befehle hierüber seine arme Seel, Weib und Kind Gott dem Allmächtigen und Ihrer kaiserlichen Majestät, die er mit hohen Seufzern und unterthänigster Demuth um ein gnädiges Urteil bitten thut. All sein Verstand und sein diplomatisches Geschick halfen nun nichts mehr, das Gericht erkannte aus vielen Aussagen, daß er der vornehmste Führer der Rebellion gewesen war, und verurteilte ihn am 2. Mai 1598 zum Tode; über die Art der Urteilsvollstreckung einigte sich das Banngericht in Linz erst nach neuerlichen gütigen und peinlichen Befragungen des Gefangenen am 14. Dezember 1598: er sei mit dem Schwerte hinzurichten, Kopf und Leichnam seien auf dem Hochgericht zu begraben. Die Vollstreckung des Urteils übertrug man den Steyrern, zu deren Jurisdiktion er gehörte. Die Ratsprotokolle vom 15. und 16. September 1599 geben Bericht von den Vorbereitungen zur Exekution. Ganz so einfach scheint die Ausführung des Befehls aus Linz nicht gewesen zu sein, obwohl die Steyrer auch seht wieder betonen, daß Tasch nur nach seinem Verdienst geschehe und daß er den Unwillen der Bürger erregt habe. Sicherlich, der Bürger braucht Ruhe, damit sein Handwerk gedeihen könne, und sie hatten Tasch gewarnt vor seinem aufrührerischen Treiben, vor dem Ungehorsam gegen den kaiserlichen Herrn. Aber hatte er nicht auch die Sache ihres Glaubens vertreten, war er nicht Protestant wie sie und kämpfte er nicht auch für das heilige Evangelium wie sie? Und nun sollten sie das Todesurteil an ihm vollstrecken, Handlanger der Macht sein, die auch ihnen, oen Steyrer Bürgern, den Kampf angesagt hatte? Der Befehl aus Linz lautete: Justifikation in Übereinstimmung mit der kaiserlichen Herrschaft (Schloß) Steyr, 300 oder 400 Bürger zur Bewachung der Schranne, zwei oder drei Personen als Zeugen, wenn dem Verurteilten der Rechtstag, d. h. der Tag der Hinrichtung, bekanntgegeben werde, Aufschlagen von „Schranne und Pün" als Richtstätte Freitag nachts, sechs Assessoren als Beisitzer für die Hi». Achtung. Der Rat der Stadt antwortete prompt darauf, daß sich kein Bürger zur Bewachung der Schrannen bewegen lassen werde („nit schaffen und nit bewegen"), es bedürfe dieser Wache auch gar nicht, da Tasch den Umvillen der Bürger erregt habe. Stadt und Bürgerschaft werde aber der Exekution beiwohnen. Die zwei oder drei Zeugen würden mit den, Stadtrichter erscheinen, die Bühne (Pün) und Schranne werde auf Befehl errichtet. Beisitzer könne man nicht stellen, weil es keine passenden Leute gebe — man möge sie von der kaiserlichen Herrschaft fordern. Der Rat sandte auch gleich eine Abordnung zum Rentmeister und zum Pfleger der Herrschaft, um die Angelegenheit günstig zu regeln, doch hatte diese kein Glück. Sie wurde belehrt, daß Tasch zum Gerichtsbereich der Stadt gehöre, auf dem Stadt- platz hingerichtet werde, die Beisitzer daher Bürger sein müßten; außerdem seien die Assessoren der Herrschaft zu weit weg und könnten in der Eile gar nicht beschafft werden. Es half also nichts. Die Steyrer mußten den Befehl allein durchführen. Ter Bannrichter kam, forderte ein „Stübl" im Rathaus, wo er die Beisitzer in ihrem Amt unterrichtete. Viel hatten sie ja nicht zu tun: das Urteil zu Recht erkennen, die Fragen des Bannrichters zu beantworten, also zu respondieren — das übrige tat das Schwert. Für eines allerdings hatte die Stadt noch zu sorgen, für ein Fuhrwerk, das den Leichnam zum Hochgericht bringen sollte, wo er begraben werden mußte. Nun gaben Bürgermeister und Stadtrichter die nötigen Anweisungen. Die Beisitzer wurden aus den „Wachtern" gewählt, die Fuhre bestellt und eine Stube im Rathaus 4

für die peinliche Befragung und das Gericht eingeräumt. Alles war bereit, die Viertelmeister angewiesen, die Bürger zur Ordnung zu vermahnen — „welche aber zuschauenshalber der Exekution beiwohnen wollen, denen ist es nnverwärt", gab der Rat abschließend bekannt. Preuenhuber (S. 327) berichtet über Taschs Hinrichtung: „Er war ein alter eißgrauer ansehnlicher Mann, ergab sich gar ungern in Tod, als er ans seinen Knien lag, und gedachte, jetzt würde der Scharfrichter zuschlagen, sahe er ofstermahlen zuruck und sprach, das Leben ist heilig, das Leben ist heilig, biß er doch endlich einsmahlen den Streich übersähe". Das Ratsprotokoll beendet seine Eintragung über Tasch: „ ... und ist er auf freiem Platz alhir auf einer Pün mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gerichtet worden, lind er hat sich selbst bis ans ende gewalltig mit Gottes Wort getröstet — Gott verleih ime und allen armen bußfertigen Sündern ain fröhliche auserstehung amen." Ob die Steyrer Bürger, die der Hinrichtung beiwohnten, die Drohung empfanden, die Mahnung, die an sie alle erging? So endet, wer sich gegen Recht und Gesetz auflehnt, wer die Befehle des ihnen von Gott und der Welt bestimmten Herrschers mißachtet, wer gegen Gott und Kaiser sündigt. Mit der Hinrichtung des Bauernführers Tasch, der am 20. September in Wels die des Salig und am 24. September die des Ackerlshaider folgte, war zwar der Zweite Bauernkrieg endgültig lignidiert worden, der Glaubenskampf aber in eine neue Phase getreten, die Gegenreformation hatte scharf zu handeln begonnen. * Als Unterlagen dienten die Ratsproiokolle des Stadtarchivs Steyr, Prenenhuber-I Annales Styrenses (S. 327) und „Der zweite Bauernaufstand 1595—1597" von Stibin Czerny, hsg. Linz 1890. Alle einschlägigen Akten aus dem Archiv Kremsmünster sowie einige Rebellenbriefe werden von Czerny zitiert. 5

illas Schulwesen Der Stakn Stepr im Wtelaller Josef Ofner Die Stadt am Fuße der Styraburg entwickelte sich schon im Hochmittelalter zu einem Zentrum des Eisenhandels nördlich der Alpen. Eine wesentliche Voraussetzung zur Bewältigung dieses umfassenden Wirtschaftszweiges war eine kaufmännisch geschulte Bürgerschaft. An Bildungsmöglichkeiten fehlte es nicht. Vor den Toren der Eisenstadt lagen die Benediktiner-Abteien Garsten und Gleink, in deren Schulen nicht nur Oblatenschüler/) sondern auf Grund päpstlicher Entscheidungen auch Externisten unterrichtet werden konnten?) Besonders die Garstner Kloster- schule, die der selige Abt Berthold (1111—1142) gründete, erfreute sich nach der „Vita Bertholdi" eines großen Ansehens?) Roch in späteren Jahrhunderten holten sich Steyrer Studenten dort ihr Wissen?) Aber auch die abseits gelegene Klosterschule zu St. Florian wurde schon im 13. Jahrhundert von Schülern aus Steyr besucht?) In der Stadt selbst unterhielt um 1*270 die Gemeinde der Waldenser eine Schule?) Dieser Umstand mag vielleicht den Abt zu Garsten veranlaßt haben, eine katholische Schule in der Tochterpfarre Steyr') zu eröffnen. Während in den Stadtfreiheiten von Wien, Krems und Wiener Neustadt die Schule Erwähnung findet/) enthält das große Privilegium der Stadt Steyr aus dem Jahre 1287 keinen solchen Hinweis. Erst das Testament des Bürgers Peter Ponhalm vom 1. Februar 1344 gibt Kunde von einem Schulmeister in Stepr/) der wahrscheinlich an der erwähnten Psarrschule wirkte. Bestimmte Umstände weisen auf eine kirchliche Schulgründung hin, so die ständige Mitwirkung des Schulmeisters beim Gottesdienst, die zehnjährige nnterrichtliche Tätigkeit eines Priesters an dieser Schule noch gegen Ettde des 14. Jahrhunderts und schließlich der Schulkonflikt zwischen dem Garstner Abt und der Stevrer Bürgergemeinde im Jahre 1437. Die Anwesenheit eines Stadtschulmeisters in den nächsten Jahrzehtiten (1.344 bis 1437) bezeugen folgende Urkunden: 1370 Kaufvertrag der Brüder Urban und Chunrat von Chmaechleich/" 1371 Stiftbrief Theurwangers,") 1379 Stiftbrief des Wcinmar Thewrwangcr/-) 1397 Geschäftsbrief des Friedrich Äckherlein/") 1398 Geschäftsbrief der Katharina Tnngössinger,") 1399 Geschäftsbrief der Katharina Schmalzerin,^) 1399 Rcversbricf des Hans Hesiber/°) 1401 Revers- und Stiftbrief der Schmiedezeche/') 1402 Kaufbrief des Hans Hesiber,^) 1404 Reversbrief von Richter und Rat auf Ursula Altncyl/") 1432 Geschäftsbrief der Anna Kammcrhuberin?") Nur einmal findet sich in diesen Urkunden der Name eines Schulmeisters, und zwar im oben erwähnten Kaufvertrag ans dem Jahre 1370, der den Schulmeister Franziskus erwähnt. Voir 1388 bis 1398 unterrichtete an der Schule in Steyr im Aufträge des Garstner Abtes Nikolaus I. und des Stadtpfarrers Friedrich der Priester Stephan Lamp, der sich 1420 in einem Schreiben als Pfarrer von Gutem bezeichnet. Sein Nachfolger war Wolfgang der Erdinger, auf den sieben Schulmeister folgten, deren Namen uns aber nicht überliefert ftnb?1) 6

Die Umgestaltung der Steyrer Pfarrschule in eine Stadtschule vollzog sich allmählich. Nach Höslingei?3) waren hiefür hauptsächlich zwei Gründe maßgebend. Einerseits genügten die kirchlichen Schulen nicht mehr den Anforderungen der größeren Städte, anderseits konnten die kirchlichen Schulgesetze gegenüber dem selbstbewußten, am Schulwesen interessierten Städtertum nicht durchdringen. Dieser Zustand führte nicht selten zu einer Auseinandersetzung zwischen kirchlichen und weltlichen Behörden. Auch in Steyr entbrannte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wegen Besetzung der Schulmeisterstelle ein „Schulstreit". Die Bürger, die schon durch Jahrzehnte das Schulhaus zur Verfügung stellten, forderten vom Abte zu Garsten, daß die Bestellung und Enthebung des Schulmeisters auch mit ihrer Zustimmung erfolge, „wie Sie von alter her ye vnd ye ain(en) Schulmaist(er) gefaßt vnd entsatzt haben". Sie hätten ihn entlohnt und ihm die Behausung gegeben. Als Pfarrherr der Stadt entgegnete der Abt, daß er oder ein Pfarrer zu Steyr „von alter her all- wcg zu zeiten einen Schulmeister aufgenomen gesetzt vnd entsatzt habent nach notdurften an alles Red setzen der Burger vnd der pharrer des Schulmeisters in der kirchen zu dem Gotsdienst beborff"?3) Der Abt stützte sich auf die Angaben des früheren Schulmeisters Stephan Lamp, der 1420 berichtete, daß kein Schulmeister zu Lteyr „von Alter gesetzt sey mit der Pürger Rhat daselbst unnd Sprüech"?3) Ilm eine Einigung in der Streitfrage zu erzielen, wandten sich Bürger und Abt an Herzog Albrecht V. Im Jahre 1437 regelte der Landesfürst neben kirchlichen Dingen auch diese Angelegenheit. Der dem Pfarrer von Steyr in allen unter- richtlichen Belangen unterstehende Schulmeister habe im gütlichen Einvernehmen zwischen dem Abte und den Bürgern eingesetzt zu werden?3) Abt Thomas I. verlangte im folgenden Jahre, daß bei Uneinigkeit in der Schulmeister-Ernennung der Dechant zu Enns und der Pfleger zu Steyr entscheiden mögen und die Stadt für den Schulmeister die Wohnung und die Schulräume beistelle?3) Spruchbricf Herzog Albrechts V. aus dem Jahre 1437. Aufnahme: F. Ehrenstorfer, Landesbildstelle für Oberösterreich

Zu ähnlichen Zwistigkeiten luic 1437 kani es später noch unter Abt Ulrich IV. (1495—1524)27) und zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die Äbte von Garsten beriefen sich in solchen Streitfällen stets auf den Spruchbrief Albrechts. Aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind bis jetzt nur drei Schulmeister namentlich bekannt, und zwar 1469 Friedrich Truent,'23) 1478 Hans Lyß als Zeuge in einer Quittung des Orgelbauers Hannes Laus (Laws) aus Dekhn- borff9) und 1492 Ulrich Hicrß, für dessen Anstellung in Steyr sich sogar der Landesfürst einsetzte. Kaiser Friedrich III. verlangte in einem an Richter und Rat zu Steyr gerichteten und am Freitag vor dem Palmtag 1492 zu Linz ausgestellten Schreiben, man möge — „vmb unsern willen vnd uns Zu geuallen" — Hierß als Schulmeister aufnehmen. Den gleichen Wunsch äußerte der Kaiser in einem zweiten Brief an den Stadtrichter Hans Köll vom Montag nach dem Palmtag 1492. Schließlich langte aus der kaiserlichen Kanzlei noch ein weiteres Schriftstück in Steyr ein, worin versichert wurde, das; inan „mit der lernung b (er) Knaben im korr (Chor) vnd andern" durch den „hochgelehrten" Meister Ulrich „guctt gefallen" finden und er am Sankt Jorgentag den Schuldienst antreten werde?") Cftfiy» UImv>mt)'tin5w> iYl'<ifaIV».-i&lYim(«rijt3rttcwit'tHnifw7'lVm£>ti fa<r|6 Y» fu»ti litt) iMtifafemtitbtit v'<-i',ui>>ilx^'.v>'\'iuSvufcrniviAtii vüIvh/’h ‘tmrtlliii .lUJMimoi'Vit?'viisWmÄvcrlsilÄSHfamW<vvXirjHntuiviliutmwuqtiiVtib iiiiWi-Ji-tiV.i.ml er bi(n VI>111 Jmivimq &tv tivan|ncq!ii:\<m|’Ai,mW qr,;r} )<iilu.,itv„ ^ n v-m1 Ipiltyli.lltl.i >vi< mit tvuiXitqni lii-cilimiin'ivi^cn xZ’fSui ^u iniimi.-.n Kcminxvi'aii11ti'.tvX.11Tcb,-,wiM iVv^YU VujitSi'iMjiVHimÄim Amfuil?iuorl»l)liTirrl)«t — Kaiser Friedrich III. verlangt die Anstellung des Schulmeisters Ulrich Hierß (1492) Aufnahme: F. Ehrenstorfer, Landcsbildstelle für Oberösterreich Zu Anfang des 16. Jahrhunderts war der Stadtschulmeister in die von 1506 bis 1511 dauernden Streitigkeiten zwischen Ratsbürgern und Handwerkern verwickelt?7) Da er in diesem Konflikt auf Seite der Handwerker stand, dürfte er sich kaum der Gunst der Ratsherren erfreut haben?-) Über den damaligen Unterrichtsbetrieb fehlt jede Nachricht. Wie in anderen mittelalterlichen Stadtschule» war jedenfalls auch in Steyr Latein neben Religion der wichtigste Unterrichtsgegenstand. In Verbindung mit dieser Sprache wurde auch das Deutsch-Schreiben und -Lesen erlernt?3) Einer besonderen Pflege erfreute sich der Chorgcsang, da ja die kirchlichen Gesänge unter Leitung des Schulmeisters von den Schülern ausgeführt wurden. „Vil lieplicher, zimlicher und pillicher ist, das 8

gesang von den knaben zu hören dann von den leuten", heißt es 1460 in einer Ordnung für den Kantor von 0t. Stephan in Wien?') Die musikalische Betätigung des Schulmeisters bei gottesdienstlichen Handlungen ist auch in der etchrer Pfarr- kirchen-Ordnung vom Jahre 1503 festgelegt?5) Zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bezog der Schulmeister das Schulgeld, von dem auch im Spruchbrief Albrechts V. die Rede ist: „Von des Lons wegen so Si (die Bürger) von irn kind(crn) aim Schulmaister geben". Gewöhnlich betrug das Schulgeld in den süddeutschen Städten vierteljährlich 15 Pfennige, Armem schüler bezahlten nur die Hälfte oder leisteten keine Zahlung?") Dieses Einkommen erhöhten die Einnahmen aus dem gewöhnlichen und dein durch Stiftungen bedingten Chordienst.") Sie betrugen z. B. je 12 Pfennig aus den Stiftungen Äckherlein, Schmalzerin imb Hesiber, ein halbes Pfund Pfennig aus der Theurwanger-, 60 Pfennig aus der Tungössinger- und 30 Pfennig aus der Kammerhuber-Stiftung. Bemerkenswert ist auch die Stiftung des reichen Nürnberger Kaufmannes Kunz Horn zur Erhöhung des „Gottsleichnamb Lobamtes" vom Jahre 1492. Für die Teilnahme mi der Sakramentsprozession in der Stadtpfarrkirche erhielt der Schulmeister ein Pfund Pfennig. Bei dieser Prozession trugen acht Schüler, bekleidet mit Chorrock und rotem Barett, vor dem Allerheiligsten Steckkerzen?") Die Chorstiftung Peter Strahingers aus dem Jahre 1495 verlangte, daß Schulmeister und Schüler das Salve regina dem Kirchenjahr entsprechend täglich singen, dreistimmig jedoch an Sonn- und Feiertagen?") Aus dieseni Jahre stammen auch die Jahrtagsstiftung des Lederers Peter Wiesing rind die Stiftung um die Rumplmühlc in der Dietacher Pfarre. Aus ersterer bezog der Schulmeister fünf, aus letzterer ein Pfund Pfennig?") Ter Visitationsbericht des Jahres 1544 läßt vermuten, daß der Stadtschulmeister auch ein bestimmtes Jahreseinkommen vom Kirchenamt der Stadtpfarrc bezog?') so daß vor der Reformationszeit die wirtschaftliche Lage des Schulmeisters nicht ungünstig gewesen sein dürfte imb das Schulmeisteramt einem einträglichen Bencfizinm gleichkam?") Tie alte Stadtschule befstub sich in der Nähe der Pfarrkirche. Wie Stephan Lamp in dem oben erwähnten Schreiben mitteilt, unterrichtete er „in der Pürger Schuelhauß", das aber 1420 schon dem Stadtnachrichter gehörte. Im Jahre 1399 kaufte die Stadt vom Abte zu Garsten den „alten Pfarrhof" am Rande des kleinen Friedhofes neben der Pfarrkirche und richtete hier die Schule ein. Die Kaufurkunde trägt auf der Rückseite ben aufschlußreichen Vermerk: „kawffbrief ober den alten pfarrhoff, der tut die schnei ist"?*) Allerdings störte die Nähe des städtischen Nach- richtcrhauses, das ebenfalls an den Friedhof gebaut war, den Schulbetrieb. Im Jahre 1490 beklagte sich der Pfarrer über die ungünstige Lage des Schulgebäudes. Durch das der Schule gegenüberliegende Gefängnisfcnster sähen die Schüler Dinge, die für sie nicht erbaulich wären.") Auf Grund dieser Angaben befand sich die Stadtschule im 15. Jahrhundert im heutigen Mesnerhaus (Brucknerplatz Nr. 6). Voir hier aus konnte mau das aus dem Grimort (Grünmarkt Nr. 14) aufstrebende Schergenhaus erblicken. Die gegenwärtig den Friedhof abgrenzende Mauer, die den Ausblick zum Gefängnis verdeckt hätte, bestand mit 1490 noch nicht, denn die Pfarrkirchen-Rechnung aus dem Jahre 1544 verzeichnet Ausgaben für Holz und Laden „zu den Plankhe» aufs dem freit- hoff gegen dem Nachrichterhaus"?5) Im Jahre 1543 finden wir „Gemainer Stat Schuel" im Hause Berggasse Nr. 46, das die Stadt im Jahre 1500 vom Stift Spital am Pphrn durch Kauf erworben hatte?") Ilm 1525 hielt der Protestantismus seinen Einzug in Steyr. Einige Jahre später (1527—1529) wurde die Stadt zum Hauptstützpunkt der Wiedertäufer- Bewegung in Oberösterreich.") Diese Ereignisse beeinflußten nachhaltig das Schulwesen und führten schließlich zum Untergang der mittelalterlichen Stadtschule. An ihre Stelle traten „deutsche Schulen" und eine evangelische Lateinschule, deren An9

sänge bis 1526 zurückreichen. In diesem Jahre erhielt der Arzt Dr. Sigismund Wunder vom Rate die Bewilligung, nicht nur „Artzeney", sondern auch „die Hebräische, Griechische und Lateinische Sprache, ohne welche der ersten beiden das Wort Gottes nicht möge gründlich verstanden werden, öffentlich zu lehren und die Bibel aus dem Grunde der Hebräischen Sprache und St. Paulum der Griechischen Sprache zu explizieren und zu lesen".48) Aber noch im vierten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts befand sich das städtische Schulwesen in einem krisenhaften Zustand, der 1537 die Bürgerschaft zwang, an den Kaiser eine Supplikation „vmb Bessere sortpflanzung deren Schrillen mehrer unterhalt deren Schuellmaister" zu richten.") Erst zu Anfang der Vierzigcrjahre, als die öffentliche Religionsänderung eintrat, erscheint der Bestand der protestantischen Schulen in Steyr gesichert?") Anmerkungen: St. = Stadtarchiv Steyr, F. — Faszikel, K. = Kasten, L. — Lade. ') Oblatenschüler — Knaben, die von ihren Eltern dem Herrn geweiht wurden (pucri oblati); K. Schiffmann, Ein altes Bilderbuch. Liuz 1907. S. ‘217. -) R. Höslinger, Rcchtsgcschichte des katholischen Volksschulweseus in Österreich. Wien 1937. S. 42. 3) I. Lenzenweger, Leben des seligen Berthold. 1946. Teil 1, S. 34. — K. Schiffmann, Das Schulwesen im Laude ob der Euus bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. 59. Jahresbericht des Museum Francisco Carolinum. Linz 1901. S. 17 f. — L. Arthofer, Geschichte von Garsten. 1928. S. 22. 4) In einem humorvollen Bettelbrief bitten Studenten aus Steyr im Jahre 1462 Abt Berthold VI. um die Martinsgans. Nagt, Zeidler, Castle, Dcutschosterrcichischc Literaturgeschichte. 1898. Bd. 1, S. 392. 5) A. Czerny, die Klosterschule von St. Floria». Liuz 1873. S. 6. °) I. Lenzenweger, Die Entwicklung des Pfarrnetzes der Benediktiner-Abtei Garsten. Dissertation 1939. Maschinschrist, S. 261. — E. Zornes, Kirchengeschichte Österreichs. 1. Teil: Altertum und Mittelalter. Innsbruck 1936. S. 218. 7) Schon 1177 bzw. 1192 wird der Abt von Garsten als erster Kaplan der Burgkapelle erwähnt und nach einer Urkunde aus dem Jahre 1305 wurde er bereits vor diesem Jahre als Pfarrer von Steyr anerkannt. V. Prcuenhueber, Annales Styreuses. 1710. S. 43 f. — I. Wackerlö, Die Stadtpfarrkirche zu Steyr. 1943. S. 2. s) R. Höslinger, a.a.O., S. 54 f. 9) OO. Urkunde»buch. Bd. 6, S. 466 f. 10) OO. Urkuudenbuch. Bd. 8, S. 463. >') St. F., Gottesdienst-Stiftungen 1364—1778. K. XI, L 34, Nr. 11. ls) OO. Urkundenbuch. Bd. 9, S. 600 ff. ’2) St. F., Pfarrkirche 1601—1651, Nr. 108: „Register über die Pfarrkirchen S. Agidi et Colmani zu Steyr briefliche Urkunden, Gab- und Stiftbrief". 1621. 14) St. F., Gottesdienst-Stiftungen 1364—1778, Nr 9. >-) St. F., Pfarrkirche 1601—1651, Nr. 108. -°) St. F., Pfarrkirche 1305—1605, K. XI, L. 25, Nr. 9, Pergament. ") St. F., Pfarrkirche 1601—1651, Nr. 108. *8) St. F., Gottesdienst-Stiftungen 1364—1778, Nr. 12. >°) St.F., Pfarrkirche 1305—1605, Nr. 11. -") St. F,, Gottesdienst-Stiftungen 1364—1778, Nr. 20, Pergament. 2I) A. Rolleder, E. Pillewizer, Die Schulen der Stadt Steyr in der Reformatiouszeit. Beiträge zur österreichischen Erzichungs- und Schulgeschichte. Herausgegeben von der österreichischen Gruppe der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte. Heft XVIII, 1918, S. 4 f. -2) R. Höslinger, a.a.O., S. 49. -3) St. F., Pfarrkirche 1305—1605, Nr. 15: „Herzogen zu Österreich Spruchbrlcf vou> Jahre 1437", Pergament. 24) A Rolleder, E. Pillewizer, a.a.O., S. 4 f. 25) St. F., Pfarrkirche 1305—1605, Nr. 15. 2li) A. Rolleder, E. Pillewizer, a.a.O., S. 7 f. — A. Rolleder, Heimatkunde von Steyr. 1894. S. 104. 27) K. Schiffmann, Ein altes Bilderbuch, S. 220. 10

2S) I. Lenzenweger, Dic S'it'rr.iifsnng des Pfarrnetzcs der Benediktiner-Abtei Garsten, Seite 334. ’-9) Wahrscheinlich Deggendorf an der Donau in Bayern. St. y\, Pfarrkirche 1305—1605, Nr. 26. 30) St. F., Normal- und lateinische Schulen, fi, XI, L. 36, Nr. 26. 31) V. Preuenhueber, a.a.O., S. 174—201; —• A. Rolleder, E. Pillewizer, a.a.O., S. 8. Der Name des Schulmeisters ist nicht bekannt. 3-) Bis in das 17. Jahrhundert war der Schuldienst einem Handwerksberuf gleichgestellt. R. Höslinger, a.a.O., S. 50. M) Vgl. F. Berger, Ried im Jnnkreis. 1948. S. 318 f. ") E. Reicle, Lehrer und Unterrichtswesen in der deutschen Vergangenheit. Leipzig 1901. Seite 50. 35J St. F., Pfarrkirche 1305—1605, Nr. 40. 36j E. Reicke, a.a.O., S. 63. 37) Da in Stenr ein eigener Organist angestellt war, wurde der Schulmeister nur für den Chorgesang entlohnt. 3S) St. F., Pfarrkirche 1305—1605, Nr. 33, Pergament. — Vgl. K. Eder, Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung. Linz 1933. Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs. Bd. 1, S. 436. 39) K. Eder, a.a.O., S. 150, Anmerkung 323. 40) St. F., Gottesdienst-Stiftungen 1364—1778, Nr. 35, 36. 41) St., „Visitation die Pfarr Steyr betreff. Anno 1544 beschehen". Cista H, L. 20, Nr. 62. 42 R. Höslinger, a.a.O., S. 51. 43) I. Kren», Häuserchronik der Altstadt Steyr. Teil 1, S. 44, Anmerkung 1. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr. Juni 1951. 4Jj K. Schisfmann, Ein altes Bilderbuch, S. 222. 45) St. F., Pfarrkirchen-Rechnungen 1541—1597. K. XI, L. 28. 4<i) St., Steuerbuch 1543. — I. Krenn, a.a.O., S. 60, Anmerkung 4. 47) 5k. Eder, Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns 1525—1602. Linz 1936. Studien zur Rcformationsgeschichte Oberösterreichs. Bd. 2, S. 25 f, 38. 4S) V. Preuenhueber, a.a.O., S. 229. Hier zitiert nach A. Rolleder, E. Pillewizer, a.a.O., Seite 9 f. ") St. F., Normal- und lateinische Schulen 1537—1777, Nr. 1, St . XI, L. 36. 50) An der Lateinschule wirkte als erster Rektor Andre Khuttner, erwähnt 1541 (St. F., Pfarrkirchen-Rechnungen 1541—1597); deutsche Schulmeister waren Christoph Frayd- lcr und Wolfgang Perger (St. Steuerbuch 1543). * Dieser Aufsatz erschien unter dem Titel „Die mittelalterliche Stadtschule in Steyr" in der Zeitschrift „OO. Heimatblätter", Jg. 6, Heft 1, 1952. Der Abdruck erfolgte mit Genehmigung des Schriftleiters Herrn Dr. Franz Pfeffer, wobei neue Forschungsergebnisse Berücksichtigung fanden. 11

frlcfricb Mrobatb: Die Argermeister der Stadt Stepr und ihre Zeit iNiMungi Michael Kernstock (1516 1517), Hieronymus Zuvernumb (1522- 1523, 1527—1528, 1531 1536), Hanns Fuchfperger (1525 -1526), Wolffgan» Rumpel (1529—1530), Hans Winkler (1537 1538, 1543—1544, 1.547 1552) Michael Kernstück Um die Wende des 15. Jahrhunderts kam in Steyr eine Reihe neuer Geschlechter an die Herrschaft. Die Kriege mit Böhmen und Ungarn1) hatten den geregelten Ablauf der Wirtschaft empfindlich gestört, die Verpfändung der Stadt durch Kaiser Friedrich III. an Georg von Staut und das folgende Zerwürfnis zwischen den beiden Geschäftspartnern hatte zur Folge, daß nicht nur die Umgebung, sondern auch die Stadt, als Pfandobjekt, in Mitleidenschaft gezogen und verwüstet wurde. Viele Bürger und Kaufleute hatten das in Not geratene Steyr verlassen, um in der Ferne eine neue Existenz aufzubauen, die zurückgebliebenen Händler sahen sich einer schweren Wirtschaftskrise gegenüber. Ehemals wohlhabende Eisenhändler hatten nicht mehr genügend Kapital, um, wie bisher, regelmäßig Rohprodukte von den Innerberger Hammerwerken zu beziehen. Das „geschlagene Zeug" blieb bei den Hannuerherren liegen. Die Hammerherren ihrerseits gerieten in Schwierigkeiten, da sie Eisen nur nach Steyr verkaufen durften. Wie in allen Zeiten, die eine bestehende Ordnung erschüttern, bemächtigen sich nun allerlei Außenseiter des Handels. Wohl versuchte man vorerst mit einem Handelsverbote eine Regelung zu erzielen, als 1471 der Rat vom Kaiser ein Verbot des Handels durch nicht hausbesitzende Bürger erreichte. Diese Maßnahme zeitigte keinen Erfolg. Schon ein Jahr später mußte dieses Verbot insoweit abgeschwächt werden, daß man jedermann, der den Besitz von 24 Pfund Pfennig nachweisen konnte, den Betrieb eines Handels erlaubte?) Zahlreiche Auswärtige, die in Steyr ein Warenlager besaßen und über dringend gebrauchtes Kapital verfügten, erwarben nunmehr das Bürgerrecht und widmeten sich dem Handel mit Holz und Eisen. Unter diesen neuen Handelstreibenden waren viele Nürnberger, die von nun an, bis in die Anfänge des 17. Jahrhunderts, einen bedeutenden Einfluß auf den Etseuverlag ausübten. Unter den wenigen in Steyr verbliebenen Alteingesessenen befand sich die mit bett vornehmsten Geschlechtern der Stadt versippte Familie Kcrnstock, deren Mit- ') 1478 endete der Krieg zwischen Kaiser Friedrich und betn ungarischen König Mathias. Wegen der dauernden Gefahr des Ausbruches neuer Feindseligkeiten brauchte das Land viel Geld. In Steyr wurde von jedem Vermögen, sogar dem der Dienstboten, eine Schatzsteuer eingehoben; Maut und sonstige Abgaben wurden bis aufs äußerste ausgeschöpft. Die Stadt, Ennsdorf und Steyrdorf wurden mit Mauern, Türmen und Gräben umgeben. 1480 kam der kaiserliche Baumeister Martin Felscr zur Überwachung der Befestigungsbauten in die Stadt. In dieser Zeit wurden das Ennstor und das befestigte Wachthans auf dem Tabor gebaut. 1484 entbrannte ein neuer Kampf mit bett Ungarn, die im November des folgenden Jahres bis Ernsthofen vordrangen und an beiden Flußufern Brückenköpfe- errichteten. Erst 1490 konnten sie vertrieben werden. Dank der energischen Verteidigung durch den Schloßhauptmann Andreas Krabath und die Bevölkerung der Stadt gelang cs dem Feinde nicht, in Steyr selbst einzudringen. 2) 2.23. 1, S. 128. 12

Kernskock. Zuwrnumk urberger. Krnnpl.

Bemerkungen zu den Wappen der Bürgermeister Kernstock. Einfaches Wappen, nur Schild und Baumstrunk, nach dem Siegel Michael Kernstocks, das er als Stadtrichter 1504 führte!) Hausmarke am Grabsteine Kernstocks an der Pfarrkirche in Steyr. Vollwappen nach Siebmachers Wappenbuch, Band V, S. 57. Zuvcrnumb (Zumbherumb). Wappen und Hausmarke auf dem Grabstein an der Apsis der Stadtpfarrkirche Steyr. In den gedruckten „Annales Styrenses" ist der Halbmond des Wappens mit einem Gesicht dargestellt.") Fuchsperger fFuxpcrgcr). Darstellung des Wappens nach den handschriftlichen „Annales Styrenses"") und nach dem Glasfenster in der Stadtpfarrkirche Steyr, das seinerzeit wegen Kriegsgefahr verlagert wurde und derzeit noch nicht eingesetzt ist. Dieses Mappen dürfte das authentische sein, da es zu einer Zeit hergestellt wurde, als noch die Hinterbliebenen Fuchspergers lebten. Im „gedruckten Preucn- huber"") hat der Berg grüne Farbe und der als Helmzier verwendete Rabe sieht mehr einem Hahne ähnlich. — Das Wappen, das Mond und Stern über dem Fuchs zeigt, und die Hausmarke sind auf betn Grabstein eines Onkels des Bürgermeisters, Hannß Fuchsperger, wiedergegeben (Farben unbekannt). Rumpel Wiedergegeben nach den Darstellungen im gedruckten") und handschriftlichen^) „Annales Styrenses". ') Dr. von Pantz, Nachträge zur Abhandlung über die Grabdenkmale der Stadtpfarrkirche zu Steyr. Wien 1912. -) Valentin Preuenhuber, ,Annales Styrenses". Nürnberg 1740. s) Exemplar aus dem Besitze des scinerzcitigeu Justitiars Schroff, jetzt im Besitze des H. Dipl.-Kfm. Engelbert Eelctzbichlcr, Steyr.

glicber als Eifenhäudler in Stellt und als Hatnnterherren in der Nähe von Gallenstein tätig traten.3) Die Bedeutung bet Kentstock für ihre Zeit liegt in ihrer vorausschauenden Wirtschaftspolitik. Sie gehörten zu bett ersten Kaufleuten, die sich bett Bezug bet Ware und den Einfluß auf die Erzeugung derselben durch den Besitz von Hammerwerken sicherten. Diese Gliederung ihrer Wirtschaftstätigkeit verbürgte ihnen vor allein einen geregelten Warenbezug. Als Ratsherren und Eifcn- händler gehörten sie der Gruppe von Ratsbürgern an, die den kleinen Eiseuhand- rocrfcrn Einfluß auf die Stadtgeschüste und Beteiligung am Handel verweigerte, sie wurden daher von den Zünften stark angefeindet. Erst die Gegenreformation zu Beginn des 17. Jahrhunderts brach diese einheitliche Leitung der Stadtgeschäfte und des Eisenhandels. Michael und Georg Kernstock waren die Söhne des Gewerken Erhard Kern- stock, der 1460 bis 1480 in der Gegend des zum Stift Admont gehörigen Gallenstein 3) Als Hammerherren scheinen die Kernstock bis aus Ende des 1 (>. Jahrhunderts in unserer Gegend ans: Erhard Kertchock bei ist. Gallen (1460—1480), fein Nachfolger ist Georg Kerustoek, der Steyrer 'Stadtrichter zn Beginn des 1(i. Jahrhunderts. Dieser erwarb von Wolf Baumgartner aus Weher int Jahre 1492 zwei Hämmer in Reifling. Das Grabmal eines jüngeren Georg Kern stock (gest. 1533), der ebenfalls Gewerke bei St. Gallen war, befindet sich an der Außenwand der Stadtpfarrkirche Steyr. — Der Steyrer Bürger Klemens Kernstock war 1535—1550 Gewerke in der unteren An zu Cbcrrcit. Im Jahre 1550 (Bürgerabschied, Stadtarchiv Steyr) kam er nach Steyr und fauste das Hans Stadtplay 3 (Steuerbuch 1567). Dessen Sohn Pangratz übernahm vom Vater die Gewerkschaft am Pelzenbache bei St. Gallen. Er besaß sie bis 1576 zu gleichen Teilen mit Christoph Patty. Um diese Zeit sind noch Lamprecht Kern- stock (1562) und ein Wolf Kernstock als Gewerken in Landl nachweisbar. — Als Messerer, also als „Gewerbetreibende, welche die von den Klingenschmieden linb Schleifern gelieferte Ware marktfertig machten und entweder selbst in den Handel brachten oder beut Großhändler lieferten", innren die Kernstock mich lange tätig. Es ist nicht nachzuweisen, welcher Familienzweig sich in Steyr fortgepflanzt hat. 1598 hatten die Kernstock nach dem Steuerbuch keinen Hausbesitz mehr in der Stadt. Ein Andreas Kernstock, der seit 1579 Bürger und Handelsmann in Granau (Krttmmau) war, scheint mit dem in den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts im Hanse Schlüsselhofgasse 30 aufscheinenden Mieter dieses Hauses gleichen Namens identisch zu sein (das Testament seiner Gattin Katharina erliegt im Stadtarchiv). Ein Andreas Kentstock ist 1620 wieder als Eigentümer des Hanfes Schlüsselhofgasse 35 verzeichnet; sein Sohn Georg Kentstock wurde 1629 Bürger bar Stadl und war ebenfalls Messerer. (Andreas und Georg Kentstock führten beide als Meisterzeichen einen Harnischhammer auf den von ihnen gearbeiteten Klingen.) — Georg Kentstock erwarb das Hans Wieserseld 12, in welchem feilte Söhne Paul (18. 3. 1634) und Johann (28. 12. 1635) geboren wurden (Taufbuch Stadtpfarre Stehr, tont. 1/309, 351). Johann, der zweitgeborene Sohn Georgs, wurde 1661 Steyrer Bürger und Messerermeister int Hause Schlüsselhofgasse Nr. 59; 1678 wurde er zum Viermeister der Zunft gewählt. Seiner Ehe mit Barbara Atter entsprangen sechs Kinder: Hans Jakob, Johann Rudolf, Johann Gabriel, Johann Bartholomäus, Eva Margaretha, Maria Barbara (Taufbuch Stadtpfarre Steyr, tont. 11/148, 191, 210, 243, 281, 321). — Der älteste Sohn Johanns, Haus Jakob, übernahm des Vaters Werkstätte. Er war 1689 Bürger und Messerermeister geworden. Am 10. 4. 1690 heiratete er Maria Barbara Schilcher. Der Ehe entsprangen vier Pt im der (Taufbuch Stadtpfarre Stehe, tont. 11/644, 724, 882, tont. IIl/3). Auch der zweite Sohn, Johann Rudolf, richtete int Hause Mittere Gasse 2 eine Messererwerkstätte ein. 1701—1711 wurde er zum Viermeister, 1714—1722 und 1729 zum ZechMeister der Messerer gewählt. Der Prachatitzer Ratsbürger und Primator (1719) Johann Paul Kern stock führte noch 1699 das gleiche Wappen wie der Steyrer Bürgermeister Michael Kentstock es im Jahre 1504 verwendete. Diesem Zweige der Familie entstammte der Borauer Ordenspriester und Dichter Ottokar Slcrnftoct. — Kernstocks sind auch in Spitz an der Donau (Wolfgang, gest. 1513), in Waidhofen (1616, Hans), am Kl. Paulcheu- Hammer bei Bbbsitz (Lienhardt 1616, Georg 1735—1756, Paul 1650) und in Eilt! (der Stadt lichter Klemens 1474—1475), die aste ein „verbessertes" Wappen der Steyrer Familie führen, uachzuweisett (L.V. 8, S. 145). 13

ansässig mar.4) Beide bekleideten in der Stadt mehrfach das Stadtrichteramt: der erstere in den Jahren 1502—1506 unb 1509, Georg in den Jahren 1512—1513 utib 1519. Bei der mit kaiserlicher Einwilligung ohne landesfürstliche Kommissare durchgeführten Ratswahl für das Jahr 1516 wurde der Eisenverleger Michael Kernstock zum Bürgermeister gewählt?) „Da Ihr nun, als Wir berichtet werden, der Sachen halber nunmehro zwischen einander nicht irrig, sondern einig seyd; so wollen Wir unsere Commissarien vor diesesmal zu verordnen anstehen lassen. Also empfehlen Wir euch, daß ihr dieselben Aemter, wiewohl Unsere Commissarii vor dißmal dabey nicht seyn, mit tauglichen, geschickten, und redlichen Personen, die auf den gemeinen Nutz sehen mögen, fürnehmet und wählet, und hierinnen nichts anders thut; Das ist ^unsere ernstliche Meynung." So lautet der Konsens, den der Kaiser dem Rate der Stadt am Samstag vor dem St.-Martins-Tage 1516 zusenden ließ?). Für das folgende Jahr und weiterhin bis zum Jahre 1593 wählte nun der Rat die Bürgermeister ohne direkten landesfürstlichen Einfluß. Während der Amtszeit Michael Kernstocks kam es 1517 zu einem Streit der Stadt mit dem Domkapitel zu St. Stephan in Wien, das die Maut in Mauthausen besaß. Seit Menschengedeuken hatten die Steyrer das Privilegium, für ihre am Wasser geführten Waren die Mautgebühren in Enns zu bezahlen. Das Domkapitel hatte sich jedoch von der Regierung ein „Generale" verschafft, demzufolge die Schiffe aus Enns und Steyr auch in Mauthausen anlegen sollten, um untersucht zu werden, ob sie nicht fremde, nicht ihnen gehörige Waren?) welche zu vermauten gewesen wären, an Bord hätten. Auf Steyrer Schiffe, die nicht anlaufen wollten, pflegte» die Mauthansener Mautbeamten das Feuer zu eröffnen. Erst im Februar 1518 wurde, nach Vorstellung der beiden Städte beim „Regiment zu Wienn""), das Domkapitel veranlaßt, die Schiffe der Steyrer und Ennser ungehindert passieren zu lassen. Michael Kernstock besaß in Steyr das Haus, in dem später das bekannte Gasthaus „Zum braunen Hirschen" untergebracht war (heute Stadtplah 10)°) und das Haus Enge Gasse 21 — Goldschmiedgasse 2. Am 15. 12. 1531 errichtete Kernstock sein Testament, da er sich krank, schwach und alt fühlte?") In diesem bittet er alle, die er in seinem Leben „mit wortten... belaidigt bette", ihm „dasselb vmb gotswillen zuuerzeihen". Seinem Stande gemäß will er bei der Stadtpfarrkirchc begraben werden. Er bedenkt seine Frau Martha, die sechs Kinder") und sorgt auch noch für ein llngeborenes uor.12 * * 1 ) Weiters verfügte er letztwillig, daß seine Frau die Kinder aufziehe, und vermacht ihr deswegen „von wegen merers vleis" vier kleine Silberbecher. Das genaue Stcrbcdatum Michael Kernstocks läßt sich nicht ermitteln. Es fällt in die Zeit zwischen 1531 und 1543, da er 1531 sein Testament errichtete und im Steuerbuche 1543 bereits seine Erben als Hausbesitzer aufscheinen. 4) L.V. 8, S. MIO. — 5) L.V. 2, S. 383, 386. — c) L.V. 1, S. 205. ■) L.V. 2, S. 183. — 8 * 10 * ) L.V. 2, S. 206, 207. — •) Steuerbuch 1543. 10) Testament v. 15. 12. 1531, St.A., K. XI L. 15: „Nach dem ich nun allt vnnd swach vnnd krannkh Pin / doch on abgang / meiner vernunfft.. ") Jörg, Engelhard, Michaiel, Barbara, Apollonia (verheiratet mit Florian Kronstorffer aus Waidhofen), Dorothea, in erster Ehe verheiratet mit Moritz Egrer, in zweiter mit Mert Arttner. Aus seinem Testamente geht hervor, daß Kcrnstock gegen diese zweite Ehe war, da seine Tochter Arttner „ausser seines Rats vnnd wissen genommen...". 1S) Zur Zeit der Errichtung des Testamentes war seine Frau gesegneten Leibes 14

Hieronymus Zuvernumb (Hieronymus Zuvernumb') Jheronimus Zumbherumb") 3umemm3).) Im Jahre 1493 war in Melk ein Bürger namens Wolffgang Zuvernumb ansässig?) Es läßt sich nicht beweisen, daß Vorgenannter der Vater des Steyrer Bürgermeisters war, doch ist es sehr wahrscheinlich, da der Familienname Zuver- numb sehr selten vorkommt. Hieronymus Zuvernumb war 1512 Ratsbürger, 1521 Stadtrichter und in den Jahren 1522—1523, 1527—1528 und 1531—1536 Bürgermeister in Steyr?) Seine Amtszeit war reich an Widerwärtigkeiten, deren Ursachen vor allem in den Religionsstreitigkeiten und den Türkenkriegen lagen. Wie seine Vorgänger im Amte war auch Zuvernumb ein sehr vermögender Mann. Er war in der Lage, im Jahre 1526 mit anderen Steyrer Bürgern und dem Abte von Garsten, der Gattin des Erzherzogs Ferdinand, Königin Anna, Geld zu leihen?) In der Stadt betrieb er einen Handel mit Venediger Waren, in der Dogenstadt besaß er eine Faktorei, die vom Bruder seiner ersten Frau, Erasmus Matts- perger (auch Mätschperger)7) geleitet wurde?) Auf einem seiner Ritte nach Venedig stürzte, ohne ersichtlichen Grund, sein Pferd bei den „Stadeln in der Schönau" nieder. Diesen Sturz hielt Zuvernumb für das Zeichen eines kommenden Unglückes. Er kehrte nach Steyr zurück und ließ aus tiefer Frömmigkeit an dieser Stelle ein Kreuz setzen. Erst nachdem dieses errichtet worden war, stieg er wieder in den Sattel, um seine geplante Reise zu unternehmen?) Im ersten Amtsjahre des Bürgermeisters, 1522, brach am 18. März im Stadtbad (heute Stadtplatz 37) ein Feuer aus, das, durch einen starken Wind begünstigt, alle umliegenden Häuser in Brand setzte und schließlich auch auf die seit 1443 im Bau befindliche und fast fertiggestellte Stadtpfarrkirche übergriff. Diese furchtbare Feuersbrunst vernichtete 55 Häuser, 5 Stadttürme, 2 Stadttore, die St.-Gilgen- Bastei und die Ennsbastei, einen großen Teil der Stadttvehren, das Dominikanerkloster und den Pfarrhof. Da die Stadtpfarrkirche sich noch im Bauzustand befand, fing vorerst das Holzgerüst Feuer und setzte dann das Schindeldach der Kirche in Brand. Unersetzliche Kunstwerte gingen verloren: alte Epitaphia, Gemälde, Fenster, ein kunstvoll geschnitzter Predigtstuhl und schließlich auch die mit großen Kosten angeschafften Glocken.'") Im Hinblick ans die sich bereits abzeichnende Gefahr eines neuerlichen Türkeneinsalles berief Erzherzog Ferdinand im Februar 1523 eine Sitzung bei Landeshauptmann Polheim ein, bei welcher die Organisation des Widerstandes beraten werden sollte. Der Bürgermeister würbe eingeladen, einen Bevollmächtigten zu delegieren.") Im September 1527 befahl die Regierung ein Verfahren") gegen verhaftete Wiedertäufer") einzuleiten und erteilte den Steyrern mit anderen Delegierten das ') L.V. 1, S. 275 —• 2) Schreibweise des Rameus im Testament vom 28. 3. 1547 (St.A., K. XI, L. 16) und am Grabstein. s) L.V. 1, S. 276. — 4) L.V. 1, S. 275. — 5) L.V. 2 S. 383, 386. 6) L.V. 1, S. 230 — 7) Schreibweise im Testamente Zuvernumbs 8) L.V. 8. S. 95, 96. — 9) L V. 1, S. 275. — '") L.V. 1, S. 218. ") Milit. A., K. XI, L. 38, Nr 2092. '-) L.V. 1, S. 234. '*) Diese Sekte bildete sich aus früheren Anhängern Luthers und tauchte nach dem Be- ginn der Reformation auf. Ihren Namen erhielten sie von ihrer Behauptung, daß die Kindertaufe ein Werk des Teufels sei und daher die Erwachsenen nochmals getauft werden müßten. Sie forderten weiters Gleichheit und Freiheit; ihre Obrigkeit sollten ihre Lehrer sein. — Die Wiedertäufer unter ihrem Anführer Thomas Münzer „wollten nicht nur ein religiöses, sondern auch ein soziales Problem verwirklichen..(L.V. 7, Seite 25.) 15

Recht, in dieser Angelegenheit Urteil zu sprechen. Zu dein Schrannengericht hatte jede der sechs Städte des Landes „eine verständige Person ihres Mittels zu solchem Rechts-Tag und Schöpffung der Urthel" zu entsenden. Als Ankläger fungierte der „Erbar, Gelehrt Magister" Wolsfgang Khüntgl. Die Sektierer standen vor allem unter der Anklage, sich in „irrig-verführerisch-Ketzerisch-Hutisch und Zwinglische Lehre" eingelassen zu haben. Am dritten Verhandluirgstage fragte der Steyrer Stadtrichter Georg Bischosfcr die Mitglieder des Gerichtskollegiums um Recht und Urteil.14) Interessant für unsere Abhandlung über die Bürgermeister Steyrs ist die persönliche Ansicht und das abgegebene Urteil der dem Kollegium angehörenden Altbürgermeister Michael Kernstock, des regierenden Bürgermeisters Zuvernumb und des Bürgermeisters künftiger Jahre Hans Winkler. Zuvernumb, als erster um sein Votum befragt, meinte, daß die Ketzer mit Brand gestraft werden müßten. Ans menschlichem Erbarmen jedoch sollten sie erst mit dein Schwerte gerichtet und daun ihre Körper verbrannt werden. Dieser Ansicht schloß sich auch Kernstock an. Dem Vorschlage des Kollcgiiunsmitgliedcs Michael Widtmer aus Linz, daß die Beklagten zwei Monate lang durch „gelehrte oder verständige Christgläubige" unterrichtet werden sollten, um voir ihrem Jrrsal abzustehen oder gegen Ablegung des Urfehdeschwures lebenslänglich aus den Erblanden zu verweisen seien, schloß sich Hans Winkler au. Zuvernumb und Kernstock scheinen üon der Unfehlbarkeit der von der Kirche gepredigten Lehren, wonach jede Ketzerei als derartig abscheulich und vcrdannnens- wert zu betrachten war, daß sie nur mit Todesstrafe gesühnt werden könnte, tiefinnerlichst überzeugt gewesen zu sein. Hans Winkler jedoch dürfte schon von den Zeitströmungen des Humanismus, also einer größeren Toleranz und Einsicht, erfaßt gewesen zu sein. Er wollte den, nach Ansicht der damaligen Zeit, Irrenden eine Möglichkeit geben, ihren Irrtum zu erkennen.'") Eine vom Landesfürsten eingesetzte Visitations- und Reformationskommission besuchte 1528 Steyr und ließ sich üon Bürgermeister und Rat über das Kirchen- und Glanbensleben der Stadt berichten. Die Steyrer beschwerten sich vor allem darüber, daß zu wenige und meistens nicht taugliche Priester vorhanden seien. Daher käme es, daß fremde, bessere Prediger mit neuen Lehren in die Stadt gekommen seien und bei den Bewohnern williges Gehör fänden. Weiters beklagte sich die Gemeinde, daß die vielen in der hiesigen Spitals- und Pfarrkirche gestifteten Messen und Prozessionen nicht abgehalten würden, trotzdem das Kloster Garsten die hiezu gestifteten Einkünfte genieße.'") Die Reformationskommission übermittelte diese Beschwerden der Stadt dem Abte Pankraz Halzner von Garsten, der seinerseits der Ansicht war, daß der Rat* **) 14) L.B. 1, S. 237 f. **) Gegen die Mehrheit der Stimmen verurteilte der Stadtrichter die Wiedertäufer ginn Ausschluß aus der Gemeinde. Die Angeklagten wären bis zur Bekehrung durch gelehrte Leute im Gefängnis zu behalten. Dieses Urteil wurde von der Regierung aufgehoben und das Urteil jener, die für den Tod gestimmt hatten, anerkannt. Am Mon- tag vor dem Palmsonntag wurden sechs und später weitere Angeklagte hingerichtet. — Rach vollzogener Exekution sandte die Regierung Zuvernumb, Michael Kernstück und Hans Fuxbcrger einen Dankbrisf: „daß sie in dieser Criminal-Sache, göttlichen Gesetzen, und Ihrer Majestät Mandaten gemäß, geurtheilet hätten; Daran Ihr. Majest. ob ihr jedes Person und Urtel gar ein besonderes Gefallen trügen ..(L.B. I, S. 240) lli) L.V. 1, S. 241 f. 16

an beut Verfalle der Religion mib ber Ausbreitung neuer Lehren Schuld trüge, ba er nebst Duldung ketzerischer Predigten den Geistlichen tiieht den nötigen Beistand leiste.17 *) Am Sonntag Trinitatis 1531 veranstaltete der Rat „zur besonderen Knrtz- weil" der Bürger einen Glückshafen, bei dem 20 Gulden, und ein Freischießen, bei betn 24 Gulden zu gewinnen waren. Im selben Jahre mußten Kleinodien und Gelder der Kirchen unb Bruderschaften neuerdings nach Linz gebracht werden.'G Der Erlös atis den Kirchenschätzen und die Kirchengelder sollten zur Befestigung Wiens verwendet werden, da man wieder einen Einfall ber Türken fürchtete. Tatsächlich rückte Sultan Solimatt 1532 an der Spitze eines großen Heeres über Ungarn vor. Streifende Türkenscharen erreichten die Umgebung Steyrs und brandschatzten Dietach, Gleink, Wolfern und Stadelkirchen. Losensteinleiten blieb durch den listigen Einfall eines Jägers vor der Zerstörung bewahrt. Der Rat ließ Die vorhandenen Lebensmittel in ber Stadt aufnehmen; die Bürger mürben aufgeboten, jedes Haus mußte einen Mann stellen. Als die Steyrer die brennenden Gehöfte jenseits des Ramingbaches beobachten konnten, wurden alle Bürger unter die Waffen gerufen. Sie wurden, zusammen mit einer Anzahl bewaffneter Untertanen Der Herrschaft und einigen angeworbenen Soldaten, zur Furt an der Enns geschickt, um ein übersetzen des Feindes über den Fluß zu verhindent. Etliche Steyrer, verstärkt durch 40 kärntnerische Reiter unter Hans von Himmelberg, rückten gegen die am Ramingbach plündernden unb sengenden Dämmten, mußten sich aber zurückziehen, da sie dem Feinde, der eine Stärke von 10.000 Mann hatte, nicht gewachsen waren. Der mit 1000 geharnischten Reitern durchziehende steirische Landeshauptmann Hans von Ungnab lehnte die inständigen Bitten des Bürgermeisters und einiger Ratsmitglieder tun militärischen Beistand mit den Worten: „Lieber Herr Bürgermeister, seyd frölich, was Gott schickt, das ist gut, sehet zu den Toren", ab.19 *) Auf dem 1534 in Linz abgehaltenen Landtage wurden die Städte aufgefordert, eine Anzahl von Pferden zu unterhalten, damit sie für einen eventuellen künftigen Türkeneinfall für die Bewaffneten zur Verfügung stünden. Die Städte erklärten, sie seien nicht in der Lage, solche Auslagen zu tätigen, da sie durch die Kriegsläufte verarmt seien. Der Delegierte Steyrs legte dar, daß die Stadt nur mehr ein Jahreseinkommen von 2000 Pfund Pfennig habe."9) Zu dieser Zeit wurden in der Pfarrkirche schon Predigten im Sinne der Lehren Luthers gehalten. Der katholische Burggraf Hoffmann, der auch Dbersthosmeister des Kaisers war, forderte 1536 den Bürgermeister und vornehme Räte der Staat auf, die Bürger zu beeinflussen, nicht mehr solche Predigten zu besuchen. Er glaubte auch aufmerksam machen zu müssen, daß bei Weiterbeharren in der Duldung der neuen Lehren die Stadt beim Landesfürsten in Ungnade fallen könne, was unter Umständen zu einem Verlust der der Stadt von den Landesfürsten gewährten Privilegien führen könnte. Diese Privilegien der Landesfürsten, besonders das große Privilegium Herzog Albrechts I. vom 23. 8. 1287,21) hatten die wirtschaftliche Blüte Steyrs begründet. Ihr Verlust hätte eine schwere wirtschaftliche Sanktion bedeutet. l7) 1529 kam es zu einem Vergleich zwischen der Stabt und dem Garst»er Abt in dieser Angelegenheit. Die Steyrer anerkannten den Abt als obersten Priester, er hingegen versprach, geeignete Seelsorger einzusetzen. Die Stadt sollte weiters für einen ent-- sprechenden Unterhalt der Pfarrer und für ein genaues Verzeichnis der Stiftungen, Das bisher nicht vorhanden war, Sorge tragen, damit die gestifteten Messen abgehalten werden könnten. «) 2.35. 1. S. 247. — 19) 2.35. 1, S. 249. — -°) 2.35. 1, S. 255. n) Alles nach Steyr gebrachte Holz unb Eisen mußte den Bürgern drei Tage lang feilgeboten werden. Die eisenverarbeitenden Handwerker konnten sich so das beste Rohmaterial für ihre Erzeugnisse aussuchen. — 1347 erteilt« Herzog Albrecht VI. der Stabt ein Jahrmarktsprivilegium und 1356 das Recht, daß niemand im Umkreise einer Meile Wein ausschenken dürfe. Herzog Albrecht III. bewilligte der Stadt im Jahre 1378 einen eigenen Stadtrichter. 17

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