Geschichte des katholischen Frauen-Vereins in Steyr

Stammkapital war. Er fing daher ganz klein an und nahm anfänglich nur ein einziges Mädchen auf, welches mit ihrer Aufseherin von den Gaben lebte, welche einige gutberzige, meistens arme Leute an Brod, Mehl und dergleichen denselben zuwendeten. Allmälig wurde Wiesinger's Unternehmen bekann¬ ter, die Gaben freilich wohl meistens nur armer Leute, daher geringe Gaben — floßen immer häufiger, und so konnte Herr Wiesinger nach und nach immer mehr Kinder in diese Wohnung aufnehmen, da er an keine Kapitalisirung dachte, son¬ dern die Kinder nach Verhältniß der einfließenden Gaben vermehrte. Beim Beginn des Jahres 1862 befanden sich 20 Kinder in dieser Anstalt — ohne ein fires Einkommen, als nur, was die göttliche Vorsehung tagtäglich durch frei¬ willige Liebesgaben der Stadt und Umgebung schickte. Rührend ist es, zu hören, daß es Dienstboten gab, die den armen Kindern zu lieb sich ihr Mittag, oder Abendbrot abbrachen oder ihre Abendsuppe auch versagten, damit Herr Wie¬ finger nicht genöthigt wäre, Kinder zu entlassen. Herr Wiesinger war mehrere Male in einer sehr bedrängten Lage, daß er nämlich, obwohl er selbst seinen letzten ersparten Kreuzer für die armen Mädchen einsetzte, doch für selbe In einer solchen bedrängten Lage war es fast nichts mehr zu leben hatte. auch, wo er einmal — 1860 — den Muth faßte, sich an die weltbekannte Muni¬ ficenz Ihrer Kaiserlichen Majestät zu wenden, und sowohl für seine angenomme¬ nen armen Mädchen als auch für arme Schulkinder zur Anschaffung von Schuhen für den Winter um eine Unterstützung zu bitten. (Ich war damals Zeuge der außerordentlichen Freude, die dieser Priester empfand, als seine Bitte eine so großmüthige Erhörung fand, indem Ihre Kaiserliche Majestät ihm den sehr nam¬ haften Betrag von 300 fl. zur Verwendung für arme Kinder allergnädigst zu übersenden geruht. Owie glänzte damals voor Freude sein Angesicht, wie über¬ aus glücklich fühlte sich dieser Mann.) Unerforschlich sind die Wege der göttlichen Vorsehung! Der, der dieses Unternehmen begonnen, der für verwahrloste und arme Kinder ein so väterlich besorgtes Herz hatte. — Wiesinger — er wandelt nun nicht unter den Le¬ benden mehr auf Erden, schon war er durch sein priesterlich frommes Wirken für den Himmel reif geworden, der Herr hat ihn in die bessere Welt. Er hat ihn zu sich genommen, um ihm den Lohn eines treuen Dieners und Hirten zu geben. Im September verflossenen Jahres 1862 erkrankte er an einem sehr bösartigen Typhus, der ihn nach Verlauf eines Monats am 7. Oktober hinweg¬ rafte. Dem ehrfurchtsvollst Gefertigten, mehrjährigem innigen Freunde des Verblichenen, seinem damaligen Nebenkaplane an der Vorstadtpfarrkirche, war. beschieden, ihn mit den heil. Sterbesakramenten zu versehen, ihm während seine Krankheit geistlich beizustehen und nach seinem allzufrühen Hinscheiden die Augen zuzudrücken. Was wird nun aus seinen armen Kindern werden? fragten sich die Leute sehr betrübt. Der liebe Vater im Himmel wird sie nicht verlassen, sagte ich, ich will mich um dieselben mit allen meinen schwachen Kräften annehmen und das begonnene Werk fortsetzen. Hatte ich ja mein Freund noch auf seinem Sterbebette darum gebeten Kaiserliche Majestät! Die Anstalt existirt noch fort, und noch befinden sich 20 Kinder, verwahrloste Mädchen, darin mehrere sind bereits aus dieser

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2