Aufbau oder Zusammenbruch!

Aufbau oder Zusammenbruch! Staatswirtschaftliche Studie. Unserem jungen Freistaate ein Wiegengeschenk zur ersten Nationalversammlung von Styriacus. Steyr, Jänner 1919.

Vorwort. Seit mehreren Jahren vom politischen Leben zurückgezogen, konnte ich die Entwicklungen im Staate vor dem Kriege, während desselben und in seiner Folgezeit, ganz unbeeinflußt und unvoreingenommen verfolgen. Zufolge meiner früheren, regen öffenflichen Tätigkeit fühle ich mich ver¬ pflichtet, wie jeder andere Staatsbürger in der schweren Zeit des Wieder¬ aufbaues, der Bemühungen zur Wiedergewinnung der Ordnung zum Gemein¬ wohle nach Möglichkeit etwas beizutragen. Ich versuche dieser Bürgerpflicht nachzukommen, indem ich in diesem Heftchen meine gesammelten Erfah¬ rungen und begründeten Ansichten den geehrten Staats- und Volksgenossen zur Kenntnis bringe. Die einzelnen Kapitel sind im Laufe der letzten Kriegsjahre und -Zeiten entstanden, sind daher feilweise als begründender Rückblick zu betrachten. Der Verfasser.

Trennung. Die Ungarn haben es ausgesprochen, das Wort „Trennung“; es ist ge¬ fallen. Sie haben es weiter verfolgt mit der rücksichtslosen red¬ nerischen und Parteiagitation, die man an ihnen stets gewohnt war, als wäre die Verbindung mit uns das größte Unglück für sie. „Los von Oesterreich!“ Die Krone hat ihnen abermals nachgegeben, die Vorlage der Trennungsgesetze im ungarischen Parlamente wurde zugestanden. Unser Ver¬ hältnis mit Ungarn wurde einseitig von diesem gelöst, denn dies geschah alles, ohne daß wir, als anderer Vertragsteil, auch nur im geringsten um unsere Meinung gefragt wurden. Die Stellungnahme zu dieser tiefein¬ schneidenden Veränderung unsererseits ergibt sich nun logischerweise sehr einfach. Die Ungarn sollen haben, nach wos sie schrieen. Sie sollen getrennt von uns — Husländer sein. Man hat sich bei dem ganzen Umsturze der Monarchie nicht um die diesseitige Reichshälfte gekümmert, wir brauchen uns nun auch um die Ungarn nicht mehr zu kümmern. Es sind schon zuviel Ströme Blutes unserer braven Deutschösterreicher in den Karpathen und in Rumänien geflossen, um die undankbare, magyarische Magnaten-Großgrund¬ besitz-Hutokratie vor der russischen und rumänischen Invasion zu schützen. Wir haben keinen Anlaß zu mehr! Die Ungarn sollen mit den Serben und Rumänen, die sie uns zu Feinden gemacht haben, allein abrechnen, resp. diese mit ihnen. Daß wir den Ungarn keine Träne nachzuweinen brauchen, seien nach¬ folgend noch einige Beweise angeführt. Einen der wichtigsten Punkte, man kann sagen einen Hauptpunkt in der wirtschaftlichen Gebarung der bisherigen österreichischen Reichshälfte bildet die Ernährungsfrage, die Frage der möglichst billigen und aus¬ reichenden Beschaffung der notwendigsten Lebensmittel, Brotfrucht und Fleisch, da manche österreichische Länder zufolge ihrer natürlichen Bodenbeschaffen¬ heit nicht in der Lage sind, ihre Einwohner durch das eigene Bodenerträgnis zu ernähren. Diese Notwendigkeit bestand immer, trat aber im Kriege be¬ sonders fühlbar hervor. Wir sind bei dieser Beschaffung besonders auf die andere Reichshälfte angewiesen gewesen, welche als landwirtschaftliche, uns Cerealien und Vich zu liefern gehabt hätte, und zwar als zum Staatsver¬ bande gehörig und auf unsere maßgebende, militärische Mithilfe angewiesen, zu günstigsten Bedingungen und unter möglichsten Erleichterungen. Wie hat sich nun das von den großgrundbesitzenden Magnaten geleitete Ungarn unserer Reichshälfte gegenüber verhalten? Russchließlich selbstsüchtig! Es hat den Staatsverband mit uns in keinem Falle „ritterlich“ aufgefaßt, sondern ausschließlich selbstsüchtig. Es hat uns ausschließlich ausgenützt. Das ganze Sinnen und Streben der ungarischen Machthaber, welche das ungarische Parlament mit Hilfe einer Anzohl von uneigennützigen (?) Advokaten und Journalisten regierten und terrorisierten, ging dahin, Mittel und Wege zu

finden, um jede Konkurrenz der uns freundlich gesinnten Balkanstaaten und von Südomeriko auszuschalten und zu unterbinden, uns den Bezug von landwirtschafflichen Produkten, Feldfrüchten, Vich und Fleisch aus dem Aus¬ lande unmöglich zu machen, und uns Oesterreicher so zu zwingen, unseren Bedarf in diesen Lebensartikeln ausschließlich aus Ungarn, zu den von den Magnaten diktierten Preisen zu beziehen. Wir haben dies gesehen in den zur Behinderung der Vieh- und Fleisch¬ einfuhr vorgeschützten, veterinärpolizeilichen Maßnahmen und sonstigen ständigen Grenzschikonen. Wir haben es gesehen in der stetigen Herab¬ drückung der Vich- und Fleisch-Einfuhrkontingente aus den Bolkanstaaten. Wir haben es gesehen anläßlich der großen Balkonkriegsteuerung im Jahre 1912, wo uns der Bezug von amerikanischem Gefrierfleisch durch die Ungarn unterbunden wurde und diese sich sogar gegen die Einfuhr von Seefischen aus Deutschland Verwahrung einzulegen herausnahmen, nur um uns ganz auf ihre Produkte anzuweisen. Wir haben dasselbe endlich im jetzigen Welt¬ kriege gesehen, dessen Ursache ausschließlich der rücksichtslose Cgoismus der ungarischen Magnafen mit ihren gewaltsamen Magyarisierungsbestre¬ bungen und grenzenlosem Eigennuße war. Durch Unterbindung der Vieh-, Fleisch- und Getreideeinfuhr aus Serbien und Rumänien hoben sie nicht allein uns hart betroffen, sondern auch diese Länder tief geschädigt, ihnen sozu¬ sagen an den Lebensnerv gegriffen und sie domit unseren Feinden in die Arme getrieben. Warum konnten wir weder per Bahn, noch per Donau froßz unserer Eroberung Getreide aus Rumänien bekommen? Doch nur, weil die Ungarn aus Dank für unsere Opfer dies nicht zuließen. Nicht genug an dem, haben die Ungarn noch auf anderen Gebieten in Verfolgung ihrer egoistischen Ziele feindselig gegen uns gearbeitet. Schen wir weiter! Worum ist denn unsere Mühlenindustrie soweit zurückgegangen, warum begegnen wir allerwegen verfallenen Mühlen? Weil sie den Ungarn durch den sogenannten Mahlverkehr aufgeopfert wurden. Warum fanden wir denn schon in Friedenszeiten in unseren auf die Viehzucht angewiesenen Alpenländern große, weite Täler ohne das frühere, anheimelnde Geläute der weidenden Viehherden; worum die schönften Vieh¬ ställe in den Bauernhöfen mancher Gegenden leer und teilweise sogar selbst die Bauernhöfe verlassen? Dieser Sache auf den Grund gehend, finden wir, daß diese oft ftundenlangen Täler und weiten Gebiete von ungarischen Magnaten-Großviehzüchtern angeblich zu Jagdzwecken gepachtet, fatsächlich aber gegen die österreichische Bouernoichzucht ausgenützt wurden, indem die Herren Pächter, kaum einmal im Jahre zur Jagd kommend, doch die Vich¬ weiden einstellen, brach liegen und aufforsten ließen. Dies ergibt sich als klores Mittel, die Viehzucht der öfterreichischen Hlpenbauern zu schädigen, die Konkurrenzfähigkeit der öfterreichischen Viehzucht herabzudrücken, gleich¬ gültig, ob dabei manchem Alpenbauern durch Entziehung des Weiderechtes die Exiftenzmöglichkeit genommen, er von Grund und Haus vertrieben und zur Auswanderung gezwungen wurde. Es ist fief bedauerlich, daß derar¬ tigen volkswirtschaftlichen Uebelffänden seitens der Herren Abgeordneten der betreffenden Gebiete nicht die nötige Aufmerksomkeit geschenkt wurde. Wem konnte es beifallen, solches Verhalfen der ungarischen Magnaten „ritterlich“ zu nennen? Doch wieder nur solchen, die durch ihren eigenen Großgrundbesitz in Ungarn mitinteressiert waren.

Das Verhalten der Großgrundbesitzer-Magnaten wor ein dem der Polen ähnliches, zu denen sie sich so hingezogen fühlen. Als es um die Verteidi¬ gung Oesterreichs sich handelte, wor die Beteiligung Ungarns eine sehrschwache, ässige. Den edlen Herren Magyaren wäre es wohl lieber gewesen, wenn die Russen über das weitere Wien und Oesterreich mit den Südllawen sich zu verbinden gesucht hätten. Als jedoch die Rusfen den naheliegenderen, kürzeren Weg über Budapeft und den ungarischen Boden nach Serbien wählten, und über die Korpathen in Nordost-Ungarn eindrangen, ward es den Herren Vieh- und Getreidebaronen heiß. Die fodesmutigen, aufopferungsvollen, staatsbrüderlichen Alpen- und Sudetendeutschen, im Vereine mit den fapferen, reichsdeutschen Truppen, mußten den beispiellosen Ansturm der Russen aufhalten. Als die Rumänen in Siebenbürgen eindrangen und die magyarischen Hon¬ beds fluchtortig unter Führung ihrer Offiziere, mit Sack und Pack der dor¬ tigen Einwohnerschaft, aus Siebenbürgen zurückfluteten, waren es wieder die deutschen Regimenter aus Oefterreich und dem deutschen Reiche, die dem weiteren Vordringen Einhalt fun und das Königreich jenleits der Leitha aus seiner mißlichen Lage befreien mußten. Und jetzt, wo sie einmal ihren an¬ geblich „geheiligten Boden der Stephanskrone“ wieder bedroht sohen und allein verteidigen sollten statt — den letzten Monn zur Verteidigung ihres Londes aufzubieten, verlangten sie ihre an der Piave ftehenden Truppen zurück, machten diese Front dadurch bewußt unhaltbar und verursochten damit unsere Niederlage. Nicht genug an dem, streckten sie einfach die Waffen und zeigten sich sogar bereit, ihren früheren Verbündeten durch einen Sonder¬ frieden in den Rücken zu fallen, um sich selbst möglichst zu retten, leichtere Bedingungen zu ergattern und alles auf die Bundesgenosfen abzuwälzen. Ist das die vielgerühmte „Ritterlichkeit?“ Und wie zeigte sich der ungarische Dank uns Deutschöfterreichern in der Lebensmittelnot dafür, daß wir unsere besten Söhne für Ungarn ver¬ bluten ließen? Man fertigte den dummen Schwab mit Mais ab, man ließ ihn bei Maisbrot darben und speiste in Ungarn selbst Kipfeln und Semmeln! Ist vielleicht dies die vielgerühmte „Ritterlichkeit?“ Man muß sich unwillkürlich an den Kopf greifen und die Frage stellen: „Wie kann so etwas, wie konnte ein derartiges, durch und durch skrupellos¬ selbstfüchtiges Gebahren dieses Volkes gegen seine staatlichen Mitvölker, gegen den anderen Teil des Staates, sich so lange halten? Wie konnte den Ungarn zum Schaden Oesterreichs alles hinausgehen? Hiefür läßt sich eine Erklärung finden. Die Interessen der Dynastie, sowie des ganzen, weitverzweigten Herrscher¬ hauses und endlich des, wie vorstehende, sowohl in Oesterreich als auch in Ungarn groß begüterten, fideikommissarischen und sonftigen Hochadels und der Kirchenfürften, decken sich vollkommen mit denen der ungarischen Magnaten. Sie gewannen bei Unterffützung derselben mit. Die Habsburger-Familienpolitik, die doppelten Apanagen (Bezüge) vom öfterreichischen und ungarischen Staate waren der Grund, daß man die stets schwankenden Ungarn auf Kolten der stets staatsgetreuen Deutschöfterreicher zu beschwichtigen, sich den ungarischen Thron zu erhalten suchte. Den Thron dieser Ungarn, deren Staat wir gegen die Türken halten und verteidigen mußten, weil ein Großteil derselben als sogenannte Kuruzzen es für angängig sich mit den Türken fanden — wohl zum Schutze des Chriffentums (?) zu verbinden und gegen Oesterreich zu kämpfen.

Den österreiclischen Erzherzogen, Hochadeligen und Kirchenfürften wieder konnten die großgrundbesiterischen Tendenzen und Treibereien der unga¬ rischen Magnaten-Rutokraten nur erwünscht sein, gewannen in der Ver¬ folgung und Unterstützung derer Ziele sie doch bei ihren eigenen, großen Besitzungen in Ungarn mit. Dieses Doppelspiel — zur ausschließlich egoistischen Verfolgung der autokratisch-dynastischen, feudalen und klerikalen Interessen — der auf die Militärmacht geftützten, herrschend gewesenen Klaffen ist eine Hauptursache des innerlichen Morschwerdens des öfterreichisch-ungarischen Staatsgebäudes, das notgedrungen zu dessen Zusammenbruche führen mußte. Derselbe ist nun da; er kam überraschend schnell. Der gewesene Kaiser Karl mag nun über die Fehler der habsburgischen Familienpolitik nachdenken und sich bei seinen vielen Verwandten für die Folgen der undankboren, grenzenlosen Ausnützung der stets staatsgetreuen Deutschöfterreicher bedanken. Das Volk kann des Zusammenbruches nur froh sein. Er bietet ihm die Aussicht auf eine bessere Zukunft, auf seine Freiheit. Möge es den Ernst des Momentes richtig erfassen, ihn nicht ungenutzt vorübergehen lallen und in richtiger Erkenntnis jene Staatsform wählen, die allein geeignet ist, ihm seine Freiheit für immer zu sichern, die republikonische. II. Auflösung Neubildung. So sind wir denn so weit. Die Dynaftie und ihre familienzentrali¬ stilche Regierung kamen mit ihrer Regierungsweisheit zu Ende, welche aufgebaut auf der alten Privilegienwirtschaft der Adelsherrschaft und der militärischen Gewalt — ihre ganze Kunft darauf stützte, die Völker des Staates und Berufsltände gegeneinander auszuspielen. Sie hat das Spiel verloren gegeben. Sie ilt einfach davongelaufen und hat in einem vollltändig gehalts¬ losen Manifelte die Aufgabe den Völkern hingeworfen, sich aus dem von den k. u. k. Regierungen geschaffenen Wirrsale selbst herauszuhelfen, weil diese Völker sich aufgeklärt genug zeigten, sich nicht mehr auf Grund teil¬ weise noch aus den Raubritterzeiten im Faustrechte angemaßten, aber nicht von Gottes Gnaden Itommenden Vorrechten (Privilegien), die den Betreffenden durch Jahrhunderte schöne Familieneinkommen und ein angenehmes Dasein sicherten, an der Nase führen zu lossen. Man hat es vorgezogen, sich den sympathischeren — weil noch hoch¬ autokratischen — ungarischen Magnaten zuzuwenden, indem man diesen ohne Rücksicht auf die eigentlichen Raus- und Stammländer einfach alles zusicherte, was sie verlangten, nur in der Hoffnung, im geschlossenen, weiter zentraliltisch gedachten ungarischen Staate eine Zuflucht und Ver¬ sorgung für einen König von Gottes Gnaden samt Familie und außer¬ ordentlich zahlreicher Verwondtschaft zu finden. Man hat sich auch da ver¬ rechnet und die Macht der ungarischen Großgrundbesitzer- und Geldmag¬ naten überschätzt. Mon hat sich aber auch getäuscht, als man die dortseitigen Völker über den wahren Wert des großgeschrieenen ungarischen Parlamentes, als ausschließlich dem autokratischen Magnatentum dienender Institution, noch nicht aufgeklärt wähnte, und daher auf beiden Seiten Schiffbruch erlitten.

□ 8 □0 Run zum Gegenstande selbst. Den österreichischen Völkern hat man den Brocken der Teilung in aufonome Volksstaaten hingeworfen; „Rauft euch untereinander darum!“ Die alte Praktik wurde nochmals versucht, die Völker der ehemaligen diesseitigen Reichshälfte gegeneinander auszu¬ spielen. Dies dürfte der Dynastie und ihren hochweisen, hochdiplomatischen k. u. k. Dienftleuten nun nicht mehr gelingen. Die Völker der zerfallenen Erb- und Heiratsmonarchie werden dieses neuerliche Spiel hoffentlich durch¬ schauen, dorauf nicht mehr hineinfallen, sondern in direkter Verhandlung und gegenseitiger Rücksichtnahme jene Grundlagen zu finden trachten, die für das unvermeidliche Nebeneinanderleben als nicht streitsüchtige Nachbarn nötig sind; aber auch die Grundlagen des erfolgreichen Zusommenarbeitens, welche im Hinblicke auf gemeinwirtschaftliche, gegenseitig unterltützende Be¬ fätigung zur Hebung der Kraft gegenüber dem Auslande, und wenn nötig, auch gegenüber Ungarn unerläßlich erscheinen. Die Abdankungsvorgänge zeigten ein ausgesprochenes Doppelspiel. Während man Oesterreich zerfrümmerte, wollte man gleichzeitig den Ungarn den selbitändigen, unteilbaren, aufokratisch-zentralistischen ungarischen Staat sichern und erholten, um dann wohl mit Hilfe dieses ftarken, königlichen Staatsgebildes die im Streite liegenden, kleineren österreichischen Volksstaaten wieder in die Hand zu bekommen und weiter beherrschen zu können. Die öfterreichischen Volksstaaten müssen demgegenüber entschiedenst darauf be¬ stehen, daß auch Ungarn in autonome Volksstaaten, unter Berücksichtigung der Schwaben im Bonate, der Sachsen in Siebenbürgen und der deutschen Zips zerlegt wird. Sie müsfen sich sichern, daß sie Ungarn gegenüber nicht geschwächt dastehen, indem die nichtmagyorischen westlichen Grenzländer zu Deutschöfterreich und dem tschecho-slowakischen Staate geschlagen werden. Soweit über die Ruflösung der früheren Monarchie. Ich komme nun zur Neubildung, zum Neuaufbaue des aufgelösten Oesterreich-Ungarn als Staatendund, der vom wirtschaftlichen Standpunkte unter den derzeitigen Verhältnissen als eine glückliche Lösung und wünschens¬ wert im gegenseitigen Interesle der Volksitaaten erschiene. Es würde an Stelle Oesterreich-Ungarns ein Bund der aufonomen Volksstaaten: Deutsch¬ öfterreich, Tichechoslowakei, Südslawen, Friauler, Magyaren, Serben, Rumänen, Ruthenen, Deufschungarn (Bonat, Siebenbürgen, Zips), zu treten haben. Durch die Russcheidung des zu Polen kommenden weltlichen (pol¬ nischen) Teiles von Galizien, wird der öftliche (ruthenische) Teil desselben und die Bukowina, welche überdies uns stets ferne ablagen, gänzlich von unseren westlichen Volksltaaten getrennt. Diese Sachlage erfordert eine voll¬ ftändige Neugestaltung des Staatsverbandes, welche auf dreierlei Wegen gefunden werden kann, auf einem derselben aber gefunden werden sollte. Diese drei Wege sind folgende: Es bilden alle Völker der ehemaligen Mo¬ narchie paritätisch einen Gesamtbund ihrer autonomen Volksstaaten, oder es wird eine Scheidung in eine weltliche und eine öltliche Staatengruppe vor¬ gezogen, oder endlich, es verbinden sich Deutsche, Ungarn, Friauler, Ruthenen und Rumänen zu einem Staatsverbande, und suchen Bündnisse zum Schutze gegen tichecho-slowakisch-polnisch-südilawische Unduldsamkeit, Herrschlucht und anmaßenden Uebermut. Auf jeden Fall müßten die auf bisherigem öster¬ reichischen und ungarischen Gebiete ansälligen Ruthenen und Rumänen zu autonomen Nationalitaaten der öftlichen Staatengruppe „Ungarn“ vereinigt, von Ungarn aber die weitlichen deutschen und slowakischen Randkomitate

□ 9 10 und Gebiete den bezüglichen Staaten der weltlichen Gruppe „Gesterreich“ die sonft zu sehr geschwächt wäre, einverleibt werden. Hiefür kämen die Komitate Preßburg, Oedenburg, Wieselburg, Raab, Eisenburg, sowie der west¬ liche und südliche von Deutschen bewohnte Teil von Zala bis zum Platten¬ see einerseits und Trencsin, Turocz und Neutra andererseits in Betracht. Die Grenze gegen Ungarn würden demnach beiläufig bilden die Flüsse Neutra und Raab, der Plattensee und eine gerade Linie zum Zusammenfluß der Mur und Drau. Es würden also jene Teile Ungarns zu Deutschöfterreich kommen, resp. zur Tichechoslowakei, welche seinerzeit schon von Oesterreich verteidigt und gegen die Türken gehalten wurden, auf welche also die mit den Türken verbündet gewesenen Ungarn überhaupt keinen Anspruch mehr gehabt hätten, wenn nicht der Zwang der dynastilchen Intereisen sie ihnen unter Maria Theresia wieder zugebracht hätte, um sich die Sympathien und die Krone der sehr unverläßlichen Ungarn zu erhalten. Der Tichecho¬ slowakei würde ein Donau-Freihafengebiet in Preßburg gegen die Iglauer Sprachinseln zugelfanden werden können. Der Anschluß obgenannter deutscher Grenzgebiete Ungarns an Deutsch¬ österreich hätte an und für sich schon auf Grund der in den Punkten Wilsons verbürgten Volksselbstbestimmungsrechte zu erfolgen. Er wäre aber noch reichlich begründet und müßte von den Ungarn selbst, besonders im Um¬ tausche gegen die Bukowina und Oftgalizien, den Deutschöfterreichern angeboten werden, als Dank für die ungeheuren Opfer, die sie für Ungarn in den Karpathen und in Siebenbürgen gebracht haben. Deutschöfterreich erscheint durch diese wesentlich geschwächt und verdient, daß man es stärkt durch Zuweisung dieser Gebiete, welche ihm eine leichtere Ernährung und eine gerechte politische Neueinteilung ermöglichen. Auch würde dadurch eine zentralere Lage und bessere Ernährung der Hauptitadt Wien erreicht. Der zukünftige deutschöfterreichische Staat würde demnach umfassen: die Alpenländer mit den angrenzenden weltlichen deutschen Gebieten Ungarns, den südlichen deutschen Gebieten Mährens und Böhmens, Deutschböhmen, die deutschen Sudetenländer und die deutschen weitlichen Grenzbezirke Galiziens und hätte mit diesem Gebietsausmaße in die Verhandlungen zur Bildung eines österreichischen Volksitaaten-Bundes, unter Zugrundelegung der Schweizer Bundesverfallung, oder zum Anschluße an Deutschland einzutreten. III. Kleinstaaterei oder großzügiger Volksitaatenbund. Staatsform. Im weiteren Husbau des Gedankenganges komme ich zu der sich nun ergebenden Frage: „Was nun, wenn die Völker alle ihre ersehnten selb¬ ständigen Staatengebilde haben, wenn sie nun in der Lage sind, sich ihre staats- und volkswirtschaftlichen Einrichtungen zu schaffen? Wie wollen und sollen sich diese kleinen Volksstaaten, die ehemaligen Staats-, Freudens-, aber mehr Leidensgenossen der Monarchie zu einander stellen? Sollten sie nun voneinander nichts wissen wollen, sich als feindliche Nachbarn streiten, befehden und das Dasein bis zur Unerträglichkeit verbittern wollen? Oder

□ 10 □0 sollen sie trachten - da sie ihre Nationalität sich gesichertrhaben und für ihre Enklaven und kleineren Orts- und Bezirksminderheiten sich gegenseitig Sicherheit schaffen können — ein friedliches und freundschaftliches Aus¬ kommen zu finden. Ich denke, diese Frage beantwortet sich von selbst in letzterem Sinne! Eine andere Frage ist nun die, ob eine solche Lösung zu finden und der dazu führende Weg gangbar erscheint. Ich glaube nun mit ruhigem Gewissen sagen zu können: „Gewiß und gar nicht schwer!“ Der Weg legt auf wirtschaftlichem Gebiete und heißt: Gründung eines „Volksitaaten¬ bundes“ auf Basis gegenseitig entgegenkommender Beachtung und Berück¬ sichtigung der wirtschaftlichen Lage und Interesfen der einzelnen neuen Volksitaaten unter Verhandlung von Volk zu Volk. Jetzt, wo die Husspielung der Völker gegeneinander durch die abgewirtschaftete Regierungskunst aus¬ geschaltet erscheint, wird eine solche Verbündung nicht mehr so schwer fallen, da auch die anderen kleinen Volksstaaten kein Bedürfnis fühlen dürften, das Bild der unseligen deutschen Kleinstaaterei nachzuahmen, sondern das erhebende leuchtende Vorbild des großen deutschen Staaten¬ bundes mit seinen wirtschaftlichen Fortichritten und Erfolgen vorziehen werden. Daß ein friedliches und freundschaftliches Rebeneinander- und Zusammen¬ arbeiten, ein gutnachbarliches Leben zwischen den verhetzten Völkern möglich ist, beweisen mir noch in Erinnerung befindliche Zeiten, zu welchen deutsche und czechische Familien behufs Sprachenerlernung und geschäftlicher oder häuslicher Ausbildung ihre Kinder auf einige Zeit fauschten. Daraus ent¬ standen nicht nur guffreundschaffliche, sondern sogar oft durch Heiraten verwandtschaftliche Beziehungen, wodurch nationale Gehälligkeiten ausge¬ schalfet wurden und besfere Volksbeziehungen sich spannen und knüpften. Ich will nun vom Standpunkte der Volksstaaten die Möglichkeit eines solchen Staatenbundes betrachten, für den meiner Ansicht nach sehr viel, viel weniger aber dagegen spricht. Hiezu muß ich vor allem auf „Deutsch¬ öfterreich“ zu sprechen kommen, in dem sich manche Stimmen für den Anschluß an Deutschland aussprechen. Es wundert mich dies schon lange von den Bismarckverehrern, die doch demselben ihre Anhänglichkeit und Hochschätzung am besten dadurch bezeigen müßten, daß sie in seinem Geilte fortarbeiten und dieser Geilt sah die Aufgabe der öfterreichischen Deutschen eben im Verbande mit „den anderen Völkern“ Ofterreich-Ungarns. Es wundert mich die Anschlußtendenz aber nicht von unseren Sozialdemokraten, welche sicher nicht plötzlich deutschnational geworden sind, sondern einfach in der Sozialdemokratie des Reiches eine starke parteipolitische Stütze zu finden hoffen. Das Bestreben zum Anschluffe an Deutschland könnte ein Irrweg sein, der an Deutschland selbst sein Ende finden dürfte, der aber auch aus wirt¬ schaftlichen Gründen Deutschöfterreichs selbst als solcher und nicht gut gang¬ bar erscheint. Deutschöfterreich ist vorzüglich Industriestaat und nicht in der Lage, seine Bevölkerung selbst zu ernähren, sondern muß hiezu Agrarprodukte einführen. Deutschland ist selbit Industriestaat, muß selblt sehen, seine In¬ dustriegebiete ernähren zu können und muß nun noch dazu besorgt sein, für die in Feindesländern verlorenen, sich neue Absatzgebiete zu suchen. Hat es unter diesen Umständen auch nur das geringlte Interesse, sich das industrielle, ernährungspassive Deutschöfterreich anzugliedern? Gewiß nicht! Es wird die Angliederung aus wirtschaftlichen Gründen ablehnen, aber auch

□ 11 1 aus politilchen Gründen im Hinblicke auf bei den Friedensverhandlungen zu befürchtende, daraus erwachsende andere Abtrennungsansprüche der Ententemächte bezüglich des deutschen Rheines, Polens usw. — Deutsch¬ öfterreich aber wieder, dessen Industrien nur unter dem Zollschutze der ge¬ wesenen Monarchie emporblühen konnte, würde durch den Ruschluß an Deutschland unter der großen deutschen Konkurrenz schwer leiden und dürfte entschieden besfer daran tun, im Volksstaatenbunde auf dem Wege des freundschaftlichen Güteraustausches sein Absatzgebiet in den Agrikulturstaaten der ehemaligen Monarchie zu erhalten und zu sichern. Durch Fallen der Zollschranken würde unsere, noch nicht so hoch ent¬ wickelte Industrie der vollen deutichen Konkurrenz gegenüberstehen, dieser nicht Stand halten können, weil sie auch hinsichtlich der Rohstoffe wesent¬ lich ungünstiger situiert ist. Die Folge wäre großer Lohndruck und Rückgang der Industrie, was Vermehrung der Arbeitslosigkeit zur Folge hätte. Dies sollten die Arbeiterparteien bedenken. Vom Sozialismus allein kann man nicht leben, man muß auch Arbeit und damit Verdienft schaffen und um diese sorgen. Finden sich die selbständig gewordenen Volksitaaten zum Bundes¬ staate zusammen, kann auch die „Triefter-Frage“ keine Schwierigkeiten mehr bieten, das unter gemeinsamer Leitung und Verwaltung „Bundes-Freihafen“ werden müßte, ähnlich den Hansaltädten, mit Freihafengebieten für die ein¬ zeinen Bundesnationen zu direktem Verkehre mit ihrem Binnenlande. Um zu einem Bunde dieser neuen Staaten der Völker-Hutonomie ge¬ langen zu können, erscheint es in weiterer Verfolgung des Gedankenganges nötig, um verschiedenen möglichen Konflikten funlichtt vorzubeugen, daß die Staatsgesetze in ihren Grundprinzipien möglichst gleich und die gewählten Staatsformen möglichft ähnlich seien. Ersteres zu erreichen, dürfte nicht allzuschwer fallen, wenn hinsichtlich der Gesetzgebung leitens der einzelnen Volksitaaten von den Gesetzen der aufgelösten öfterreichischen Reichshälfte, die ja zweifellos manches Gute in sich bergen, ausgegangen wird, und sie nur je nach dem Geschmacke und Wuniche der betreffenden Nation teilweise Umänderung erfahren. Dieser Vorgang ist auch deshalb vorzuziehen, weil jede radikole Umänderung unvermeidlich zur Verwirrung in der Staats-Ver¬ waltung und -Wirtschaft, und damit leicht zum unglücklichen, alles auf den Kopf stellenden, alles vernichtenden Bolschewismus führt. Wie die Geseßze, müssen auch, um ein leichteres Zusammenarbeiten zu erleichtern, die Staatsformen der verbündeten Staaten möglichst ähnliche sein. Im tschechoslowakischen Staatswesen hat und im südslowischen Staatswesen gewinnt wohl die republikanische Strömung und damit diese Staatsform die Oberhand, wogegen im deutschölterreichischen Staate noch eine geheime Strömung einer gewissen Seite für die Beibehaltung der Monarchie zur Geltung zu kommen sucht. Manche werden eben selbit durch die schlimmiten Er¬ fahrungen nicht klug. Bezüglich der Staatsform Monarchie: Republik seien hier zur Beurteilung einige Hauptgesichtspunkte angeführt. Die Monarchie, mit ihrer Erbfolgeberechtigung der Dynastié, bietet eine gewisse Stabilität der politischen Richtung, hat aber zweifellos den Nachteil, daß auf Grund der Erbfolge zum Nachteile des Staates und Volkes unfähige Regenten auf den Thron und zur Herrschaft gelangen können; sie hat weiter den Nachteil, daß sie unbedingt auf aufokratischer Grundlage fußt und immer

— 12 0 wieder zu solchen Tendenzen der Thronenden, auf möglichtte Ausschaltung der Volksrechte und endlich stets zu einem unbegrenzten Protektionswesen führt. Das Bestreben jeder Dynastie ilt zweifellos, sich und ihrer oft recht zahlreichen Verwandtschaft die angenehme einkünftereiche, dynaltische und viele Familienstellungen zu sichern. indem man die ganze Staatsverwaltung durchsetzt mit Anhängern, gleichgültig, ob diese es wert und dozu fähig sind oder nicht. Die Monarchie führt zur Adelsherrschaft und stützt sich auf den Druck und Zwang des Militarismus. Die Republik dagegen hat als Nochteil den Wechsel der Ansichten in der Regierungsrichtung und Politik, welcher aber nicht so sehr in die Wag¬ schale fällt, weil er dem durch die Wohlen zum Rusdrucke kommenden Willen des Volkes entspricht; sie hat aber den unbestreitboren Vorteil, doß Fehler in der Wohl des Staatsoberhauptes bei der nächsten Wohl wieder ausgeglichen werden können, worin schon ein gewiller Druck auf jedes gewählte Oberhaupt liegt, nur im Sinne des Volkes die ihm anvertraute Gewalt auszuüben. Ein weiterer, wesentlicher Vorteil der republikonischen Staatsform liegt zweifellos darin, daß dem Volke — wie besonders vor¬ züglich die Schweiz zeigt — ein ständiges, größeres Mitbestimmungsrecht an seiner Staatswirtschaft zusteht. Das im Mittelalter beitandene Zwischending des Wohlkönigreiches hat sich dodurch als unhaltbar erwiesen, daß ihm der Nachteil der Monarchie anhing. Der einmal gewählte König konnte nicht abgesetzt, seine Wahl konnte, gleich einer eingegangenen Ehe, nur mehr durch den Tod gelöst werden, wenn auch gar oft — wie dies ja in Ehen auch öfters der Fall ist — nach der Wahl, nach der Hochzeit, der erwählte Teil sich ganz anders zeigte als vorher, wo es ihm noch galt, um die ertragreiche, gute Partie zu werben, zu buhlen und Liebe zu heucheln. Ob die Neuzeit noch eine neue Lölungsform findet, um unserem ohne¬ dies schwer betroffenen Deutschöfterreich die Neubildung seines Staates ohne innerpolitische Wirren zu ermöglichen, bleibt dohingestellt. Daß ihm aber diese Wirren erspart werden mögen, das walte Gott und die Nationalver¬ sammlung. Jedenfalls muß seitens aller politischen Parteien unseres neuen Staatengebildes jede Verfolgung porteipolitischer Sonderinteressen vermieden und nur das Volksinteresse im Ruge behalten werden. Mögen auch die Bouern der republikanischen Staatsform sich zu¬ wenden, welche ihrer religiösen Ueberzeugung keinerlei Abbruch tut. Die außerordentliche Entwicklung der Londwirtschaft in den südomerikonischen andwirtschaftlichen Republiken Argentinien, Chile, Brosilien, in der Schweiz usw., zeigt, daß die Republik auch der Landwirtschaft eine gedeihliche Ent¬ wicklung sichert und dabei ihr die schwere Laft des Militarismus ersport. Der Volksstaatenbund hätte seine Vereinbarungen auf alle jene Gebiete zu erstrecken, deren gemeinsame, gleichartige Behandlung, bei Berücksichti¬ gung und Wahrung der Nationalitäten-Intereilen, Vorteile für die einzelnen Staaten bieten würde. Wir haben gesehen, daß, mit Rücksicht auf die Abrechnung mit den anderen Nationenstaaten, seine künftige Wirtschaftsgebarung und die Gebiets¬ forderungen der Entente, Deutschöfterreich sein Heil nicht in erster Linie im Anschlufse an Deutschland zu suchen, sondern diesen Weg erst dann einzu¬ schlagen hätte, wenn Tichechoslowakei, Jugoslowien und Polen ihre ma߬

□ 15 6 losen, gegen das Selbltbeitimmungsrecht der Völker gehenden Ansprüche auf deutsche Gebiete, nicht zürückziehen sollten. In diesem Falle müßte der Anschluß an Deutschland gesucht werden, um mit diesem vereint gegen die Herrschsucht (Imperialismus) dieser drei Völker anzukämpfen und die von ihnen unterdrückten deutschen Gebiete von dem ihnen aufgezwun¬ genen Joche zu befreien. In der Annahme, daß der Weg zur friedlicheren und für alle neuen Nationalstaaten günstigeren Lösung gewählt wird, der es dem ganzen Deutsch¬ öfterreich mit Weitungarn ermöglicht, in einen wirtschaftlich kräftigen Staaten¬ bund mit den anderen neuentstandenen Nationalltaaten vollwertig und gleich¬ berechtigt einzutreten, sei Folgendes zur Erwägung ausgeführt. Die durch den jahrhundertelangen Bestand des alten Olterreich-Ungarn sozusagen in Fleisch und Blut übergegangenen bisherigen Beziehungen der Völker zueinander — nur teilweise öffers durch politische Verhetzungen getrübt — und die daraus herausgewachsene vielfach miteinander enge verknüpfte Intereflengemeinschaft dieser Staaten ließe es — weil von zu gewärtigenden schwersten Schäden gefolgt — wirtschaftlich ganz unverständ¬ lich erscheinen, wenn nicht alle demselben Ziele, dem Volksitaatenbunde, unter Beiseitelegung kleinlicher Herrschsucht zuftreben würden. Deutschöster¬ reich hat auch den Anschluß an Deutschland offen, die Tschechollowakei bei Feindseligkeit gegen die Deutschen das Gegenteil, seine Einkreisung. Der Bund hätte sich mit Rücksicht auf seine wirtschaftlichen Interessen und den wichtigen Meeresanschluß auf die Donau- und Nordost-Adriastaaten zu erstrecken. Es würden somit Tichechoflowakei, Deutschöfterreich, Jugo¬ slawien und Friaul (beltehend aus Kroatien, Krain, Bosnien, Herzegowina, Dalmatien und Itrien) und der Freihafen für diese Staaten, Trieft, als west¬ licher, Ungarn, Ruthenen, Rumänen, Serben und die deutschen Gebiete des Banates, Siebenbürgens und der Zips als öftlicher Teil in Frage kommen. Da von der Mehrzahl dieser Staaten bereits die demokratisch-republikanische Regierungsform gewählt erscheint, hätte diese als Bedingung für die Auf¬ nahme in den Staatenbund zu gelten. Während den Nationalstaaten im Innern Gelegenheit und Freiheit zur Entwicklung der Nation und Staatseinrichtung nach ihrem Geschmacke und Ideen vollltens gewahrt bliebe, hätte der Staatenbund zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit nach außen zu dienen, da er gegenüber dem Zollauslande wesentlich stärker wäre, worin wirtschaftlich größte Vorteile lägen. Auch könnten sich die verbündeten Nationalftaaten in verschiedenen anderen Richtungen gegenseitig günstig unterstützen. Vor allem käme für den Staatenbund in Frage: gemeinsamer Bundes¬ Freihafen Trieft, gegenseitig freier Schiffsverkehr auf der Donau mit Frei¬ hafen Belgrad, zum Bahnanschluffe nach Saloniki; gegenseitig freie Donau¬ stationen, besonders auf der ungarischen Strecke mit Freihafengebieten für die Schiffe der einzelnen Bundesstaaten; Zollunion, wobei die Zölle selbst dem Bestimmungslande der Wore, die festgesetzten Zollmanipulationsspesen aber dem Staate der Eingangsltelle zuzufallen hätten; gleichartige Monopole, wie Tabak, Salz Kohle, Petroleum, Zündhölzchen, Zucker usw., welche Monopolartikel im gegenseitigen Hustausche vom erübrigenden an den dürftigen Staat zu vereinbarten Vorzugspreisen zu überlassen wären; gegen¬ seitiger Schutz vor Steuerflucht (auch für den Völkerbund wichtig) und Steuer¬ hinterziehung; gegenseitige Rechtshilfe und Gläubigerschutz; gegenseitige

□ 14 (0 Verbrecherverfolgung und Ruslieferung; Strafkolonien: Eisenbahn- und Post¬ verkehrsvereinbarungen; Telegraph und Telephonverkehr; Nationalstaaten¬ Postsparkassen mit gegenseitigem direktem Posterlagverkehr, ähnlich dem Postanweisungs-Überrechnungsverkehre; gleiche Währung; gegenseitige Ver¬ kehrssicherung auf Land- und Wasserstraßen usw. Also der Gebiete gemein¬ samer, friedlicher, für jeden einzelnen Nationalstaat vorteilhafter Zusammen¬ arbeit genug. Politische Verhetzung, politischer Haß und Feindschaft haben im Welt¬ kriege entsetzliche Früchte gezeitigt, sich genugsam ausgetobt, Glück vernichtet, Herzen gebrochen, unermeßliche Werte und wertvolle Objekte zerstört, sollte es nicht möglich sein, nun wieder einmal der Vernunft und Einsicht Platz zu schoffen und sich, das Gewesene als abgetan vergessend, die Hände in Freundschaft zum gemeinsamen Wiederaufbaue zu reichen. Dieser Staatenbund hätte eine Bundesregierung zu seiner Vertretung nach Außen und Leitung im Innern zu erhalten. Die Bundesregierung häfte sich aus den drei Präsidenten jedes Staates zu¬ sammenzusetzen, welche aus sich die drei Bundespräsidenten zu wählen häften, wobei abwechselnd jeder Bundesstaat im Präsidium vertreten sein müßte. Die Bundesregierung häfte die bundesstaatlichen Vereinbarungen zu entwerfen, welche von den Parlamenten der einzelnen Staaten zu genehmigen wären. Die Bundesregierung häfte dann die Durchführung der Vereinbarungen seitens der einzelnen Bundesstaaten zu überwachen. IV. Deutschöfterreichs innere politische Neugestaltung. Ich hobe bisher das Verhältnis Deutschöfterreich zu den neuen Staats¬ gebilden und seine Abgrenzung gegen diese behandelt. Ich komme nun zu der politischen inneren Umgestaltung, die sich aus der Neugestaltung der Verhältnisse für unseren Staat „Deutschöfterreich“ ergibt. Die von den Deutschen Ofterreichs zur wirklich aufonomen Bildung ihres Staafes zu fordernden Angliederungen und äußeren Abgrenzungen ermöglichen auch Verschiebungen der Einteilung der inneren Verwaltungsgebiete, die schon längst erwünscht waren, sich als nötig erwiesen und daher angestrebt wurden, aber stets an dem konservativen Standpunkte der Regierung scheiterten. Man wollte an den aus der Feudalzeit stammenden Kronlandsgrenzen nichts ändern lassen, in der Furcht, es könnte dadurch das ganze alte Gebäude baufällig werden und zusammenstürzen. Nun, do dieser Fall dennoch eingetreten ist, können und müssen wir an eine vollkommene Neugestaltung des inneren Staatsaufbaues schreiten, um denselben frei von allem alten Zopfe zu bekommen. Die veralteten Kronlandsgrenzen der Königreiche, Erz- und sonstigen Herzogtümer fallen mit den Königen, Erz- und sonftigen-Herzogen, sie haben sich als solche zusammen überlebt und sollen zeitgemäß berichtigt werden. Daß Oesterreich in soviele im Reichsrate schlecht vertretene, verschieden ge¬ leitete Länder zerfiel, war mit eine Schwäche gegen das zentralistische, große Ungarn. Daher weg mit diesen historischen Gebilden für dynastische Titel, Münzaufschriften und Woppensammlungen in alter Form. Deutschöfterreich ist ein geeinter Staat, in selbem sollte ein Name „Deutschöfterreich“ ein

□ 15 10 Wappen, das vom Nationalrate geschaffene, mit Stadttor und im goldenen Rehrenkranze gekreuzte rote Hämmer, und nur mehr eine Staats-oder Landes¬ farbe „rot-weiß-rot“ voranstehen. Die früheren Staatengebilde Oesterreichs, welche ganz nach Gutdünken der Herrschgewaltigen auf Grund von Zuheiraten, Kriegszügen usw., ganz ohne Rücksicht auf etwaige Wünsche der Bevölkerung oder Bedürfnisse des Verkehres geschaffen wurden, haben sich überlebt, die Neubildung, bezw. Neueinteilung von Jung-Oesterreich soll auf Grund der Wünsche der Bevöl¬ kerung und der Verkehrsbedürfnisse erfolgen. Die früheren Landes- und Bezirkseinteilungen stammen noch aus den Zeiten, wo Straßen und Flüsse die einzigen Verbindungsmittel bildeten. Sie sind überholt durch die Bahn¬ verbindungen, welche andere praktischere Bezirkseinteilungen erfordern und möglich machen. Auch sollen nicht die Wasserläufe, sondern die wasser¬ scheidenden Höhenrücken Kreis-, Bezirks- und Gemeindegrenzen bilden. Die Neueinteilungen können unter Anhörung der Zufeilungssonderwünsche ein¬ zeiner Gebiete oder Orte erfolgen. Die Einteilung unseres neuen Staates ließe sich nun auf zweierlei Art bewerkltelligen: Entweder man läßt die Länder unter zeitgemäßen Grenzberichtigungen bestehen und bildet in ihnen Kreisverwaltungen; oder man läßt die Länder¬ verteilung ganz fallen und bildet ausschließlich von der Zentral-Staatsgewalt beherrichte Kreise (Kantone). Ich bekenne mich zu ersterer Art, da ich keinesfalls radikole Umstürze, sondern immer nur einen steten, verbeffernden Ausbau für das richtigere und bessere halte. Speziell in dieser Frage spielen auch die ethnographischen Momente eine große Rolle und hielte ich es nicht für zweckmäßig, dieselben ganz aus den Augen zu lassen. Unser Deutschöfterreich umfaßt Deutsche ver¬ schiedener Stammeszugehörigkeit und Choraktereigenschaft und haben sich dieselben angewöhnt, ihre Stammesunterschiede auf die Heimatländer zurück¬ zuführen oder zu übertragen und sich nach diesen zu bezeichnen. Sie hängen daher mit einem gewissen Stolze, mit einer gewissen Freude und Liebe an ihrem kleineren, engeren Heimatslande. Wir wollen ja nun an Stelle des Völkerstaates Oesterreich ein Volksstaat sein und dürfen doher nicht den Fehler begehen, dem Volke diese seine Herzensfäden zu zerreißen, mit denen es an seiner engeren Heimat hängt, denn diese Herzensfäden werden sich dann auch auf den Staat überspinnen, welchem dieses engere Reimatland sich angeschlossen hat. Hlso bleiben wir bei der weniger zentraliltischen Ländereinteilung, aber berichtigen wir die Grenzen der Länder zeitgemäß. Unsere deutschen Länder haben im beendeten Weltkriege die größten Opfer an Gut und Blut für Alt¬ Oesterreich gebracht, der Bundesstaat Neu-Oesterreich soll ihnen die Aner¬ kennung, den Lohn dafür nicht verlagen, es soll ihnen allen nach Möglichkeit eine Landesvergrößerung und damit wirtschaftliche Stärkung zuerkennen. Es würden sich folgende Grenzverschiebungen empfehlen: Wien bildet ein selbständiges Verwaltungsgebiet, aus mehreren Kreisen bestehend. Niederöfterreich erhält: die deutschen Teile der Komitate Preßburg, Wiesel¬ burg und Oedenburg, sowie die Gerichtsbezirke Göding, Nikolsburg, Znaim, Jamnitz, Datschitz und Neubistritz;

□ 16 1 endlich wegen dei günltigeren Bahnverbindung den Gerichtsbezirk Maria-Zell. Niederölterreich gibt ab: an Oberöfterreich: die Bezirkshauptmannschaften Amftetten, Gaming, Scheibbs, den Gerichtsbezirk Ubbs und die Stadt Woidhofen a. d. Obbs. Die Grenze zwischen den beiden Oesterreich würde dem¬ nach nicht mehr, ganz unbegründet und unzeitgemäß, eine kurze Strecke die Enns bilden, wir hätten demnach nicht mehr ein Oesterreich ob und unter der Enns, sondern ein Ober- und Niederösterreich. Oberöfterreich erhält: außer vorstehenden Gebieten noch die deutschen Gebiete Südböhmens und die Bezirkshauptmannschaft Liezen, sowie die Gerichtsbezirke Rußee und Irdning von Steiermark. Oberöfterreich gibt dagegen ab: die Bezirkshauptmannschaft Braunau a. Inn und die Gerichtsbezirke Frankenmarkt und Mondsee an Salzburg. Salzburg erhält: außer vorerwähnten Gebieten die Gerichtsbezirke Gröbming und Schladming und von Boyern das Berchtes¬ gadener Land mit Reichenhall. Salzburg gibt dafür ab: die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg an Kärnten, den Gerichtsbezirk Lofer an Tirol. Kärnten erhält: die Bezirkshauptmannschaften Tamsweg und Murau und die Gerichtsbezirke Lienz und Weißenfels. Steiermark gibt ab: die Bezirkshauptmannschaften Liezen, Gröbming, Murau und den Gerichtsbezirk Moria-Zell. Steiermark erhält dafür: die deutschen Gebiete der Komitate Eisen¬ burg und Zala. Es würde damit noch mehr, was es immer war, die Murmark, da in ihrem Gebiete weder die Stadt Steyr, noch auch der Fluß Steyr sich befand oder befindet, Es hätte dann, wie auch die anderen Länder, eine ab¬ gerundete Form gewonnen, mit zentral gelegener Houptstadt. Ein Steyrmark müßte eigentlich aus dem Gebiete der Steyr und Enns beftehen und die Bezirkshauptmann¬ schaften Steyr, Amitetten, Kirchdorf, Liezen und die Gerichtsbezirke Eisenerz, Waidhofen a. d. Ubbs und Enns mit der Hauptstadt Steyr umfassen. Tirol würde bei Abgang des Gerichtsbezirkes Lienz und Zu¬ gang des Gerichtsbezirkes Lofer ziemlich gleich bleiben. Der Entfall des ewigen Zankapfels Welschtirol sollte eigentlich nicht als Verlust gelten. Den Deutschtirolern könnte ein Gebietszuwachs infolge ihrer geographischen Lage nur noch geboten werden im obersten Lechtale, wogegen Liechtenltein an Vorarl¬ berg anzugliedern wäre. Dagegen müßte, als Anerkennung für seine treue Mitkämpferschaft, Tirol von den anderen deutschöfterreichischen Landen ein Vorteil dadurch ge¬

□ 17 □ boten werden, daß diese finanziell zusammenwirken zur Ermöglichung der Vintichgaubahn. Dies von den deutichen Alpenländern. Was nun Deutschböhmen und das Sudetenland anbelangt, gehört zur Lebensmöglichkeit dieser beiden abgetrennten Glieder Deutschölterreichs, welche noch dazu durch einen tschechischen Einschnift von einander geschieden sind, daß der Glatzer Kessel zur Stärkung mit Deutschöfterreich vereinigt wird, wodurch Deutschböhmen und Sudetenland ein Bindeglied erhalten, welches es ihnen ermöglicht, über deutschen Boden miteinander unbehindert zu verkehren. Diese so abgerundeten, den Hauptverkehrswegen der Eisenbahnen an¬ gepaßten, neu geformten Länder, wären wieder in Kreise, bestehend je aus mehreren dann entfallenden Bezirkshauptmannschaften mit möglichst zentral in ihnen gelegener Kreishauptstadt, zu feilen. Auch in den einzelnen Gerichts¬ bezirken könnten Grenzverschiebungen, den jetzigen Verkehrsverhältnissen und etwaigen anzumeldenden Wünschen der Bevölkerung entsprechend, vor¬ genommen werden. Ruch in den Gemeinden selblt wären Henderungen vorzunehmen, indem man eine möglichtte Ausgleichung nach Größe der Landgemeinden vornimmt, evenfuell durch Teilung und Schaffung neuer Gemeinden unter Heranziehung der einzuziehenden Fideikommiß- und Krongüter. Dabei wäre dorauf Rücksicht zu nehmen, daß auch den Städten eine größere Entwicklungs¬ möglichkeit geboten wird, indem man ihre einengenden Stadtgrenzen durch Angliederung von angrenzenden Landgemeindegebieten erweitert, ihnen damit auch die Ernährungsmöglichkeit — durch Sicherung eines größeren Ver¬ sorgungsgebietes — erleichtert. „Leben und leben lassen“ muß jetzt das Gegenseitigkeitsprinzip der drei Stände in unserem neuen Volksstaate sein. Nur auf den Grundsäten der einsichtsvollen Nachgiebigkeit, ver¬ nünftigen, gegenseitigen Entgegenkommens und Berücksichtigung der Lebensmöglichkeiten und der Lebensbedingungen und Bedürf¬ nisse jedes einzelnen der drei Staatsbürgerstände, nur auf der so¬ genannten „Brüderlichkeit“, kann sich ein glückliches Zusammenleben, eine erfolgreiche Staatswirtschaft entwickeln. Sie wird sich dann aber auch ent¬ wickeln. V. Innerer Rufbau. — Reformen. So wir nun mit dem Bau unseres Staatsgebäudes fertig sind, dasselbe in seine Räume eingeteilt, gegen unsere Nachbarn abgegrenzt und unser Verhältnis zu diesen beachtet und geregelt haben, können wir zur Ein¬ richtung schreiten. Wir wollen uns dasselbe möglichst wohnlich gestalten, dem Streite der innewohnenden Parteien möglichft vorbauen und deshalb bei dieser Neueinrichtung tunlichlt jene Hauptmängel der alten Einrichtungen gleich beseitigen, welche bisher zu Differenzen und Streit vorherrschend Anlaß gaben. Wie wiederholt betont, bin ich Gegner jedes, den ganzen Staat schädigenden, verwirrenden Umsturzes und halte es entschieden für richtiger, das Bestehende verbeffernd auszubauen, indem man fehlerhafte Teile durch neue ersetzt, ohne dos ganze Staatsgefüge ins Wanken zu

□D 18 □0 bringen. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, möchte ich nun gewisser¬ maßen programmatisch einige mir besonders wichtig für das Gedeihen unseres jungen Staatswesens erscheinende reformbedürftige Teile der alten Staatseinrichtung besprechen und Vorschläge zur Besserung machen. Durch deren Berücksichtigung würden wichtige Streitpunkte ausgeschaltet und damit die Grundlage für ein längeres gemeinnütziges Zusammenarbeiten der verschiedenen Parteien unseres Staatswesens angebahnt. Wir brauchen dieses Zusammenarbeiten aller Stände und Parteien im Intereile unseres schwer geschädigten Volkes und geschwächten Staates, zu desfen Wiederaufbau, zur Stärkung und zur Heilung der erlittenen Schäden. In erster Linie ist wirtschaftliche Betätigung und fleißige Arbeit, und zu diesen wieder innere politische Ruhe dringendlt nötig. Jede Partei muß im Intereise des Ganzen etwas nachgeben und entgegenkommen. Freistaat (Republiß). Bereits im Abschnitte IlI habe ich meine diesbezüglichen Anlichten zum Rusdrucke gebracht. Ich würde es für vollständig verfehlt halten, die Wieder¬ einsetung des gänzlich abgewirtschafteten Herrscherhauses ins Ruge zu fassen, welche uns über kurz oder lang doch wieder die alten nachteiligen Zustände einseitiger, auf der Offiziersmacht und Adelsprotektionswirtschaft aufgebauter Familienpolitik brächte, unter der das öffentliche Leben leider ganz unglaublich korrumpiert wurde. Wir wollen einen Staat, in dem nicht der beste Heuchler, Duckmäuser und Schliefer, oder der größte Dummkopf, weil er zufällig ade¬ ligen Namen führt, sondern der tüchtige, fleißige, wirtschaftliche und ordent¬ liche Mensch es vorwärts bringt, mit einem Worte einen Staat, in dem der Mensch nicht nach Abitammung, Katzbuckeln oder Kirchenrutschen, sondern nach fähigkeit, Leiftung, wirtschaftlicher und solider Lebensweise gewertet wird. Nur derjenige, der durch geistige oder der Hände Arbeit gutes leiftet, ist ein wertvolles Glied für den Staat, ist ein vollwertiger Staats¬ bürger, ein schätzenswerter Mitbürger. Staatsbürger. Als Bürger der Republik von Deutschöfterreich gilt gegenwärtig jeder, der jetzt in selber wohnt und sich zu selber als Deutscher bekennt, Alle anderen gelten als Husländer. Im Lande nicht gebürtige oder erst durch das frühere Heimatsgesetz zultändig gewordene haben einen Treueid dem Staate Deutschölterreich zu leiften und sich zur deutschen Staatssprache zu bekennen, widrigens sie ihrer Ansäffigkeit verlustig gehen. Nachträgliche Umgehung oder Nichtbeachtung des Eides müßte den Verluft des Heimats¬ rechtes nach sich ziehen Die seit Kriegsbeginn in Deutschösterreich ein¬ gewanderten Perionen haben in ihre Heimat unverzüglich zurückzukehren, sie können die Staatsbürgerschaft jetzt nicht erwerben. Künftig ist die Hufnahme von Ausländern in den Staatsverband nur nach zwölfjähriger Seßhaftigkeit auf Grund eines Ansuchens an das be¬ treffende Land möglich, welches eine etwaige Bewilligung auf Anhörung der Kreis- und Ortsbehörde erteilt, in denen der Anluchende seinen Wohnsitz gewählt hat. In Ausnahmsfällen kann die Dauer der Seßhaftigkeit ab¬ gekürzt werden.

□□ 19 □0 Ausländer können in Deutschöfterreich Realbesitz (Gebäude, Grund oder Boden) nur mit Genehmigung des betreffenden Londes, im Einvernehmen mit der obersten Staatsbehörde, nach Anhörung der Kreis- und Ortsvorftehung erwerben oder pachten. Stände. Die Republik Deutschöfterreich kennt nur schaffende Bürger und dem¬ nach nur drei Stände, den Arbeiter-, Bauern- und Bürgerstand, welche gleiche Rechte im Staate genießen, die ihnen in Form des allgemeinen, geheimen, gleichen, direkten Wahlrechtes gewährleiftet werden, welches für alle öffentlichen Wohlen zu gelten hat. Der Arbeiterstand umfaßt alle im Lohnverhältnisse ftehenden Arbeiter und Bediensteten der Stadt, des Landes, des Staates und Privater, der Industrie, des Handels und Gewerbes, Land- und Forstwirtschaff und des Bergbaues. Der Bauernstand umfaßt alle selbständigen Bürger, deren hauptsäch¬ licher Beruf die Bearbeitung ihres Grundbesitzes, sei er land- oder forft¬ wirtschaftlich, bildet. Der Bürgerstand endlich umfaßt alle selbltändigen Gewerbe-, Handel¬ und Industrietreibenden und die feltbesoldeten Angestellten (Beamten) dieser Berufe. Dem Bürgerstande gehören auch an alle Staats-, Landes- oder Gemeindebeamten einschließlich der Gemeindesekretäre oder Gemeindeschreiber, die Lehrerschaft, alle akodemisch Gebildeten. Die Beamten der Forst-, Berg¬ bau-, Verkehrs- und Versicherungsunternehmungen- und Verwaltungen, sowie der Finanzinstitute. Die Geiltlichkeit aller staatlich anerkannten Religions¬ genossenschaften. Die Pensionsversicherungspflichtigen laut P.-U.-G., Künstler. Die Besitzer von Zinshäusern, Villen und Kleinhäusern. Es ist hiebei gleich¬ gültig, ob diese Berufsangehörigen nebitbei einen Grundbesitz betreuen, in der Stadt, im Markte oder am Lande ihren Sitz haben, Wahlrecht. Das bisherige allgemeine Wahlrecht war keine aufrichtige Schöpfung. Nan hatte die Städte- und Industrieorte-Kurie, also die der Industrie, des Handels und Gewerbes, aufgelassen und sie gegen die Arbeiter ausgespielt. Die gleichzeitige Huflassung der früheren Großgrundbesitzer-Kurie war nur zum Scheine erfolgt, man schuf dafür mehr Landgemeinde-Mandate, so daß die Herren Großgrundbesitzer auf diesem Wege wiederum bei ihren Mandaten und bei ihrem Einflusse blieben. Nunmehr soll für die Nationalversammlung, den Landfag, den Kreisraf, den Gemeindeausschuß jeder männliche und weibliche Staatsangehörige nach Erreichung des 24. Lebensjahres eine Stimme zu direkter, geheimer Wahl haben. Mit Erreichung des 30. Lebensjahres kann er in diese Körper auch gewählt werden. Die Wahlen erfolgen gemeindeweise. Die Wähler geben ihre Stimm¬ zettel in gleichartigen Kuverts ab. Die gemischte Gemeinde-Wahlkommillion überprüft die Wohlousweise und läßt die Wähler nach Durchschreitung der Wohlzelle ihre Stimmkuverts in die Urne legen. Die mit der Abstreichung in der Wählerlifte übereinstimmende Anzahl Kuverts werden eröffnet und nach Stimmzählung in geschlossenem Akte an die Hauptwahlkommission in die Kreishaupfstadt gesandt. Dort erfolgt die Ueberprüfung der Stimmzählung für den ganzen Wahlkreis.

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