Geschichte des katholischen Frauen-Vereins in Steyr

1. Theil. Geschichte des katholischen Frauenvereines in seinem fünfundzwanzigjährigen Bestande. Erstes Kapitel. Entstehung, Schutzpatrone und Feste, Zweck, Existenz¬ mittel, Organisirung und behördliche Genehmigung des katholischen Frauenvereines in Steyr. Entstehung des Frauenvereines. Die Entstehung des katholischen Frauenvereines in Steyr fällt in jene Zeit, in welcher das katholische Vereinsleben in Oester¬ reich überhaupt neu erwachte und allwärts herrliche Blüthen trieb. Das Verdienst, den katholischen Frauenverein ins Leben ge¬ rufen zu haben, gebührt dem damaligen Vorstadtpfarr=Kooperator Hochw. Herrn Karl Aigner, für dessen Wirken auf dem Gebiete der christlichen Nächstenliebe das Kranken= und Waisenhaus zu St. Anna unter der opfervollen Leitung der barmherzigen Schwestern vom heil. Vinzenz von Paul glänzendes Zeugniß geben. Die konstituirende Versammlung des katholischen Frauen¬ vereines fand am 17. Jänner 1850 im Hause des Herrn Bresl¬ mair, Bürgers in der Vorstadt Aichet Nr. 370, statt. 69 Frauen und Jungfrauen meldeten sich an diesem Tage zum Beitritte in den neuen Verein, dessen Mitgliederzahl sich, gewiß ein lauter, unwiderleglicher Beweis für die höchst zeitgemäße Entstehung und Lebensfähigkeit des Vereines, noch im Laufe desselben Jahres auf 147 erhöhte und bis August 1852 die Anzahl von 208 erreichte.

2 Die monatlichen Vereins=Versammlungen fanden bis anno 1862 in dem damals zum Exjesuiten=Gebäude gehörigen und demselben gegenüberstehenden (nun Werndl'schem) Hause statt. Seit Ende 1862 bis jetzt jedoch wurden diese Versammlungen im Ex jesuiten-Kollegium abgehalten. Schutzpatrone und Feste des Frauenvereines. Der Frauenverein stellte sich unter den Schutz der seligsten Jungfrau und des heil. Vinzenz von Paul und später noch unter den Schutz der heiligen Elisabeth. Als Hauptfeste des Vereines wurde das Fest der unbefleckten Empfängniß Mariä (8. Dezember) und das Fest des heil. Vinzenz von Paul am (19. Juli), festgesetzt. Mit hochwürd. bischöflicher Ordinariats=Erlaubniß ddo. 4. März 1871 wurde der katholische Frauenverein laut Diplom vom 2. April 1871 dem „Gebets¬ apostolate" aggregirt und so indirekt dem „Göttlichen Herzen Jesu geweiht. Zweck des Frauenvereines. Als Zweck des katholischen Frauenvereines ward festgesetzt, an den leidenden und dürftigen Mitmenschen die Gott so wohlgefällige Nächstenliebe zu üben und dadurch auch das eigene Seelenheil zu befördern. So weit sich die Nächstenliebe erstreckt, so weit erstreckt sich auch die Wirksamkeit des Vereines, insoferne es sich für Frauen geziemt. Ist im Allgemeinen Niemand, er mag in was immer für einer Hinsicht hilfsbedürftig sein, von der thätigen Hilfeleistung des Vereines ausgeschlossen, so wendet doch derselbe seine besondere Auf¬ merksamkeit folgenden drei Klassen Hilfsbedürftiger zu: a) Armen verwahrlosten Kindern, um sie nach Kräften dem Müssiggänge und Laster zu entziehen und ihnen durch eine christliche Erziehung eine glückliche Zukunft zu begründen; b) hilflosen Kranken, um ihnen Trost, Hilfe und Unterstützung zu verschaffen und c) wahrhaft Armen, um ihnen in ihrer Noth zu Hilfe zu kommen. Existenzmittel des Frauenvereines. Die Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes sollten durch die bestimmten Beiträge und durch die persönlichen Opfer der Mit¬

3 glieder, sowie durch außerordentliche Geschenke und Vermächtnisse edler Wohlthäter aufgebracht werden. Organisirung des Frauenvereines. Ein Ausschuß, an dessen Spitze die Vorsteherin und ein Prie¬ ster als geistlicher Rathgeber des Vereines statutengemäß gestellt wurde, besorgt die Leitung des Vereines. Als erste Vorsteherin wurde Frau Anna Maria Molterer, Ahlschmiedmeisters-Witwe in Steyrdorf, gewählt und als geistlicher Rathgeber fungirte der Gründer des Vereines, Hochw. Herr Karl Aigner. Eigene Statuten regeln sämmtliche Angelegenheiten des Vereines. Ein jährlicher Jahresausweis, der seit 1871 gedruckt den Mitgliedern und Wohlthätern ausgefolgt wird, berichtet über die Leistungen des Vereines im abgelaufenen Vereinsjahre. Behördliche Genehmigung. Es konnte nicht verfehlen, daß der katholische Frauenverein ob seiner edlen Aufgabe, die er sich gesetzt, sich bald der vollsten Zu¬ neigung der Bevölkerung erfreute. Auch die k. k. Behörde nahm die Gründung des Frauenvereines, wie aus folgendem Erlasse ersicht¬ lich wird, ungemein wohlwollend auf. Nr. 2380. Von der k. k. Bezirkshauptmannschaft Steyr. An die Frau Anna Maria Molterer, Ahlschmiedmeisters-Witwe Ex off. in Steyrdorf Indem ich Ihre Anzeige vom 10. d. M. über den hier bestehenden katholischen Frauenverein zur Uebung thätiger Nächstenliebe, mit Rücksicht auf den §. 1 des Gesetzes über das Vereinsrecht vom 17. März 1849, zur ange¬ nehmen Nachricht nehme, wird es mich erfreuen, wenn es dem Bestreben dieses wohlthätigen Vereines gelingt, durch zahlreiche Theilnahme zur Verminderung der Leiden hilfsbedürftiger Mitmenschen mitwirken zu helfen. Steyr den 13. April 1850. Heiß. Der Fortbestand des katholischen Frauenvereines mit den, dem allerhöchsten Vereinsgesetze vom 26. November 1852 gemäß, in einigen Punkten abgeänderten Statuten wurde laut Dekret Z. 426 Präs. der hohen k. k. Statthalterei ddo. 3. April 1854, genehmiget. Im Jahre 1859 ward von Seite des damaligen geistlichen Rathgebers des Vereines, des hochw. Herrn Kooperator Jakob

4 Wiesinger, um schriftliche Approbation des Vereines und Zu¬ sicherung der Obhut beim hochwürdigsten bischöflichen Ordinariate bittweise eingeschritten. Das Bittgesuch lautet: Hochwürdigstes bischöfliches Ordinariat Linz! Der katholische Frauenverein von Steyr, gegründet im Jahre 1850 und seit dem 3. April 1854 von Sr. Excellenz dem Herrn Statthalter genehmiget, entbehrt noch immer eines gewiß wesentlichen Stückes, um wahrhaft katholisch genannt werden zu können, nämlich der ausdrücklich ausgesprochenenen Appro¬ bation seines rechtmäßigen Diözesanbischofes. Ueberzeugt, der Segen von Oben werde dem bezeichneten Vereine gewiß noch reichlicher zugewendet, wenn er ganz im Sinne und Geiste seines recht¬ mäßigen Bischofes wirkt, wagen es die gehorsamst Unterzeichneten im Namen desselben, an Ein hochwürdigstes bischöfliches Ordinariat die ehrfurchtsvollte Bitte zu stellen, demselben Hochdero Genehmigung ertheilen und die gnädigste Obhut zusichern zu wollen. In dieser Absicht erlauben sie sich die Statuten des Vereines beizulegen und zugleich zu bemerken, daß der Verein nicht ganz 200 Mitglieder zählt, von denen der sogenannte Ausschuß die ausübenden Mitglieder bis jetzt bildet. Die Mit¬ glieder überhaupt sind theils hiesige Bürgersfrauen und Töchter, theils Dienst¬ boten von der Stadt und nächster Umgebung. Den Ausschuß bilden folgende Frauen: 1. Franziska Reichl, bürgerliche Feilhauerin und zugleich Ober=Vorsteherin. 2. Barbara Schütz, gleichfalls bürgerliche Feilhauerin und Stellvertreterin der Vorsteherin. Katharina Breslmair, bürgerl. Scheerschmiedin und zugleich Kassierin des Vereines. 4. Susanna Nußbaumer, bürgerl. Gastwirthin, 5. Maria Hochegger, bürgerl. Eisenhändlerin. 6. Josefa Blumauer, Hausbesitzerin. 7. Barbara Degenfellner, Eisenhändlerin, 8. Katharina Sailler, bürgerl. Schleifermeisterin. 9. Barbara Heimböck, Nähterin. 10. Anna Stadler, Weißwaarenhändlers=Tochter. 11. Schließlich Kooperator Jakob Wiesinger, als geistlicher Rathgeber. Der Verein entwickelte im Jahre 1858 seine Thätigkeit also: es wurden namentlich 7 Kinder, ganz verwahrlost, unter besondere Obhut und Pflege gestellt, mehrere andere in christlichen Familien untergebracht und theilweise auf Kosten des Vereines versorgt, armen Kranken durch Besorgung der nöthigen Krankenkost, Pflege und Wartung, wie durch Reinigung ihrer Wäsche und Woh¬ nung Hilfe gebracht: auch wahrhaft Hausarme wurden mit Mehl, Brod, Holz und theilweise auch mit Kleidung und Wäsche unterstützt. Die gehorsamst Gefertigten gaben ihren Entschluß, die bischöfliche Appro¬ bation und Hochdesselben gnädige Obhut ehrfurchtsvollst erbitten zu wollen,

sämmtlichen Auschußmitgliedern des Vereines kund und die Freude hierüber ward groß und allgemein: deßhalb können auch selbe Einem Hochwürdigsten bischöflichen Ordinariate in Wahrheit und mit gutem Gewissen versichern, der Verein werde gewiß nie anders als im Sinne und allfälligen hohen Auftrage von Hoch deroselben handeln. Einer gnädigen Resolution der ehrfurchtsvollst gestellten Bitte mit Sehn¬ sucht entgegenharrend, zeichnen sich die gehorsamst Gefertigten. Im Namen des katholischen Frauenvereines von Steyr am 19. Jänner 1859: Jakob Wiesinger Kooperator und geistlicher Rathgeber. Franziska Reichl Ober=Vorsteherin. Beide Bitten wurden wie nachfolgendes Dekret beweist, huld¬ vollst gewährt. 3. 822. Der katholische Frauenverein von Steyr wird hiemit von Seite des bischöflichen Ordinariates genehmigt und demselben Schutz und Obhut zu¬ gesichert. Vom bischöflichen Ordinariate. Josef Schropp, Kanzler. Linz, 14. Februar 1859. Zweites Kapitel. Wirksamkeit des Frauenvereines. Der katholische Frauenverein legte gleich nach seiner Gründung rasch Hand ans Werk, um durch Uebung werkthätiger Nächstenliebe dem Zwecke des Vereines gerecht zu werden. Und Gott dem Herrn. von dem alle guten Gaben kommen, sei Lob und Preis! Die Wirk¬ samkeit dieses katholischen Vereines kann eine recht gesegnete genannt werden. Ohne von den zahlreichen persönlichen Liebesopfern und Dienstleistungen zu reden, welche vom Vereine Armen, Kranken und Hilfsbedürftigen jeder Art liebevoll erwiesen wurden, möge bei¬ folgende ziffermäßige Zusammenstellung die Thätigkeit des Vereines in seinem 25 jährigen Bestande vom 13. April 1850 bis Ende 1874 einigermaßen beleuchten.

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7 Außerdem wurden bedeutende Quantitäten von abgenützten Kleidungsstücken, Leib= und Bettwäsche unter wahrhaft Hausarme zur Vertheilung gebracht. Anläßlich des 25 jährigen Jubiläumsfestes Sr. Heiligkeit Pius IX. wurde Sonntag, 18. Juni 1871, bei den Kirchenthüren eine Kollekte zum Besten der Hausarmen veranstaltet, wovon durch den Frauenverein 100 fl. zur Vertheilung gelangten (91 fl. jedoch durch den St. Vinzenz=Männerverein). Der katholische Frauenverein hat sich ferner, wie in dem 2. Theil dieses Büchleins dargelegt wird, der Anstalt armer Schutz¬ kinder angenommen und trägt in seinen Mitgliedern ungemein viel zum Unterhalte dieser für Steyr anerkanntermaßen so wohlthätig wirkenden Anstalt bei. Trotzdem daß der Frauenverein alle seine Kräfte zum Dienste und zur Unterstützung der Armuth und des Elendes aufbot, ließ es sich der Verein nicht nehmen, da eben die christliche Liebe keine Grenzen kennt, auch über das nächste Ziel des Vereines hinaus, überall dort theilnahmsvoll einzugreifen, wo echter Patriotismus und katho¬ lische Glaubenstreue zu thätiger Theilnahme rufen. Im Jahre 1866 erging nachfolgende, vom Patriotismus durchglühte behördliche Einladung an die Vorstehung des katholischen Frauenvereines in Steyr. An die löbliche Vorstehung des katholischen Frauenvereines in Steyr. Nr. 30 präs. Löbliche Vorstehung! Die gegenwärtigen, durch unabweisliche Nothwendigkeit für die Wahrung der Rechte und des Besitzes unseres hochsinnigen Monarchen und die Vertheidigung des Bestandes und der Ehre unseres großen Vaterlandes hervorgerufenen kriege¬ rischen Zeitverhältnisse machen der Bevölkerung unseres von auswärtigen Fein¬ den durch Lüge, Verrath und Raubsucht bedrohten Reiches die hingebendste Opferwilligkeit zur Pflicht. Insbesondere des Frauengeschlechtes schöne Aufgabe ist es immer, sich der Unterstützung Unglücklicher und Leidender zu widmen und es hat sich von der Zeit seines Entstehens an der löbliche Frauenverein in Steyr stets mit hingebendem Eifer die Lösung dieser Aufgabe durch die Sorgfalt für Hilfsbe¬ dürftige dieser Stadt angelegen sein lassen. Jetzt haben sich durch den Eintritt der oben erwähnten Verhältnisse und die dadurch gebotene Sorge für die mit Leben und Gesundheit für die Inter¬ essen unseres Kaisers und Vaterlandes einstehenden Krieger die bisher jener Aufgabe des Vereines gesteckten Grenzen erweitert und der löbliche Frauenverei

3 würde seine anerkannte Verdienstlichkeit um das Wohl der Mitmenschen vor Gott und der Welt bedeutend vermehren, wenn er sich dem von dem patrioti¬ schen Frauenvereine in Linz und ähnlichen Vereinen in anderen Städten über¬ nommenen Berufe unterziehen, und zur versönlichen Sammlung und Empfang¬ nahme von Beiträgen an den zur Heilung und Linderung der Schmerzen auf dem Felde verwundeter Krieger nöthigen Charpien und Verbandstücken aller Art oder an Geld zu ihrer Unterstützung sich bereit erklären würde. Die Abfuhr der Sammlungserfolge hätte an einen der Unterzeichneten zu geschehen, von wo sie dann weiter an den Ort ihrer Bestimmung werden befördert werden. Mit dem Wunsche, es möchte diese Aufforderung ein williges Gehör finden, empfehlen wir diese Angelegenheit dem Segen Gottes und der schon so oft bewährten Opferwilligkeit des Vereines. Steyr, den 22. Juni 1866. Pöltl, Bürgermeister. Dr. Kaim, k. k. Statth.-Rath, Der katholische Frauenverein hat sich mit größter Bereit¬ willigkeit, wie es sich nicht anders erwarten ließ, an diesem behörd¬ lich angeregten patriotischen Werke betheiligt. Es ward hiefür im beifolgenden Schreiben dem Vereine der Dank und die Anerkennung der hohen Regierung zu Theil. Nr. 52 Präs. An die löbliche Vorstehung des hiesigen katholischen Frauenvereines. In Folge der vom hohen k. k. Statthalterei=Präsidium erhaltenen Er¬ mächtigung beeile ich mich, dem wohlthätigen katholischen Frauenvereine hier für seine bei Einsammlung und Einsendung von ergiebigen Spenden zum Ge¬ brauche bei Verpflegung der im letzten Kriege verwundeten oder erkrankten Krieger an den Tag gelegte Thätigkeit und Umsicht den wohlverdienten Dank und die Anerkennung der hohen Regierung auszusprechen. Vom k. k. Bezirksamte Steyr, am 2. Jänner 1867. Der k. k. Statthaltereirath: Kaim. Daß der katholische Frauenverein auch in kirchlicher Beziehung sei¬ nem katholischen Charakter zu jeder Zeit treu geblieben ist, zeigt folgende, am 8. Dezember 1867 dem Hochwürdigsten Herrn Diozesanbischofe ab¬ gesendete und mit 513 Unterschriften bedeckte Ergebenheits=Adresse: Euer Bischöfliche Gnaden, Hochwürdigster, Hochwohlgeborner Herr! Die Frauen des katholischen Frauenvereines von Steyr folgen dem Drange ihres Herzens, indem sie Euer bischöfliche Gnaden ihren Schmerz über die irreligiöse Richtung unserer Tage auszudrücken sich erlauben.

9 Wohl sind wir eben nur Frauen mit ganz bescheidenem Wirkungskreise nach Außen, desto eifriger wollen wir unserem Berufe, denn uns der Herr in unserm Familienkreise zugewiesen hat, leben und thun, was wir thun können, in unse¬ ren Familien die Ehrfurcht und den Gehorsam gegen die heilige katholische Kirche und ihren Vorstehern aufrecht zu erhalten, und eifrigst zu Gott beten, er wolle in seiner unendlichen Erbarmung es verhüten, daß die Kirche ihren segensreichen Einfluß auf die Schule, die Ehe, ihre sakramentale Weihe und unser schönes Vaterland seinen echt katholischen Charakter verliere. Doch nicht wir allein sind es, die wir durch unsere Unterschrift unseren Gefühlen und unserer Ueberzeugung Ausdruck geben, sondern wir können Euer bischöflichen Gnaden in aller Wahrheit die tröstliche Versicherung geben, daß in den Herzen der Frauen von Steyr überhaupt dieselbe katholische Gesinnung herrsche, zu deren Erstarkung und Erhaltung wir. Hochwürdigster Oberhirt, uns den bischöflichen Segen demüthigst erbitten. Steyr, am Feste der unbefleckten Empfängniß Mariä 1867. Im Anschlusse beehre ich mich, Euer bischöflichen Gnaden eine mit 513 Unterschriften bekräftigte Ergebenheits-Adresse zu unterbreiten, von den Frauen des katholischen Frauenvereines zunächst, aber auch von vielen anderen Frauen welche ganz freiwillig und mit Freude sich dem Frauenvereine durch ihre Unter¬ schriften anschlossen. Euer bischöfliche Gnaden wollen in dieser Adresse die beruhigende Ver¬ sicherung finden, daß auch in Steyr echt katholisches Leben sich regt, und wollen gütigst überzeugt sein, daß wir Seelsorger in der Gemeinde Alles aufbieten, die katholischen Interessen mit klugem Eifer zu fördern. Johann Nep. Dürrnberger. Auf diese Ergebenheits=Adresse erließ der hochwürdigste Adressat nachstehendes huldvolles Schreiben: Nr. 5129. An die Wohlgeborne Frau Franziska Reichl, Vorsteherin des katholischen Frauenvereines zu Steyr. Die Kundgebung der echt katholischen Gesinnung von Seite der edeln Frauenwelt in Steyr, wie sie mir die mit so vielen Unterschriften bedeckte Adress vom 8. d. M. gebracht hat, konnte meinem Herzen nur ein unaussprechlich großer Trost sein. Ich ersuche demnach Euer Wohlgeboren, meinen aufrichtigsten Dank hiefür zu genehmigen, und das Organ des gleichen Dankes bei dem löblichen Frauenvereine und den andern Unterzeichnerinnen dieser Adresse sein zu wollen. Die Gebenedeite unter den Weibern, an derem höchsten Ehrenfeste die Frauen von Steyr dieses Glaubensbekenntniß ablegten, möge dieselben Alle in ihrem heiligen Schutze bewahren! Ich ertheile Ihnen und allen diesen Frauen mit voller Hirtenliebe den bischöflichen Segen. Linz, den 21. Dezember 1867. Franz Josef, Bischof

10 Eine schöne Manifestation katholischer Glaubenstreue und ka¬ tholischer Liebe gab der katholische Frauenverein im Jahre 1868 da¬ durch kund, daß er an den Kirchenthüren Steyrs eine Kollekte für den durch eine gottlose Revolution beraubten heil. Vater in Rom ver¬ anlaßte und selbst vornahm, welche Kollekte vom segenreichsten Er¬ folge begleitet war. Diese opfermuthige That bereichert die Annalen des Vereines mit zwei überaus ehrenden Anerkennungsschreiben von Seite des hochwürdigsten Herrn Diözesanbischofes, so wie mit einem den Verein beglückenden und Segen spendenden Dankschreiben des heil. Vaters Pius IX. Es folgen hier die diesbezüglichen huldvollsten Schreiben in ihrem Wortlaut: Nr. 144. An den Hochwürdigen Herrn Johann Nep. Dürrnberger, Kooperator an der Vorstadtpfarre zu Steyr. Die Haltung der edeln Frauen und Jungfrauen zu Steyr bringt meinem Herzen einen wahrhaft füßen Trost. Dieselben haben einen neuen Akt des Glaubens geübt, indem sie an den Kirchenthüren für den heil. Vater eine Sammlung veranstalteten, deren großes Ergebniß Sie mir unter dem 7. d. M. einzusenden die Güte hatten. Ich ersuche Sie, der Vorstehung des Frauenvereines das anliegende Dankschreiben übergeben zu wollen, und sage zugleich auch Ihnen meinen auf¬ richtigsten Dank für Ihre Mitwirkung bei diesem heiligen Werke. Linz, den 16. Jänner 1868. Franz Josef, Bischof. Nr. 144. An die löbliche Vorstehung des katholischen Frauenvereines zu Steyr. Die Frauen und Jungfrauen zu Steyr hatten erst vor Kurzem ihrem katholischen Glauben durch eine erhebende Adresse an mich Ausdruck gegeben, als sie denselben durch eine neue That, durch die für den heil. Vater am Neu¬ jahrstage und am Feste der Erscheinung des Herrn, bei den Kirchenthüren vor¬ genommene Sammlung bezeugten. Der Herr Konsulent des Frauenvereines, Herr Kooperator Johann Nep. Dürnberger an der Vorstadtpfarrkirche, hat mir unter dem 7. d. M. das sehr ansehnliche Ergebniß dieser Sammlung, bestehend in 530 fl. österr. Währ. in Banknoten, 89 fl. öster. Währ. in Silber und Einem Dukaten übersendet Ich bitte die Löbliche Vorstehung des Frauenvereines, den Mitgliedern dieses Vereines, sodann den andern edeln Frauen und Jungfrauen, die sich bei diesem Werke des Glaubens betheiligten, namentlich Ihrer Excellenz der Baronin Sala sammt Töchtern und der Frau Statthaltereiraths=Gattin Kaim meinen aufrichtigsten und innigsten Dank auszudrücken, den besten Theil desselben aber für sich selbst in Empfang zu nehmen.

11 Es ist mir eine angenehme Pflicht, dem heil. gute Töchter er in Steyr besitzt. Er ist der oberste Stellvertreter desjenigen, de.r ein a mich vor den Menschen bekennt, den werde auch ich vor¬ in-des Vater bekennen; in diesen Worten liegt die Gewähr des höchsten sich ein Menschenherz wünschen kann. Möge dieser Lohn den edlen Frauen und Jungfrauen zu Steyr, aber auch Allen, die ihre Gaben in deren Hand gelegt haben, zu Theil werden! Linz, den 16. Jänner 1868. Franz Josef, Bischof. An die Wohlgeborne Frau Franziska Reichl, Vorsteherin des Frauen¬ vereines zu Steyr. Wohlgeborne Frau Der heil. Vater hat mir in dem Antwortschreiben do. 30. v. M. auf meinen Bericht vom 23. März d. J., in welchem ich die bei den Kirchenthüren in Steyr für ihn vorgenommenen Sammlungen erwähnt hatte, Folgendes geantwortet: „Nobiles Matronae et Virgines Stiriae, duce Francisca Reichl, ad Templorum fores stipem colligere non dubitarunt ad Nostram et Apostolicae hujus Sedis sublevandam inopiam. Quibus nobilibus feminis ut grati Nostri animi sensus exprimas optamus, ac simul certiores fac de Apostolica Benedictione, quam ipsis amanter impertimur. Von diesen Worten folgt in der Nebenlage eine Uebersetzung: Edle Frauen und Jungfrauen zu Steyr, an ihrer Spitze Franziska Reichl, haben keinen Anstand genommen, bei den Thüren der Kirchen milde Gaben zu sammeln, um Unser und dieses Apostolischen Stuhles Noth zu lin¬ dern. Wir wünschen, daß Du diesen edlen Frauen die Gefühle Unserer Dank barkeit ausdrückest und vermelde ihnen den apostolischen Segen, welchen Wir ihnen liebreich ertheilen.“ Es gereicht mir zu großem Vergnügen, den Auftrag Seiner Heiligkeit andurch Euer Wohlgeboren gegenüber mit dem ergebensten Ersuchen zu erfüllen, daß Sie die anderen bei dem schönen Glaubenswerke betheiligt gewesenen Frauen und Jungfrauen von Steyr von dem Inhalte meiner gegenwärtigen Zuschrift in Kenntniß setzen wollen. Genehmigen Euer Wohlgeboren die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. Linz, den 15. Mai 1868. Franz Josef, Bischof. Als die erschütternde Kunde des für die Kirche Oesterreichs ewig denkwürdigen Ereignisses vom 5. Juni 1869 die ganze Diözese wie mit einem Schlage in Trauer und Angst versetzte, und als in Folge dessen unzählige Deputationen und Adressen aus allen

12 Ständen und katholischen Korporationen dem hochwürdigsten Herrn Diözesanbischofe die ehrfurchtsvollste und innigste Theilnahme aus¬ drückten, war der katholische Frauenverein mit unter den ersten, welche in einer Adresse an den Hochwürdigsten Bischof ihrer katholischen Gesinnung unverholenen Ausdruck verliehen. Nachfolgendes Schrei¬ ben des hochwürdigsten Herrn Bischofes an die Vorstehung des Frauenvereines gibt Zeugniß von der huldvollen Aufnahme, welche jene Adresse bei Hochdemselben fand. An den Löblichen katholischen Frauenverein zu Steyr. Der Löbl. katholische Frauenverein zu Steyr, der bisher immer seine katho¬ lische Gesinnung in ausgezeichneter Weise beurkundet hat, that dieses auch aus Anlaß des mich betreffenden Ereignisses vom 5. d. Mts. Ich danke Ihnen herzlich für den Ausdruck der Theilnahme, welchen mir die geehrte Zuschrift vom 9. d. Mts. gebracht. Der Gott alles Trostes möge auch jede von den edeln Frauen dieses Vereines trösten, wenn früher oder später harte Tage über sie kommen. Uebrigens werden ich und meine Diözesanen und unter diesen ganz gewiß die Mitglieder des katholischen Frauenvereines zu Steyr unter allen Umständen Gott und seiner heiligen Kirche und dem Kaiser treu bleiben. Indem ich meinen verbindlichsten Dank wiederhole, bitte ich den Herrn, daß er auf die Fürsprache seiner makellosen Mutter, den katholischen Frauen¬ verein zu Steyr stets in seinem heiligen Schutz bewahren wolle. Linz, den 18. Juni 1869. Franz Josef, Bischof. Drittes Kapitel. Sorgfalt des Frauenvereines um die Schuljugend. Es war von jeher die Sorge des Frauenvereines, sich nach Kräften der Jugend anzunehmen, der Verwahrlosung vieler Kinder entgegenzutreten, den fleißigen und regelmäßigen Schulbesuch derselben zu befördern.) Die heilsam wirkende Thätigkeit des Frauen¬ *) Hat ja doch der Frauenverein eine eigene Anstalt, deren Geschichte im 2. Abschnitt dieses Büchleins dargelegt wird, zur Rettung und Erziehung von verlassenen Kindern. Das Wirken des Frauenvereines für das Wohl der Schuljugend begann gleich nach Gründung des Vereines und hat sich bis jetzt Angeschwächt erhalt.

13 vereines auf diesem Gebiete ist auch dem Auge der weltlichen Schul¬ behörde nicht entgangen und anfolgendes Schreiben des löblichen k. k. Bezirksschulrathes Steyr spricht dem Vereine die Anerkennung des hohen k. k. Landesschulrathes aus. An die Vorstehung der Frauenvereins Steyr. Nr. 55. - In Folge Ermächtigung des hohen k. k. Landesschulrathes vom 8. März d. J., Z. 291, habe ich hiemit die Ehre, auf Grund der den Steyrer Volks¬ schulen zu Theil gewordenen Förderung, Ihnen als Förderer des hiesigen Volksschulwesens die Anerkennung des k. k. Landesschulrathes zu geben. K. k. Bezirksschulrath der Stadt Steyr, am 21. März 1872. Der Vorsitzende: Pöltl. Es liegt in der Natur der Sache und im katholischen Charak¬ ter des Frauenvereines, daß bei seiner Sorgfalt um die Erziehung und den Unterricht der verwahrlosten Jugend besonders auch die religiöse Seite ins Auge gefaßt wurde. Gibt es ja doch ohne Reli¬ gion keine Erziehung und keinen gedeihlichen Unterricht. Es hat da¬ her Niemanden befremdet, als der katholische Frauenverein am 25. Ok¬ tober 1872, nachdem mehrere Klassen der Knabenvolks= und Bürger¬ schule in Steyrdorf über ein Jahr lang keinen Religionsunterricht ge¬ nossen, so daß Hunderte von Kinderherzen einem unberechenbaren Scha¬ den ausgesetzt waren, in folgender Petition an das hohe k. k. Mini¬ sterium für Kultus und Unterricht laut seine Stimme erhob und im Interesse aller gutdenkenden Eltern um dringende Abhilfe, d. h. um Anstellung eines Katecheten gebeten. Hohes k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht! Einem hohen k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht ist es nicht unbe¬ kannt, daß mehrere Klassen der Volks= und Bürgerschule in Steyr bereits seit mehr als 1½ Jahren ohne Katecheten sind. Wiederholt wurden, wie man ver¬ sichert, von den verschiedensten Seiten Bitten über Bitten an die betreffenden Behörden um Abhilfe in dieser so wichtigen Sache gerichtet. Leider wur¬ den diese Bitten bis zum heutigen Tage nicht erhört und das von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser, sanktionirte Landesgesetz für Ober¬ österreich, betreffend die Anstellung eigener Katecheten an den Bürgerschulen, blieb bis zur Stunde unausgeführt. Deshalb sind die Herzen der katholischen Mütter von Steyr, welche in dem Mangel eines Katecheten eine große Ge¬ fährdung für das Wohl ihrer Kinder erblicken, tief betrübt, und der gehorsamst gefertigte Ausschuß des katholischen Frauenvereines von Steyr glaubt eine heilige Mutterpflicht zu erfüllen, wenn er sich unmittelbar an die höchste Schulbehörde wendet, mit der innigsten Bitte, Ein hohes k. k. Ministerium für Kultus und

14 laicht möge die baldigste Besetzung der Religionslehrer=Stelle mit einem .denen Katecheten gnädigst veranlassen. Der Ausschuß des katholischen Frauenvereines: Folgen die Unterschriften. Steyr, 25. Oktober 1872. Wie so ganz und gar angemessen und so wahrhaft zeitgemäß jene Petition gewesen, zeigt die Würdigung, welche ihr der hochwür¬ digste Herr Bischof im folgenden Schreiben ans Ehrwürdige Vorstadt¬ pfarramt hat angedeihen lassen. 1 Hochwürdiger Herr Pfarrer! Das „Linzer Volksblatt“ brachte letzterer Tage die Nachricht, daß der Frauenverein zu Steyr sich wegen des Religionsunterrichtes an der dortigen Volks= und Bürgerschule an den Herrn Minister für Kultus und Unterricht mit einer Zuschrift gewendet habe. Dieses Vorgehen der braven Frauen ist sehr erfreulich: die Kinder werden ihren Müttern, wenn diese schon lange im Grabe sein werden, noch dankbar sein, wenn sie durch die mütterliche Sorgfalt zu Christus, der nur in seiner Kirche fortlebt, hingeführt, und von dem drohen¬ den Ferthum bewahrt worden sind. Ich ersuche Ener Hochwürden dem genann¬ ten Vereine meine Anerkennung auszudrücken und den bischöflichen Segen zu entbieten. Euer Hochwürden wohlgeneigter Bischof Franz Josef. Linz, den 30. Oktober 1872. Viertes Kapitel. Thätigkeit des Frauenvereines auf dem Gebiete der Krankenpflege. War es statutenmäßige Pflicht der Mitglieder des Frauen¬ vereines, sich der Hilflosen im Allgemeinen anzunehmen, so wurde gleich von der Gründung des Vereines an ein besonderes Augen¬ merk auf arme, von Jedermann verlassene Kranke gerichtet. Wie viel persönliche Opfer, wie viele Dienstleistungen von Seite einzel¬ ner Mitglieder durch Besorgung der nöthigen Krankenkost, Pflege und Wartung den Kranken geleistet wurden, entzieht sich wohl unserer Berechnung. Gott, vor dem Nichts verborgen bleibt, hat sie jedoch alle gezählt und ins Buch des Lebens eingetragen. Nicht zufrieden

15 jedoch mit der persönlichen Thätigkeit im Dienste der Kranken, hat sich der Frauenverein, wohl in der Ueberzeugung, daß für den Kran¬ ken=Dienst, des opfervollsten Zweiges am Baume der christlichen Liebe, niemals zu viel gethan werden könne, noch in besonderer Weise Verdienste vor Gott und der Welt dadurch gesammelt, daß er im Jahre 1863 die ehrwürdigen Schwestern vom heil. Kreuze zur Pflege der Kranken und zur Erziehung der verwahrlosten Mädchen nach Steyr berief. Diese Schwestern genossen als liebevolle Pflegerin¬ nen der Kranken bald ein solches Vertrauen, daß im folgenden Jahre auch vom Herrn Johann Werndl eine weitere Schwester zur Privatkrankenpflege der Armen berufen wurde. Wie viele Verdienste sich aber diese barmherzigen Schwestern in der Zeit ihres 12 jährigen Daseins um die Kranken Steyrs erworben, mögen wohl diejenigen Familien am meisten ermessen, die deren Hilfe in Anspruch nahmen. Fünftes Kapitel. Fünfundzwanzigjähriges Jubelfest des katholischen Frauenvereines. In dieser vielseitigen Wirksamkeit für des Nächsten Wohl er¬ reichte der Frauenverein unter dem sichtlichen Schutze Gottes am 13. April 1874 die Vollendung der ersten 25 Jahre seines segens¬ reichen Bestandes. Ist es allgemein Sitte geworden, daß Vereine und Korporationen ein hundertjähriges Jubelfest begehen, so durfte sich der Frauenverein von Steyr getrost auch der Begehung einer solchen Jubelfeier erfreuen. Dieselbe wurde denn auch für den 19. Juli als am Festtage des heil. Vinzenz von Paul, eines Haupt¬ patrons des Vereines, veranstaltet. Das „Linzer Volksblatt“ (Nr. 172, 1874) berichtete über die Feier dieses Jubelfestes Folgendes: „Steyr, 27. Juli. Am 19. d. M., am Tage des hl. Vinzenz, des Vaters der Armen, feierte der katholische Frauenverein von Steyr, der am 13. April 1850 vom nunmehr selig im Herrn ruhenden vielverdienten Kooperator bei St. Michael, Karl Aigner, zur Uebung der Werke christlicher Liebe an leidenden und hilfsbedürftigen Menschen und besonders auch an verlassenen und verwahrlosten Kindern ins Leben gerufen wurde, sein 25jähriges Jubiläum.

16 Die Festfeier bestand in einer gemeinschaftlichen Messe in der St. Michaels¬ kirche, bei welcher sämmtliche anwesende Mitglieder die heil. Kommunion empfin¬ gen. Das nachmittägige Fest, dessen Feier der hochwürdige Herr Dechant Arminger durch seine Anwesenheit erhöhte, und zu welchem Feste 150 Mitglieder erschienen waren, ward mit dem üblichen Vereinsgebete eröfnet, worauf der geistliche Leiter des Vereines in summarischer Kürze die Thätigkeit des Vereines seit seinem 25jährigen Bestande ziffermäßig nachwies. Der Verein verwendete z. B. aus den Jahresbeiträgen der Mitglieder 9199 fl. ö. W. Bargeld und 6000 Obligationen für wahrhaft bedürftige Arme von Steyr, welche er mit 15.190 Laib Brod, 434½ Metzen Mehl. 80 Klafter und 9.914 Bürdl Holz, 738 Paar Schuhe u. s. w. unterstützte, der persönlichen Liebesopfer an Krankenlagern u. s. w. nicht zu gedenken.) Im Jahre 1862 übernahm der Frauenverein auch die vom hochw. Herrn Kooperator Jakob Wiesinger gegründete Schutzanstalt verwahrloster Mädchen und sorgte theils durch die Gaben der eigentlichen Mitglieder des Vereines, theils durch Heran¬ ziehung anderer edler Wohlthäter von Steyr und Umgebung, daß gedachte Anstalt zum Heile vieler armer Kinder bis zum heutigen Tage existirt und unter Gottes Beistand sichtlich gedeiht. — Nachdem der Leiter des Vereines allen Mitgliedern für alle Opfer an Zeit, Mühe und Geld im Namen der Armen und Schutkinder seinen wärmsten Dank ausgesprochen und dem Vereine ein zweites segenvolles 25jähriges Jubelfest anwünschte, ergriff der hochwürdige Vorstadtpfarrer, Herr Dürnberger, ehemaliger verdienstvoller Leiter des Frauen¬ vereines, das Wort, um in einer längeren, sehr lieben Ansprache, in dessen Inhalt einzugehen zu weit führen würde, unter dem schön gewählten Bilde eines „Vergißmeinnicht“ die verschiedenen Pflichten des Frauenvereines vorzu¬ führen und die Vereinsmitglieder namentlich darauf hinzuweisen, daß in allen guten Werken und edlen Handlungen der christlichen Charitas, Gottes Ehre und des Nächsten Wohl im Auge zu halten sei. — Hochw. Herr Bürgerschul=Katechet Joh. Karstötter, auch ein früherer verdienstvoller Leiter des Frauenvereines spornte in einer ungemein launigen und originellen, mit zahlreichen Vonmots gewürzten Rede die Vereinsglieder an, in der Uebung jegliches Guten nicht zu ermüden, sondern im Gegentheil auch Andere durch gutes Beispiel in Wort und That zur Ausübung werkthätiger Nächstenliebe hinzureißen. Ein liebes Muttergotteslied „Salve Regina, gesungen von den jugendlichen Stimmen der zum Frauenvereine gehörigen Schutzkinder, die (23 an der Zahl unter der Aufsicht ihrer Erzieherinnen, der ehrw. Kreuzschwestern, im Festlokale erschienen waren, erhöhte die Feier des lieblichen Festes. Das übliche Schlu߬ gebet, sowie ein Gebet für die im Herrn entschlafenen zwei geistlichen Leiter, zwei Vorsteherinnen und alle anderen zahlreichen verstorbenen Mitglieder des Vereines beendete die so ansprechende Jubelfeier Möge der Vergelter alles Guten in seiner Erbarmung dem katholischen Frauenverein von Steyr, dessen Vorsteherin gegenwärtig Frau Franziska Reder ist, noch viele Jahre eines glücklichen und segensvollen Bestandes schenken!" *) Dieser ziffermäßige Nachweis war blos bis Ende 1873 berechnet.

17 Reihenfolge der Frauenvereins=Vorsteherinnen. 1. Frau Molterer Anna Maria, Ahlschmiedmeisters-Witwe, von der Gründung des Vereines bis zu ihrem Tode, 17. No¬ vember 1852. R. I. P. 2. Frau Haider Juliana, Schornsteinfegers=Witwe in Steyrdorf, vom November 1852 bis November 1858. (1862, 27. Oktober. R. I. P. 3. Frau Reichl Franziska, Feilenfabrikantens=Gattin (Steyrdorf) vom 26. November 1858 bis Ende November 1871. 4. Frau Reder Franziska, Hausbesitzerin in Ort, seit 4. Dezem¬ ber 1871. (Von diesem Tage datirt die hochwürdigste bischöf= liche Ordinariats=Bestätigung.) Reihenfolge der geistlichen Leiter des katholischen Frauen¬ vereines in Steyr. 1. Hochw. Herr Karl Aigner, Vorstadtpfarr=Kooperator und Gründer des Frauenvereines, leitete den Verein von dessen Gründung, 17. Jänner, (mit behördlicher Genehmigung 13. April 1850), bis nach seiner Rückkehr aus dem heil. Lande und Ueber¬ siedlung als Instituts=Vorsteher nach St. Anna 1856. Hochw. Herr Aigner starb am 11. Nov. 1861. R. I. P. 2. Hochw. Herr Jakob Wiesinger, Vorstadtpfarr=Kooperator, leitete den Frauenverein vom Oktober 1856*) bis zu sei¬ nem am 7. Oktober 1862 erfolgten seligen Tode. R. I. P. 3. Hochw. Herr Josef Schwanninger, Vorstadtpfarr=Kooperator, leitete den Verein vom Oktober 1862 bis 28. Jänner 1865. Die hochw. bischöfl. Bestätigung datirt vom 11. Dez. 1862.) 4. Hochw. Herr Johann Karlstötter, Vorstadtpfarr=Kooperator, stand dem Vereine als geistlicher Rathgeber vor seit Ende Februar 1865 bis 17. April 1867. (Hochwürdigste bischöfliche Bestätigung datirt vom 4. März 1865.) 5. Hochw. Herr Vorstadtpfarr=Kooperator und seit 1868 Vor¬ stadtpfarrer Johann Dürrnberger, fungirte als Vereinsleiter *) Am 19. Oktober hielt Hochw. Herr Wiesinger die Begrüßungsrede an den versammelten Frauenverein.

18 vom April 1867 bis 10. Jänner 1871. (Hochwürdigstes bischöfliches Bestätigungsdekret vom 17. April 1867.) 6. Der gegenwärtige Vereinsleiter seit 10. Jänner 1871. (Mit hochw. bischöflicher Approbation dd. 25. Jänner 1871.) Der gesammte Ausschuß des katholischen Frauenvereines besteht zur Zeit des 25jährigen Jubelfestes aus folgenden Mitgliedern: 1. Frau Reder Franziska, Privat, als Vorsteherin, Ort. Nothhaft Rosalie, Kaufmanns=Gattin, Stadt. 3. Riedl Katharina, Hausbesitzerin b. d. Steyr, Kassierin. 4. Pichler Magdalena, Kaufmanns=Gattin, Stadt. 5. 1 Neumair Katharina, Hausbesitzerin in Ennsdorf. 6 Krennhuber Katharina, Haubesitzers-Gattin in Aichet. Schuhbauer Anna, Private, Stadt. - Ecker Elisabeth, Haubesitzers-Gattin, Enge.) " 9. Dutzler Barbara, Mehlhändlers=Gattin in Steyrdorf. Zurich Anna, Kaufmanns=Gattin, Wieserfeld. 10. Gilg Anna, Fleischselchers=Gattin, bei der Steyr. 11. 12. Kooperator Franz Sal. Doppelbauer als der geistliche Vereins¬ leiter. *) Frau Nothhaft wurde in der Ausschußsitzung vom 29. November 1875 zur Stellvertreterin der Vorsteherinn und Frau Ecker zur Sekretärin ernannt.

11. Theil. Die Geschichte der Erziehungs-Anstalt armer Schutzmädchen von deren Beginn bis zum Schlusse des Jahres 1874. Erstes Kapitel. Gründung der Schutzanstalt und des Gründers seliger Tod. Seitdem aus dem Munde des göttlichen Kinderfreundes die Worte geflossen: „Lasset die Kleinen zu mir kommen, und wehret es ihnen nicht, denn für solche ist das Himmelreich“, hat die ewig fruchtbare Mutter, die heil. katholische Kirche niemals aufgehört, sich der vom göttlichen Heilande so inniggeliebten Kinderwelt in bevor¬ zugtester Weise anzunehmen und selbige zu Christus zu führen. Unzählig sind die Anstalten und Schulen, welche die Kirche Gottes zum zeitlichen und ewigen Heile der Kleinen ins Dasein rief und noch fortwährend ruft. Meistens waren es Priester, Diener der Kirche, durch welche der göttliche Kinderfreund Anstalten und In¬ stitute zur Erziehung und Heranbildung von Kindern erweckte. Ein solcher Priester, ein wahrer Jünger des göttlichen Kinderfreundes war auch der nunmehr selige Kooperator bei St. Michael, der hochw. Herr Jakob Wiesinger. Geboren in Taufkirchen bei Gries¬ kirchen wirkte er in Steyr als Mann voll priesterlichen Eifers zur Förderung der Ehre Gottes und des zeitlichen und ewigen Wohles der Seelen, so viel in seinen Kräften lag. Darum ist und wird hier in Steyr noch lange das Andenken an seine priesterliche Thätigkeit gesegnet sein. Stand sein Priesterherz jedem Bedrängten offen, der bei ihm Rath und Hilfe suchte, entzog sich keine Art von Elend seiner trö¬

20 stenden und helfenden Liebe, so waren es jedoch vor Allem die ver¬ lassensten und unglücklichsten Geschöpfe, arme, körperlich und geistig verwahrloste Kinder von Steyr, für deren Rettung er seine ganze Kraft und seine vollste Priesterliebe einsetzte. Unermüdlich war Wiesinger's Sorgfalt, verwahrloste Kinder. Knaben und Mädchen aufzusuchen, selbige mit Bekleidung, Beschuhung und Schul=Requi¬ siten zu versehen, ihnen Kostorte zu verschaffen, selbige verläßlichen und opferfreudigen Personen zur Erlernung der nöthigsten Hand¬ arbeiten zu empfehlen oder sie in braven und christlichen Familien unterzubringen. Doch je größer Wiesinger's Eifer war in der Pflege der aller¬ ärmsten Kinder, für die kein Vater- und kein Mutterherz liebend sorgte, desto mehr drängte sich ihm die Ueberzeugung auf, um wirk¬ same Hilfe zu leisten und um bleibende Erfolge zu erzielen, sei die Gründung einer eigenen Anstalt für Erziehung verwahrloster Kin¬ der eine für Steyr unabweisbare Nothwendigkeit. So kühn dieser Gedanke auch war, gänzlich ohne jegliche Hilfsmittel eine Erziehungs¬ Anstalt zu gründen — der Muth des frommen Priesters war nicht geringer. Wiesinger verfügte über ein unerschöpfliches, geistiges Kapital. Er besaß ein unbegrenztes Gottvertrauen. Mit diesem Stammkapitale ausgerüstet, ging Wiesinger endlich an die Verwirk¬ lichung seines Lieblingsgedankens. — Wie nun diese für Steyr's verwahrloste Jugend wichtige Gründung thatsächlich zu Stande kam und sich befestigte, entnimmt der Verfasser drei vorhandenen Schriftstücken. Die ersteren zwei vom Jahre 1860 stammen von der Hand des seligen Gründers der Anstalt, letzteres vom Jahre 1863 aus der seines Nachfolgers in der Leitung der Anstalt, des hochwürdigen Herrn Josef Schwanninger. Sämmtliche drei Schreiben, welche in Kopie vorliegen, sind an die hochselige Majestät, weiland Kaiserin Karoline Augusta, welche mit Recht ein Engel der leidenden Menschheit genannt wird, gerichtet. Ersteres lautet: Kaiserliche Majestät! Der gehorsamst Gefertigte, Kooperator an der Vorstadtpfarre Steyr in Oberösterreich, ist auch zugleich geistlicher Rathgeber der beiden Wohlthätigkeits¬ Vereine, nämlich des katholischen Frauen= und Bingentius=Vereines. In dieser seiner Stellung bekam er häufig Gelegenheit, das menschliche Elend zu schauen, an Erwachsenen wie an Kindern; und eben die eigene Anschauung machte auch sein

21 Herz so zum Mitleid gestimmt, daß er sich aus allen Kräften bemühte, beiden genannten Vereinen so viel als möglich Förderung und Verbreitung zu ver¬ schaffen. Doch je mehr der Herr bisher dies Bemühen segnete, desto mehr zei¬ gen sich noch die Bedürfnisse; ja diese erreichen bis zur Stunde einen Grad, der wahrhaft Schauder erregend erscheint und wirklich alle Wahrscheinlichkeit be¬ nimmt, ganz und gar helfen zu können. Des gehorsamst Gefertigten Gedanken beschäftigen sich deshalb schon lange damit, der stets immer mehr überhand¬ nehmenden Armuth so viel als möglich Einhalt zu thun. Er unternahm es deshalb vor 2 Jahren ganz auf sein Risiko hin speciatim für recht verlassene Kinder zu sorgen; er vertraute hierin ganz auf den Beistand von Oben und und auf die Unterstützung guthmüthiger Menschen. Und wirklich! sein Ver¬ trauen wurde keineswegs zu Schanden, der Herr segnete das Unternehmen. Er verlieh ihm Muth und Ausdauer und schickte auch gutmüthige Menschen bis zur Stunde. Doch Kaiserliche Majestät je mehr Kinder als versorgt werden desto mehr erscheinen allezeit wieder Kinder, die ganz verlassen sind, die oft schon 10, 11 Jahre zählen und noch nie eine Schule sahen und auch nie eine zu sehen bekommen, wenn man sie nicht eigens annimmt. Kaiserliche Majestät im Namen Jesu, der besonders die Kleinen gerne bei sich hätte, und voll Ver¬ trauen auf die bereits allerorts der weiten Monarchie bekannte Wohlthätig¬ keit von Jhro Kaiserlichen Majestät wagt es der ehrfurchtsvollst Gefertigte einen Fürbitter für die wirklich zahlreichen verwahrlosten Kleinen von Stadt Steyr zu machen und er glaubt seine allerunterthänigste Bitte noch mit der Bemerkung unterstützen zu müssen, daß der sonst vielfach bewährte Wohlthätigkeitssinn der Bewohner Steyrs hier in dieser Beziehung bei allem guten Willen sich nie auch nur einiger Massen genügend zeigen könne; denn die allseitig beklagte Stockung der Geschäfte unserer Eisenarbeiter hier nimmt wirklich allen Muth, noch um etwas zu bitten, ja man kommt da besonders als Seelsorger nicht selten in Lagen, mancher scheinbar wohlhabenden Familie noch heimlich geben zu müssen, damit sie ihrem Hunger, der sie oft schon einige Tage quält, doch nicht ganz erliegen. Dieß Alles, gewiß ohne Uebertreibung aller ehrfurchtsvollst dargelegt habend, wiederholt der allerunterthänigst Gefertigte noch einmal seine aller¬ demüthigste Bitte für die verlassenen Kleinen Steyrs und erstirbt in größter Ehrfurcht als unterthänigster Diener Ihrer Kaiserlichen Majestät Jakob Wiesinger, Kooperator bei St. Michael. Diese Bittschrift des würdigen Priesters, welche die innigste Liebe zu den Armen und insbesondere zu den verwahrlosten Kindern bekundet, konnte nicht unerfüllt bleiben. Nachstehendes Dankschreiben an die Allerdurchlauchtigste Kaiserin gibt freudige Mittheilung der allergnädigst erhörten Bitte. „Kaiserliche Majestät! Indem der allerehrfurchtsvollst Unterzeichnete die Quittung über 300 fl. öst. W. allerunterthänigst überschickt, welchen Geldbetrag er durch die Gnade Ihrer Kaiserlichen Majestät zur Unterstützung armer verwahrloster Kinder Steyrs

22 erhielt, kann er nicht umhin, nebst der allerehrfurchtsvollsten Danksagung für diese erhaltene allerhöchste Gnade zu erwähnen, daß Ihre Kaiserliche Majestät wirklich recht großem Elende und Jammer unaussprechlichen Trost spendeten. Ja, Gott ist Zeuge, Kaiserliche Majestät, daß der allerehrfurchtsvollst Unter¬ zeichnete unmöglich im Stande ist, das Elend und den Jammer der armen Kinder Steyrs gehörig zu schildern: auch jetzt waren bisher schon so viele und wie viele können noch werden, nachdem der hiesige Armaturlieferant Wernd vermög der Verminderung seiner Arbeit 200 Arbeiter zu entlassen genöthigt ist, von denen die Meisten Familienväter sind; ja wer weiß, daß Jesus der Kinder¬ freund alle Kinder bei sich im Himmel haben möchte, dem möchte wirklich das Herz zerspringen im Hinblicke auf die vielen Kleinen, die beim leiblichen Elende auch nicht selten dem geistigen und somit ewigen Verderben preisgegeben werden; besonders ist dies bei den hiesigen verwahrlosten Knaben zu fürchten, für die eigentlich noch gar nichts Nachhaltiges bisher geschehen konnte, während doch für die Mädchen ein Waisenhaus erbaut wird, und der ehrfurchtsvollst Unter¬ zeichnete schon seit 3 Jahren auf sein eigenes Risiko hin stets mehrere Kinder. deren Zahl gegenwärtig 19 ist, unterhalten und erziehen ließ. Und Kaiserliche Majestät im Bezuge auf Letztere erlaubt sich der allerehrfurchtsvollst Unterzeichnete noch die allerehrfurchtsvollste Bemerkung, daß er diese Unterstützung noch immer privatim fortsetzt; jedoch war er jetzt gerade in solcher Bedrängniß, daß er sich und seiner alten ebenfalls unbemittelten Mutter schon so manches nothwendige Bedürfniß versagen mußte. Und Kaiserliche Majestät im Augenblicke der aller¬ größten Verlegenheit gelangte die allergnädigste Unterstützung von 300 fl. 5. an. Aufrichtig gesagt, der allerehrfurchtsvollst Gefertigte wußte sich vor Freude lange nicht zu fassen, und forderte gleich ihm bekannte fromme Personen zum Danke gegen den Herrn auf und zum eifrigen Gebete fürs allerhöchste Wohl¬ sein Jhrer Kaiserlichen Majestät Das dritte der genannten Schriftstücke vom Jahre 1863 aus der Hand des Hochw. Herrn Josef Schwanninger, welcher Herrn Wiesinger in der Leitung der Schutzanstalt nachfolgte, ist neuerdings eine Bittschrift an die allgemeine Armenmutter Oester¬ reichs, die hochselige Kaiserliche Majestät Karoline Augusta. Dieses Schreiben zeigt so recht anschaulich, wie die Schutzanstalt als ganz kleines Pflänzchen begann, sich entwickelte und immer mehr und mehr erstarkte. Es möge auch dieses hier sein Plätzchen finden. Von Ihrer Majestät wurde diese Bitte mit einer Gnaden¬ spende von 100 fl. beantwortet. „Kaiserliche Majestät! Es war am 8. Dezember 1857, als ein Kooperator der hiesigen Vorstadt¬ Pfarre, mit Namen Jakob Wiesinger, anfing, eine Wohnung zu miethen und in dieselbe sehr verwahrloste Mädchen unter der Aufsicht einer gesitteten Frauensperson, die er für seinen Plan gewonnen hate, aufzunehmen, zu ver¬ pflegen und christlich zu erziehen. Er besaß hiezu kein Vermögen, sondern ver¬ traute einzig und allein auf die göttliche Vorsehung, welche sein Grund= und

Stammkapital war. Er fing daher ganz klein an und nahm anfänglich nur ein einziges Mädchen auf, welches mit ihrer Aufseherin von den Gaben lebte, welche einige gutberzige, meistens arme Leute an Brod, Mehl und dergleichen denselben zuwendeten. Allmälig wurde Wiesinger's Unternehmen bekann¬ ter, die Gaben freilich wohl meistens nur armer Leute, daher geringe Gaben — floßen immer häufiger, und so konnte Herr Wiesinger nach und nach immer mehr Kinder in diese Wohnung aufnehmen, da er an keine Kapitalisirung dachte, son¬ dern die Kinder nach Verhältniß der einfließenden Gaben vermehrte. Beim Beginn des Jahres 1862 befanden sich 20 Kinder in dieser Anstalt — ohne ein fires Einkommen, als nur, was die göttliche Vorsehung tagtäglich durch frei¬ willige Liebesgaben der Stadt und Umgebung schickte. Rührend ist es, zu hören, daß es Dienstboten gab, die den armen Kindern zu lieb sich ihr Mittag, oder Abendbrot abbrachen oder ihre Abendsuppe auch versagten, damit Herr Wie¬ finger nicht genöthigt wäre, Kinder zu entlassen. Herr Wiesinger war mehrere Male in einer sehr bedrängten Lage, daß er nämlich, obwohl er selbst seinen letzten ersparten Kreuzer für die armen Mädchen einsetzte, doch für selbe In einer solchen bedrängten Lage war es fast nichts mehr zu leben hatte. auch, wo er einmal — 1860 — den Muth faßte, sich an die weltbekannte Muni¬ ficenz Ihrer Kaiserlichen Majestät zu wenden, und sowohl für seine angenomme¬ nen armen Mädchen als auch für arme Schulkinder zur Anschaffung von Schuhen für den Winter um eine Unterstützung zu bitten. (Ich war damals Zeuge der außerordentlichen Freude, die dieser Priester empfand, als seine Bitte eine so großmüthige Erhörung fand, indem Ihre Kaiserliche Majestät ihm den sehr nam¬ haften Betrag von 300 fl. zur Verwendung für arme Kinder allergnädigst zu übersenden geruht. Owie glänzte damals voor Freude sein Angesicht, wie über¬ aus glücklich fühlte sich dieser Mann.) Unerforschlich sind die Wege der göttlichen Vorsehung! Der, der dieses Unternehmen begonnen, der für verwahrloste und arme Kinder ein so väterlich besorgtes Herz hatte. — Wiesinger — er wandelt nun nicht unter den Le¬ benden mehr auf Erden, schon war er durch sein priesterlich frommes Wirken für den Himmel reif geworden, der Herr hat ihn in die bessere Welt. Er hat ihn zu sich genommen, um ihm den Lohn eines treuen Dieners und Hirten zu geben. Im September verflossenen Jahres 1862 erkrankte er an einem sehr bösartigen Typhus, der ihn nach Verlauf eines Monats am 7. Oktober hinweg¬ rafte. Dem ehrfurchtsvollst Gefertigten, mehrjährigem innigen Freunde des Verblichenen, seinem damaligen Nebenkaplane an der Vorstadtpfarrkirche, war. beschieden, ihn mit den heil. Sterbesakramenten zu versehen, ihm während seine Krankheit geistlich beizustehen und nach seinem allzufrühen Hinscheiden die Augen zuzudrücken. Was wird nun aus seinen armen Kindern werden? fragten sich die Leute sehr betrübt. Der liebe Vater im Himmel wird sie nicht verlassen, sagte ich, ich will mich um dieselben mit allen meinen schwachen Kräften annehmen und das begonnene Werk fortsetzen. Hatte ich ja mein Freund noch auf seinem Sterbebette darum gebeten Kaiserliche Majestät! Die Anstalt existirt noch fort, und noch befinden sich 20 Kinder, verwahrloste Mädchen, darin mehrere sind bereits aus dieser

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