Geschichte der Freidenker -Die Freidenkerbewegung in Steyr

Wolfgang Hack, im März 2015 1 Geschichte der Freidenker Karl der Große wurde am 25. Dezember 800 von Papst zum Kaiser gekrönt. Er begründete somit das Heilige Römische Reich, um damit die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. „Unsere Aufgabe (d.h. Karls) ist es, mit Hilfe der göttlichen Zuwendung der Kirche Christi überall vor dem Einfall der Heiden und der Verwüstung durch die Ungläubigen nach außen mit den Waffen zu verteidigen und im Inneren die Anerkennung des katholischen Glaubens zu sichern. Eure Aufgabe ist es, heiligster Vater, mit zu Gott erhobenen Händen wie Moses unser Waffenwerk zu unterstützen, um das christliche Volk durch Eure Fürsprache mit Gott als Führer und Geber über die Feinde seines Namens immer und überall den Sieg erringen möge und der Name unseres Herrn Jesus Christus in der ganzen Welt gepriesen werde.“ Der Papst wird also auf die passive Rolle des Betenden beschränkt, während der Frankenkönig sowohl nach Außen gegen die Ungläubigen als auch nach Innen gegen die Häretiker zu kämpfen hatte.1 Die Aufteilung der kirchlichen und kaiserlich - weltlichen Macht funktionierte bis zum 6. 8.1806, als unter Kaiser Napoleon Franz II. letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war und bis 1835 als Franz I. erster Kaiser von Österreich. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Verhältnis Kirche und Staat durch den Investiturstreit (1076 – 1122 Wormser Konkordat, Gang nach Canossa Heinrich IV. 28.01.2077), die Reformation (1555 Augsburger Religionsfriede „Cuius regio, eius religio) und die Kirchenreformen unter Kaiser Josef II. ernsthaft gestört. Es war aber immer ein „interner“ Streit um die Vorherrschaft. Das Wissen befand sich in den Skriptorien der Klöster, das einfache Volk hatte zu dienen und zu arbeiten, die kirchliche und weltliche Macht war zwischen dem Papst und dem Kaiser aufgeteilt. 1 Ausstellungskatalog „Karl der Große“, Orte der Macht, Essays, Aachen 2014

Wolfgang Hack, im März 2015 2 Um 1700 entstand eine geistige und soziale Reformbewegung, die Aufklärung. Durch rationales Denken sollten alle den Fortschritt behindernden Strukturen überwunden werden. Man berief sich auf die Vernunft als universelle Urteilsinstanz, der Kampf gegen Vorurteile, die Hinwendung zu den Naturwissenschaften, das Plädoyer für religiöse Toleranz und die Orientierung am Naturrecht wurden gefordert. Gesellschaftspolitisch zielte die Aufklärung auf mehr persönliche Handlungsfreiheit (Emanzipation), Bildung, Bürgerrechte, allgemeine Menschenrechte und das Gemeinwohl als Staatspflicht. Auf Grundlage der Ideen der Aufklärung begann 1789 die Französische Revolution mit tiefgreifenden macht- und gesellschaftspolitischen Veränderungen in ganz Europa, die das moderne Demokratieverständnis entscheidend beeinflussen sollten. 1848 kam es in Österreich zur Revolution, Ursachen waren der starre Konservativismus unter Metternich, der den monarchischen Absolutismus verteidigte und liberale und nationale Bestrebungen mit hartem Polizeiregiment und strenger Zensur bekämpfte. Die soziale Lage der Bauern, kleinen Handwerker und der entstehenden Industriearbeiterschaft war sehr schwierig. Der Arbeitslohn war gering, Kinderarbeit weit verbreitet. Die rasch, aber unorganisch durchgeführte Mechanisierung verursachte Massenarbeitslosigkeit und Hungerdemonstrationen. Der Bauernstand war trotz des Untertanenpatents von Joseph II. (1781) durch Zehent und Robot schwer belastet; in Galizien kam es bereits 1846 zu einem blutigen Bauernaufstand. Unzufrieden waren auch das liberale Bürgertum und die Intelligenz, vor allem die Studenten, die gemeinsam mit Buchhändlern, Druckern und Schriftsetzern die eigentlichen Vorkämpfer der bürgerlichen Revolution wurden. Dies war die Zeit für Gedanken über eine neue Gesellschaftsordnung. „Der zwanzigste Februar 1887 ist für die Freidenker in Österreich historisch – denkwürdig, denn an diesem Tag fand in Wien, VI., im Hotel „Englischer Hof“ die Gründungsversammlung des „Vereines der Konfessionslosen“ statt Internationales Abzeichen war und ist das Stiefmütterchen, weil „zwei Blumenblätter als Stiefkinder nur auf einem Stuhl (nämlich einem Kelchblatt) sitzen müssen, während zwei andere Blumenblätter als „rechte“ Kinder je einen Stuhl haben dürfen und die Stiefmutter gleich zwei Stühle besetzt.“ Da freies Denken und Handeln von der geistlichen und weltlichen Herrschaft seit jeh und überall als Stiefkinder vernachlässigt und gequält wurden, so ist diese Blume bald zum Symbol des Freidenkertums der ganzen zivilisierten Welt geworden. In Deutschland verwendete man das Vergissmeinnicht.2 Nachdem der erste Obmann, Dr. F. Plowitz „auf Druck von außen“ sein Amt zurücklegen musste, folgten Langtamer und Gustav Häfner. 2 Freidenker Jahrbuch 1923, S. 150

Wolfgang Hack, im März 2015 3 1891 fiel die Wahl als Obmann auf den späteren Abgeordneten und Gemeinderat Ludwig Wutschel, der dreißig Jahre lang das Schiff des Vereines zum Wohle der Freidenker lenkte. Aus Deutschland kamen Norbert Blum, Karl Scholl und Johannes Rouge, die in Wien und Graz Anhänger fanden und „freichristliche“ Gemeinden gründeten. „Doch die Polizei war stets ein gefügiges Werkzeug der Klerikalen, Rouge flüchtete und Scholl wurde 1849 aus Graz ausgewiesen. Die Mitglieder der Gemeinde wurden gewaltsam der römisch – katholischen Kirche einverleibt und viele wurden des Landes verwiesen.“ Kardinal Rauscher, Erzbischof von Wien, und Graf Leo Thun, von 1849 an Kultus – und Unterrichtsminister, wetterten gegen die Glaubenslosigkeit des Volkes, die als die Ursache der Revolution bezeichnet wurden. Am 18. August 1855 schloss Kaiser Franz Joseph I. ein Konkordat mit Papst Pius IX., das der Kirche u. a. weitgehenden Einfluss auf Unterrichtswesen und Eherecht zubilligte. Es verdrängte das uralte Regiment des Staatskirchentums und räumte der Kirche im Habsburgerreich vorübergehend eine wahrhaft imperiale Stellung ein: so wurde das kanonische Recht zum Staatsrecht erhoben, verzichtete die weltliche Macht auf jede Einmischung in geistliche Angelegenheiten, waren das gesamte Schulwesen und die Bücherzensur den Bischöfen unterstellt und richtete sich die Ehegesetzgebung einseitig nach dem katholischen Dogma.. „Wir haben nur noch Talent zur Musik und zum Konkordat“ seufzte der alte Grillparzer.3 Es wurde jedoch am 31. Juli 1870 von Österreich aufgrund der Maigesetzte gekündigt. Diese waren auf Drängen liberaler Abgeordneter vom Reichsrat in Österreich angenommen worden. Die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen war 1870 der Vorwand für die Kündigung des Konkordats durch die Regierung Michael Biron, bis 1863 katholischer Seelsorger in Deutschland gründete 1869 in Graz zusammen mit Zimmermann und Kutschera die „Freie Religionsgenossenschaft“, die sich später in eine „Freidenkergesellschaft“ umwandelte und im Oktober 1869 den „Freidenker, Blätter für Humanität, Aufklärung und Bildung“ herausbrachte. Er verließ im April 1871 das „verpfaffte Österreich“. In Wien hielt sich bis 1851 die von Scholl gegründete „Freichristliche“ Gemeinde, bis ihr Vorsitzender Preßegger des Landes verwiesen wurde. 1868 gründete in Wien Eduard Schwella, ein ausgetretener ehem. römisch katholischer Priester die „Konfessionslose Gesellschaft“ oder „Freie Kirche der Vernunft“. 1869 bis 1876 gab er eine Halbmonatsschrift die „Freie Kirche“ heraus, darauf arbeitete er in der von Martin Hilferding gegründeten „Inland“ mit, 10 Jahre später gab er den „Lichtfreund“ heraus. Er verstarb am 18. Mai 1894. Unter Wutschel wurden 1894 Ortsgruppen im VI., XVI. und XVII. Bezirk gegründet, die Ortsgruppe in Floridsdorf wurde von „Freunden“ unterminiert und ging ein. 3 Kirche, Ketzer, Klerikale, Seite 11, F.J. Grobauer, Wien 1983

Wolfgang Hack, im März 2015 4 Im Oktober 1896 fand die Gründungsversammlung im III. Bezirk statt, die aber 1897 wegen „strafgesetzwidrigen Äußerungen“ von der Behörde aufgelöst wurde. Es folgten Gründungen in weiteren Bezirken. „Aufklärende Vorträge auf allen Gebieten der Wissenschaft und des Sozialismus wurden abgehalten, doch bald versuchten einzelne Scheuklappen – Sozialdemokraten, unser Aufwärtsstreben zu unterbinden. In unseren Reihen fanden nur Sozialisten Aufnahme und unser Streben ging dahin, Menschen, vollwertige Menschen zu erziehen, die in Wort und Tat gleich sind“4 Im August 1896 erschien das Organ „Der Freidenker“ zum ersten Male. Der Verein der Freidenker war der Vorläufer des Monistenbundes in Österreich („für eine auf einheitlich – wissenschaftlicher = monistischer Naturerkenntnis gegründete Welt – und Lebensauffassung“) wie auch des Bundes „Freier Gedanke“ der Deutschen im Tschecho – Slowakischen Staat. Während des 1. Weltkrieges waren die Aktivitäten des Vereins stärkstens unterdrückt, zensuriert und er stand vor der Auflösung. 1918 hatte die Monarchie nach dem verlorenen 1. Weltkrieg für „Gott, Kaiser und Vaterland“ zu existieren aufgehört. „Die Revolution sprengte die Fesseln und als erste begrüßten wir sie durch unser weit verbreitetes Flugblatt „Bürger““. Die freigewordenen Kräfte schufen eine Freidenkerbewegung wie nie zuvor. Aus allen Städten und vielen Orten der Republik erscholl der Ruf nach Ortsgruppen unseres Vereines, dem nach Möglichkeit Rechnung getragen wurde. Um dem Verlangen nach Freidenkerschriften nachzukommen, wurde im Juni 1920 ohne Kapital der „Freidenker – Verlag“ gegründet und im selben Monat erschien das erste Heft der „Freidenker – Lichtstrahlen“ von unserem hochverdienten Angelo Carraro. Die Aufgaben des Vereines wuchsen mit jedem Tag ins Riesenhafte.“5 „Überall sonst suchen sich in Revolutionen und Kriegen Völker ihren Staat, nur hier wurde, einziges Beispiel in der Geschichte, ein Staat gezwungen, zu existieren und sich ein Volk zu suchen.“6 Während alle anderen Gruppen der neuen Lage hilflos und verwirrt gegenüberstanden, verfügten die Sozialdemokraten unter Viktor Adler bereits über ein fixes Programm. Victor Adler, nach eigenen Worten „Hofrat der Revolution“ forderte im Namen seiner Partei den völligen Bruch mit der dynastischen Vergangenheit:…wir werden dafür kämpfen, dass der deutsch – österreichische Staat zu einer demokratischen Republik werde.“ In den Augen der Christlichsozialen offenbarte die Monarchie nach wie vor die „vollkommenste „ Regierungsform: “Nur der Monarch kann wirklich Demokrat sein“. 4 Freidenker Jahrbuch 1923, Seite 87 5 Freidenker Jahrbuch 1923, Seite 89 6 Kirche, Ketzer, Klerikale, Seite 7, F.J. Grobauer, Wien 1983

Wolfgang Hack, im März 2015 5 Die „Reichspost“ sprach gegenüber den Republikanern bloß von Hirngespinsten einiger politisch Irregeführter: „Kein republikanischer Kopf kann durch die Felsenwand der monarchistischen Gesinnung und Kaisertreue der deutschen Alpenvölker rennen“ Die „Arbeiter Zeitung“ forderte die unverzügliche Abdankung der Herrschers: “Mit der Sinnwidrigkeit eines Kaisers ohne Kaiserrecht ist sofort Schluss zu machen!“ Auf der Seite der Christlichsozialen Rechten hatte bereits ein noch jüngerer Politiker großen Einfluss: Ignaz Seipel. Der geweihte Priester und Minister für soziale Fürsorge im letzten kaiserlichen Kabinett des Ministerpräsidenten Lammasch war zwar im Herzen habsburgisch, doch hatte er realistischer weise das Ende der Monarchie erkannt. Der noch- Kaiser Karl mühte sich verzweifelt ab, die Christlichsozialen weiterhin auf die Monarchie einzuschwören, nach seinem Generalstabschef Conrad von Hötzendorf sollte ihm jedes Mittel recht gewesen sein. „Er hätte sich auch den Kommunisten angeschlossen, wenn sie ihm eine Krone angeboten und gesichert hätten“. Auch wird berichtet, dass ihm Freimaurerlogen die Krone wiederbeschaffen wollten, würde er die Trennung von Kirche und Staat durchführen. Am 12. November 1918 beschloss die Provisorische Nationalversammlung den vorerst „Deutschösterreich“ genannten Staat in Form einer demokratischen Republik. Es bestand eine informelle Parteienkoalition, die sozialdemokratische Führung (Bauer, Renner, Seitz)arbeitete mit der alten Ordnung zusammen, der sozialdemokratische Militärexperte Julius Deutsch versuchte die Reste der alten Armee als Ordnungsmacht einzusetzen. Ein Kampf über die Stellung der Kirche im Staat entbrannte, die antiklerikalen Liberalen, die das Kapital, die Presse, die Mehrheit der Universitätsprofessoren und Lehrer, vor allem aber die Sympathien der Zeit für sich hatten, sicherten 1874 den weltlichen Behörden eine beträchtliche Kontrollgewalt über interne Angelegenheiten der Kirche zu. Da sie im Wiener Gemeinderat über zwei Drittel der 120 Sitze verfügten, ließen sie die Kruzifixe aus den Schulen entfernen und der Direktor des Pädagogikums verwehrte Priestern den Zutritt. Darauf entstand eine katholisch – konservative Bewegung, die vorerst vom Hochadel und den Großgrundbesitzern getragen wurde. Als Zentralorgan diente das „Vaterland“, in rascher Folge wurden die „Tiroler Stimmen“, die „Salzburger Chronik“ oder die Volksblätter in Graz, Linz und Vorarlberg gegründet. Im ersten, kurzen Wahlkampf lieferten sich die Christlichsozialen und Sozialdemokraten einen heftigen Schlagabtausch, in den auch die „schwarzgelbe“ Kirche involviert wurde. Für viele Geistliche galt das Bündnis von „Thron und Altar“ nach wie vor als Maxime, die Republik war für sie ein Werk der gottlosen Freimaurerei. Doch es gab auch „Vernunftrepublikaner“ wir Ignaz Seipl, Jodok Fink, Statthalter in Vorarlberg und den oberösterreichischen Landeshauptmann und christlichsozialen Fraktionsobmann Prälat Johann Hausner.

Wolfgang Hack, im März 2015 6 „Stark antisemitische Aussagen wurden ebenfalls von christlichsozialer Seite im Wahlkampf verwendet. Juden waren Volks- und Kulturschädlinge, aber Wahlspenden von jüdischen Großindustriellen und Bankiers wurden anstandslos übernommen.“7 Die meisten dieser „Kaplandemagogen“ standen im Banne des Theologieprofessors August Rohling, des damals wohl bedeutendsten, aber auch umstrittensten Vertreters des religiös begründeten Antisemitismus. Der Wiener Pfarrer Josef Deckert war in seinen antisemitischen Äußerungen soweit über die Grenzen des Gesetzes hinausgegangen, dass er von der Staatsanwaltschaft vor Gericht gestellt wurde. Die Christlichsozialen waren zur Schutzmacht der Kirche geworden, wie einst der Monarch. Katholisch und christlichsozial wurden synonym. Die Freidenker nutzten die aufkommende Gleichgültigkeit, kühle Distanz und Ablehnung gegenüber dem Christentum und der Kirche, um den religiös entwurzelten Menschen ihre eigene „Festkultur“ als Ersatz für ihre seelischen Bedürfnisse zu bieten. Diese organisierte Gottlosigkeit, das Freidenkertum, träumte davon, dass im Jahr 2025 der Wiener Stephansdom unter der Bezeichnung „Victor Adler Halle“, der St. Veits Dom zu Prag in eine Hus Halle und der Petersdom zu Rom als „Giordano Bruno Halle“ für freidenkerische kulturelle Massenveranstaltungen Verwendung finden würde. So zu lesen im Zukunftsroman „Die lebende Mumie“ von Genossen Max Winter8 So wie einst die Christen bzw. die katholische Kirche „alte, heidnische Bräuche“ in ihre Fest – und Gedenktage übernahmen, war auch die Festkultur der Freidenker an die kirchliche Festfolge angelehnt, natürlich im proletarischen, weltlichen Sinn. „Die kirchliche Festfolge „schuf mächtige seelische Bindungen, auf die der Konfessionslose verzichten muss, da er ja, außerhalb der kirchlichen Glaubensgemeinschaft stehend, an ihren Festen keinen Anteil mehr hat. So entsteht in ihm eine Leere, die ein Gefühl des Unbefriedigtseins hervorruft…Es gilt…nur, die proletarische Festkultur von den Eierschalen der kleinbürgerlichen Festkultur zu befreien… Auch die großen Kirchenfeste werden Anlass bieten zu Freidenkerfesten. Da wir nun einmal in einer bürgerlichen Gesellschaft leben, können wir unsere Feste noch nicht nach unseren Bedürfnissen ansetzen, sondern müssen uns an den bürgerlichen Kalender halten. Wir können aber den alten Kirchenfesten einen neuen Sinn geben, der unserer Weltauffassung entspricht…Wichtig ist vor allem, dass wir die seelischen Bindungen herstellen, die die Kirche durch ihre Zeremonien herzustellen weiß.“9 Ein Schwergewicht der Festkultur waren Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche. Statt der Taufe gab es ein Wiegenfest. Statt der Firmung stand die Jugendweihe, womit sie feierlich in die sozialistische Arbeiterbewegung aufgenommen wurden. 7 Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 83, WUV 1994 8 P.Zyrill Fischer O.F.M., Die proletarischen Freidenker, S. 92, „Neues Reich“ – Bücherei Nr. 8, 1930 9 Freidenker, Dezember 1931, 101f

Wolfgang Hack, im März 2015 7 Als Gegenstück zur Fronleichnamsprozession wurden Frühlingsfeste für Kinder mit Spiel und Tanz organisiert, bei denen im Jahre 1929 80.000 Kinder und 127.000 Erwachsene teilnehmen sollten.10 Prälat Hauser suchte die Versöhnung, was in seinen eigenen Reihen keine Zustimmung fand und so legte er seine Obmannstelle zurück, es folgte Prälat Ignaz Seipel, der zweimal als Bundeskanzler amtieren sollte. (1922–1924 und 1926–1929) Mit Seipel wurde das katholische Element innerhalb der christlichsozialen Partei noch verstärkt und dominierend. Die innerpolitischen Fronten verhärteten sich.11 Durch Zusammenschluss aller bestehenden Freidenkervereine im „Freien Bund kultureller Vereine“ im März 1919 versuchte man den Kampf gegen die Kirche wieder aufzunehmen. Es waren dies: Der Allgemeine Österreichische Frauenverein Die Ethische Gesellschaft bzw. die Ethische Gemeinde Die Bereitschaft, Verein für soziale Arbeit und zur Verbreitung sozialer Kenntnisse Der Eherechtsreformverein Der Monistenbund in Österreich Der Wiener Akademische Monistenbund Der Verein der Freidenker Die Sozialpädagogische Gesellschaft Die Vereinigung für Volks – und Jugenderziehung. Bis zum Jahresende 1922 wurden 141 Ortsgruppen des FBÖ gegründet, davon 24 in Wien, 47 in Niederösterreich, 22 in Oberösterreich, 31 in der Steiermark, 6 in Kärnten, 11 in Tirol. 1927 hatte sich als letzte die Landesorganisation Salzburg dem Bund angeschlossen, es wurde damit ein Mitgliederstand von 41705 erreicht.12 Seit der Hauptversammlung vom 28.4.1921 war Genosse Karl Franzl Obmann des Vereins nach Ludwig Wutschel geworden und führte ein straffes Regiment. 10 Jahrbuch der Arbeiterbewegung 1929, Seite 406 11 Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 85, WUV 1994 12 Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 92, WUV 1994

Wolfgang Hack, im März 2015 8 Die politischen Forderungen waren bereits 1919 vom „Freien Bund kultureller Vereine“ an die Regierung formuliert worden: Trennung der Kirche von Staat und Schule Gleichstellung aller Konfessionen mit den übrigen Vereinen und deren Unterwerfung unter das Vereinsgesetz Ersetzung des konfessionellen Religionsunterrichts durch konfessionslosen Moral – und Ethikunterricht Abtrennung der theologischen Fakultäten von den Universitäten und ihre Erhaltung durch die Konfessionsgemeinschaften Durchgreifende Reform der Ehegesetze im Sinne der obligatorischen Zivilehe Aufhebung des Ehetrennungsverbotes für geschiedene Katholiken Einführung einer vollständig unentgeltlichen Einheitsschule mindestens bis zum 14. Lebensjahr mit freien Lebensmitteln und Verköstigung aller Kinder, der vollen Unentgeltlichkeit aller Schulen einschließlich der Hochschulen und einer allgemeinen Bestellung von Schulärzten Beseitigung der direkten und indirekten Nötigung zum Besuch des Religionsunterrichtes sowie des Zwangs zu religiösen Übungen in der Schule Umfassende Strafrechtsreform Gleichstellung der unehelichen mit ehelichen Kindern Völlige Gleichberechtigung der Frau, insbesondere Zulassung der Frauen zu allen Schulen, Ämtern und Berufen und gleiche Entlohnung für die gleiche Leistung sowie Abschaffung des § 144 St.G.B.13 Zulassung der fakultativen Leichenverbrennung Im Jahr 1921 wurden sie erweitert: Sozialisierung des Kirchenvermögens, Beseitigung aller wirtschaftlichen und Steuervorrechte der Kirche (Vermögensabgabe) Verweigerung des aktiven und passiven Wahlrechtes für Geistliche und Ordensleute, sofern und insolange sie einem ausländischen Souverän, z.B. dem Papste, direkt oder indirekt gehorsamspflichtig sind. 13 § 144 St.G.B.: Abtreibung der eigenen Leibesfrucht ist mit schwerem Kerker zwischen ein und fünf Jahren zu bestrafen.

Wolfgang Hack, im März 2015 9 Mitte März 1919 übernahm der sozial- demokratische Lehrer und Abgeordnete Otto Glöckel im Kabinett Renner als „Unterstaatssekretär im Staatsamt für Inneres und Unterricht„ die Leitung der gesamten Unterrichtsverwaltung. Als „Schüler“ Viktor Adlers hob er am 10. April 1919 die verbindliche Teilnahme von Schülern an religiösen Übungen auf. Kardinal Piffl legte dagegen im Namen der Bischöfe Verwahrung ein. Im Mai 1919 zum Landeshauptmann Niederösterreich gewählt, dispensierte Alber Sever auf administrativem Wege vom Hindernis eines bestehenden Ehebandes. Die „Sever – Ehen“ fanden bei den Wienern überaus großen Anklang. Auch von anderen Landeshauptleuten wurde von der Erteilung solcher Befreiungen Gebrauch gemacht und wurden innerhalb von 12 Jahren mehr als fünfzigtausend Dispensehen geschlossen. Die Gerichte urteilten unterschiedlich über Gültigkeit oder Annullierung. Seit November 1920 saßen die Sozialisten nicht mehr auf der Regierungsbank, das politische Klima wurde mit jedem Tag frostiger. Mit dem Ende der Monarchie war die Stellung der Kirche in der Republik unangetastet geblieben. Kaiser Josef II. hatte bis 1786 von den 2163 Klöstern in Österreich und Ungarn mit etwa 45000 Mönchen und Nonnen 738 Klöster aufgehoben. Er regelte auch die Bezüge der Geistlichen neu. Aus dem eingezogenen Vermögen wurde die Religions – und Pfarrkasse geründet, der spätere Religionsfond. Aus dessen Erträgnissen sollten die Geistlichen, deren Einkünfte unter dem standesgemäßen Einkommen lagen, einen Ausgleich, die Kongrua erhalten. Die reichsbepfründeten Kleriker sollten über eine Religionsfondsteuer (7,5%) dazu beitragen, 1899 wurde diese aber wegen „Nichteinbringlichkeit“ völlig aufgehoben. Das daraus entstehende Defizit des Fonds wurde durch jährliche Staatsdarlehen abgedeckt. 1848 betrugen die Schulden des Fonds beim Staat fl 21 Millionen, 1869 bereits fl 53,6 Millionen „Budgetneutral“ wurden die Schulen später nicht mehr ausgewiesen, man führte den Religionsfonds als Einnahmen – Ausgabenpost. 1885 wurde unter Taaffe die Kongrua um 1 Million erhöht, 1897 um weitere 2 Millionen, nochmalige Erhöhungen folgten in immer kürzeren Abständen. Ein Gesetz von 1902 brachte zusätzlich eine „Regelung der Ruhegenüsse der Priester“, wodurch der Staat 1904 11 Millionen Kronen für die Bezüge der römisch – katholischen Priester aus Steuergeldern bezahlte. In einer christlichsozialen Regierungsvorlage betreffend eine Kongrua – Novelle vom 21. Juni 1921 sollte die „finanziell traurige Lage des Seelsorgeklerus“ verbessert werden.

Wolfgang Hack, im März 2015 10 Die Seelsorger, Dignitäre und Kanoniker bei den Metropolitan – und Kathedralkapiteln der katholischen Kirche sollten in sechs Gruppen eingestuft werden, deren „Kongrua“ den Gruppen 11 bis 18 des Beamten – Besoldungsschemas anzupassen wäre. Die Gruppen 11 bis 18, die im neunzehnstufigen Besoldungsschema den Beamten mit Hochschulbildung vorbehalten waren, wurden im Hinblick auf die vergleichbare Ausbildung von Priestern gewählt. Die Anpassung war auch bezüglich der Vorrückungsbeträge (Biennien), der Ortszuschläge, der Teuerungszulagen, des Anspruches auf Ruhegenuss und den dafür geltenden Bemessungsgrundlagen vorgesehen. Diese grundlegenden Neuerungen exklusiv für die „Mitarbeiter“ der römisch katholischen Kirche bezogen sich aber nicht nur auf die Seelsorger, sondern auch auf die Nicht – Priester, die weltlichen Angestellten. Die Sozialdemokraten, allen voran Abg. Leuthner, bliesen Sturm gegen dieses Gesetz, das zum Höhepunkt des Kongrua – Konfliktes in der Republik wurde. Im Laufe des Jahres nahm die Inflation deutlich zu, geriet außer Kontrolle der Regierung und es kam zu Demonstrationen, Schlägereien, Plünderungen. Nach dem Rücktritt des parteilosen Kanzlers Schober bildete Prälat Seipel im Mai 1922 sein erstes Kabinett, im Oktober 1922 wurden die „Genfer Protokolle“ für die Völkerbund – Anleihe unterzeichnet, im Gegenzug wurde der Abbau von hunderttausend Staatsbeamten gefordert. Mit Dekret von Mai 1886 hatte der Papst allen, die der Feuerbestattung anhingen, kirchliche Strafsanktionen angedroht, ausdrücklich ächtete er die Glaubenszweifler und Freimaurer, „die zu heidnischem Ritual verleiteten“. Das konnte die Bildung des Arbeiter – Zweigvereines „Die Flamme“ nicht hindern, dessen Ziel es war, die Einäscherung des Toten als gesetzlich anerkannte Bestattung durchzusetzen. In der Monarchie ohne Erfolg, wurde in den ersten Tagen der Republik die Errichtung eines Krematoriums in Wien durch Bürgermeister Jakob Reumann genehmigt. Der Tiroler Architekt Clemens Holzmeister erhielt den Auftrag, ließ sich aber vorher vom Heiligen Stuhl bestätigen, dass er mit dem Bau „keine Sünde auf sich lade“. Am 17. Dezember 1922 wurde die Feuerbestattungshalle feierlich eröffnet, schon im September 1924 konnte die eintausendste Einäscherung verbucht werden. Für die Kirche und die Christlichsozialen war die Leichenverbrennung ein Kind des Umsturzes, des Kirchenhasses und der Freimaurerei, eine Rückkehr zu barbarischer Rohheit. Der große Heimatdichter Peter Rosegger sah das anders: Nicht ekle Würmer soll mein Leib einst nähren. Die reine Flamme nur soll ihn verzehren. Ich liebe stets die Wärme und das Licht. Drum verbrennt mich, begrabt mich nicht.

Wolfgang Hack, im März 2015 11 Im Jahr 1923 rief die Partei zum Massenaustritt aus der Kirche auf:“ Man kann nicht Sozialist und zugleich Kirchgänger sein! Darum: Heraus aus der Kirche! Werdet konfessionslos!“ – Mit großem Erfolg, fast dreiundzwanzigtausend sagten sich von ihrem Glauben los. 1934, im Jahre der Vereinsauflösung hatte „Die Flamme“ hundertachzigtausend Mitglieder. Die Kirche hatte vorher einen beschwörenden Mahnruf verlautbart: „Wir können nicht umhin, euch Arbeitern zu sagen, dass ihr einmal vor dem Gericht Gotte die Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie verantworten müsst!“. 1923 gelang es Seipl wiederum die Christlichsozialen zum Wahlsieg zu führen Aus der „roten“ Volkswehr wurde allmählich ein „schwarzes Bundesheer“, Otto Bauer und Julius Deutsch bauten daraufhin die bestehenden Arbeiterwehren im Mai 1924 zum Republikanischen Schutzbund aus. Aber auch die Bürgerlichen begannen aufzurüsten und bald waren Zusammenstöße an der Tagesordnung und entwickelten sich zum Guerillakrieg. Im Herbst 1924 trat Seipl als Bundeskanzler zurück. Im Februar 1925 zählte der Freidenkerbund mehr als hundertachzigtausend Mitglieder, von denen die Hälfte konfessionslos war. Bei ihnen nahm der Sozialismus die Stellung der Religion ein. Der ständig fortschreitende Prozess dieser Gottesentfremdung und Entkirchlichung der Arbeiterschaft löste die von den Sozialisten propagierte Vorstellung aus, dass die Kirche die Dienerin der ausbeutenden Unternehmer, die Schutzmacht des Kapitalismus sei. Dem Arbeiter war der Kapitalismus sein Antichrist. Im April 1927 erließ das österreichische Gesamtepiskopat eine „instructio pro clero in re sociali“ Danach sollten die Priester „sich immerfort das Studium der sozialen Fragen angelegen sein lassen“, aber auch über die Irrtümer des Sozialismus und Kommunismus und ihre „Verwerflichkeiten“ hätten sie unablässig Aufklärung zu geben und ernst vor dem Beitritt zu „geheimen, verbotenen, aufrührerischen und verdächtigen“ Vereinigungen zu warnen: „Wer sich der freimaurerischen Sekte anschließt oder anderen Vereinigungen derselben Art, die gegen Kirche oder die rechtliche Staatsgewalt Umtriebe planen, verfällt der dem Apostolischen Stuhle reservierten Exkommunikation.“ Für die meisten Freidenker war ein katholischer Parteigenosse ein „Sozialdemokrat zweiten Ranges“, sie lehnten eine religiöse „Neutralität“ strikt ab. Dies wurde jedoch von Otto Bauer, dem Nachfolger von Victor Adler in einer modifizierten Form vertreten. „Die sozialistische Gesellschaftsordnung wird niemand eine Religion vorschreiben und niemand eine Religion verbieten. Sie wird vielmehr einzelnen erst die wahre geistige Freiheit geben, sich nach seiner innersten Überzeugung zu entscheiden“. Die Freidenker wiesen den Toleranzgedanken des „Linzer Programms“ entschieden ab.

Wolfgang Hack, im März 2015 12 Wenige Wochen nach der Sozialistentagung in Linz wurde auch von den Christlichsozialen ein neues Parteiprogramm aufgestellt, das aber weitgehend an den alten Grundsatzerklärungen festhielt. Im Burgenland, das nach dem Zusammenbruch der Monarchie Österreich zugesprochen worden war, gab es zahlreiche Querelen. Man war zwar im Landtag übereingekommen, keine Aufstellung halbmilitärischer Wehrverbände zuzulassen, dennoch gründeten sowohl die Frontkämpfervereinigung als auch der republikanische Schutzbund ihre Ortsgruppen, mit dauernden lokalen Geplänkeln und Zusammenstößen. Am 30. Jänner 1927 schossen in Schattendorf drei Mitglieder der rechtsstehenden Frontkämpfervereinigung Deutsch-Österreichs auf die zahlenmäßig deutlich überlegenen, jedoch unbewaffneten Teilnehmer einer gegen sie gerichteten Demonstration des Republikanischen Schutzbundes und töteten dabei ein achtjähriges Kind und einen Klingenbacher Schutzbündler. Die Täter wurden von einem Geschworenengericht wegen Notwehr freigesprochen. Am 15. Juli 1927, einen Tag nach dem Schattendorfer Urteil, versammelten sich aufgebrachte Arbeiter vor dem Justizpalast in Wien, erstürmten diesen und legten anschließend Feuer; die Regierung Ignaz Seipel ordnete die Niederschlagung der Demonstration an. Die so genannte Julirevolte forderte 89 Tote, auch auf Seiten der Polizei; der abgebrannte Justizpalast und das verschärfte politische Klima waren zusätzliche Schritte in den Bürgerkrieg. Im Nationalrat machte Karl Renner die Sonntagspredigten mancher burgenländischer Pfarrer dafür mitverantwortlich. Anlässlich der Gerichtsverhandlung war ein Jugendlicher einvernommen worden. Befragt nach seinem religiösen Bekenntnis sagte dieser impulsiv: “rot“. Während die bürgerliche Presse wegen „Vergiftung der Seelen“ Lärm schlug, triumphierte die „Arbeiter – Zeitung“. Für sie war die Antwort eine Bestätigung mehr, wie tief bereits das sozialistische Gedankengut in junge Herzen eingedrungen sei. Junge Menschen waren bereits nach Schablonen geistig verkrüppelt worden, unfähig zu einem selbständigen Denken. – Ein leichtes Spiel für den nachkommenden Nationalsozialismus. Schober wurde von einer Seite als „Arbeitermörder“, von anderer Seite als Retter Wiens gesehen. „Nehmen sie vorläufig auf diesem Wege die Versicherung tiefster Bewunderung und herzlichster Dankbarkeit entgegen“ schrieb ihm der kirchliche Oberhirte Kardinal Piffl. Seipl, der durch seine Doppelstellung als Politiker und Priester bereits die „meistgehasste“ Persönlichkeit der Republik war, steigerte die Frustration durch eine Rede im Parlament, in der er sich gegen jede Art von Aufruhr und Empörung wandte. Diese Rede trug ihm die Bezeichnung „Prälat ohne Milde“ ein.

Wolfgang Hack, im März 2015 13 Das entschlossene Eingreifen der Heimwehren hatte ihm imponiert, er verschaffte ihnen durch Interventionen bei Industrie und Banken Geld, um weiter aufrüsten zu können. Mit dieser „unwiderstehlichen Volksbewegung“ wollte der Kanzler Druck auf die erstarrten parlamentarischen Fronten ausüben, vor allem den „Roten“ heimzahlen, was sie ihm und der Kirche angetan hatten. „Wenn wir die Widersacher Christi aufmarschieren sehen mit besser organisierten bewaffneten Gruppen, dann müssen wir nur alles tun, um die Mängel unserer eigenen Ausrüstung und Organisation zu beheben. Die wahre Liebe zum Volk muss sich gerade darin zeigen, dass wir den Entscheidungskampf im Volk und für das Volk nicht scheuen.“ So stand bald Gewalt gegen Gewalt. In der Sozialdemokratischen Partei gab es Genossen, die um eine Verständigung mit den Katholiken bemüht waren. Unter dem Metallarbeiter, dem „Kleinen“ Otto Bauer, hatte sich ein „Bund religiöser Sozialisten“ zusammengeschlossen, der mit katholischen Geistlichen wie Michael Pfliegler Kontakt hielt. Die religiösen Sozialisten wurden von der offiziellen Parteilinie akzeptiert, die Freidenker sahen im Begriff „religiöser Sozialismus“ eine Contradictio. An der Parteispitze bekannte Wilhelm Ellenbogen, vor jeder Religion große Achtung zu haben. Religion habe für ihn die Funktion, eine theoretische Weltdeutung zu geben, um daraus einen ethischen Standpunkt zu gewinnen. Die österreichische Bischofskonferenz wies in ihrer Tagung im November In Salzburg den Vorwurf des Bundes von sich, dass die Kirche durch die Verquickung mit den Christlichsozialen zu einem Machtinstrument des Kapitalismus geworden sei. Auch gegen die Bezeichnung „Religiöse Sozialisten“ legten sie Verwahrung ein, da dieses „Firmenschild“, dieser Vorspann sozialistischer Werbearbeit, nur dazu diene, die katholischen Arbeiter und Angestellten, besonders aber das Landvolk zu düpieren. In der päpstlichen Enzyklika „Quadragesimo anno“ verkündete das Kirchenoberhaupt, dass Sozialismus und Christentum unvereinbar seien. Die dringend notwendige Brücke zwischen Katholizismus und Sozialismus war kirchenamtlich abgebrochen worden. Im Februar wurde der Bund der Religiösen Sozialisten „im Namen Gottes“ aufgelöst. Am 03. April 1929 überraschte Seipl durch seine Demission als Bundeskanzler, ihm folgte Ernst Streeruwitz als Regierungschef. 1930 wurde Seipel kurzzeitig Außenminister im Kabinett von Carl Vaugoin. Nach dem Zusammenbruch der Creditanstalt im Jahr 1931 sollte er nochmals die Regierungsgeschäfte übernehmen, blieb aber in der Regierungsbildung erfolglos.

Wolfgang Hack, im März 2015 14 „So war es die scharfe Waffe des Kirchenaustrittes, die wir Freidenker unermüdlich schwangen, so war es unsere Propaganda, die wir unentwegt trieben, die Österreich von der Herrschaft Seipels befreite. Sein Sturz ist nicht zuletzt unser Werk.14 Am 4. April 1930 beschloss der Nationalrat das Bundesgesetz zum Schutz der Arbeits – und Versammlungsfreiheit (Antiterrorgesetz) um die „Politische Freiheit in den Betrieben zu sichern und Gesinnungszwang auszuschalten“. Die Freidenker sahen darin eine Einschränkung der gewerkschaftlichen Freiheit, gegen deren Referenten wurde eine Reihe von Anklagen wegen Gotteslästerung erhoben. Im November 1930 gab es auf Initiative der Bischöfe wieder Gespräche über die Schaffung eines neuen Konkordates. Mitte April 1931 fand in Salzburg eine außerordentliche Bischofskonferenz statt, in der es hauptsächlich um das herrschende „Ehewirrwarr“ ging. Ein Großteil des Klerus war gewillt, die fakultative Zivilehe als geringeres Übel hinzunehmen, da man weitere Kirchenaustritte befürchtete. Der Vatikan wollte einer Ehereform nicht zustimmen, im Konkordatsentwurf vom August 1931 begehrte der Apostolische Stuhl zusätzliche finanzielle Leistungen des Staates an die Kirche. Bereits am 31. Dezember 1930 hatte der Papst die Enzyklika „casti conubii“ veröffentlicht. Nach ihr habe der Hauptzweck der Ehe auf die ungehinderte Fortpflanzung hingeordnet zu sein. Jede bewusste Verhütung einer Schwangerschaft sei ein Verbrechen, jede Abtreibung Mord. Sache jeder staatlichen Autorität müsse daher sein, „durch zweckmäßige Gesetze und Strafen“ das Leben ungeborener Kinder zu schützen: “sollte jedoch die öffentliche Gewalt diesen Kleinen nicht allein Schutz versagen, vielmehr durch ihre Gesetze und Verordnungen den Händen der Ärzte und anderen zu Tötung überlassen und ausliefern, dann möge sie sich erinnern, dass Gott der Richter und Rächer unschuldigen Blutes ist, das von der Erde zum Himmel schreit.“ Durch die Wirtschaftskriese hatte sich die Situation des FBÖ mehr und mehr zugespitzt. Die Mitgliederzahl sank weiter ab und fiel Ende 1932 auf 30.000 „und davon machten die Arbeitslosen schon mehr als 50% der Vollzahler aus“.15 Im Februar 1933 wurde noch mit einer Plakataktion für den Kirchenaustritt geworben, deren Inhalt dann von der Behörde für das Verbot des Freidenkerbundes herangezogen wurde. Nach der „Selbstausschaltung des Parlaments“ am 4. März 1933 folgte Schlag auf Schlag gegen die „marxistische, materialistische Volksverführung“ und für den „sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage unter starker, autoritärer Führung!“16 14 Freidenker, Juni 1929, Seite 89 15 Jahrbuch der Arbeiterbewegung 1932, Seite 362 16 E. Dollfuß, 11. September 1933, Trabrennplatzrede

Wolfgang Hack, im März 2015 15 Die Versammlungsfreiheit wurde per Notverordnung eingeschränkt, die Landesversammlung des FBÖ Wien verboten.17 Durch Erlass des Unterrichtsministers Rintelen wurde am 10. April 1933 der Glöckelerlaß vom 10. April 1919 aufgehoben und der Zwang zu religiösen Übungen in Volks -, Haupt – und Mittelschulen wieder eingeführt.18 Am 12. Juni 1933 wurde der „Freidenkerbund Österreichs“ durch die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit aufgelöst. Nach dem 2. Weltkrieg hatte es die Provisorische Regierung Renner am 31. Juli 1945 ein Gesetz geschaffen, das die „Reorganisation“ kommunistischer und sozialistischer Vereine ermöglichte. Im Februar 1946 meldete sich der Freidenker Pürk beim Parteisekretariat der SPÖ mit der Idee, nun auch den Freidenkerbund wiederzubeleben.19 Im Antwortschreiben wurde mitgeteilt:“…dass im Zuge der Neuorganisation der Sozialistischen Bewegung die Gründung eines Freidenkerbundes nicht in Frage kommt…“20 Dennoch stellte der fast 75-jährige Franz Ronzal21, sozialistischer Bürgermeister von Eichgraben/NÖ, ein Reaktivierungsansuchen, das abgelehnt wurde. Daraufhin entschloss man sich, sehr zum Missfallen der Partei, 1947 zur Neugründung, was nicht untersagt wurde.22 Am 14. Mai 1958 beschloss die SPÖ bei einem außerordentlichen Parteitag ein neues Parteiprogramm, in dem der Führungsanspruch der Arbeiterklasse aufgegeben wurde, und die SPÖ für ein Mehrparteiensystem, die Sozialpartnerschaft und für einen sozialistischen Humanismus eintritt. „Sozialismus und Religion sind kein Gegensatz, jeder religiöse Mensch kann gleichzeitig Sozialist sein“. Am 23. Jänner 1959 wurde die „Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Katholiken“ gegründet. Aufgrund vieler interner Streitigkeiten, einem Auflösungsbeschluss vom 12. Dezember 1970, der wieder beeinsprucht wurde und der Gründung eines „Österreichischen Institutes für Geistesfreiheit und wissenschaftliche Weltanschauung – Freidenkerbund Österreichs“ bestimmte das Gericht Ende 1975 A.K. Konecny zum Kurator. 1976 gab es wieder eine Mitglieder – Vollversammlung, aufgrund dieser der alte FBÖ wieder vereinsgesetzlich handlungsfähig war und A. Konecny am 11. März 1977 seiner Funktion als Kurator enthoben wurde.23 17 Freidenker, April 1933 18 Freidenker, Juni 1933/44 19 RKN, Ordner1, Teil 7, Brief von Franz Pürk an Parteisekretariat der SPÖ vom 23. Februar 1946 20 Brief des Parteisekretariates an F. Pürk 14. März 1946 21 Franz Ronzal war der letzte amtierende Obmann des FBÖ bis zum Zeitpunkt der Auflösung 1933 22 BMI/Vereinsabteilung, Gen.Dion.f.d.öffentl. Sicherheit GZ 125.534-4/47 vom 5. Dezember 1947 23 BG Innere Stadt 2 P 244/75

Wolfgang Hack, im März 2015 16 Am 24. April 1978 wurden das Institut und der Freidenkerbund Österreichs unter der Bezeichnung „Freidenkerbund Österreichs (FBÖ) – (Institut für wissenschaftliche Weltanschauung) zusammengeführt, Richard Klucsarits wurde erster Bundesobmann. Am 16. März 1991 wurde Dr. Soos zum Bundesobmann gewählt, beim XLII. Kongress der „Weltunion der Freidenker“ in Wien zum Vertreter Österreichs in der Weltunion.

Wolfgang Hack, im März 2015 17 In der allgemeinen Wahrnehmung werden Freidenker und Freimaurer gleichgesetzt, doch gab es zwar nicht in den Zielen über die geistige Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen, doch im philosophischen Zugang grundlegende Unterschiede. „Die Freidenker gelangten vom empirischen Rationalismus, über den epikureischen Marxismus (O. Neurath) zum reinen Atheismus. Für sie ist die Welt das Ergebnis einer Entwicklung, die Naturgesetzen unterworfen und logisch erklärbar sind. Ihre Einstellung ist antimetaphysisch, antiesoterisch, antireligiös. Die menschliche Existenz ist mit dem Tod abgeschlossen, es ist der Übergang von Existenz in Nichtexistenz. Sie üben einen gottesleugnerischen Gewissenszwang aus und richten einen „Mahnruf an alle freien Menschen: Werdet konfessionslos“. Die Freidenker hatten sich schon lange dem Sozialismus zugewandt. In der Freimaurerei ist der Deismus vom Kant´schen Idealismus geprägt. Für sie schuf ein A.B.a.W. die Welt, sie bekennen im Ritual „Ehrfurcht vor dem großen Baumeister aller Welten“. Esoterik spielt eine besondere Rolle in Form von Symbolen, Riten und Gebräuchen. Mit dem Tod erreicht der Freimaurer die „Vollendung im Ewigen Osten“. Die Unsterblichkeit gilt als „Schlussstein sittlichen Handelns, die Abberufung zu höherer Arbeit, ein Vollendungsglaube“ Ihre Weltanschauung nimmt alle Konfessionen in sich auf und verbindet sie zu einer moralischen Macht. Das Freimaurertum hat seinen ursprünglichen bürgerlichen Charakter bewahrt.“24 24 Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 357/358, WUV 1994

Wolfgang Hack, im März 2015 18 Die Freidenkerbewegung in Steyr Am 21. Juni 1920 wurde in Steyr eine neue Ortsgruppe der FBÖ gegründet, die 200 Mitglieder zählt. 25 Am 24. Juli 1921 fand zum erstenmal eine Freidenkerkonferenz des „Freidenkerbundes“ in Wels statt…Sämtliche Ortsgruppen und Zahlstellen in Oberösterreich hatten Delegierte entsendet, nur Steyr war nicht vertreten, was bei den Versammelten Befremden hervorrief“ meldete der „Freidenker“ vom 1. August 1921. Als Fußnote folgte die Ermahnung durch die Schriftleitung:“ Wir sind sehr erstaunt, dass die Freidenker in Steyr, die wackere Kämpfer für den freien Gedanken sind, an der Konferenz nicht teilnehmen. Wir rufen unseren Gesinnungsfreunden in Steyr zu, nieder mit dem Separatismus, nur in der Einigkeit liegt die Kraft.“26 „St. Ulrich bei Steyr. Am Mittwoch, den 10. Juli d.J. (1921) fand wiederum eine Versammlung unter Vorsitz des Gesinnungsfreundes Obmann Josef Tischler statt. Als Referentin erschien Gesinnungsfreundin Erna Schnitzer(?), welche über das Thema „Entstehung der Welt – Urgesellschaft – Kultur“ sehr sachlich referierte und dafür großen Beifall erntete. Gesinnungsfreund Nagel brachte vorher den Bericht von der Landesgruppenkonferenz in Linz. Die Berichte des Kassiers, …. und der Kontrolle wurden ebenfalls zur Kenntnis genommen. Der Gesinnungsfreund Obmann Tischler dankte zum Schlusse nochmals der Referentin für ihre vortrefflichen Ausführungen sowie allen Anwesenden für ihr Erscheinen und schloss um 11 Uhr abends mit einem kräftigen „Freiheit“ die Versammlung.“27 „Oberösterreich. (1922) In Steyr, St. Ulrich, Garsten, Gleink, St. Florian und bei einer überaus stimmungsvollen Sonntagsfeier auf dem Damberg bei Steyr sprach Carraro.“28 „In der Region Sierning/Letten wurde die Freidenkerbewegung von Neuzeug aus verwaltet. Dort war sie im April 1922 mit 133 Mitgliedern gegründet worden. „Ortsgruppe Steyr, (1922) Einzahlung der Mitglieder, Zeitungsausgabe, Abrechnung der Subkassiere, Anfragen und Beschwerden, sowie Ausschutzsitzung jeden Freitag von ½ 7 Uhr ab im Bundeshaus „Zur Goldenen Gans“, Enge.“29 25 Freidenker Nr. 8/9, 1920 26 Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 93, WUV 1994 27 Der Freidenker 1921 28 Der Freidenker 1922, Seite 3 29 Der Freidenker Nr. 13, Seite 4, 1922/23

Wolfgang Hack, im März 2015 19 St. Ulrich bei Steyr. Am 5. Jänner d.J. (1924) fand die Jahreshauptversammlung statt. Nach Erstattung der verschiedenen Berichte wurden in den neuen Ausschuss gewählt: Obmann Josef Tischler, Stellv. Heinrich Schwarz, 1. Schriftführer Josef Nagl, 2. Schriftführer David Plank, 1. Kassier Franz Eibl, 2. Kassier Stefan Danner, Kolporteur Franz Hofer, Beisitzer Mat. Schmiedt, Josef Schinnerl, Karl Plank, Johann Plank. Abrechnung mit dem Subkassier findet jeden 1. Freitag im Monat und die Ausschusssitzung jeden 2. Freitag im Monat im Vereinslokal Pöllhubers Gasthaus „Märzenkeller“ statt.“30 „St. Ulrich bei Steyr. Am Freitag, den 18. Juni 1924 sprach im gutbesuchten Vereinsheim „Märzenkeller“ Gesinnungsfreund Znahden aus Linz in seiner bekannt hinreißenden und überzeugenden Weise über das Thema: „Gibt es ein Fortleben nach dem Tode?“ Seine vielfach mit Humor gewürzten Ausführungen fanden großen Beifall. Wir danken dem Gesinnungsfreund nochmals für sein vortreffliches Referat und wünschen, dass wir ihn bald wieder in unsere Mitte begrüßen können. Mit der Bitte an alle Anwesenden, wieder so zahlreich zu erscheinen, schloss Gesinnungsfreund Obmann Josef Tischler mit einem „Freiheit“ die schön verlaufende Versammlung“.31 1925 wurde mit der Errichtung eines aufstrebenden Feuerbestattungsvereines („Die Flamme“) von Steyr aus nachgesetzt. 1933 war der Obmann von Neuzeug auch Vorsitzender der Freidenkerorganisation in Letten. Im klerikal geprägten Sierning selbst konnte die Bewegung kaum Fuß fassen. Sie wurde, ähnlich wie in Steyr, von (Fach)arbeitern und „Parteibeamten“ aus Steyr repräsentiert. Charakteristisch für die Führungsebene der Steyrer Freidenkerbewegung war ein-bezogen auf die übrige sozialdemokratische Bewegung-relativ hoher Intelligenzanteil von etwa einem Drittel und die meist qualifizierten Fabrikarbeiter, die die restlichen zwei Drittel ausmachten. Das durchschnittliche Alter von 39,7 Jahren, bezogen auf das Jahr 1930, lag um rund drei Jahre über jenem der Funktionäre der sozialdemokratischen Gesamtbewegung im Zeitraum 19181- 1934 (Die Datenbasis für diese Angaben besteht aus insgesamt 53 Personen). 32 „St. Ulrich bei Steyr. Am 10. Jänner d.J. (1925) hielt unsere Ortsgruppe ihre Hauptversammlung ab, in der zum zweiten Mal unser Genosse Lehrer Maschke aus Steyr sprach. Vor seinen vortrefflichen Ausführungen über Religion, Konkordat und Erziehung, wofür ihm volle Aufmerksamkeit geschenkt wurde, sang unsere Sängerriege „Lyra“ ein 30 Der Freidenker Seite 7, 1924 31 Der Freidenker Nr. 8, Seite 7, 1924 32 32 Josef Stockinger, Zeit die prägt, Seite 64/65, Eigenverlag Dr. Josef Stockinger, Steyr, 2011

Wolfgang Hack, im März 2015 20 Freiheitschor. Bei der Neuwahl des Ausschusses wurden wiedergewählt: Obmann Josef Tischler, Obmannstellvertreter Heinrich Schwarz, Schriftführer Josef Nagl, Schriftführerstellvertreter Rudolf Dorninger, Kassier Franz Eibl, Kassierstellvertreter Stefan Danner, Bibliothekar Franz Hofer, Kontrolle Josef Hartmann, Mathias Schmidt, Beisitzer Johann Plank, Karl Plank, Franz Schinko und Josef Schinnerl. Genosse Tischler forderte die Anwesenden auf, tatkräftig mitzuarbeiten, um unseren Bund groß und stark zu machen. Zum Schlusse der Versammlung dankte der Vorsitzende nochmals dem Referenten für seine guten Ausführungen. Mit einem Freiheitslied fand die Versammlung ihren Abschluss. – Am Freitag, den 23. Jänner d.J. feierte unser Obmann Genosse Josef Tischler im Kreise seiner Gesinnungsfreunde seinen sechzigsten Geburtstag. Der überaus gemütliche Abend bewegte alle Herzen und nahm einen besonders schönen Verlauf. Sämtliche Formationen der freiheitlichen Bewegung, in denen unser Obmann Genosse Tischler Mitglied ist, brachten ihm die schönsten Glückwünsche dar und wünschten, dass er noch lange Jahre seinen Geburtstag feiern möge. Unsere Sängerriege „Lyra“ trug bei, uns durch ihre Lieder den Abend zu verschönern.“33 „Garsten. Die Ortgruppe hielt am 13. März in Grabner´s Gasthaus ihre Jahreshauptversammlung ab. Die Wahl des neuen Ausschusses ergab nachstehendes Resultat: 1. Obmann Otto Zinkernell, 2. Obmann Löschenkohl, 1. Kassier Aug. Kreisel, 2. Kassier Jos. Petutschnig, 1. Schriftführer Karl Schinko, 2. Schriftführer Franz Krauskopf, Kontrolle Jos. Pfeiffer und Jos. Korpelik, Beisitzer: Rudolf Müller, Subkassiere: für Kraxental Franz Bergmeier, für Garsten Hugo Schimsa, für Pyrach und Sierning Karl Zettl, für Buchholz Jos. Petutschnig. Die Bibliothekarstelle blieb vorläufig unbesetzt. Nach der Wahl erstattete Landesobmann Hillinger ein sehr unterhaltsames Referat über das Thema „Freidenkerbewegung“, welches mit großem Beifall aufgenommen wurde. - Am 15. Februar 1925 feierte die Ortsgruppe ihr erstes Wiegenfest zu Ehren der vier konfessionslosen Kinder, und zwar: Patu(?) Alfred, Zinkernell Hermine, Szelegowitsch Berta, Korpelik Egon. Es war dies eine schöne, erhebende Feier, welche jeden Teilnehmer das Herz höher schlagen ließ, zumal das fest durch das Kinderfreundeorchester von Neuzeug und durch den Gesangsverein „Freiheit“ von Garsten sowie die ergreifende Ansprache der Gesfr.(?) Fräulein Schwitzer aus Steyr verschönert wurde, auch nahmen mehrere Gegner an unserer Feier teil, welche erstaunt äußerten, so schön hätten sie sich ein Wiegenfest doch nicht gedacht. Zum Schlusse bringen wir den Eltern sowie den kleinen Freiheitskämpfern unsere herzlichsten Glückwünsche entgegen. „Freiheit“.“34 „Steyr, Freidenkertag 5. Juli 1925. Um auch unseren klerikal – monarchistischen Bezirkshauptleuten und sonstigen Behörden der Landesregierung sowie der Öffentlichkeit zu zeigen, dass wir Freidenker nicht gewillt sind, uns die Gesetzesbeugungen der bischöflich orientierten Landesregierung gefallen zu lassen, wurde bei uns zur gleichen Zeit wie in Wien ein Freidenkertag abgehalten. Am 4. Juli sprach Ing. Stefan Popper und der Bundessekretär 33 Der Freidenker, 1925 34 Der Freidenker Nr.4, Seite 6, 1925

Wolfgang Hack, im März 2015 21 Ferd. Weber in einer unter der Parole „Antwort auf den Katholikentag“ einberufenen und sehr gut besuchten Versammlung. Das sich zeis Stunden währende Referat zeichnete sich durch besonders scharfe Logik aus und es wäre dem Prof. Scopes im „Affenprozess“ Ingenieur Popper als Verteidiger zu wünschen gewesen. Nachdem ein Steyrer Gesinnungsfreund die Seelensanierungsarbeit des vor kurzem in Steyr anwesenden Heerespropstes Pawlikofsky aufgezeigt hatte, der die Wehrmänner ganz besonders vor den Freidenkern warnte, berichtete Bundessekretär Weber seine Erlebnisse mit diesem Herrn in Wien und über das Ansuchen der Bundesleitung um Beistellung einer Militärmusik zum Freidenkertag analog der Beistellung zur Fronleichnamsprozession. Die am 5. Juli um halb elf Vormittags vor dem Rathause stattgefundene Demonstrationsversammlung war ausdrücklich stark besucht. Genosse Popper, der vom Balkon des Rathauses sprach, zeigte die zunehmende klerikale Reaktion in Österreich auf und streifte auch die Fälle römisch – katholischer Unduldsamkeit in Steyr aus der letzten Zeit. (Fall Reder, Oberlehrers Rudolf Thäridl?) und die ungesetzliche Handlungsweise der Landesregierung und Bezirkshauptmannschaft, die ……..macherei gegenüber todkranken Konfessionslosen. Er verlas und erklärte die Resolution der Bundesleitung an die Regierung und empfahl deren Annahme, die auch einstimmig erfolgte. Bundessekretär Weber überbrachte namens der Bundesleitung und der Freidenker - Internationale der Steyrer Demonstration die Grüße und den Dank der Wiener Freidenker und hob die geleistete Arbeit der Steyrer Freidenker hervor. Er teilte der Versammlung mit, dass ungefähr zur selben Stunde die Resolution der Regierung in Wien überreicht wird, was mit Beifall aufgenommen wurde. Die Stadtkapelle schloss mit dem „Lied der Arbeit“ die Demonstrationsversammlung.“35 „Waren bis 1926 zwei aktive Freidenker Mitglieder der durchschnittlich 22-köpfigen sozialdemokratischen Gemeinderatsfraktion, so betraute die Steyrer Stadtparteiorganisation danach als „freidenkenden Alibimann“ nur noch den Lokalredakteur des „Steyrer Tagblattes“ Josef Kirchberger, mit Sitz und Stimme. Dies entsprach auch durchaus dem Bild einer linken Freidenkerorganisation, die enge Verbindung zu den Kommunisten pflegte und deren Repräsentanten in öffentlichen Parteifunktionen möglicherweise nicht erwünscht waren.“36 „Auszug aus dem Ortsgruppenverzeichnisse: Ortsgruppe Steyr, Obmann Alois Hölbling, Konrad Deublerstr. 1, Lokal: Gasthaus Pöschinger37 „Manch linke Parteifunktionäre wollten nach 1927 die zurückweichende Parteipolitik nicht mittragen. Der Obmann der Steyrer Freidenker, Alois Hölbling, 1890 geboren und als 35 Der Freidenker, 1925 36 Josef Stockinger, Zeit die prägt, Seite 64/65, Eigenverlag Dr. Josef Stockinger, Steyr, 2011 37 Der Freidenker, Seite 8, Nr. 10, 1926

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