Geschichte des katholischen Frauen-Vereins in Steyr

20 stenden und helfenden Liebe, so waren es jedoch vor Allem die ver¬ lassensten und unglücklichsten Geschöpfe, arme, körperlich und geistig verwahrloste Kinder von Steyr, für deren Rettung er seine ganze Kraft und seine vollste Priesterliebe einsetzte. Unermüdlich war Wiesinger's Sorgfalt, verwahrloste Kinder. Knaben und Mädchen aufzusuchen, selbige mit Bekleidung, Beschuhung und Schul=Requi¬ siten zu versehen, ihnen Kostorte zu verschaffen, selbige verläßlichen und opferfreudigen Personen zur Erlernung der nöthigsten Hand¬ arbeiten zu empfehlen oder sie in braven und christlichen Familien unterzubringen. Doch je größer Wiesinger's Eifer war in der Pflege der aller¬ ärmsten Kinder, für die kein Vater- und kein Mutterherz liebend sorgte, desto mehr drängte sich ihm die Ueberzeugung auf, um wirk¬ same Hilfe zu leisten und um bleibende Erfolge zu erzielen, sei die Gründung einer eigenen Anstalt für Erziehung verwahrloster Kin¬ der eine für Steyr unabweisbare Nothwendigkeit. So kühn dieser Gedanke auch war, gänzlich ohne jegliche Hilfsmittel eine Erziehungs¬ Anstalt zu gründen — der Muth des frommen Priesters war nicht geringer. Wiesinger verfügte über ein unerschöpfliches, geistiges Kapital. Er besaß ein unbegrenztes Gottvertrauen. Mit diesem Stammkapitale ausgerüstet, ging Wiesinger endlich an die Verwirk¬ lichung seines Lieblingsgedankens. — Wie nun diese für Steyr's verwahrloste Jugend wichtige Gründung thatsächlich zu Stande kam und sich befestigte, entnimmt der Verfasser drei vorhandenen Schriftstücken. Die ersteren zwei vom Jahre 1860 stammen von der Hand des seligen Gründers der Anstalt, letzteres vom Jahre 1863 aus der seines Nachfolgers in der Leitung der Anstalt, des hochwürdigen Herrn Josef Schwanninger. Sämmtliche drei Schreiben, welche in Kopie vorliegen, sind an die hochselige Majestät, weiland Kaiserin Karoline Augusta, welche mit Recht ein Engel der leidenden Menschheit genannt wird, gerichtet. Ersteres lautet: Kaiserliche Majestät! Der gehorsamst Gefertigte, Kooperator an der Vorstadtpfarre Steyr in Oberösterreich, ist auch zugleich geistlicher Rathgeber der beiden Wohlthätigkeits¬ Vereine, nämlich des katholischen Frauen= und Bingentius=Vereines. In dieser seiner Stellung bekam er häufig Gelegenheit, das menschliche Elend zu schauen, an Erwachsenen wie an Kindern; und eben die eigene Anschauung machte auch sein

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