Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 16, Dezember 1956

Bemerkenswerte Bauten der Altstadt Steyrs (Stadtplatz, Engel und ihre Besitzer 1. Teil Von ®r. Erlefried Krobath Die Stilkunde unterscheidet im deutschen Kulturkreis seit dem Reiche Karls des Großen (Kaiser von 800—814) bis zum Untergange des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1806) vier Zeitabschnitte, die sie mit den bekannten überlieferten Bezeichnungen Romanik, Gotik, Renaissance uird Barock bezeichnet, obwohl diese nicht immer treffend sind. Jeder der Stile entwickelte sich natürlich in den einzelnen Landschaften verschieden. Auch kann man die Stile nicht scharf voneinander abgrenzen, da die Trennungslinien sehr fließend sind. Die Übergangszeit hat oft Jahrzehnte gedauert, ehe sich der neue Geschmack und die neue Kunstauffassung im Einklang mit tragende» Ideen der Umwelt durchsetzte. Der Romanische Baustil (ungefähr von 1000—1250) ist der Stil des- wehrhaften Rittertums, das die Oberschicht dieser Zeit stellte. Wuchtige Schlösser und Burgen und an Festungswerke gemahnende, schön gegliederte Kirchen sind die hauptsächlichsten Zeugen dieses Baustiles. Steyr hat nur wenige Denkmäler dieses Baustiles aufzuweisen: die Halle des Bürgerspitals, ursprünglich wahrscheinlich als Hallenkirche in Verwendung, romanische Säulen im Hause Stadtplatz 37 und ein romanischer Bogen im Hause Kirchengasse 1 wären hier zu erwähnen. Nach dem Verfalle der kaiserlichen Macht trat die Kirche als alleiniger Kulturträger der Zeit in Erscheinung. Die Bevölkerung stand im Banne der auf das Jenseits gerichteten Ideen, die ihrerseits wieder im gotischen Baustil (etwa 1250—1500) ihren Ausdruck finden. Der Kirchenbau erlebte in dieser Zeit eine hohe Blüte, prächtige Dome entstanden in den kulturellen und wirtschaftlichen Machtzentren des Reiches (Prag, Wien, Köln). In Steyr wurde durch Rat und Gemeinde 1443 mit dem Bau der jetzigen Stadtpfarrkirche begonnen. Andere Baudenkmäler dieser Zeit sind die ehemalige Doppelkapelle an der heutigen Pfarrstiegc, die von dem 1492 verstorbenen Ratsbürger Siegmund Traindt gestiftet worden war, und die urkundlich 1437 erwähnte Margaretenkapelle. Die Strebepfeiler der Bürgcr- spitalskirche weisen auf einen Ba>c dieser Kirche zu Beginn des 14. Jhdts. hin; nach 1472 wurde der Bau der links vom Presbyterium in der Dominikanerkirche gelegenen Kapelle begonnen. Eine ganze Reihe von Profanbauten, die in der vorliegenden Abhandlung gezeigt werden, weisen noch heute die Stilmerkmale der Gotik auf. Als Träger des Kulturlebens tritt der Bürger in der Renaissance (ungefähr 1500—1600) auf. Er löst damit den Priester ab, wie dieser seinerzeit den Ritter. Bürgerbauten und Rathäuser werden errichtet, nur mehr weuige Schlösser und fast keine Kirchen. Begonnene Kirchenbauten werden eingestellt (Stephansdom in Wien u. a.), da für die Wetterführung derselben keine Mittel vorhanden sind. In Steyr werden viele gotische Bauten mit Renaissance-Elementen versehen oder die Fassaden auf den neuen Stil umgebaut (Stadtplatz 5, 9, 25, 31, 33 u. a.). Wie der gotische Mensch das Mystische liebte, so begeisterte sich der Mensch der Barockzeit am Prächtigen, Strahlenden und Hellen. In den europäischen Ländern kommt die neue Form, der barocke Baustil in der Zeit von 1600—1750 zum Durchbruch. An den Höfen Wiens, Berlins und Dresdens setzte er sich nach dem Dreißigjährigen Kriege sehr rasch durch und verbreitete sich wellenartig nach allen Seiten hin, wobei die Gestaltungskraft des einzelnen Baukünstlers in den verschiedenen Teilen des Reiches diesem angepaßte eigenartige Kunstwerke entstehen ließ. In Steyr sei besonders auf den in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lebenden großen Künstler des Barockbaues, den Bürgermeister Gotthard Hayberger, verwiesen, der der Stadt manche prachtvolle Bauten des Spätbarocks, so das Rathaus und das Haus Stadtplatz 30 als Denkmal seines Wirkens hinterließ. Die Schritte der Baukünstler unserer Stadt sind schon lange verhallt, ihre Namen sind nur mehr zu geringem Teile im Gedächtnis der Nachwelt bewahrt geblieben. Ihre Werke jedoch, steinerne Zeugen ihres Könnens, wie sie in solcher Fülle und Geschlossenheit nur mehr wenige Städte des deutschen Sprachraumes aufweisen können, mögen noch manche künftige Generation erfreuen. 28

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