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Furcht, durch Vernachlässigung des Seelenheils seiner Unterthancn
sich die Qualen der Hölle zuzuziehen, als die persönliche lieber
zeugung, dass Protestantismus und Auflehnung gegen die katholische
Regierung gleichbedeutend seien und dass ein katholischer Fürst ans
die Treue seiner evangelischen Ilnterthanen nicht zählen könne. Al§
Beispiel seiner Unselbständigkeit sei ans dem Berichte des päpstlichen
Nuntius (Botschafters) folgendes erzählt: Als der Nuntius Caraffa
in ihn drang, Böhmen von der Ketzerei vollständig zu reinigen,
rieth ihm sein Beichtvater Lamormaini, über die gänzliche Durch
führung der Gegenreformation ernstlich nachzndcnken und sich bitrcl)
Empfang der heiligen Communion daraus vorznbereiten, woraus
der Jesuit sich vier Tage in sein Collegium zurückzog; als er dann
wieder zum Kaiser kam, erklärte ihm dieser, dass der heilige
Geist ihn erleuchtet und angewiesen habe, allen Rath-
schl ä gen seines Beichtvaters zu folgen.
Die Maßregeln, welche Ferdinand, nach seiner Meinung durch
Erleuchtung des heiligen Geistes traf, waren folgende: Die evan
gelischen Prediger wurden des Landes verwiesen, katholische Priester,
von denen manche nicht einmal die Messe zu lesen verstanden, ein
gesetzt, manchmal zugleich für 6 und 8 Pfarren ein einziger. Die
Bürger und Bauern wurden unter Androhung hoher Geldstrafen
oder der Entziehung des Gewerbes aufgcfordcrt, in einer bestimmten
Frist zur katholischen Religion überzutrcten. Bei jenen, welche nicht
gehorchten, wurden an manchen Orten Soldaten, sogenannte „Selig
macher" einguartiert, welche sich oft die empörendsten Gewaltthaten
erlaubten ; nur durch Vorweisung eines Beichtzettels konnte man sich
von diesen fürchterlichen Gästen befreien. Schließlich wurden diese
Einquartierungen zur Regel gemacht und der Kaiser erreichte dadurch
in der That die gewünschten Erfolge. Entweder gehorchten die
Bewohner dem Zwange oder entflohen in die benachbarten deutschen
Länder. Da die zuletzt bestellte Reformations-Commission an einzelnen
Orten gegen die Widerspenstigen selbst Kerkcrstrafen und Hunger
kuren anwendete, so wurden Städte und Dörfer endlich katholisch.
Doch brachen in mehreren Kreisen Bauernaufstände aus, die mit
Mord und Brand gegen katholische Geistliche und Grundherren
wütheten, bis der bedeutendste Haufe durch Kriegsvolk besiegt und
ihre Anführer gehängt, gerädert, gespießt oder wenigstens verstümmelt
oder gebrandmarkt wurden54). In gleicher Weise wurde Mähren
behandelt.
Zur Entschuldigung Ferdinand II. wurde bisher die damalige
Geistesrichtnng und seine tiefe religiöse Ueberzengung ins Feld geführt.
Die neue st e Forschung hat auch diese Entschuldigungsgründe zer
stört ; die Berühre des Nuntius an seinem Hose zu Graz an den
päpstlichen Staatssecretär, welche im päpstlichen Archive in
Rom noch vorhanden sind, zeigen, dass Ferdinand nur äußerlich
der katholischen Kirche angehörte, dach cs ihm aber an innerlichem