Steyr in Ober=Oesterreich und seine nächsten Umgebungen

Steyr Ober=Oesterreich und sein nächsten Umgebungen Mit verschiedenen Ansichten der Stadt und Ungebung Steyr, 1877. Herausgegeben von der Buchdruckerei der M. Haas'schen Erben In Commission der Franz Sandbök'schen Buchhandlung in Steyr

Steyr Ober=Oesterreich und seine nächsten Umgebungen. Mit verschiedenen Ansichten der Stadt und Umgebung. Herausgeber: Buchdruckerei der M. Haas'schen Erben in Steyr. In Commission der Franz Sandvök'schen Buchhandlung in Steyr.

Vorrede. Von den zahlreichen Touristen, welche der Besuch der Kronprinz Rudolf=Bahn und der Gisela=Bahn an Steyr vor¬ über führt, betreten nicht wenige die alte Eisen-Stadt, die auch früher schon vielseits der Zielpunkt manchen Wanderers aus Ober=Oesterreich war. Eine nicht unbedeutende historische Vergangenheit, die pittoreske Lage und Umgebung der Stadt, ihre namhafte In¬ dustrie, ihre sehenswerthen Fabriks=Anlagen bieten Anlaß genug, in ihren Mauern zu verweilen. Das mitgebrachte Interesse wird gewiß noch gesteigert, wenn manche, vielleicht nicht allgemein bekannte Geschichts¬ momente hervorgehoben und historische Stätten während eines Rundganges besonders bezeichnet werden. Nicht minder dürfte es dem Fremden willkommen sein, um solches, was einen allgemeinen Ueberblick zu gewinnen, ihn des Mehreren animirt, herausheben und zunächst zu seinem Programm machen zu können.

Von diesen Gesichtspunkten aus ist denn auch das vor¬ liegende Handbuch zusammengestellt worden; es bietet das Wesentlichste in kurzer Fassung und an geeigneter Stelle an¬ gebracht. Bescheiden, in all seinen Verhältnissen wie es ist, macht es nur auf Eines Anspruch: auf eine nachsichtige Aufnahme bei dem Publicum und auf die Erfüllung der Absicht, ihm ein angenehmer Cicerone zu sein. D. H.

Allgemeine Umrisse Geschichte von Steyr. (Nach Pritz Chronik von Steyr.) Sind auch keine urkundlichen Nachweise dafür vorhanden, so sprechen doch mehrfache Anhaltspunkte dafür, daß an der Stelle von Steyr eine römische Niederlassung gewesen sein dürfte. Nicht nur, daß die Vereinigung des Enns= und Steyrflußes einen günstig situirten Punkt für die Vertheidigung eines solchen vorgeschobenen Grenzpostens und für die Beherrschung des Landstriches bot, spricht für diese Annahme auch ein im Jahre 1299 nahe der Stadt aufgefundener größerer Schatz römischer Münzen und die Tradition von einer dem Jupiter geweihten Standsäule, welche sich in der Nähe Steyr's be¬ funden haben soll.

Von diesen Voraussetzungen ausgehend, halten auch Einige dafür, daß der hohe, aus Quadern er¬ baute viereckige Schloßthurm noch von einem Römer¬ Castelle herstamme. Derselbe mag aber viel richtiger aus einer späteren Zeit herrühren und eine Veste oder einen Wartthurm gegen die Einfälle der Avaren und Hunnen abgegeben haben. Auch der Ursprung des Namens Steyr ist nicht bestimmt nachgewiesen. Wenn auch Einige auf die gleichklingenden Wurzeln (lateinisch) taurus = Stier und (celtisch) taur = Berg hinweisen und an eine mögliche Namens=Verwechslung denken, durch welche aus den Tauriscern (Bergbewohnern) Stierer (Steyrer) ge¬ worden sein sollen: so ist als das wahrscheinlichste anzunehmen, daß der muthmaßlich celtische Name des Flusses „Styr, Steyr“ auch der Stadt den Namen gegeben hat. Urkundlich erscheint der Name der Styraburg zuerst am Schlusse des 10. Jahrhunderts. Erbaut wurde sie von Ottokar III., dem Grafen des (baierischen) Traun= und Chiemgau's, dessen Besitzungen sich weit bis in die heutige Steyermark hinein erstreckten, und zwar zur gleichen Zeit, als ein Babenberger der erste Markgraf von Oesterreich wurde.

7 Um die Burg herum siedelten sich dann die Mannen des Gaugrafen und durch den Schutz her¬ beigelockt auch zahlreiche Fischer, sowie Eisenarbeiter an — und zwar entstand durch diese Ansiedlungen zuerst die gegenwärtige Berggasse, damals Hofgasse, welche also den ältesten Theil der Stadt bildet. Unter Ottokar V. aus demselben Geschlechte, welcher noch mit ansehnlichen Ländereien an der Raab, der Mur und der Piesting belehnt und zum Mark¬ grafen erhoben wurde, erhielten diese Gebiete nach der Burg ihres Besitzers den Namen der Styrer¬ oder Steyermark (1056). Steyr war also die erste Hauptstadt der Steyermark und blieb es auch, als diese zum Herzog¬ thume erhoben worden war, bis zum Tode des letz¬ ten der Ottokare (1192), wo dessen Nachlaß, ver¬ möge des Erbvertrages von Enns, an Herzog Leopold VI. von Oesterreich fiel und mit dessen Herzogthum vereinigt wurde. Von da ab verwal¬ teten landesfürstliche Burggrafen oder Pfleger die Stadt und das Schloß. Schon unter den Ottokaren kam Steyr, das um das Jahr 1000 zur Stadt erhoben worden war, zur Blüthe durch seine Eisenerzeugnisse und den Handel mit denselben, welcher meist der Donau entlang aufwärts bis nach Regensburg und abwärts bis Hainburg und Preßburg ging. Den Grund zu Steyr's späterem Wohlstande

und Gedeihen legte aber Kaiser Albrecht I., der Sohn Rudolf's von Habsburg, durch das im Jahre 1287 der Stadt ertheilte Privilegium, dessen Original-Diplom sich heute noch im Stadt=Archive befindet. — Durch diesen Freibrief ward allerorten im Lande der Handel für deren Bürger von Zöllen und Abgaben entweder ganz oder zum großen Theile befreit. Die Stadt erhielt eine eigene Gerichtsbar¬ keit, sowie endlich die mauthfreie Einfuhr von Holz und Eisen und das Stapelrecht auf die genannten Materialien, d. h. diese Artikel mußten durch 3 Tage um den gewöhnlichen Marktpreis in der Stadt feil¬ geboten werden, bevor sie weitergeführt werden durften. Spätere Regenten bestätigten und erweiterten noch die Privilegien, — wie beispielsweise Wayd= hofen a. d. Ybbs seine Eisenwaaren nur von der Mauthstadt Steyr aus verhandeln durfte, — und so hob sich Steyr auf eine immer größere Stufe. Sein Handel wuchs und erstreckte sich Ende des 14. Jahrhunderts nach Polen, Ungarn, den unteren Donauländern, nach Constantinopel, Regens¬ burg und Venedig. In der zweiten Hälfte des kommenden Jahr¬ hunderts, während welcher Zeit Schloß und Gebiet von Steyr meist verpfändet waren, versank der Wohlstand der Stadt durch immerwährende Fehden, die sich um ihren und des Schlosses Besitz zwischen

dem Pfandinhaber und dem Landesherrn ent¬ spannen. Insbesonders einer von ihnen, ein Ritter Georg von Stein, spielte mit seinen böhmischen Soldtruppen den Bürgern hart mit, da sie mit den kaiserlichen Truppen die Vorstadt Steyrdorf gegen ihn vertheidigt hatten (1467), so daß er acht Stürme unternehmen mußte und viele Leute verlor. Ruhigere Verhältnisse, Fleiß und erneuertes Streben hoben aber die Stadt mälig wieder auf die innegehabte Bedeutung empor, und zur Zeit der Reformation blühte dieselbe wie irgend eine der gewerbreichen Städte in deutschen Landen. An jenem großen Glaubenskampfe nahm sie regen Antheil. Der häufige Verkehr, die durch den Handel herbeigeführte nähere Berührung mit der Bevölkerung in den protestantischen Städten Deutsch¬ lands, unterstützte die Verbreitung der neuen Lehre in Steyr, und bald hatte sie große Fortschritte gemacht. Zuerst (1545) wurde nur in der Stadtpfarr¬ kirche, bald darauf aber in allen übrigen Kirchen der protestantische Gottesdienst eingeführt. Dies währte ununterbrochen bis 1599, wo unter Kaiser Rudolf II. die protestantischen Kirchen geschlossen und die Prediger Landes verwiesen wurden. Aber die Bürger blieben der neuen Lehre im Herzen treu, und im Jahre 1608 begann schon wieder der protestantische Gottesdienst.

Zu Beginn der Regierung Ferdinand II. zählte die Stadt nur mehr 18 katholische Familien. Sie schloß sich darum auch den protestantischen Ständen Oberösterreichs an, welche mit den Böhmen ein Bündniß eingegangen hatten, dem strengkatholi¬ schen Kaiser die Huldigung verweigerten und Truppen gegen ihn ins Feld stellten. Die Stadt warb daher auch Truppen und warf Verschanzungen auf, ergab sich jedoch ohne Widerstand am 17. August 1620 den Truppen des mit dem Kaiser verbündeten Herzogs Maximilian von Baiern unter dem Obersten Gallas. Nach dem Jahre 1624, mit dem die Gegen=Reformation be¬ gann, wurden die protestantischen Prediger und Lehrer wieder abgeschafft, der katholische Gottesdienst trat an die Stelle des evangelischen, der Magistrat ward durch Katholiken besetzt und allen Protestan¬ ten eine Frist vorgeschrieben, binnen welcher sie ent¬ weder ihren Glauben zu ändern oder auszuwan¬ dern hatten. Im Jahre 1625, ebenfalls unter Ferdinand II. Regierung, wurde die Innerberger Hauptgewerkschaft der gegründet, nachdem sich die 1583 unter Aegide Stadt Steyr etablirte Innerberger Eisenhandlungs¬ Gesellschaft aufgelöst hatte. Die Hauptgewerkschaft zerfiel in dreierlei Gruppen: die Radmeister=Com¬ munität in Eisenerz, die Hammergewerke, und in den Verlag, welchen die Stadt Steyr hatte.

Im oberösterreichischen Bauernkriege diente Steyr den Rebellen durch drei Monate als Kriegs¬ depot bei ihren Operationen in Ober= und Nieder¬ österreich, nachdem Stefan Fadinger am 31. Mai 1626 mit 40,000 Bauern und 20 Kanonen vor der Stadt erschienen war und der mit ihm heimlich verbundene Stadtrichter Wolfgang Madlseder die Gewalt an sich gerissen hatte. Dieser war auch nachher Feldschreiber der Bauern und wurde nebst mehreren anderen Steyrer Bürgern nach Unterdrückung des Aufstandes in Linz hingerichtet, deren Köpfe aber in Steyr auf demStadtplatze aufgestellt. Im Mai 1627, wo der Termin für die Glau¬ bensänderung der Protestanten ablief, wanderten die vermöglicheren Bürger so ziemlich alle aus. Zu einer weiteren Entvölkerung der Stadt trug auch noch das Wüthen der Pest in den Jahren 1634 und 1635 bei. (Indeß war dies nicht der einzige Besuch, den sie der Stadt abgestattet hatte; so kam sie auch in den Jahren 1542, 1569 und 1713 vor.) Die letzterzählten Ereignisse und der verheerende Krieg, die unaufhörlichen Durchmärsche und Requi¬ sitionen der verschiedenen Heerhausen brachten Steyr so weit herab, daß es nur mehr einer Ruine glich. Von 600 bürgerlichen Häusern waren 70 eingestürzt, 160 standen ganz leer und hatten auch keine Be¬ sitzer und bei 190 anderen Häusern waren die Eigen¬

12 - thümer gänzlich verarmt. Wurden auch die Bürger durch die Abschreibung der rückständigen Steuern etwas unterstützt, so konnten sie doch nur sehr all¬ mälig emporkommen. Von da ab verzeichnet die Chronik der Stadt eine bedeutende Ueberschwemmung im Jahre 1736, und einen großen Brand, 1727, der die Vorstadt Ennsdorf fast zur Gänze, die Enns= und Steyr¬ brücke und einen nicht geringen Theil der Stadt in Asche legte. (Aehnlich heimgesucht wurde Steyr schon früher in den Jahren 1302, 1511, 1520, 1522, wo die eigent¬ liche Stadt gänzlich niederbrannte, 1540 und 1554, in welchem Jahre in Steyrdorf 200 Häuser ein Raub der Flammen geworden sind. Nach 1727 fanden größere Brände statt 1749, 1824, wo 102 Häuser und das Schloß fast ganz zerstört wurden, 1833 und endlich 1842, wo wieder der größte Theil von Steyrdorf und Wieserfeld in Flammen aufging.) Im österreichischen Erbfolgekriege ward Steyr am 18. September 1741 von 4000 Baiern und Franzosen besetzt und mit starken Erdbefestigungen umgeben, am 31. December aber von den Oester¬ reichern ohne Schwertstreich wieder in Besitz ge¬ nommen. Unter Kaiser Josef II. Regierung, 1783, wurde Steyr der Vorort des Traunviertels. Im Jahre 1798 verkaufte die Stadt ihren

- 13 - Antheil an der Innerberger Gewerkschaft, bei weiser Verwaltung eine stetig fließende Quelle des Wohl¬ standes, an den Staat — über dessen dringende Aufforderung. In den kommenden französischen Kriegen unter¬ lag Steyr dreimal der Invasion des Feindes. Zu¬ erst am 21. December des Jahres 1800, als der französische General Moreau mit seinem Heere nach in der Schlacht von Hohenlinden der rendirenden öster¬ reichischen Armee unter den Erzherzogen Carl und Johann auf dem Fuße folgte. Am 25. December wurde dann auch in Steyr der Waffenstillstand ab¬ geschlossen, der dem Frieden von Luneville (9. Febr. 1801) voranging. Die Franzosen blieben bis zum 19. März 1801. Die zweite Invasion erlitt die Stadt in dem Kriege von 1805, wo der österreichische General Meerveldt nach der Capitulation von Ulm mit seinem Corps den Rückzug durch Steyr nahm. Ihm folgten Davoust am 3. und 4. November, wobei auch ein Geschützkampf sich abspielte, dann Murat, Wrede, Be¬ nadotte und Marmont, mit Franzosen, Baiern und Holländern. Der Abmarsch des Feindes voll¬ zog sich erst nach dem Frieden von Preßburg, am 1. März 1806. Zum drittenmal wurde die Stadt im Feldzuge von 1809 invadirt, als die Schlachten bei mühl und Regensburg unglücklich für die Oester¬

— 14 reicher ausgefallen waren. Die erste feindliche Truppe war das Corps Lannes am 4. Mai 1809, das aber dann abzog, worauf Württemberger kamen. Die feindliche Besatzung blieb nun bis nach dem Wiener Frieden, bis zum 3. Jänner 1810. Die Contributionen und Requisitionen, in welchen die Heere des ersten Napoleon die Leistungs¬ fähigkeit bis zur Unmöglichkeit anzuspannen pflegten, zehrten Bürger wie Gemeinde bis auf's Mark aus und schlugen Wunden, die auch in den später kom¬ menden Friedensjahren lange hindurch noch nicht haarschten. Dieser Erschöpfung des Wohlstandes folgte um so länger noch keine Erholung, als nun auch die beiden Miß= und Theuerungsjahre 1816 und 1817 kamen, wo z. B. ein Metzen Weizen 44 fl. gekostet hat. Mit den französischen Invasionen schließen die hervorragendsten Momente der Geschichte von Steyr ab. Die großen Begebenheiten der letzten Jahrzehnte haben dasselbe nicht unmittelbar berührt; seine Be¬ wohner konnten fortfahren, ungestört ihren Geschäften nachzugehen und zu dem Gedeihen ihrer Heimat beizu¬ tragen. Eines nur sei noch erwähnt: die Erfindung des Wendl=Gewehres, des für die österreichische Armee im Jahr 1867 acceptirten Hinterladers, dessen Wiege Steyr ist und der den Namen seines Erfinders, sowie den Ruf seiner Waffenwerkstätten in weite Ferne verbreitet hat.

Von Wien in das Ennsthal. Wer von der Residenz mit der Elisabethbahn auszieht, um sich in jene pittoresken Alpenländer zu begeben, nach welchen die Kronprinz Rudolfbahn der Enns entlang führt, verläßt in St. Valentin den Waggon, denn hier beginnt diese Gebirgsbahn, welche mit dem anderen Endpunkte Laibach erreicht und, die Westbahn mit der Südbahn, die Donau mit der Adria verbindend, in einer Länge von 67 Meilen die reizendsten Gegenden Ober=Oester¬ reichs, der Steyermark, von Kärnten und von Krain durchzieht. St. Valentin, ziemlich gleich weit, circa Wegstunden von Linz, der Landeshauptstadt Ober¬ Oester reichs, und von Steyr, der zweitgrößten Stadt des Landes entfernt, ist eine größere Station mit ansehnlichen Räumlichkeiten und ganz acceptabler

16 Restauration. Der Ort selbst ist eine Viertelstunde von der Bahn entfernt gelegen und hat eine sehens¬ werthe Kirche. Von dem Höhenzuge hinter St. Valen¬ tin genießt man eine schöne Rundschau. Außer der Kronprinz Rudolf-Bahn zweigt hier auch der Bud¬ weiser Flügel der Elisabeth=Bahn ab, welcher den Donaustrom auf einer Brücke aus Eisenconstruction bei Mauthausen, der Heimat der Wiener Granit¬ pflaster=Würfel, übersetzt. Von Valentin ab erreicht der Schienenstrang nahe der ersten Station Ernsthofen das Ufer der dunkelfarbigen, grünen Enns, der er nun, bald rechts¬ bald linksseitig sich wendend, bis gegen Selzthal hin entgegen läuft, wo er sie erst verläßt, um durch das Palten= und Liesingthal, an den Abhängen der Rottenmanner Tauern vorüber, seinen Weg nach Süden fortzusetzen. Die Fahrt nach Steyr, an Ernsthofen und an der Haltestelle Ramingdorf vorbei, währt nicht ganz 3 Stunden und bietet rechtsseitig eine sehr hübsche insicht auf das Gebirge; linksseitig ist die Aus¬ sicht durch Wände und Böschungen zumeist be¬ hindert. Zwischen Ramingdorf und Steyr führt ein be¬ merkenswerthes Object, ein 83 Meter langer Via¬ duct, über den Ramingbach, der Grenzscheide zwischen Ober= und Nieder=Oesterreich. Bald darauf tritt das freundliche Bild der

17 alten Stadt Steyr vor das Auge, mit seinen dampfen¬ den Schloten, den Wahrzeichen regen Fleißes in einer so reichen, üppigen Natur, wie sich ihrer eine kohlenduftende Industriestadt sonst nicht bald wieder erfreuen wird. Steyr, der Zielpunkt zahlreicher Touristen aus Nah und Fern, bietet so viel des Interessanten und an Eigenthümlichkeiten historischen Gepräges, daß es sich allerdings lohnt, die Fahrt nach den Bergen zu unterbrechen und einen kleinen Aufent¬ halt zu nehmen. Für den Weg vom Bahnhofe nach der Stadt, welcher zu Fuße in zehn Minuten leicht zurückzu¬ legen ist, findet der Reisende ein= und zweispännige Lohnfuhrwerke, wie auch den Omnibus des Hôtels „Crammer", jetzt „Eiselmayr“. Nebst diesem sind noch Fremdenhôtels ersteren Ranges: das Gast¬ haus „Zum goldenen Schiff am Grünmarkt, das „Zum goldenen Löwen“ und das „Zum rothen Krebs. am Stadtplatze, — in der Vor¬ stadt Steyrdorf sind die Gasthäuser „Zum goldenen Pflug" und „Zum blauen Bock“ in Ennsdorf Außermayer's Gasthaus „Zu den drei Hacken“ empfehlenswerth. In den ersteren Gasthöfen und Restaurationen findet man überall die beliebten böhmischen Biere. Auch das in Oberösterreich allgemein bekannte Zipfer¬ bier fehlt fast nirgends; von besonderer Qualität ist

18 es beim „schwarzen Bären“ am Grünmarkt. Als Weinhäuser werden der „goldene Löwe", das „goldene Schiff, die „drei Rosen“ in der Stadt und die „goldene Sense“, sowie der „Hecht“ in Steyrdorf gerühmt. Ein Probetrunk guten oberösterreichischen Apfelweines (Most) bietet sich bei „Gupf", einem kleinen unschein¬ baren Gasthause im oberen Ort, bei „Kaiblinger in der Berggasse, bei „Ellinger“ nächst Engelsegg. Für Meth, welches Getränk bei keinem Markte oder Volksfeste in Oberösterreich fehlen darf besteht die Ausschank bei den Erzeugern, den Leb¬ zeltern, während des Marktes in eigenen Buden. Endlich sei noch der Kaffeehäuser gedacht, deren Steyr fünf besitzt: „Landsiedl“, „Reichel" (zugleich Hôtel garni) und „Zampony" am Stadtplatz, „Grabner“ in der Enge und endlich das größte von allen: „Eidenböl in der Bahnhofstraße (Ennsdorf). in Unter den Kirchen der Stadt sind die Pfarrkirche in und die Dominikanerkirche (jetzt den P. P. Jesuiten eingeräumt) in der inneren Stadt, dann die St. Michaelskirche in der Vorstadt Steyrdorf, die be¬ deutendsten. Auch sind zwei Frauenorden, die Kreuz¬ schwestern in der Berggasse (innere Stadt) und die barmherzigen Schwestern von St. Vinzenz von Paul (in Aichet) hier seßhaft und besorgen die Kranken¬ pflege, letztere im Spitale und den Versorgungs¬ häusern, erstere in Privathäusern.

II. Allgemeines über die Stadt, deren Lage, Größe, Bedeutung u. s. w. Von Aschach=Landshag bis zur Stromenge bei Grein folgt die Donau in der Hauptrichtung dem Zuge der ungefähr fünf Meilen von derselben ent¬ fernten oberösterreichischen Kalkalpen. Diese fallen in ihrem vordersten Zuge, wie überall, mit steilen Wänden gegen Norden ab. Zunächst diesem Steil¬ rande erheben sich ziemlich hohe, meist langgestreckte Bergrücken aus Wienersandstein und von diesen streichen, allmälig sich verflachend, Hügelwellen zur weiten Thalebene der Donau. Hier und dort schließen diese Hügel weite Hochflächen mit fast ebener Thal¬ sohle ein; ehemalige Seebuchten oder Strombette. Die Flüsse und Bäche, welche durch die bergi¬ gen und hügeligen Vorlande der Alpen der Donau zueilen, haben sich tief in den Grund eingefressen und vielfach erkennt man noch an terrassenförmigen Terrainstufen in wiederholten Etagen die alten Flu߬

20 Ufer, welche jetzt viele Meter hoch über dem der¬ maligen Wasserspiegel liegen. Je größer die Flüsse sind, desto tiefer haben sie sich ihr Flußthal ausgegraben, so die am Rad¬ stätter Tauern entspringende Enns und ihr Neben¬ fluß, die Steyr, welche in den Kalkalpen am Fuße des Pyhrn und des Priel ihre Quellen hat. Nahe dem 32. Grad östlicher Länge und dem 48. Grad nördlicher Breite, wo die höheren Waldberge enden und die flacheren Hügelketten beginnen, beinahe drei Meilen von der Donau entfernt, vereinigen sich Enns= und Steyrfluß, um fast genau nördlich von da sich in den Hauptstrom zu ergießen. An den Ufern dieser beiden Flüsse und auf der nächsten Terrain¬ stufe liegt die Stadt Steyr mit ihren Vorstädten. Von den Flüssen und deren zahlreichen Armen belebt, von Wiesen, Wäldern, Auen und Aeckern umgeben, blickt die Stadt über die bewaldeten Vor¬ berge zu den Gipfeln der vorderen Kalkberge empor. So liegt die alte „Eisenstadt", der Vorort des ehemaligen Traunkreises. Seinem Beinamen entsprechend, war Steyr von Alters her sowol als Stapelplatz für Eisenwaaren, wie auch durch seine eigene Messer=, Feilen, Ahlen-, Werkzeug= und Nägel=Industrie marktbeherrschend und tonangebend. Auch in neuerer Zeit noch, wo die Capitals¬ Association und die Großindustrie das Kleingewerbe zurückgedrängt haben, erfreuen sich seine Artikel eines

21 — Rufes und finden namentlich nach dem Oriente einen bedeutenden Absatz. Den größten Theil seiner gegenwärtigen Blüthe dankt es aber der Waffenfabrik, welche auch das heimische Kleingewerbe ausgiebig unterstützt und den Namen der Stadt, weit hinaus über die Grenzen unseres engeren Vaterlandes in alle Welt getragen hat. Die Waffenfabrik ist in ihrer dermaligen Blüthe das Werk des Herrn Josef Werndl, welcher die immerhin schon bedeutenden Anfänge seines Vaters Leopold so fortzubilden und zu erweitern verstand, daß sie dermalen zum größten Privat-Etablissement dieser Art gediehen sind. Ein jüngst entstandenes, im großartigen Ma߬ stabe angelegtes Unternehmen, die Messerfabrik von Ludwig Werndl & Comp. verspricht nach seinen bis¬ herigen Erfolgen dem Platze ein weiteres Gedeihen. Die landschaftliche Lage der Stadt ist über aus pittoresk; nicht häufig findet sich solcher Reich¬ thum der Natur vereinigt wieder. Der Grund¬ charakter der Landschaft ist Anmuth und Lieblichkeit. Insbesondere überrascht Jedermann der verschiedene Farbenton derselben: — Grün in allen möglichen Abstufungen und Schattirungen. Nur mit den höchsten Spitzen sehen von Süden die blauen Gipfel der Kalkalpen über die dunkelgrünen Mulden her¬ über zu den Mauern und Thürmen der Stadt. Auch das Mauerbild der Stadt bietet eine

22 anregende Abwechslung der Conturen, in welchen sich namentlich jene des oberhalb der Vereinigung der beiden Flüsse gelegenen Lamberg'schen Schlosses und des zierlich gestalteten Rathhausthurmes be¬ sonders abheben. Einwohner zählt Steyr 15,000, die sich außer den üblichen Berufsarten, welchen sich Städtebewohner hingeben, zumeist mit der Erzeugung von Messern, Nägeln, Feilen, Ahlen und Armatur¬ stücken für die Waffenfabrik beschäftigen. Von sonstigen Industriezweigen ist in nennens¬ werther Art nur noch der Kattun=Blaudruck in zwei Etablissements vertreten. Von öffentlichen Behörden, Institutionen und Unternehmungen befinden sich in Steyr ein Kreisgericht, eine Bezirkshauptmannschaft, ein Steuer=Inspectorat, * ein Steueramt, ein Telegrafenamt, eine k. k. Post=Ver¬ waltung, ein Finanzwach=Commando, ein Gen¬ darm¬ posten=Commando, eine Landwehr=Evidenz¬ - haltung, die Betriebsdirection der Kronprinz Rudolf¬ bahn mit 200 Beamten, die Direction der Waffenfabri¬ ken, die Generaldirection des Wolfsegg=Traunthaler Kohlenwerks, eine Gasanstalt, ein Theater mit halb¬ jähriger (Winter=Saison, eine Filiale der Wiener Depositenbank, eine Pfandleihanstalt und die Spar¬ casse, welche über 6.000,000 fl. Einlagen verzinst. Sehr viel ist für die Pflege des Unterrichts gethan. Die Stadt zählt eine k. k. Oberrealschule mit sieben Jahrgängen, eine acht lassige Bürger¬

23 schule für Knaben und eine für Mädchen und noch je eine Volksschule mit fünf Classen für Knaben und für Mädchen. Eine Fachschule für Eisenindustrie ist in jüng¬ ster Zeit durch die Thätigkeit des österreichischen Handelsministeriums errichtet worden und soll dem¬ nächst eine Unterrichts= und Versuchswerkstätte bei derselben ins Leben gerufen werden. Der Verein der Musikfreunde erhält und leitet eine Instrumental= und Gesangsschule. Außer dem ebengenannten sind von den vielen Vereinen, welche hier bestehen, noch besonders her¬ vorzuheben: die „Steyrer Liedertafel“, der Männer¬ gesangverein „Kränzchen", der Turnverein, die Frei¬ willige Feuerwehr, der Stenografenverein und der Alpenverein. Ganz besondere Verdienste durch Gang¬ barmachen von Wegen, Aufstellen von Ruhebänken längs derselben und an schönen Aussichtspunkten er¬ virbt sich um den Touristen der Verschönerungsverein. Nebst der eigentlichen, durch die beiden Flüsse begrenzten Stadt, zugleich deren ältesten Theile, hat Steyr noch zehn Vorstädte: Steyrdorf, Aichet, Wieserfeld, Vorstadt bei der Steyr und Vorstadt Ort am linken Ufer des Steyrflusses und der Enns, Ennsdorf und Schönau am rechten Ennsufer, dann Reichenschwall und Vogelsang rückwärts der Stadt gegen die Enns und die Steyr sich senkend. Neuester Zeit ist ein

24 Complex von Arbeiterhäusern, vorläufig Josefs= und Carolinenthal genannt, im Thale der Steyr, zwischen den verschiedenen Armen derselben, entstanden. Die Verbindung der Stadt mit ihren Vor¬ städten ist durch drei große Holzbrücken hergestellt, wovon eine mit Steinjochen über den Steyrfluß führt und zwei über den Ennsfluß geschlagen sind. Von den letzteren heißt die obere Neubrücke, die untere Ennsbrücke schlechtweg. Für Ausflüge in die Umgebung empfehlen sich die Fahrgelegenheiten von Huemer, Felbermayr (Stadt¬ platz), Mühlberghuber (Grünmarkt) und Flenken¬ thaler (Gleinkergasse). — Von den Gasthäusern ward oben schon Erwähnung gethan. — Gärten mit guter Bewirthung sind: Langer's Restauration in Reichen¬ schwall, „Ploberger“ (mit schöner Fernsicht) in Steyrdorf, „Blauer Bock“ in der Vorstadt bei der Steyr, ferner der Garten an der Bahnhof¬ Restauration, der „Zum Kaiser von Oesterreich" und jener „Zur Bierquelle in Ennsdorf, „Sinzinger“ und „Gansgarten“ in der Vorstadt Voglsang und die an der Enns gelegene Gartenterrasse des Gasthofes „Zum Bären“ in der inneren Stadt; endlich der des Anton v. Jäger'schen Brauhauses in Ort, und der Garten des „Biersalon" (Eingang von der Berggasse und von der Promenade).

III. Ein Rundgang in der Stadt. Im Eingange der „Enge“ von den Brücken her fordern gleich die beiden Eckhäuser unser Inter¬ esse heraus. Das eine, links befindliche, wo die Apotheke ist, diente den öster¬ eichischen und französischen Be¬ vollmächtigten zu ihren Zusammenkünften beim Ab¬ schlusse des Waffenstillstandes im December 1800, dem dann der Friede von Luneville folgte. Das rechts befindliche ist das Geburtshaus des Dichters der travestirten Aeneide: Alois Blumauer. Erinnern schon die Verhältnisse dieser Straße und die einmündenden Seitengäßchen, die mit ihren Windun¬ gen und Stufen zur Berggasse führen, an das trauliche Wesen einer alten Stadt, als noch die Zünfte blühten, so empfindet man diese Regung noch lebhafter, wird man beim Austritt auf den Platz der vielfach noch

26 in ihrer ursprünglichen Gestalt erhaltenen Häuser mit den hohen Giebeldächern, mit den Erkern und den überhängenden, auf Bogen gestellten Façaden der oberen Stockwerke ansichtig. Insbesondere eines derselben tritt, das Inter¬ esse rege fesselnd, daraus hervor; es ist dies das Gasthaus „Zum Löwen" (gegenüber vom Rathhause), welches mit seinem hohen Giebel und seiner reichen Ornamentik den Charakter eines reichen Bürger¬ hauses des späteren Mittelalters noch wohl erhalten in unsere moderne Zeit herübergebracht hat. Das an der Ecke der Eisengasse befindliche Haus Nr. 44 neben der Dominikanerrche war Eigenthum des Steyrer Stadtrichters Wolf Madel¬ seder, welcher nach Stefan Fadinger und mit ihm zugleich der vorzüglichste intellectuelle Leiter des oberösterreichischen Bauernkrieges war, wofür er 1627 in Linz enthauptet und geviertheilt wurde. Linksseitig von der Enge her, in der Mitte des Platzes, steht, von einem äußerst zierlichen Thurme gekrönt, das nette Rathhaus, dessen Umbau in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen und 1771 vollendet wurde. Sein Archiv enthält eine Sammlung alter Waffen und Kriegsgeräthe, sowie verschiedenartige Instrumente der hochnothpeinlichen Gerichtsordnung; unter den alten Pergamenten finden sich sehr werth¬ volle historische Urkunden.

— 27 Gegen die übrigen Häuser zurückspringend er¬ hebt sich die Dominikanerkirche, ein Bau aus dem Jahre 1642. Angesiedelt hatte sich der Orden schon im Jahre 1472. Das Kloster wurde dann durch den großen Brand im Jahre 1522 zerstört und von den Mönchen verlassen. 1559 wurden die Ruinen den Bürgern zur Errichtung eines pro¬ testantischen Gymnasiums überlassen. Die Domini¬ kaner bekamen es aber 1629 wieder in Besitz. 1785 wurde das Kloster aufgehoben. Seit 1865 wird der Gottesdienst in der Kirche von den Vätern der Gesellschaft Jesu versehen. Durch das schon erwähnte Eisengäßchen hinab und noch durch ein paar enge Gehsteige gelangt man auf den Kai, die Anlegestätte für die noch immer bedeutende Holzflößerei auf der Enns, und die vordem auch bedeutende Plattenschifffahrt von Weyr nach Steyr und von Steyr in die Donau. Dort finden sich auch an dem ehemaligen Dominikanerkloster die Höhen verzeichnet, welche das Wasser bei den verschiedenen Inundationen erreicht hat. Die bedeutendste ist jene aus dem Jahre 1572, wo das Neuthor, Theile der Stadt¬ mauer und mehrere Privathäuser weggerissen wurden; sie betrug ungefähr 7 Meter, vom durchschnitt¬ lichen dermaligen Niveau der Enns an gerechnet. Am Kai selbst und dann von diesem durch das Neuthor auf den Grünmarkt einbiegend, erblickt

28 man noch Reste der alten Stadtbefestigung, welche heils am Ende des 15., theils in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts errichtet worden war. Die ziemlich hoch gelegene Pfarrkirche, ein monumentaler Bau im gothischen Style, wurde 1442 unter Hans Buchsbaum, einem der Erbauer des Wiener Stefansdomes, begonnen, aber erst gegen das Jahr 1630 vollendet. Die Pfarre Steyr kommt je¬ doch schon 1305 urkundlich vor, in welchem Jahre sie mit allen Rechten an das Stift Garsten überging. Unter die mannigfachen Unterbrechungen, welche die Vollendung erfuhr, zählt auch der große Brand vom Jahre 1522, der sämmtliche Altäre und die ganze innere Ausschmückung sammt den Baugerüsten zerstörte. Im Jahre 1545, als die Bevölkerung zum Pro¬ testantismus übergetreten war, wurde auch die Kirche und die Pfarrgeistlichkeit (Benedictiner von Garsten) evangelisch und blieb es ein halbes Jahrhundert hin¬ durch. Hervorragend von der inneren Ausschmückung sind ein metallenes Taufbecken aus dem Jahre 1569 mit Reliefs, ein Altar von Schönlaub in München (Votivaltar, vollendet 1858) und mehrere Fenster mit sehr hübscher Glasmalerei. Vordem enthielt es auch ein Altarbild von dem gerühmten Maler Carl von Röselfeld aus dem achtzehnten Jahr¬ hunderte. Die aus der Stiftskirche des benachbarten

29 Garsten stammende Orgel ist von Chrismann. Auch eine Reliquie enthält die Kirche: den Leib der hei¬ ligen Columba. Um die Kirche herum finden sich noch zahlreiche alte Leichensteine, die Reste des hier befindlich ge¬ wesenen ersten Friedhofes der Stadt. Der gegenwärtig mit einem provisorischen Dache eingedeckte Kirchthurm ist im Januar 1876 abge¬ brannt. Seine Höhe betrug 70 Meter; bis zur „Mauerbaut ist er beiläufig 58 Meter hoch und bietet von drei Altanen eine sehr weite Fernsicht, welche durch den Aufstieg zu der Feuerwächters=Woh¬ nung zu gewinnen ist. Die Mühe belohnt sich durch den Genuß eines sehr lieblichen Aussichtspanoramas. Gegen Süden von der Kirche, an den Pfarr¬ hof angebaut, ist die Margarethen=Capelle. Dem äußerst zierlichen „Dachreiter" nach zu schließen, ist sie aus einer früheren Zeit, als die im spätgothi¬ in schen Style erbaute Pfarrkirche. Leider ist nur das obenerwähnte Thürmchen stylgerecht erhalten. Unweit der Kirche dehnt sich der imposante Bau des neuen Schulhauses der Gemeinde (eröffnet 1875) der Volks= und Bürgerschule aus und an diesen reiht sich eine Anzahl großer Zinshäuser im modernen Style. Gegen das Schloß, die alte Styraburg hinab, breiten sich die frischen, wohlgepflegten Anlagen des Franz=Josef=Platzes, ehemals Promenade genannt,

30 aus. Die links sichtbare Mauer umschließt den Schlo߬ garten und Park, der sich in dreieckiger Form von da weithin verbreitet; dem Publicum ist derselbe nicht zugänglich. Parallel mit der Promenade läuft die Berggasse (einst Hofgasse), der älteste Stadttheil. In derselben liegt auch das ehemalige, 1646 gestiftete, 1784 aber aufgehobene Kloster der Cölesti¬ nerinen, dessen Kirche und Betchor zum Theater eingerichtet wurde. Der andere Theil dient als Gefan¬ genhaus des Kreisgerichtes und der Gemeinde und enthält nebst einigen Amtswohnungen auch das k. k. Telegrafenamt. Das Schloß, ein weites, mächtiges Gebäude von dreieckiger Gestalt, wie es der Bauplatz bedingte, hat eine, vordem schon erwähnte, große geschichtliche Vergangenheit. Seit 1666 ist es nebst der großen, über 70,000 Joch zählenden, also 7 Quadratmeilen um¬ fassenden Waldherrschaft Steyr im Besitz der fürst¬ lichen Familie Lamberg. Interessant und an Reich¬ haltigkeit sowie Originalität wol unerreicht ist die große Sammlung von Reh= und Hirsch¬ geweihen, sowie die übereinstimmende Ausstattung einer Anzahl Zimmer, deren Möbel sämmtlich aus Geweihen verfertigt und mit Wilddecken gepolstert sind. Die Besichtigung wird über Ansuchen in der Forstamtskanzlei oder bei dem im Schlosse wohnen¬ den Zimmerwärter nach Thunlichkeit bereitwillig gestattet.

31 — Die Vorstädte Ennsdorf und Schönau. Dieselben liegen am rechten Ufer der Enns, welches hier hoch und steil ist, und zwar die erstere dort, wo kurz vor dem Einflusse der Steyr die Ennsbrücke, die letztere stromaufwärts, wo die Neubrücke aus der Stadt hinüberführt. Im Rücken der Schönau zieht sich eine Höhe, die Kammermaierlehne, auch hohe Ennsleithen nannt, gegen Ennsdorf hin, ein im Sommer seines Umblicks über die Stadt und ihrer nächsten Um¬ gebung wegen sehr frequentirter Spaziergang. Im Jahre 1805 am 4. November hatten dort die Oester¬ reicher gegen die Franzosen unter Davoust nach Ab¬ werfung der Brücken ein Rückzugsgefecht aufge¬ nommen. Der beiderseits genährte Artilleriekampf währte vom Morgen bis zum Abend. Nicht wenige Stückkugeln, die in den Wänden verschiedener Häuser des Ennsdorfes sichtbar sind, zeugen noch heute davon. Im Ennsdorf liegt der Bahnhof und das Direc¬ tionsgebäude der Kronprinz Rudolfbahn; in der Ortschaft Rammingsteg, dem Vororte des Ennsdorfes, gegen Osten an der alten Wienerstraße, eine große Dampfsäge des Holzindustriellen Reder. Eine Viertelstunde weiter am Rammingbache und an der Poststraße über St. Peter nach Am¬ stetten liegt die Griehmühle, mit der eine Kalt¬

32 badeanstalt (Cabinenbäder) verbunden ist. Den Verkehr mit der Stadt vermittelt ein Omnibus. Auf der Ennsbrücke, von welcher sich eine sehr hübsche Fernsicht auf das Gebirge (den Hohennock, 6800 Fuß, und den Schoberstein, 4000 Fuß) bietet, hat man noch einen anderen, interessanten Anblick: Es ist nämlich deutlich wahrzunehmen, wie die mehr graulich grünen Fluthen der Enns und die rein blaugrünen des Steyrflusses nach Vereinigung der beiden Flüsse noch eine lange Strecke unvermengt dahin fließen, bis endlich die Conturen langsam schwinden und die verschiedenen Färbungen der beiden Gewässer sich ganz vermischt haben. Von der oberhalb gelegenen Neubrücke aus zeigt sich das¬ selbe Bergpanorama, ohne den Vordergrund der Stadt. Durch den kleineren Thorbogen des Neuthores (Gen¬ darmerie=Caserne) wird ein besonders schönes Land¬ schaftsbild abgegrenzt. Dieses Neuthor ist eigentlich ein Wasserbollwerk, erbaut nach der großen Ueber¬ schwemmung 1572 zum Schutze des linken Ufers, welche Function es auch noch heute vollständig er¬ füllt. Sein Erbauer war der berühmte Wasserbau¬ meister Hans Gasteiger.

33 Die Vorstädte Ort, Steyrdorf, bei der Steyr, Wieserfeld, Aichet und Vogelsang. Die nächste Verbindung derselben mit der Stadt bildet die Steyrbrücke. Rechts von dieser, über den Schulberg, gelangt man in die Vorstadt Ort, deren Häuser terrassenförmig über einander stehen, vorne auf die Straße heraus meist ein Blumengärtchen und rückwärts langgedehnte Obstgärten besitzen, die zur Höhe des Tabors hinangehen. In dieser Vor¬ stadt bei den Häusern Nr. 14 und 15 zeigt sich das schönste Mauerbild der Stadt und der Vorstadt Ennsdorf. En face der Brücke steht die St. Michaels¬ kirche, 1677 von den Jesuiten erbaut, welchen auch das rechtsan befindliche, jetzt für Schulzwecke ver¬ wendete große Gebäude als Collegium diente. In sich den beiden gegenüber liegenden Häusern befand das von denselben geleitete Gymnasium, bis unter Maria Theresias Regierung der Orden seine Auf¬ hebung erfuhr. Aus der Jesuitenkirche wurde die in Vorstadtpfarrkirche, und das Gymnasium hörte auf, denn manche Versuche, es der Stadt zu erhalten, scheiterten. Links an der Brücke am Spitalberge liegt das von der Königin Elisabeth, die sich sehr häufig in ihrer Burg zu Steyr aufhielt, 1305 gestiftete Spital.

34 Es war dies die Witwe Albrecht I., dem Steyr seine bedeutendsten Privilegien zu danken hatte. Auch die nebenan bestandene Kirche ward von ihr gestiftet. Ersteres dient nunmehr als Versorgungshaus, die Kirche aber wurde 1784 zum Pfarrhofe umge¬ staltet — der Kirchthurm steht noch heute. Links hinab durch die Badgasse, an der be¬ scheidenen aber reinlichen Schreiner'schen Bade¬ anstalt (Wannen= und Dampfbad) vorüber, ge¬ langt man zur Vorstadt bei der Steyr, zu den sehenswerthen Eisenwaarenfabriken von R. Rathner, von Ludwig Werndl und zu den Objecten der Waffen¬ fabrik. — Die Straße hingegen, welche gerade fort durch das Steyrdorf führt, theilt sich dann wieder: Rechts führt sie durch die Gleinker¬ gasse in die Vorstadt Wieserfeld (eine der jüngsten, 1543 angelegt), oder auch über den Schnallenberg durch das alterthümliche „Schnallenthor" (neben dem Friedhofe am Tabor) auf die Poststraße nach Enns, St. Florian und Linz, — links durch die Sierninger¬ gasse auf die Straße, die über Sierninghofen einerseits südlich nach Grünburg, Leonstein, Klaus, anderseits westlich über Sierning nach Hall, Kremsmünster, Wels und Lam¬ bach führt. Die Badgasse zeigt noch Mauerreste der alten

35 Stadtbefestigung aus dem Jahre 1480 — ebenso finden sich auch noch in einigen Gärten von Steyrdorf Thürme und Ringmauer=Ueberbleibsel rückwärts gegen den Tabor zu. In der Sierningergasse liegt das Bruder¬ haus, gestiftet um 1511, und in der Vorstadt Aichet das 1668 errichtete städtische Spital; beide mit kleinen Kirchen. Beim Bruderhaus befand sich der alte Leichenhof, von welchem 1569, wo die Pest so arg gewüthet hatte, daß er überfüllt war, ein Theil links ab in den Steyr=Canal gestürzt ist. Die Vorstadt Aichet folgt der Sierninger Straße und dem Laufe der Steyr. Sie liegt auf einer Terrainstufe, am Fuße eines steilen Absturzes, der Daxberg genannt. Sie enthält fast ausschlie߬ lich Wohnhäuser und Werkstätten von Eisen= und Stahlwaaren=Erzeugern. Die Vorstadt bei der Steyr ist von zahl¬ reichen Werkscanälen und von einer großen Anzahl, die Verbindung über dieselben herstellender Brücken durchzogen. In ihrem Gebiete liegen auch die verschiedenen Objecte der Waffenfabrik, 10 an der Zahl und nach ihren Nummern bezeichnet, obgleich viele der¬ selben im Volksmunde noch die alte Benennung nach ihren ehemaligen Eigenthümern beibehalten haben. So die Doctormühle (Object II), das Riesen¬

36 gebäude (Object VII), die Gesangfabrik (Object IX), das „alte Werk" (Object III). richtung der Etablissements, zu deren Die Betrieb sowol Wasser= als Dampfkraft verwendet wird, ist schon für den Laien hochinteressant. Um so mehr ist sie es für den Fachmann, nachdem die neuesten Errungenschaften der Technik noch jene Verbesserungen erfuhren, zu welchen die Erfahrung Anleitung gibt. Sie kann daher mit Grund als das dermalen Vollendetste in ihrer Art bezeichnet werden. Was die Großartigkeit des Unternehmens an¬ belangt, kommt ihm auf dem Continent und auch in England an Specialität kaum eines gleich. Ein wöchentliches Erzeugniß von 7 bis 8000 completen Gewehren, wie es in den Jahren 1874—75 fast ununterbrochen vor sich ging, spricht von selbst für seine Leistungsfähigkeit. Und gleichzeitig gaben diese Fabriken zu einer Zeit, wo alle Industrie unter der wirthschaftlichen Misère darniederlag, einer Anzahl von 4000 Arbeitern lohnendste Beschäftigung. Gegründet wurden die großen Etablissements von ihrem vormaligen Eigenthümer, Herrn Josef Werndl, dessen geniale Leitung das Unternehmen auf solche Stufe gebracht und ihm auch jetzt noch, seitdem es in den Besitz einer Actiengesellschaft über¬ ging, zugutekommt. Außer zahlreichen Jagd= und Luxusflinten hat die

37 Fabrik einen Theil der Wänzel= und alle Werndl¬ gewehre für die österreichische Armee, sowie einen großen Theil der Handfeuerwaffen für's deutsche Heer (das Mausergewehr und die entsprechenden Carabiner) geliefert. Auch für die französische Regierung, deren gleichartige Fabriken in St. Etienne die Steyrer Waffenfabrik an Ausdehnung fast erreichen, wurden hier schwieriger darzustellende Gewehrbestandtheile und eine große Zahl der neu eingeführten „Epée¬ Bajonnette hergestellt. Die Besichtigung der Objecte an der Steyr, sowie auch des Werkes in Letten, 1½ Wegstunden seitwärts der Poststraße nach von Steyr entfernt, Grünburg, wird in der Directionskanzlei über An¬ suchen nach Thunlichkeit in der liebenswürdigsten Weise zugestanden. Den Wehrgraben (Hauptwerkscanal) aufwärts liegt die ebenso räumlich große als elegant und zweck¬ mäßig eingerichtete Schwimmschule mit Douche¬ Cabinetten und einer Restauration, nebst kleinem Park, Eigenthum des gegenwärtigen Generaldirectors der Waffenfabrik, Herrn Josef Werndl, von diesem aber der allgemeinen Benützung gegen äußerst billige Bedingungen anheim gegeben. Im Winter dient die Decke des Bassins als Eislaufplatz, der mit Gas beleuchtet werden kann. In der Nähe der Schwimmschule, inmitten eines kleinen Parkes mit fischreichem Teiche, liegt

38 die Villa, welche sich Herr J. Werndl erbaut hat, gegenüber von dieser, jenseits der Straße, ein großer Park, in welchem in vielfachen Teichen und die¬ selben verbindenden Armen künstliche Fischaufzucht mit Eifer und Erfolg von ihm betrieben wird. An die Schwimmschule angereiht liegt die Arbeiter¬ Colonie Josefsthal und jenseits eines Armes der Steyr eine zweite, Carolinenthal. Diese An¬ siedlungen, bei welchen die Arbeiter zugleich in das Eigenthum der von ihnen bewohnten Häuserge¬ langen können, sind ebenfalls Schöpfungen des mehr¬ fach genannten Mannes. Von der letzteren Colonie gelangt man über die Anhöhe an einem kleinen Wasserfalle vorüber auf das Hochplateau ober der Stadt zurück, auf welchem das Schloß, die Pfarrkirche, die Bürgerschule und der Franz=Josefsplatz liegen. Es führen mehrere fahrbare Wege hinauf: Zunächst der an dem kleinen Wasserfalle (des sg. Teufelsbaches) und an dem netten (ehemals Freih. v. Riesenfels'schen) Schlößchen Engels¬ egg sowie an Villen vorüber, welcher direct bei der Bürgerschule gegenüber der Pfarrkirche ausmündet; ein zweiter durch die Schweizergasse auf die Mitte des Franz=Josefplatzes; ein dritter an der Schloßgarten¬ mauer vorüber zum Lamberg'schen Schlosse. Die Vorstadt, welche man hier passirt, heißt Vogelsang.

IV. Die nächsten Umgebungen. Der Tabor, der Darberg, Unterhimmel, Christkindl. Der Tabor ist der Rand eines Hochplateaus, welches sich oberhalb der Stadt gegen Norden hinzieht. Sein Name stammt zweifelsohne daher, daß dort böhmische Kriegsvölker eine ihrer fliegenden Befesti¬ gungen — Wagenburg, Tabor — hatten. Nachdem die Hussiten über die Donau nicht herübergekommen waren, dürfte die Benennung aus der Belagerung der Stadt durch den Ritter Georg von Stein, den Pfandinhaber von Steyr (1467), herrühren. Ein Weg dahin führt durch das Steyrdorf (Gleinkergasse) und dann rechts eine Treppe hinauf über die durch den Verschönerungsverein bepflanzten Serpentinen, die beim Friedhofthore ausmünden. Um jedoch die Aussicht über den unteren Lauf

40 der Enns zu behalten, empfiehlt es sich, den Weg durch die Vorstadt Ort zu nehmen, an deren Aus¬ gang sich ein ganz bequemer Aufstieg eröffnet. Diese völlig unbeschwerliche Partie ist äußerst lohnend — die Stadt liegt ausgebreitet in der Vogel¬ Perspective da — namentlich der Platz und ein Theil der Enge bietet an der ehemaligen Capelle, nun Feuerwächters=Wohnung, sich ganz offen dem Auge, — Christkindl und St. Ulrich krönen die nächsten Höhen und entfernter thürmt sich das Hoch¬ gebirge auf: links die Ausläufer der Kalkalpen der Schieferstein, die Dirn, der Schoberstein und Buchberg, und hinter ihnen die hohe Sengse, gegen Westen hin ein Ausläufer des großen Priel und die Spitze des Traunsteines. Die glitzernden Wasser¬ flächen der Enns und des Steyrflusses, deren Lauf man weit hinauf verfolgen kann, leihen dem Bilde noch vermehrten Reiz. Die Kirchen der benachbarten Orte tauchen aus der vorwiegend grünen, in an¬ muthigen Hügelwellen sich zeigenden Landschaft auf. Der sehr hübsch ausgeschmückte Kirchhof, von Bogengängen umschlossen, wurde in den Jahren 1569 bis 1584 angelegt. Nebst vielen sehenswerthen, aus kunstgeübten Händen hervorgegangenen Grab¬ denkmälern findet sich hier auch die Ruhestätte des oberösterreichischen Dialect=Dichters Schosser. Neben dem katholischen wurde in jüngster Zeit der mit einer besonderen Einfriedung umschlossene israeli¬

41 tische Friedhof angelegt. — Von der Linde nächst dem Friedhofe gruppirt sich Stadt und Hinter¬ grund wieder etwas anders, als vom Tabor. Von der Linde weiter, der Kirchhofsmauer ent¬ lang, und nächst dem Schnallenthore die Straße über¬ schreitend, gelangt man zu dem, auch durch eine Aufschrift gekennzeichneten Weg auf den Daxberg, dessen Fortsetzung eine immer gleich lohnende Fern¬ sicht bietet. Vom Daxberge aus gesehen steigt der hohe Priel mit seinem prachtvollen Profile voll¬ ständig über die Vorberge empor, und der Traun¬ stein, rechts von der Kremsmauer bei Kirchdorf, bildet eine mächtige isolirt stehende Pyramide. Vom Dar¬ berg eröffnet sich ein kurzer, etwas steiler Abstieg zur Steyr hinab, an deren gegenüber befindlichem Ufer Unter=Himmel liegt, mit den Hämmern, Schleifereien, Walzwerken und Drahtzügen von Franz Werndl. Von Unter=Himmel führt ein anmuthiger Weg am rechten Ufer der Steyr durch Auen binnen einer halben Stunde in die Stadt zurück. Für die Partie über den Tabor und über den Daxberg nach Unter=Himmel ist eine Stunde hin¬ reichend. Auf der Höhe über Unterhimmel hebt sich der reizend gelegene Wallfahrtsort Christkindl ab. Die als Rotunde (nach dem Vorbilde der Maria della Rotonda in Rom) aus Mitteln des

Stiftes Garsten 1709 aufgeführte Kirche ist von Prandtauer und Carlo Carlone erbaut. Die Altarbilder sind von Carlo Loth und von Carl v. Röselfeld, einem hervorragenden Maler des 18. Jahrhunderts, der im Stifte Garsten lebte und viele Bilder für die dortige sowie andere Kirchen in der Umgebung gemalt hat. Der Hochaltar be¬ findet sich an derselben Stelle, an welcher ursprüng¬ lich der Baum mit dem Gnadenbilde gestanden ist. Vor dem Gasthause in Christkindl, insbe¬ sondere seiner von Felsblocken getragenen Garten¬ terrasse, liegt das ganze Steyrthal von Sierning bis Steyr aufgerollt, mit seinen Felsen, Wäldern, Auen und Werken, den Heimstätten des Fleißes, von welchem mächtig emporstrebende Rauchsäulen Zeugniß ablegen. Auf der Höhe von Christkindl zur Stadt zurück, am Schlößchen Engelsegg und dem Teufelsbach¬ Wasserfalle vorüber, braucht man eine halbe Stunde. Von Christkindl aus hinter dem Pfarrhofe weg führt auch ein ganz reizender Weg nach Garsten. Garsten. Der Name dieses alten, nun aufgehobenen Benedictinerstiftes, eine halbe Stunde Weges von Steyr gelegen, kommt in der Geschichte Oberöster¬ reichs und der Steyermark zur Zeit der Ottokare gar häufig vor.

43 Der Ursprung des Stiftes ist auf das Jahr 1082 zurückzuführen, in dem Ottokar III., der erste Markgraf von Steyr, von dem Bischofe von Passau die Pfarre Garsten eintauschte, ein Kloster erbaute und dasselbe mit Ackerland, Meierhöfen und Forsten, worunter auch der Damberg, ausstattete. Den Benedictinern wurde es aber erst unter seinem Nachfolger Ottokar IV. im Jahre 1107 über¬ geben, deren erste aus dem Stifte Göttweih kamen. Die Macht und der Einfluß des Stiftes wuchsen. Es vermehrte nicht nur seine Besitzungen und Rechte in der Umgebung, sondern es erwarb auch solche in Linz und (Weinberge und Häuser) in der Nähe von Wien. Der Markt Weyr war ihm unter¬ thänig und in Steyr, sowie in dreizehn anderen Orten (darunter auch St. Magdalena bei Linz) besaß es das Pfarr=Recht. Zur Zeit der Reformation erklärte sich ein großer Theil des Convents als Anhänger der neuen Lehre; dafür waren die, nach Vertreibung der alten, neu eingeführten Benedictiner von Garsten während der Gegenreformation wieder sehr eifrig für die Bekehrung zum alten Glauben thätig. Im Bauernkriege erfuhr Garsten das Schicksal aller katholischen Stifte und Klöster; es wurde gänz¬ lich ausgeplündert. Im Jahre 1787 erfolgte seine Auflösung. Die Bibliothek kam nach Linz, die Orgel in die

44 Stadtfarrkirche nach Steyr, die Würde eines Erb¬ land=Hofcaplans im Lande ob der Enns, welcheseine Aebte bekleidet hatten, an den Prälaten von St. Florian. 1792 wurde Garsten eine Dotations=Herr¬ schaft des Bischofs von Linz, gegenwärtig des Re¬ ligionsfondes. Das ehemalige Stiftsgebäude ist seit 1851 zum Strafhause eingerichtet. Der Fahrweg nach Garsten führt durch die Garstner Allee (prächtige Kastanienbäume), die man von der Pfarrkirche weg, bei villenartigen Gebäuden vorüber, erreicht. Hier liegt zunächst rechts, noch in der Stadt, die Restauration Langer mit hübschem Garten und geräumigem Saale, in dem Steyr seine Elite¬ bälle und Concerte abhält. Das links gegenüber in einem wohlgepflegten Parke gelegene, neue, schloßähnliche Gebäude, gegen¬ wärtig ein Privatbesitz, war ehedem ein Capuciner¬ kloster, das 1616 gegründet und 1786 aufgelöst wurde. Unweit davon, wo die Ortschaft Pyrach be¬ ginnt, an der gleichen Seite des Weges, dampfen die Schlote der Gummiwaaren=Fabrik von Reithofers Söhnen in Wien. Am Ende der Allee, in welche man alsbald eintritt, liegt (in der Ortschaft Sarming, im Volks¬ munde „Halb=Garsten“ genannt die Restauration Jäger, von deren Gartenterrasse sich ein pracht¬ volles Bild der Gebirge erschließt.

45 Die zweitnächste Verbindung Steyr's mit Garsten ist durch den am linken Ufer, hart an der Enns den hinauf führenden, reizvoll gelegenen Weg sogenannten Schiffweg, welchen der Verschöne¬ rungsverein erhält — hergestellt. Man erreicht ihn durch das Neuthor. Am Bertholdi=Brunnen, dessen Quelle von Augenkranken als heilkräftig aufgesucht wird, ver¬ mittelt eine Ueberfuhrsplätte über die Enns die Ver¬ bindung mit dem andern Ufer, dem Gasthause Forsthub an der Enns (Berger) und dem nahe gelegenen St. Ulrich. Ein dritter Weg führt, ebenfalls durch das Neu¬ thor, dann aber über die Seilerstiege, am Rande der natürlichen Terrasse, welche das Terrain dort bildet, die Enns entlang aufwärts. In seinem Verfolge kommt man an einer historischen Stätte vorüber. Unweit der Reithofer'schen Fabrik, die hier rechts bleibt, zieht sich eine langgestreckte Garten¬ mauer hin, und in deren nächster Nähe, auf der Wiese, welche sich an jener Stelle befand, wurden 1397 über hundert Waldenser, welche Secte in Steyr und Umgebung an 1000 Anhänger zählte, lebend verbrannt. Und ebenso dürften dort die 1527 zum Tode verurtheilten 12 Wiedertäufer ent¬ hauptet worden sein. Die Gegend hieß darum auch lange Zeit im Volksmunde der „Ketzerfreythof. Der eben beschriebene Weg, welcher mehrfache

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