Emanuel Januschka - Schwimmendes Holz

.. H • at und Volk .. Sdirütenreihe fur e1m Niederdonau, Ahnengau des Fuhrer~. derdonau der NSDAP Heft Nr. 86 Gaupresseamt ie Herausgegeben vom

Niederdonau, Ahnengau des Führers, Sdiriftenreihe für Heimat und Volk Herausgegeben vom Gaupresseamt Niederdonau der NSDAP Ge~amlgestaltung: Hanns Sdiopper und Rudolf Alexander Moißl E& er,dieinen jährlidi 26 Hefte in Zeitabständen von 14 Tagen, insgesamt rund 170 Hefte, eingeteilt in die Reihen: . Politik, Verwaltung und Gesdiichte (Umsdilag: lichtgelb) Land und Lan:lsdiaft (Umschlag: grün) Dae deutsd,e Volk in Niederdonau (Umschlag: rot) Volkswirtschaft (Umsdilag: braun) K1Jltur und bildende Kunst (Umschlag: grau) Musik. Dichtung und Schrifttum (Umschla,; : blau) Heft 86 Januschka Emanuel: .,Schwimmendes Holz" gehört in die Reihe Volkswirtschaft Bereits erschienene Hefte: Nr. 1 Moißl R. A.: .,Die Ahnenheimat des Führers" Nr. 2 Sdiopper Banns: .,Georg Ritter von Schönerer, ein Vorläufer des Nationalsozialismus" Nr. 3 Brozek Rudolf: .,Wo die Traube reift" Nr. 4 Altrichter Anton: .,Der VolkstumskamJJf in Mähren" Nr. 5 Vancsa Kurt: .,Raimund in Niederdonau" Nr. 6 Uiberacker Ernst Josef: .,Waidmannsheil in Niederdonau·' Nr. 7 Volpini Paul: .,Deutsches Bauernland im Südosten" Nr. 8 „Meister unserer Mundart: Theodor M. Vogel" Nr. 9 List Rudolf: .,Landschaftsbilder aus Niederdonau" Nr.10 Forst Alois: ,.Werkbilder aus Niederdonau" (vergriffen) Nr. 11/12 Misson Josef, bearbeitet von Michael Müllner: ,,Da Naz" Nr. 13 Moißl Alexander Rudolf: ,,Das Posthorn klingt" Nr. 14 Sedlit}ky Ludwig J.: ,,Beethoven und Schubert in Niederdonau" Nr. 15 Giannoni Karl: .,Baulidie Wahrzeidieo in Niederdonau" Nr. 16 Henke Otto: .,Die Juden in Niederdonau" (vergriffen) Nr. 17 Brozek Rudolf: .,Der niederösterreichische Bauernkrieg" Nr. 18 Not} Peter Heinz: .,Der Minnesang in Niederdonau" (vergriffen) Nr. 19 „Meister unserer Mundart: Karl Pschorn" (vergriffen) Nr. 20 Weigl Heinridi: .,Die Bedeutung der Ortsnamen in Niederdonau", 1. Teil, Altgau (vergriffen) ;'-ir. 21 Ifit·ke Rudolf: ,,Winter in Niederdonau" (vergriffen) Nr. 22 Tuppa Karl: .,Rassenkunde in Niederdonau" Nr. 23 Schmidt Justus: .,Kunst und Leben Raphael Donners" Nr. 24/25 Litschauer Franz: .,Geschiditsbilder aus Niederdonau" Nr. 26 Müllner Midiael: ,.Die Schauhöhlen des Reichsgaues Niederdonau" Nr. 27 Gamber Emil: ,.Pompeji in Niederdonau" Nr. 28 Henke Otto: .,Sagen und Abersagen" Nr. 29 Riedel Erhard: .,Die Post in Niederdonau" Nr. 30 Sdile~inger Günther: .,Naturdenkmäler in Niederdonau" Nr. 31/32 Moißl Rudolf Alexander: .,Das Lied der Deutsdien" (vergriffen) Nr. 33/34 Pros! Robert M.: ..Zur Geschichte des Bühnenwesens" Nr. 35 Brozek Rudolf: ,,Der Semmering"

Emanuel Januscltka Schwimmendes Holz .Bilder vom Leben und von der Arbeit der Flößer

1943 Verlag: St . Pöltner Zeitungs-Verlags-Ges. m. b. H., St. Pölten, Linzer Straße 1· Druck: Gauwerke Niederdonau A. G. Druckerei St. Pölten Alle Remte vorbehalten

Flüclitige Begegnungen Was ist gegen das schöne Schiff, mit dem du eben durch den Strudengau und die Wachau gefahren bist, ein Floß? Ein bißchen verwundert, ein bißchen mitleidig und doch auch irgendwie vom Anhauch der Romantik und der Gefahr berührt , siehst du, stolzer Schiffreisender, auf das urtümliche Wassergefährt aus zusammengebundenen Baumstämmen herunter. Und siehst auf die Männer, die mit ihren langen, roh gezimmerten Riesenrudern das sonst ganz der Kraft der Strömung überlassene Fahrzeug steuern. Von wo es nur herkommen mag? Wohin steuert es? Aber was kümmert das dich, den mit absichtsvoller Gedankenlosigkeit Genießenden, nicht wahr? Im Nu hat der Dampfer den gegen ihn armselig scheinenden Holzhaufen überholt und eine Viertelstunde später hast du die Begegnung über blühenden Ufern, Sonnenschein und Wellenschlag vergessen. Auf der Donaulände in Heiligenstadt und Nußdorf reiht sich Holzplatz an Holzplatz. Riesige Stöße von Brettern lagern da, aber auch Stapel v.on Rundholz. Und im Wasser des Donaukanals liegen wuchtige Flöße, starke Baumstämme, auf eine merkwürdige Art verbunden. Und du erinnerst dich wieder der Begegnung im Strom, an das Floß und an die Männer, die es ruderten. Also ist die Donaulände in Wien ihr Ziel? Du wirst ein bißchen nachdenklich. Du hast dir eben einen neuen Bücherkasten, einen Schreibtisch machen lassen. Noch jetzt duftet das Lärchenholz nach dem Wald. Du siehst mit Staunen Wälder zu Dachstühlen von Neubauten werden. Und dir fällt auch ein, daß das Holz das Ausgangsmaterial für zahlreiche Werkstoffe ist. Also das ist der Weg, den das Holz vom Wald in die Welt nimmt! Aber wie geht dieser Weg weiter zurück? Das alles hast du vielleicht längst vergessen . als in den Zug, mit dem du auf Urlaub fährst, Männer von seltsam wildem Aussehen einsteigen. Sie haben Bündel von sonderbaren W erkzeugen bei sich, Hacken und Seile. So ähnlich wie Zimmerleute sie haben. Aber sie sind gar nicht so wild, diese abenteuerlich aussehenden Gesellen. Holzknechte sind es oder Flößer. Menschen, die aussehen, als wären sie mit den Hacken, die sie bei sich tragen, aus dem Holz gehauen, das sie „schlagen'" oder „flötzen". Aber man braucht ihnen nur eine 3

Weile zuzuhören, um zu wiss~n. daß man es da mit Menschen mit einem goldenen Herzen und einem erfrischenden, urwüchsigen Humor zu tun hat. Es riecht nach Erde, Wasser und Holz, wenn sie kommen. Und wenn sie reden, dann meint man es splittern und krachen zu hören. Wenn man hinter das Geheimnis kommen will, das hinter den Urschiffen steckt, mit denen die Menschen noch heute, im Zeitalter der Dampf- und Motorschiffe, die Flüsse und Ströme befahren, als lebten wir noch in der Vorzeit, dann muß man den Spuren dieser Männer folgen. Sie führen die Donau stromauf und hinein in die Wildflüsse unserer Alpen. Zwischen himmelhohen Bergen haben diese in Jahrhunderttausenden ihr Bett dem Felsgestein abgezwungen. Und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende. Immer wieder sieht man ihre frischgrünen Wasser plötzlich hohe Wellen schlagen. Da stellt sich noch immer irgendein Felsblock ihrem raschen Lauf entgegen. Oder es ist ein großer Block, der sich hoch oben losgelöst hat, ins Flußbett gestürzt. Unv,erweilt beginnt der Fluß ihn abzutragen. Wird es tauc;ende, zehntausende Jahre währen, bis das Wildwasser ihn aus dem Weg geräumt hat? Eines Tages nun saßen wir in einer winzigen Wirtsstube, unweit Wildalpen, im Tal der wilden Salza, einigen dieser wortkargen Menschen gegenüber. Wie wir gerade hierher gekommen sind? Die Flößer im Eisenbahnzug hatten uns von der wilden Salza, hoch droben in den steirischen Bergen. erzählt ,und von den Salzaflößern. „Da muaß oana scho a Schiffmo' sei', wann oana auf da Salza flötzen wülll Kreizsakranoamal, da gibts Plätz! Da ka oana scho' zsammschaun, daß a durch dö Stoan durchikimmtl Wann da oana glabt, weil er auf der Traun oder auf da Doana flötzen kan, so kan a a scho' auf der Salza fahrn, dann is weit gfehltl Dö Salzaflötzer, dös san Schiffleitl Ja, das san Schiffleitl" Und nun erzählen uns die Flößer in ihrer bedächtigen Redeweise von ihrem Leben. Wir hören ihnen erst eine Weile zu und können fast gar nicht glauben, daß das, was man da hört, ein paar Bahnstunden von Wien, jeden Tag und jede Stunde ihr Tagewerk ist. Da ist noch ursprüngliches Ringen mit der Naturgewalt, da ist uralte Uberlieferung, Gefahr und Romantik. Ist man in einem anderen Erdteil, hört man die Wegl>ahner in unbekannte Landstriche ferner Länder erzählen? Nein. Da sitzen nur ein paar Holzknechte und erzählen von ihrer Arbeit. 4

Wikingerfahrt auf der wilden Salza Im Fa'werk (Fachwerk). einem riesigen Holzstapelplatz an der Salza, zwischen Wildalpen und Palffau, scheppert und kracht es von rollendem Holz und Axtschlägen. Acht kernige Naturburschen mit Muskeln von Stahl „gschirrn" eben ein Floß an. Es ist keines der riesigen Flöße, wie sie auf der Donau fahren. Es ist ein Floß mit rund 30 Raummeter Holz. Aber größere Flöße würden auf der Salza nicht weiterkommen. ,,Mitfah'n wollts? Dös is ja v.abotnl Könnts schwimma?" Natürlich können wir. „No, mir kinnans koana, nur glei dö zwoa Jungan. Alsdann ,mir fah'n umana Elfe. Müaßts halt da sei'. Umana Elfe kummts Gschwüllwasser und aft gehts dahil" Hoch oben in Weichselboden, noch im Steirischen, aber dicht an der Grenze von Niederdonau, halbwegs zwischen Wildalpen und Mariazell, liegt das große Staubeck_en, das 100.000 Kubikmeter Wasser: faßt. Es ist tagsüber geschlossen. Nur um 7 Uhr früh öffnet sich sein Auslaßtor. Dann schießt das aufgestaute Wasser, das die Flößer „Gschwüllwasser" nennen, heraus und verursacht auf der Salza ein kleines Hochwasser. Bei gewöhnlichem Wasserstand wäre sie ja nicht flößbar. Aber schon seit den ältesten Zeiten arbeitet man in den Wäldern draußen mit dem Stauwasser oder „Klauswasser". Die Holzknechte verwenden es zur Trift, die Flößer zur Erhöhung des Wasserstandes. Das „Gschwüllwasser" der Salza braucht dreieinhalb Stunden, bis es von Weichselboden zum „Fa'werk" gelangt. Wir müssen also warten. In der Zwischenzeit schauen wir den Flößern zu, die das Floß „gschirrn". Sie haben den „Schragen", wie sie das rechteckige Grundgerüst nennen, schon gestern gemacht, haben am Morgen das Floß mit Baumstämmen aufgefüllt und das Holz mit den „Wieden· · verbunden. Die „Wieden" sind besonders präparierte Haseläste oder junges Nadelholz, das über Feuer „geröstet" wurde und dann sehr zähe Bindseile zum Zusammenhalten der Floßbäume abgibt, nachdem man sie eingedreht hat. In neuerer Zeit verwendet man auch die sogenannten „Italienerklampfeln", eiserne Klammern, entweder anstatt der „Wieden" oder mit ihnen zusammen. Unmittelbar nach dem Weltkrieg stieg der Holzbedarf so stark an, daß man nicht genug Flößer bekommen konnte. Damals holte man italienische Flößer vom Isonzo auf die Salza, die die erwähnten Klammern eingeführt haben. 5

Die fremden Flößer arbeiteten bis in die Mitte der Zwanzigerjahre auf der Salza und gingen dann wieder in ihre Heimat zurück. Die schwere Arbeit auf dem Wildfluß, fern von der sonnigen Heimat, sagte ihnen auf die Dauer nicht zu. Zum Salzaflößer muß man eben geboren sein. Salzaflößer arbeiten jeden Tag vierzehn Stunden. Sie gelten dafür auch als die bestbezahlten Flößer. Es ist ihnen ein Taglohn von 15 bis 20 Reichsmark verbürgt. Inzwischen haben die Flößer in die Querbalken v,orne und rückwärts die „Trakln" eingerammt, etwa 70 Zentimeter lange Hölzer, um die dann aus „Wieden" gebildete starke Schlingen gewunden werden, durch die die Flößer ihre langen Fichtenholzruder - roh behauene, etwa sechs bis sieben Meter lange Fichtenstämme, an deren Ende man ein zum Ruderblatt entsprechend zugerichtetes Brett angenagelt hat - stecken. Als das Floß fertig ist, haben wir noch ungefähr eine halbe Stund~ bis zum Eintreffen des „Gschwüllwassers". Gemeinsam mit den Flößern nehmen wir in dem winzigen Gasthaus im Fa'werk das Frühstück ein, als auf einmal jemand mit dem Rufe hereinstürzt: ,.Das Wasser ist da!" Wir wollen aufgeregt hinausstürzen, aber die Flößer winken lächelnd ab. Sie zahlen JIJ.it Bedacht und beeilen sich durchaus nicht. „A ja, ·s Wasser kann scho a Zeitl rinna. Der Floß rinnt ja vül schneller als 's Wasser und da hoaßts aft no warten!" So lassen wir uns also noch Zeit, sehen erstaunt, wie der Fluß nun plötzlich um etwa einen Dreiviertelmeter gestiegen ist, und wundern uns, daß die Flößer mittlerweile angefangen haben, lange Baumstämme Y,on einem entfernt liegenden Lagerplatz mit langen Hakenstangen das Ufer entlang zu lotsen, die für die Bereitung der „Schragen" der Flöße des kommenden Tages bestimmt sind. Diese Arbeitsteilung hatte zur Zeit unseres Besuches ihren guten Sinn. Die wilde Salza hinunter muß das Floß „vierspannig" geflößt werden, während auf der Enns zwei Leute vollständig genügen, um das Floß zu fahren. Die vier Leute auf der Salza aber müssen mit aller Kraft arbeiten, um sich dem wilden Wasser gegenüber zu behaupten. Nach der Einmündung in die Enns bei Großreifling stiegen dann zwei Mann aus, setzten sich auf ihre Fahrräder, die sie auf dem Floß mitgenommen hatten, und fuhren wieder ins Fachwerk zurück. Sie waren bis zum Einbruch der Dunkelheit wieder dort beim Aufbau der Flöße für den nächsten Tag tätig, an welchem sie mit den oben verbliebenen 6

·Flößern die Flöße bis zum Eintreffen des Klauswassers fertigstellten. Die beiden auf dem Floß verbliebenen Flößer steuerten das Floß dann auf der Enns noch am selben Tag bis Kastenreith und schliefen eine Nacht bei ihren Familien - die Enns- und Salzaflößer sind zum Großteil in Weyer und Umgebung zu Hause -, fuhren am nächsten Tag mit der Bahn nach Großreifling zurück und von dort mit ihren Fahrrädern ins Fachwerk. Heute ist die Arbeitsordnung eine andere. Es stehen angesichts der Wichtigkeit der Holzförderung Kraftwagen zur Verfügung, die die Flößer sofort wieder, nachdem sie das Floß über die Salza nach Großreifling gebracht haben, ins Fachwerk zurückbringen. So arbeiten die Salzaflößer von Tagesanbruch bis zum Anbruch der Dunkelheit täglich schwer. Ihre freie Zeit ist karg bemessen. Eine Stunde, bei einem Clase Bier oder Obstmost verbracht, ist ihr einziges Vergnügen. Mit Spannung warteten wir nun auf die Abfahrt. Die ging aber nicht so ohne weiteres vonstatten. Das eine, sehr schwere, Floß sitzt irgendwo am Ufer fest und es bleibt nichts anderes übrig, als den Versuch zu machen, es durch das andere vom Ufer abschleppen zu lassen. Die beiden Flöße werden durch ein Seil verbunden. Dann steuert das erste Floß in die Strömung hinaus. Und schon erfaßt diese das Vorspannfloß. Mit unwiderstehlicher Gewalt wird das festiitzende zweite Floß vom Ufer losgerissen. Blitzgeschwind lösen die Flößer das „Soal" (Seil), das die beiden Flöße verbindet, die rasende 'Strömung des durch das „Gschwüllwasser" hochgehenden Flusses packt uns und rast mit uns davon. Was nun folgt, ist ein Kampf zwischen dem Menschen und dem fessellosen Element, der den Atem raubt .und uns vollkommen überwältigt. Das ist nicht das träge Gleiten und Rinnen, wie wir es bisher an Flößen beobachtet hatten. Das ist ein ununterbrochene!'j .stundenlanges Ringen von vier muskelstrotzenden Riesen gegen das zwischen himmelhohen Felswänden dahin-, talabrasende Wildwasser, das uns von dem Augenblick, da wir uns ihm überlassen haben, bis zur Einmündung in die Enns nicht mehr losläßt und dem die vier Männer an den Rudern die Sklavenarbeit, sie und ihre Holzlast zum erwählten Ziel zu bringen, abtrotzen, aufzwingen müssen. Ein Augenblick des Nachlassens, der Unaufmerksamkeit - und wir prallen an die Felswände in den scharfen Windungen des Flusses oder an .die Steinblöcke an, die zu Dutzenden aus dem Wasser ragen. Dann müßte man sich wohl auf das Schlimmste gefaßt machen. Denn diese .Strömung - fast drei Sekundenmeter - ist für Schwimmerarme wohl 7

unüberwindlich. Der Mensch würde über und in die Riesenfelsblöcke geschleudert und würde, wenn er mit dem Leben davonkommen sollte, schlimm genug zugerichtet werden. Aber an sich selbst denken die Flößer erst in zweiter Linie. Zuerst denkt jeder von ihnen an das Holz, für das sie gutstehen müssen. Zerstörung des Floßes und das Davonrinnen des Holzes fürchtet d~r Flößer wie den Teufel. Er müßte ja dann dem Holz die ganze Salza, und die halbe Enns entlang nachlaufen, um wenigstens einen Teil davon wieder zustandezubringen. Wie diese Männer kämpfen und arbeiten! Jetzt rumpeln wir über eine untiefe Stelle, über deren steile Abschüssigkeit uns das Wasser hinunterwirft. Im nächsten Augenblick schießen wir über eine Biegung. Eine zweite folgt. Und als wir um sie herumkommen, erscheint, zehn Meter vor dem Floß, ein Fels von etwa Stockhöhe, den wir in einer Handbreite Entfernung umschiffen. Um eine scharfe S-Biegung kommen wir nur so herum, daß die Flößer das Floß querreißen und. an die Uferwand anprallen lassen. Das Floß rutscht ein Stück an der steilen, nassen und glitschigen Wand empor, so daß wir uns fest - halten müssen, um nicht von dem nun schiefstehenden Floß ins Wasser zu stürzen, und gleitet dann wieder ins Wasser zurück, von der Strömung sofor t we itergerissen. Das hat kritisch ausgesehen. Die Flößer aber lachen nur und sagen v,ielversprechend: .,Hiatzt kimmt no so a Platz! " ·was das für Burschen sind! Die beiden, die vorne steuern, sind blutjunge Kerle. Der eine barhaupt, das blonde Kraushaar fällt ihm in die Stirn. Er sieht mit se inen muskelstarken Armen und dem harten Blick seiner blauen Augen, mit dem er die Gefahr mißt, aus wie einer jener kühnen nordischen Helden, die vor Zeiten, als Wikinger, die stürmischen Meere bezwangen. Der andere neben ihm ist ein schlanker Bursch. Unter dem schief über das dunkle Lockenhaar gestülpten Hut blitzen seine schwarzen Augen hervor. Kein Mensch würde in diesem Jüngling die Kraft vermuten, mit der er gemeinsam mit seinen Gefährten das Floß um die Klippen und Windungen herumreißt. Wenn die beiden arbeiten, rudernd gegen die Gewalt des wilden Wassers ankämpfen, so ist das wie eine Bewegung und eine Kraft, wie ein Wille und ein Atemzug. Und nicht achten sie auf das bis über das Knie sie umspülende, bis über den Kopf sie umspritzende eiskalte Wasser der Salza, wenn sie mit ihren Rudern in die brausenden Wellen greifen. 8

.,Ja, Salzaflötza müassn jung seil A Alter kinnts ja neama dermachnl" Dennoch sind die hinteren zwei Flößer gesetzteren Alters. Der eine, ein Mann in mittleren Jahren, läßt seine mächtigen Oberarmmuskeln lächelnd in der Sonne spielen, wenn es auch noch so wild zugeht. Der andere ist einer jener stillen Gebirg.).er, wie s_ie in den Berggräben öfter zu treffen sind. Auf ihn scheint all das Brausen, die Wellen, die Felsen und die Gefahr keinen Eindruck zu machen. Weiter geht die wilde Jagd durch Schwall und Stein, an Klippen und Felswänden vorbei. Plötzlich ein Warnungsruf der Flößer. Iu einiger Entfernung zischt weißer Gischt, ragt ein Gewirr spitziger Felsen, auf das wir schnell zuschießen. Eine Bodenstufe unter Wasser, Reste · eines alten Rechens, den das Hochwasser nicht duldete. Das Floß springt mit dem Wasser die Bodenstufe hinunter. Wir Fahrgäste halten uns einer am andern an, ein unsanfter Ruck will uns niederwerfen. Als wir uns „derfangen", schießt das Floß schon in die Enns hinaus. Hinter uns bleibt die wilde Salza zurück und mit ihr ein paar Stunden, die uns immer ein unvergeßliches Erlebnis bleiben werden. Als wir, wie aus einem wildschönen Traum erwachend, zurückschauen, da taucht in der Salzamündung auch schon das zweite Floß , auf. Noch einmal genießen wir das wunderbare Schauspiel dieser vier, mit alle r Kraft gegen die langen Ruder gestemmten, kämpfenden Menschenleiber, deren rhythmische Bewegungen für jeden künstlerisch Empfindenden von packender Schönheit sind. Prachtvoll ist dieser Titanenkampf zwischen Mensch und Element mitanzusehen. Sieger blieb der Mensch. Und in welcher Schönheit! Ist es es doch, als tanzten diese Männer auf ihren Urschiffen den rasenden Wildfluß hinunter. Aber was bedeuten solche Empfindungen den Flößern? Sie kennen und schätzen ihren täglichen Riesenkampf mit dem Wasser nur alsdie harte Arbeit ums Brot, als die tägliche Plage mit dem wilden Fluß. Sie sind froh, daß sie ihn wieder einmal hinter sich haben. So selbstverständlich ist diesen deutschen Menschen, die für die Gemeinschaft Leben und Gesundheit einsetzen, dieser Einsatz geworden, daß sie ihn nicht für wert halten, daß davon ein besonderes Aufheben gemacht werde. Sie treffen Vorbereitungen, in dem ,nahen Großreifling anzulegen. Der „Stutzenknecht" - doch halt! Da muß. ja zuvor etwas von den interessanten Resten alter Uberlieferung erzählt werden, die sich bei den Flößern hier erhalten hat. 9-

Nach dieser Uberlieferung ist der rechte Vordermann der „Moasta" (Meister). Er führt das Floß, ist der Erste der Flößer. Als äußeres ·zeichen seiner Würde trägt er die Hacke. Sein linker Nebenmann ist der Stutzenknecht. Der hat die Aufgabe, beim Landen mit dem „Soal" (Seil) ans Ufer zu springen und es um den „Reitstecken" zu schlingen, der dort zum E~stmachen der Flöße eingerammt ist. Beim Floßmachen „fangt" er das schwimmende Langholz mit dem langen Flößerhaken „her". Als Zeichen seiner Würde trägt er das Seil. Der eine Hintermann ist der „Stura" (Steuermann). Er trägt den „Sapl", den Sapin, die charakteristische Spitzhacke der Flößer und Holz- .knechte. Uber seinen Kameraden aber ist ein tragikomisches Geschick verhängt. Er hat nichts zu tragen und nichts zu sagen. Er steht auf dem Floß „hint na denk", ,,denker (linker) Hand", er ist der „Denkerwitzl". Aber seine wirkliche, sozusagen handwerksübliche ~ezeichnung ist einfach und schlicht - ,,Scheißruderer". Warum? ·wie er dazukommt? Das hat uns auch der „gelehrteste" Flößer nicht recht deuten können. Es gibt Ausdeuter, 'die meinen, es wären mit diesen historischen Namen einmal Rangbezeichnungen im zünftlerischen Sinne verbunden gewesen und jener - hm - Ruderer wäre eben der Letzte, sozusagen ein Flößerlehrling gewesen. Eine andere. grundvernünftige Erklärung dafür ist, daß die Flößer den Platz, auf dem er steht, gewöhnlich zu Verrichtungen ausersehen haben, für ,die es auf dem Floß besondere Einrichtungen nicht gibt. Jedenfalls: ernste Folgen hat die Einnahme dieses Platzes heute für den Flößer nicht. Und unser - Ruderer zur Linken, ein älterer Flößer, würde -dem jungen „Moaster" was erzählen, wollte dieser ihn etwa bei seinem historischen Namen ansprechen, Lassen wir also nun den „Stutzenknecht" ans Ufer springen! Geschwind schlingt er sein Seil ein paarmal um den „Reitstecken" und im nächsten Augenblick sitzen wir fest. Das Seil wird dabei nicht sofort festgebunden. Das Ende ist noch lose, das einige Male uni den Reitstecken von etwa 40 Zentimeter Durchmesser geschlungene Seil bremst das Floß langsam ab. Dann erst wird das Seil endgültig festgemacht. Eine kleine Rast, eine Stärkung, dann treten die Salzaflößer die Rückfahrt ins Fachwerk an, begleitet von unseren Segenswünschen. Die Strafie der Eisenflöfie Wer eine Fahrt mit einem Salzafloß mitgemacht hat, wird die Reise mit einem Ennsfloß dagegen idyllisch nennen. Aber von einem ganz 10

;;anderen Blickpunkt aus ist eine Floßfahrt auf der Enns nicht bloß landschaftlich ein Erlebnis. Und dieser Blickpunkt ist ein geschichtlicher. Wie weit dies zurückreicht, das bedürfte einer historischen Durchleuchtung. Aber <;las eine ist sicher, daß auf der Enns in 'früherer Zeit die Eisenflöße eine weit größere Rolle spielten als die Holzflößerei. Es soll überliefert sein, daß zum Beispiel im Jahre 1560 von der Lände Weißenbach - in der Nähe der heutigen Eisenbahn- ·haltestelle Weißenbach-St. Gallen - 400 Flöße nach Steyr abgegangen sind, von denen die meisten Eisenflöße waren. Das Eisen kam von Hieflau „per Achs"' nach Großreifling oder Weißenbach und wurde von dort per Floß nach Steyr transportiert. Steyr besaß ja einst viele Hammerwerke, wo Eisen verarbeitet wurde, und überragte im Mittelalter in dieser Hinsicht auch Wien. Und an der Enns und an der Steyr, an deren Zusammenfluß die alte „Eysnstadt" liegt, lag Hammer an Hammer, da gab es Messer-, Sichel- und Sensenwerke und Schwertfeger, die viel Eisen verbrauchten. In noch größerem Maße als an der Ybbs, wo Waidhofen den Steyrem an .Ausdehnung seiner Hämmer und im Reichtum seiner Gewerksherren kaum nachstand. Auf der Enns genügen zwei Flößer, um dasselbe Floß ungefährdet durch die Strömung zu führen, mit dem in der Salza vier starke .Männer ihre liebe Not hatten. Denn die bei den Faltbootfahrern mit Recht so hochangesehenen großen „Sehwälle", wie die „Kripp" und die „Strubb", deren Uberwindung für das leichte Faltboot eine sportliche Leistung bedeutet, werden v,on dem dagegen riesigen und schweren Floß verhältnismäßig leicht überwunden. So ein „Schwall" ·entsteht, wenn große Steine, Felsstufen und Unebenheiten des Grundes, sozusagen ein natürliches Wehr bildend, den Lauf des Wassers hemmen wollen. Dann springt das Wildwasser in meterhohen Wellen darüber hinweg, es bildet einen „Schwall". Solcher 'Sehwälle gibt es in der Enns viele und manche davon sind berühmt und berüchtigt. wie die „Strubb". Da zwängt sich die Enns zwischyn hohen, eng aneinandertretenden Felswänden durch, ihr Wass'er schießt wie rasend zwischen den senkrechten Felsmauern dahin, scheint zu kochen, zu sieden, dann plötzlich eine Biegung, Wellen- .berge scheinen den Weg sperren zu wollen, schlagen rasend gegen ,das Wassergefährt, drohen es zu zerschlagen und gegen die beängstigend nahen Felswände zu schleudern. Aber im nächsten Augenblick ist der Spuk vorüber, friedlich zieht das Floß seine Bahn durch ,das nun wieder spiegelglatte Wasser.

In Weißenbach-St. Gallen haben unsere Flößer zu tun. Dort hat vor einigen Tagen ein plötzlich aufgetretenes Hochwasser zwei Flöße quer übereinandergelegt. Dann ging das Hochwasser zurück und nun lagen die beiden Flöße übereinander, eines im Wasser, das andere halb am Strand. Das einzige Stahlseil hält die Belastung nicht aus und, während die Flößer auf den Flößen arbeiten, reißt das Seil. mit einem lauten Knall und die beiden Flöße rinnen, mit einem einzigen Flößer an Bord, davon. Da kann man nun die Tatkraft und Geistesgegenwart dieser Männer bewundern. Blitzschnell schmeißt ein Mann ein Ruder auf das Floß. und springt mit einem Satz nach. Ein zweiter, der die schnell sich. verbreiternde Wasserkluft nicht mehr übersetzen kann, schwingt sich auf sein Rad und fährt den Ausreißern voraus bis zu einer Stelle, von der er weiß, daß er von dort auf das Floß springen könne, weil es dort die Strömung ziemlich nahe an das Ufer treibt. Wir aber schultern unsere Rucksäcke und laufen mit einem der Flößer zur Eisenbahnhaltestelle, um nach Klein-Reifling zu fahren, wo wir an einer dem Flößer bekannten kleinen Bucht den Abgetriebenen. Seile zuwerfen wollen, mit deren Hilfe die Landung bewerkstelligt werden soll. Bei Schönau an der Enns holt der Zug die Ausreißer ein. Wir stellen fest, daß die Absicht des mit dem Rad Vorausgefahrenen geglückt ist. Er und sein Rad befinden sich auf dem Floß, und er steuert mit seinen Kameraden das Holz ruhig KleinReifling zu. Die Sache geht glatt. Wir eilen mit den Seilen an die Landungsstelle· und warten dort auf die Ankunft des Floßes. Bald kommt das Doppelfloß in Sicht. Wir beziehen Hilfestellung, aber die Männer brauchen uns gar nicht. Eine „Kehr", eine Gegenströmung, ausnützend, legen sie mühelos an. Lächelnd quittieren sie unsere Hilfsbereitschaft. .,Habts leicht gmoant, mir kinnan nöt haln (halten)?" Nach diesem Zwischenspiel begleiten wir unsere Flößer nach Weyer, wo sie heute bei ihren Familien bleiben und dort eine Nacht verbringen können. Wir schlafen in dem benachbarten Kastenreith, dicht an der Enns. Wir müssen ja zeitig aufstehen, denn um 5 Uhr morgens geht es mit dem Floß weiter, nach Au an der Donau. ,.He, aufstehn, wanns mitfah'n wolltsl" Vier Uhr morgens. Dämmerung, Nebel, Morgenfrost. Saukalt ist so· ein dämmeriger Augustmargen an den Ufern der Enns. Aber um fünf Uhr fahren wir schon los. Wir haben alle unsere verfügbaren Kleider angezogen. Am Floß finden wir zwei neue Flößer 12

vor, die v.on ihren Kameraden schon unterrichtet sind. Ein junger ·und ein alter Flößer, Vater und Sohn. Der Alte ist 65 Jahre alt, flößt seit vierzig Jahren. Er hat „a weng dö Gicht, aber sunst san ma ·gsund". Die Kälte scheint er gar nicht zu fühlen. Hat das „Röckl" -offen, als wäre es „wacherlwarm", Bei Kastenreith wird die Enns wieder einmal wild. Hundert Meter flußabwärts liegt der „Flößer-Freythof", ein wilder Strudel in felsigem Engpaß, an den sich eine breite BUcht anschließt. Dort spült eine „Kehr", eine Gegenströmung, die Leichen all derer ans Ufer, ,die weiter oben den Ertrinkungstod gefunden haben. Das waren nur zu oft Flößer und daher der Name. Das Ennstal von Kastenreith aufwärts mit seinen düsteren, grünen Bergen und dem anschließenden Gesäuse, in dem es immer wie nach Gletscherluft riecht, kennen viele Menschen. Das Gesäuse ist ja berühmt. Aber nur wenige kennen das Oberdonauer Ennstal von Kastenreith bis Steyr, in welchem die Natur ihre Schönheiten zwar nicht in so großartiger Weise wie im Gesäuse, aber dafür köstlicher, freundlicher als im steirischen Ennstal darbietet. Die Berge, die hier ·noch immer die Tausendmetermarke, bis nahe an Steyr, überschreiten, verwehren hier nicht den Blick ins Weite wie dort. Sie lassen Ausblicke in tiefgrüne Seitentäler, von deren Hintergrund ferne Bergketten herübergrüßen. In diese liebliche Landschaft eingebettet, liegen hübsche Dörfer, die das Auge erfreuen. Am schönsten Losenstein mit seiner Raubgrafenruine, v,on der aus die Losensteiner - nach dem Vorbild der Kuenringer an der Donau - die Enns absperrten, um von reisenden Kaufleuten Zoll zu erhalten. :Schon von Hieflau her begleitet uns längs der Enns die alte Eisenstraße , auf der das Eisen auch „per Achs" geführt wurde, begleitet uns auch der uralte „Treppelweg", auf dem schwerbeladene Enns- ·schiffe von Pferden ennsaufwärts gezogen wurden. An den Felsufern bei Groß-Reifling, hier aber auch bei Groß-Raming, sieht man noch immer die großen, eingestemmten Löcher im Stein, in denen früher :Starke Bäume als Stützbalken staken, für die schwebenden Gänge, welche den Treppelweg dort fortsetzten, wo seine Anlage am Ufer wegen dessen felsiger Beschaffenheit nicht möglich war. Wir sind nun hier in einem Gebiet, wo einstmals der Handel blühte, Handwerkerfleiß seinen Mann nährte und das von Eisenhammerpochen und Karrengerassel erfüllt war. Wir kommen an Reich- ·raming vorbei, dessen Waffenschmiede einst mit denen von Steyr in Wettbewerb treten konnten. In Ternberg gab es damals große 13

Eisenwerke. In Losenstein 120 Nagelschmiedemeister mit über 600• Arbeitern. In Trattenbach sitzen jetzt noch jene merkwürdigen Messerer, die ihr ebenso merkwürdiges Erzeugnis heute noch in die Welt verschicken, nämlich die bekannten Taschenfeitel, im Volksmund „Trattenbacher Zaukerln" genannt. In der Lausa, einem kleinen Seitental bei Losenstein, gibt es noch uralte Sensenschmieden. Schwall um Schwall überwindend, an Dörfern, alten Häusern,. grünen Tälern vorüberschwimmend, steuern wir Steyr zu. Ein ,,schlechter Platz" ist noch der „Wolf" bei Diernbach, eine S-Biegung, um die die Enns mit starkem Gefälle dahinrast. Garsten ist plötzlich da mit dem hochragenden Gebäude des von Kaiser Josef aufgehobenen Benediktinerklosters, das heute als Strafanstalt dient, und seiner berühmten Barockkirche, die diese Nachbarschaft nicht verdiente. In Steyr erwarten am Ufer die „Auffanga" die ankommenden Flöße. Der Stutzenknecht wirft dem „Auffanga" das Seil zu, das dieser rasch um einn „Reitstecken" mehrere Male herumwindet, das Floß . langsam abbremst und dann das Seil verknotet. Eine Reihe von Flößen liegt schon vertäut am Ufer. Wir aber legen nicht an, wir fahren weiter. Entlang dem Steyrer langgestreckten Ortskai, der heute wie ausgestorben daliegt und die einsamste Gegend dieser nun wieder zu fieberhaftem Leben erwachten alten Eisen- und Waffenstadt dicht an der Grenze v,on Niederdonau ist. Hier landeten einst die Hunderte von Eisenflößen mit dem Roheisen aus Hieflau und Eisenerz. Gehörte Steyr im Mittelalter ja ebenso zur steirischen Mark wie eine zeitlang auch Wiener Neustadt. Uberwältigend schön ist das Bild dieser alten Stadt, die den schönsten mitelalterlichen Marktplatz, den heutigen AdolfHitler-Platz, besitzt, prachtvoll beherrscht von dem Schloß der Grafen Lamberg. Wunderbar das Bild d.es Zusammenflusses der Enns und der Steyr und der beiden Brücken über die Flüsse, die im rechten Winkel aufeinanderstoßen. Die Türme der Michaelerkirche und des uralten Bürgerspitals, überragt von dem Kapellchen am hohen Tabor, runden das Panorama zu einmaliger Schönheit. Nicht umsonst nennt man die „Alt Eysnstadt" das alpenländische Rothenburg. Am . Osthang des Damberges wuchten die Werkshallen der Steyr-Werke, im Norden erstand im sogenannten Münichholz eine ganz neue, moderne Stadt und von den Bergen im Nordosten winkL die schon zu Niederdonau gehörige Ortschaft Behamberg herüber 14

Nach Steyr verliert die Enns immer mehr den Charakter eines Wild-- flusses. Nur vor der Stadt Enns brüllt sie noch einmal im sogenann-· ten Reichsstraßenschwall auf, wie ein beutelüsternes Raubtier. Das. aber ist ihr letzter Kraftausdruck. Geduldig rinnt sie nun ihrer Bestimmung zu, im ewigen Donaustrom aufzugehen. So wie wir bei unserer Einfahrt in die Enns v.on der Salza her überrascht wurden, so überraschend kommt uns auch die Einmündung in die Donau. Wie ein rinnendes Meer erfassen die grauen Wellen des Stromes die grünen des Ennswassers, drücken sie eine Strecke Weges an das rechte Ufer, bis auch der letzte grüne Tropfen in dem grauen . Meer ertrunken ist. Und kaum daß wir uns an das so ganz andere, neue B'ild gewöhnt haben, sind wir in Au. Es liegt kaum eine Gehstunde donauabwärts. von Mauthausen, an der Einmündung der Aist in die Donau, an_ deren linkem Ufer. Die Einmündung des Flüßchens ist hier stark. verbreitert und bildet den alten Flößerhafen von Au, den alle Flößer gut kennen. Hier werden die kleinen Enns- und Salzaflöße „zerrissen" und umgebaut zu mächtigen Flößen mit 500 bis 600 Fe~tmeter Holz. Mit ihnen geht es dann donauabwärts nach Wien, Preßburg, ja sogar auch bis Budapest. Da kommt, bald nach uns, ein schmales Floß, das nur aus fünf, sechs. lose zusammengehängten, aber mächtigen Baumstämmen besteht, eingefahren. Und bald darauf noch einige. Sie kommen über die . Traun und die Ager - so heißt der Abfluß des Attersees - und die mächtigen Baumstämme gehören alle für die Budapester Schiffswerft. Man erzählt uns auch, warum diese Flöße nicht größer sein dürfen. An der Ager gibt es nämlich zahlreiche Fabriksbetriebe, die - um die Wasserkraft auszunützen - den Fluß durch1 Wehren aufgestaut haben. Die Flöße schwimmen über diese Wehren vermittels . der sogenannten Floßgassen hinunter. Und da diese „Gassen" nur eine bestimmte Breite besitzen, so können größere, vornehmlich breitere Flöße sie nicht durchfahren. Das ist ein Neues, noch Unbekanntes. Unser Entschluß ist bald gefaßt. Auf zum Attersee, der zweiten großen Quelle, aus der die Donauflößerei gespeist wird. Attersee - Wien mit dem Floß „Ah, da is ja der Herr! Na alsdann, i han scho gmoant, Sö kemant gar neamal No, so setzn S' Eahna halt da herl In oana Viertelstund gehts dahi'!' ' lli,.

Der Flößermeister Mittendorfer in Kammer am Attersee ist schon reisefertig, als wir um 6 Uhr morgens das kleine Häuschen betreten, das er, unmittelbar am Ufer der Ager, nicht weit vom See bewohnt. .,Sö wolln bis Wean mitn Floß fah'n? No ja, es wird halt a weng zach gehn. Mit der Bahn oder mitn Auta wars vül schnellet gangen. Und dana' - a schianes ,Weda hättens S' Eahna a aussuachen kinnal" Ein leiser, aber ununterbrochener Regen rieselt aus dem trostlos v,erhangenen Himmel nieder. Berg und Wald sind hinter Wolken versteckt. Nur der See schimmert blaßgrau zu uns herüber. Bei solchem Wetter eine Floßreise anzutreten, - ein guter Humor gehört schon dazu. Auf dem Floß hilflos und schutzlos, dem Regen ausgeliefert, .,fetzennaß" zu werden - wie die Flößer sagen -, das ist gar keine verlockende Aussicht. In diesem Augenblick - wozu es leugnen? - wäre uns der gemütliche Salon eines Donaueildampfers um eine Kleinigkeit lieber gewesen. Aber da kommt auch schon der Franz!, des Flößermeisters stämmiger Sohn, mit einem „Trauner" angefahren. So ein Trauner sieht aus wie eine lange, vorne mit einem Schnabel versehene Kiste. In ihr haben die Flößer ihre „Kram": Decken, Kleider, Mundvorrat, Werk- -zeuge, Nägel, Haken usw. verstaut. Wir steigen zu und fahren mit dem Franzl zum Floß. .,Der Floß", wie die Flößer sagen, sieht nun eben nicht besonders vertrauenerweckend aus. .,Er" besteht aus fünf dicken Baumstämmen, die y,orne durch einen angenagelten Querbalken, hinten durch ein ebenfalls angenageltes, dünnes Drahtseil zusammengehalten werden. Mit fabelhafter Geschicklichkeit macht nun zuerst der Franz! eine .,Bänk" (Bank), auf die er „die Kram" festbindet. Uns fordert er fürsorglich auf, uns beim Durchschwimmen der „Floßgassen" nur ja auf die „Bänk" zu setzen und dabei die Füße hochzuheben, da wir sonst „fetzennaß" in den Füßen würden. Obwohl wir uns das kommende Geschehen noch nicht recht vorstellen können, versprechen wir, nach seinen Anweisungen zu handeln. Unter viel Krach und Gefluche sind schließlich „der Floß" und zwei weitere Flöße, die mit uns zugleich abgelassen werden, fertig geworden. Hier gehen immer mehrere Flöße deshalb zugleich ab, damit die Tore, die das Stauwehr von der Floßgasse absperren, nur einmal geöffnet werden müssen. Dabei rinnt ein nicht geringer Teil des Stauwassers mit ab, was inanchmal die Stillegung des Betriebes für eine Zeit lang notwendig macht. Auf jedem der Flöße, die alle 16

-gleich groß sind, sind je zwei Flößer aufgestiegen, von denen einer vorne und einer hinten je eines der langen Flößerruder bedient.• Jetzt erst überzeugen wir uns, daß wir bereits auf Stauwasser schwimmen. Langsam, aber sicher steuert das erste Floß vor uns das .,Tor" an, ein auffallendes Gerüst, auf dem eben ein Mann herumkraxelt und sich daran zu schaffen macht. Dahinter liegt die erste Floßgasse und da_s Wehr ist das „Raudaschlwehr". Das Floß erreicht nun das Tor, seine Schnelligkeit wächst rasch. Plötzlich neigt es sich, der rückwärtige Teil reckt sich hoch, ragt in die Luft, das Floß scheint in eine unsichtbare Tiefe stürzen zu wollen. Jetzt stürzt es auch schon und v,erschwindet, vornüberschießend, wie vom Malstrom erfaßt, vom Wasser verschluckt, hinter dem Tor. Noch ehe wir Zeit finden, unsere Lage zu überdenken, sind auch schon wir an der Reihe. Unsere Geschwindigkeit steigert sich rasch - jetzt trennen uns nur noch wenige Meter von dem Tor. .,Auf d' Bänk und d' Haxen in d' Höh'!" Da sehen wir auch schon den mächtigen Schwall des in die Toröffnung schießenden Wassers, unser Floß neigt sich, .ist auf einmal ganz unter Wasser, schießt rasch eine schiefe Ebene hinab, taucht an ihrem Ende noch tiefer unter - das Wasser reicht fast bis an unseren schmalen, schwankenden Sitz -, taucht langsam wieder auf und schwimmt ruhig weiter. Aber das ruhige Schwimmen dauert nicht lange. Schon sind wir bei einem zweiten Wehr, wieder öffnet sich ein Tor zu einer Floßgasse und die Rutschpartie durch das nasse Element geht neuerlich vor sich. „Das is hiatzt dö Stoanmühl gwen und hiatzt habn mir auf der Ager no zwölf solchene Wehrn. Wia gfallt Eahna denn dö Gschicht bis hiatzt?'" Wir finden sie interessant, abenteuerlich und lustig. Der Regen hat glücklicherweise inzwischen aufgehört. Und dann haben wir von der Angelegenheit nur das Vergnügen. Dagegen die Flößer: Die stehen oft bis zu den Knien im Wasser - so tief überrinnt der Schwall das Floß, wenn es in die Gasse einfährt, so tief oder noch tiefer taucht es, wenn es sie wieder verläßt. Einer der Flößer krempelt sich nur die Hose auf, die anderen tun auch das nicht. Keiner v,on ihnen entledigt sich der Schuhe. Ja, zu unserem grenzenlosen Staunen steigen sie seelenruhig mit Schuhen und langen Beinkleidern ins Wasser, wenn es notwendig wird. Als das vordere Floß an einer untiefen Stelle stecken bleibt, springt der Franz! samt den !lli 17

Kleidern ohne Zaudern ins Wasser, das ihm bis zum Bauch geht, und stemmt und arbeitet, bis das Floß wieder flott ist. Als der· Franzl wieder aufs Floß steigt, platscht und klatscht ihm die nasse Hose um die Beine, aber er achtet nicht einmal darauf. ,,No ja", meint er auf eine Bemerkung unsererseits, ,,a weng döGicht habn mir alle. Aber so hakli därf ma nöt sein. Wann was is, hoaßts halt: Eini ins Wasser! Da hat ma koan Zeit, daß man si erseht oziagt. Dann war dös Bloßfüaßiwatn auf dö Stoan a nöt auszhaln. Da runiert ma si ja dö Füaß. Und dana·, hiatzt gehts scho no. Aba wanns Eis im Wasser schwimmt, dann beißts scho a wengl" Nun fahren wir ein Wehr nach dem anderen hinunter. Das bei Pettighofen hat eine Floßgasse von beinahe 50 Meter Länge. Die- ,,Bockwehr" ist wieder „a rechts Luada'". Da müssen die Flöße anhalten und dann das Wehr langsam anfahren. Wir sind die ersten und schießen hinunter, als wenn der Teufel antauchen würde. Nach hinten ausschauend, sehen wir, wie das nächste Floß in die Gasse einfährt. Die Ager macht an dieser Stelle eine Biegung und deshalbmuß das Wehr „übers Eck" angefahren werden. Das sieht unerhört gefährlich aus, weil der vordere Teil des Floßes zuerst schräg über das Wehr hinausragt, ehe es der Schwall hinunterschwemmt. Aber die Flößer „dermachen" es. Sie rudern und stemmen aus Leibeskräften. Das Floß scheint zuerst festzusitzen. Auf einmal aber neigt. es sich, stürzt, unheimlich ist das Rollen und Poltern der Riesenstämme beim Durchfahren der Gasse. Wie Walfische tauchen sie· in den Schwall am Ende der Floßgasse, so daß die Flößer bis hoch. hinauf überspült werden. Wir haben nun schon einiges gelernt. Wir verstehen nun auch, warum die Stämme des Floßes nur aus lose zusammengefügten. Bäumen bestehen. Wäre es nämlich steif und völlig unbeweglich in seinen Teilen, dann würde so ein Floß manchmal an den Wehren und in den Floßgassen steckenbleiben. Und wir bewundern die Kühnheit und die Geschicklichkeit der Flößer, die sich allen Lagen anzupassen wissen. Dann treiben wir wieder ruhig auf dem Flüßchen, von dessen Dasein wir - ehrlich gestanden - vor dem Besuch bei den Flößern keine Ahnung gehabt hatten. Für die Flößerei ist es aber von großer Wichtigkeit. Auf der Ager - die sich bei Vöcklabruck um die Wasser der Vöckla, die auch flößbar ist, bereichert - wird seit altersher alles Holz, das aus den Bergwäldern rings um den Attersee gebracht wird, hinausgeflößt bis in die Donau. 18

Die Flößer erzählen, wie schwierig die Bringung dieses Holzes ist. Hier handelt es sich nicht um ganze Schläge, aus denen man das Holz dann etwa mit Hilfe der sogenannten Riesen ins Tal bringen könnte. Es handelt sich diesmal um ausgesucht starke Stämme für die Budapester Schiffswerft. Und diese dicken Stämme alter Baumriesen müssen in den verschiedensten Waldteilen zusammengesucht werden. Wenn sie gefällt sind, werden sie mit Ketten umwunden und an sie Pferde gespannt. Die Zugpferde müssen erst langsam an diese Arbe it gewöhnt werden. Sie müssen lernen, wie die Gemsen über die Steilhänge des Höllengebirges zu klettern. Und fängt der Riesenstamm auf dem Hang zu gleiten und zu kollern an, dann hängt der Holzknecht schnell das Gespann aus. Die Pferde haben es schon gelernt, zur Seite zu springen, um dem Stamm fre ie Bahn zu geben. Nicht wenige Pferde haben bei dieser schwierigen Holzbringung ihr Leben lassen müssen, so wie ihre mensc_hlichen Kameraden, die Holzknecht'. Am See wird das Holz dann gesammelt und mit Motorplätten, in früherer Zeit mit Ruderplätten, zur Ager geschafft. In Kammer am Attersee werden aus den Stämmen die Flöße gemacht, auf deren einem wir unsere Entdeckungsfahrt machen. Auf dem Wege nehmen wir einen am Vortage ausgerissenen Stamm mit. Die Flößer haben sich die Stelle gemerkt und hängen ihn heute ,.zu". Es nützt ihm nichts, trotzdem er sich im Uferschlamm versteckt hat, er muß mit nach Budapest. Das letzte Wehr in der Ager, das Puchleitner-Wehr bei AttnangPuchheim, ist das längste, wird aber mit Sicherheit bezwungen. Da plötzlich tauchen vor uns die tiefgrünen Fluten eines bedeutenden Flusses auf. Die Ager mündet in die Traun ein. Die durch den Regen und die zahlreichen Industriebetriebe schmutziggrau gefärbten Wasser des Abflüßchens des großen Sees drinnen im Salzkammergut verschwinden spurlos in denen des stattlichen Flusses. Alles Schmutzige sinkt von ihnen ab und weiter fließt die Traun in tiefgrüner Reinheit dem Strome zu. Am linken Ufer, auf stolzer Höhe, Kirchtürme und die breite Front eines mächtigen Barockbaues: Lambach ist erreicht und unsere Fahrt ist für heute zu Ende. Fünf Stunden sind wir auf der Ager geschwommen. Aber das wäre ohnehin recht rasch gewesen, versichern uns die Flößer, und nur dem Umstand zu verdanken, daß der mehrtägige Regen für höheren Wasserstand und für raschere Fahrt gesorgt habe. 19

Wie die „Flötza" nacli Stadl-Paura kamen Aber nicht am linken, am Lambacher Ufer „hal mir uns", wie die Flößer sagen, sondern am rechten, Lambach gegenüber. Der Ort hier heißt Stadl-Paura und ist die Heimat der großen Mehrheit der Traunflößer und auch vieler Donauflößer. Ein Seil in der Hand, springt ein Flößer ans Ufer, schlingt es um einen „Reitstecken", macht rasch einen festen „Klang" (Knoten), das „Soal" ·(Seil) strafft sich, das Floß dreht sich einmal um sich selbst, schlägt langsam ans Ufer. Wir steigen aus. In Stadl-Paura, in einem kleinen Flößerwirtshaus, hören wir die Legende, wie die Flößer ins Land kamen. Vor vielen hundert Jahren soll es gewesen sein, als ein habsburgischer Kaiser schwäbische Schiffsleute ins Land rief, damit sie ihm das Salz über die Donau nach Wien schifften. Er siedelte die Leute in Stadl-Paura an, weil der Ort hübsch in der Mitte zwischen Hallstatt und der Mündung · der Traun in die Donau liegt. Bald sollen die schwäbischen Schiffsleute weitum berühmt gewesen sein wegen der Kühnheit, mit der sie den wilden Traunfall befuhren, nachdem sie den Hallstätter und den Traunsee durchfahren hatten. Aber aucµ.. die Holzflößerei verstanden sie weit besser als die anderen Schiffsleute. So kamen die schwäbischen Schiffsleute zu Rang und Namen bei allen, die sie auf dem Wasser kennenlernten. Der werkwürdige Name der Ortschaft Stadl-Paura soll auch damit zusammenhängen, daß sich hier ein kaiserlicher Salzstadl befand. An die Anwesenheit schwäbischer Flößer und Schiffsleute gemahnen noch einzelne Fachausdrücke der Flößer, die zum Beispiel die Fahrt mit dem hinteren Teil des Floßes voran „schwabisch" nennen. Ein Ereignis, das die Traunflößer noch heute nicht recht verwinden können, war der Bau des großen Kraftwerkes der Steyrermühler Papierfabrik. Seit damals, 1921, ist es aus mit der Flößerei vom Hallstätter See bis Lambach und mit der stolzen Fahrt durch den Traunfall, die den Traunflößern den Namen machte. War ihnen doch jahrhundertelang das Recht verbrieft gewesen, daß die Wildwasserwege ihnen gehörten. Wenn ein Industrieller ein Was~erwerk baute, dann mußte er sich verpflicqten, eine Floßgasse einzubauen und sie „herzuhalten" (zu erhalten). Die Sperrung der oberen Traun für die Flößerei bedeutete einen Bruch mit dieser alten Uberlieferung und diesem Flößerv,orrecht. Holz und Salz werden nun auf der Eisenbahn verführt. Und die Männer, deren Vater und Vatersvater Schiffsleute 20

gewesen, die sich nur auf den schwanken Stämmen auf grüner Wildwasserflut wohlfühlten, mußten dem neuzeitlichen Fortschritt weichen. Die Zeiten der größten Bedeutung der Flößerei sind heute vorüber. Vor fünfzig Jahren noch berief man Traunflößer in die Steiermark, damit sie auf der Mur flößten; oder gar nach Bosnien, wo sie Holz für Eisenbahnschwellen auf den bosnischen Flüssen bringen mußten. Aber in Bosnien blieben sie nicht lange. Die Flößer aus Stadl-Paura schickte man an die gefährlichsten „Plätz", an die schlechten „Orter", die die einheimischen Flößer fürchteten. Und so fuhren unsere Leute von der Ager und von der Traun unwillig wieder nach Hause. Am nächsten Morgen geht es zeitlich wieder „dahi"'. Rasch noch beim „Kramer" ein „Flaschl Bier" zum Frühstück - Flößer haben gute Magen - hinuntergestürzt, ein Stück Speck und ein Brot verzehrt! Dann schwimmen wir schon wieder auf dem grünen Wasser. Es ist empfindlich kalt, der scharfe Nordost durchdringt die Kleider und fröstelnd suchen wir die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Noch ein Wehr harrt unser, das große Welser Wehr. Und dort ereilt uns die Rache des schon lange nach unseren Hosenböden lüsternen Wassers. Das Welser vVehr ist „a Toiflsluada", wie die Flößer sagen, und man müßte schon „z'sammenschauen" (dazusehen), ohne Zwischenfall darüber zu kommen. Wir sehen das v,ordere Floß durch das Floßgassentor v,erschwinden und dann wieder unbeschädigt auftauchen. .,Guat is ganga, nix is .gschehn!" Was wir auch für uns erhoffen. Schon sind wir vor dem Tor, sehen vor uns das uns nun schon bekannte Bild des mächtigen Torsehwalles, schießen drauflos und - ,.Durch!" Wir wollen es rufen - es war aber zu früh. Im nächsten Augenblick wirft uns ein mächtiger Stoß von der „Bänk", auf der wir uns vor dem das Floß überflutenden Wasser verschanzt hatten, fliegen - gefolgt von „der Kram" der Flößer und mit einem von ihnen dazu - auf die Nase, erwischen im Fallen noch ein Paar Schuhe, eine Decke und eine Bierflasche, die eben in den Wellen v.erschwinden wollen und - können uns dann die Kleider einmal tüchtig auswinden. „Kreizsakranoamal, hiatzt hätts uns darrennt", flucht der Flößer, der neben uns auf der Nase gelegen war, .,der vadammte Schlier"! Wor21

auf uns auf unsere Frage eine geologische Belehrung zuteil wird, was denn der „Schlier" eigentlich ist. Wir entnehmen ihr, daß der Schlier eine steinige Grundschichte wäre, die bei dem Welser Wehr beinahe bis an die oberste Schichte des Flußbettes reicht, so daß, bei nicht sehr hohem Wasserstand, das Floß mit ihr in Berührung kommen kann. Wir sind aber glimpflich davongekommen. Nur einer der sechs Bäume, die unser Floß bilden, hat sich losgelöst und muß während der Fahrt wieder festgemacht werden. Und da es das letzte Wehr war, das wir zu durchfahren hatten, setzen wir die Fahrt mit dem erhebenden. Bewußtsein fort, in Gefahr gewesen zu sein und sie mit guter Haltung bestanden zu haben. Der Rest der Reise geht nun glatt vor sich. Vor der Ebelsberger Brücke - heute schon im Linzer Stadtgebiet - müssen wir anhalten. weil die Durchfahrt nur zu gewissen Stunden gestattet ist und wir zu früh dran sind. Ein „schlechter Platz" ist aber noch die Einmündung der Traun in die Donau. Dort hat der Fluß eine Schottermoräne vorgeschoben, auf der die Flöße bei niedrigem Wasserstand nicht selten auffahren. Da heißt es dann für die Flößer wieder hinein bis zum Bauch ins Wasser, manchmal auch bis zur Brust, und solange arbeiten, bis das Floß wieder flott ist. Eine böse Sache ist es, wenn das Floß allen Bemühungen, der Anwendung von Hebebäumen usw., trotzt und „sitzen bleibt". Dann müssen es die Flößer „zerreißen" und neu aufbauen. Eine doppelt böse und unangenehme Sache hier an der Donaumündung mit ihren Wirbeln und Untiefen und bei der Notwendigkeit, im tiefen Wasser stehend zu arbeiten. Wieder sind wir in der „Doana" (Donau), langsam und träge treibt das Floß vor den Wellen. Bis nach Au sind es noch zwei Stunden. Wir „lenzen" uns in der heißen Mittagssonne und machen ein kleines Schläfchen. Bei Mauthausen kommen wir an der Einmündung der uns schon gut bekannten Enns vorüber, die v.on der Donau so unmerklich und gleichgültig verschluckt wird wie ihre Schwester, die Traun. In einer halben Stunde sind wir in Au, wir „haln uns" zum letzten· mal mit unserem Floß, freundlich begrüßt von den Auer Schiffsleuten. In einem der beiden kleinen Gasthäuser stärken wir uns nach des Tages Mühen mit unseren Flößern und ruhen uns bei einem kühlen Trunk und unter Erzählungen, die die einheimischen tmd unsere Flößer zum besten geben, behaglich aus. 22

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