Das Steyrer Kripperl

□a□a□□a□a□□□a□□□□□□□a□a□□□□a□□□a□□a□□□a□□□□□□ □--------------------------.□ □ □ □ □ □ □ □ □ 8 DAS 8 □ □ □ □ □ □ § STEYRER KRIPPERL § □ □ □ □ a □ □ VON □ □ □ □ □ □ □ □ □ 8 DR. VIKTOR GERAMB 8 □ □ □ ~ □ □ □ 8 DIREKTOR VIKTOR ZACK. 8 a □ a □ □ □ □ □ □ □ □ a a a □ MIT 9 TEXTABBILDUNGEN UND 20 NOTENBEISPIELEN □ □ □ □ □ a □ a □ a □ □ a □ □ 8 AUS DEM I./III. HEFT DES XXV. JAHRGANGES DER „WIENER 8 a. ZEITSCHRIFT FÜR VOLKSKUNDE!' ABGEDRUCKT. a □ □ □ □ a □ □ □ a □- □ □ □ □ □ □ a □ □ □ a □ □ a a □ (3 WIEN 1919. 8 □ VERLAG DES VEREINES FÜR VOLKSKUNDE. □ B K0MMISSIONSVERLAG: F. TEMPSKY, WIEN IV. JOHANN STRAUSSG. 6. 8 □ a a □ □ □ □---------------------·--~□ □□□aa□□aaaaa□□□□a□a□a□□a□a□□aa□a□aa□□□□□□a □

onderabdruck aus der Wiener Zeitschrift für Volkskunde. Das Steyrer Kripperl. Von Dr. Viktor R. v. Geramb und Direktor Viktor Zack (Graz). Im Lande ob- der Enns lebt in der guten und ehrenreichen Eisenstadt :steyr bis zum heutigen Tage ein altes Weihnachts-Puppenspiel unter dem Namen „Steyrer Kripperl" fort. Seinem Inhalte nach ist es eine Verknüpfung ernster religiöser und lustiger, lose aneinander gereihter Vol~sszenen. Die darstellenden Figuren sind geschnitzte und bekleidete, etwa 20 cm hohe Puppen. Der Schauplatz ist eine als dr~iteilige Bühne eingerichtete große volk~tümliche Weihnachtskrippe mit Krippenberg und Krippenstadt. Die Krippenstadt zeigt das alte Steyr und in die zahlreichen volkstümlichen Szenen spielt durchaus die Ortsfarbe von Steyr hinein. Es ist ein bodenständiges Volks-Puppenspiel im besten Sinne des Wortes und es ist für jeden Freund guter Volkstümer eine wahre Freude, daß es auch in unseren Tagen noch immer gespielt werden kann. Ja, es übt heute, wo es dank den Bemühungen der Vereinigung für Heimatschutz jn Steyr wieder alljährlich vön Allerheiligen bis Lichtmeß fleißig gespielt wird, auf alt und jung ganz dieselbe, vielleicht sogar mehr Anziehung aus als vor 150 Jahren1 wo es an derselben Stätte sicher auch schon gespielt wurde. Es ist durch sein Fortleben und durch die Lebhaftigkeit des Besucherzuspruches, dessen es sich seit zehn Jahren wieder neu erfreut, •ein hoffnungsvoller Beweis für die Tatsache, daß gute Volkskost auch heute noch gern begehrt wird und ein wirksames Gegengewicht gegen schlechte Kinodramen zu sein vermag. Darin und in der tiefen beglückenden Wirkung, die sich jedem aus den leuchtenden Augen und dem jubelnden Drängen der Kinderseharen mitteilt, liegt der gewaltige allgemeine Gemütswert dieses Spieles. In der treuen Überlieferung alten bodenständigen Volkstums in Versen, Liedern, Schnurren, Trachten und Bräuchen gesellt sich dazu auch noch ein bedeutender erzieherischer und heimatlicher Wert. Aus diesen Gründen würde das Steyrer Kripperl über die Vereinsförderung hinaus eine kräftige staatliche Unterstützung wohl verdienen. Abgesehen von all dem, kommt diesem Spiele, das wohl zu den letzten lebenden Enkelkindern einer einst großen Familie gehört - falls es nicht gar das letzte ist -, auch noch ein reicher volkskundlicher und kunstgeschichtlicher Gehalt zu, der eine eingehende Würdigung in diesen Dlättern gewiß rechtfertigt. Im August 1917 und im April 1918 wurden uns die einzelnen Lieder und Texte des Spieles, das nirgends aufgeschrieben, vielmehr reine Überlieferung ist, von den beiden Spielern, Frau J o s e p h a Mo h r und Herrn F e r d in an d S c h m i e d in g e r, vorgeführt und außerdem Wiener Zeitschrift fUr Volkskunde XXV. 1

2 Geramb und Zack, von der Vereinigung für Heimatschutz in teyr für uns eine Sonderaufführung des ganzen Spieles ver ansLa ll, L. Allen Bet eiligten, vor allem Herrn Lyzeumsdirektor Prof. Dr . E . Pi 11 o w i z o r, Herrn Handelskammerrat Meister So rn m e r h u b c r 1uHl Herrn Prof. G. Goldb ach er, den treuen Hütern des Steyr r J 1·ippPrh,, Hr. i auch an dieser Stelle herzlicher Dank gesagt. Zu bosondormll Da11J fühl 11 wir uns auch dem Herrn Dr. Hans Co m e nd a vcrpfl ichLeL, dc•1· uns sc• in schon früher aufgenommenen \Veis en zu vorschi den n G ' ä ng n des pi les in liebenswürdigster Weise zur _vergleichenden 13 nützung üb rlioß. Wenn v.ir nun v ersucheu , ein e n1 öglichsL gena ue I arst llung des Schauplatzes, der Spielweise, des Spieles un d on<lli h der kum, l,gcschichLlichen und volkskundlichen Stellung des Steyr or Kripp rl s zu gohon, so hoffen wir damit nicht nur der Volkskunde und allen Freunden bo<lonständiger Volkstümer ein en Dienst zu erweisen, sondern auch dem alLväterischen, fröh lichen und doch in all seiner Einfa lt, Lie f crgl' (' ifcnrlo11 Spiele gute· neue Freunde zu gewinnen . I. Die Schaubühne. pas „Steyrer Kripperl" hat ehedem, soweit die Erinnerung der SladlbowOllll <'t' zurückreicht , sein Dasein st ets in verschiedenen Einkehrwirtshäusern gefri st cl1 ). i'.11 - Abb. 1. Die Bühne des Steyt·er Kripp erls. 1 ) G. Go 1d b ac h e r , ,, Das alte Krippentheat er in Steyr". Unterhallungsheilage der Linzer Tagespost Nr. 51, J ahrgang 1913.

Das Steyrer Kripperl. 3 letzt war es in Mitters Gasthof „zur goldenen Sense" in der Sierningerstraße Nr. 30 beherbergt. Seit etlichen Jahren hat es die Vereinigung für Heimatschutz in Steyr in ihren Besitz gebracht und vorläufig im alten Kollerhause an der Enns in der Harratsmüllerstraße nicht weit von der Brücke aufgestellt. Ein hübsches Aushängeschild, darstellend den Nachtwächter mit Horn und Hellebarde und mit der Unterschrift ,,Steyrer Kripperl" bezeichnet das Haus. Der Zuschauerraum ist ein kleiner, ganz schlichter Saal mit wenigen leicht aufsteigenden Sitzreihen. Die eine· Schmalseite des Saales ist durch die in Tischhöhe (90 cm ober dem Fußboden) aufgestellte, unten mit einer Holzverkleidung (Rahmen) abgeschlossene Schaubühne vollständig ausgefüllt. Nur seitlich führen zwei schmale, durch dunkle Tuchvorhänge verdeckte Eingänge in das streng verschlossene geheimnisvolle Heiligtum der „Bühne". Diese selbst ist vorne durch ein niederes Holzgitterehen und im übrigen durch einen gemalten Bühnenvorhang (4·68 m lang und 1·60 m hoch) abgeschlossen. Der Vorhang stellt eine verblaßte Ansicht von Neapel dar. Wenn sich de!' Vorhang erhebt, erblicken wir das Bühnenbild, wie es sich uns auf Abb. 1 zeigt. Doch muß dabei bemerkt werden, daß es leide!' unmöglich ist, am Lichtbild auch die Tiefenwirkung wiederzugeben. Er erscheint hier alles auf eine Ebene geworfen, während in Wahrheit zwischen dem vorderen Bühnenrand und dem Hintergrund der oberen Rückbühne (Hinterbühne; am Bilde: Waldlandschaft in der Mitte des Hintergrundes) ein Abstand von nahezu 3 m besteht. Doch wird das Bild und der folgende Text, wie wir hoffen, durch die von Herrn Prof. Dr. E. Pi 11 e w i z er gezeichneten und in entgegenkommendstel' Weise zur Verfügung gestellten Grund- und Aufrisse leicht und klar verständlich werden (Abb. 2 und 3). Wie das Bild und der Aufriß (Abb. 1 und 3) zeigen, baut sich die Bühne in drei großen Stufen terrassenförmig auf. Die unterste Stufe, der Boden des Vordergrundes, der am Lichtbilde am größten erscheint, wird _im Spiel selbst, sozusagen gar nicht benützt. Er trägt nur einen Brunnen, einige weidende Schafe und ein paar Hirtenfiguren, die auf d i e eigen t l i c h e Krippe zugehen. Diese, der Mittelteil der untersten Terrasse, befindet sich in derselben wagrechten Ebene wie die unteren Handwerkerstätten, reicht aber auch noch in deren oberen Reihe hinauf und ist gegen den eben besprochenen Bühnenboden des Vordergrundes selbst ein wenig (um 11 cm) erhöht. Dadurch gewinnt sie eine gewisse beherrschende Stellung auch zu den Hirtenfiguren des Vordergrundes. In der Tat ist dieser im Gl'und- und Aufriß als „Krippe" bezeichnete Teil der ganzen Schaubühne Mittel- und Ausgangspunkt. Sie ist für sich genommen ein kleines volkstümliches WeihnachtskripperJ. Wir sehen die gemauerte Stallruine und darin die heilige Szene der Geburt: das Kindelein im Krippelein, daneben Maria und Josef, dahinter Ochs und Esel, also den uralten. schon seit dem frühen · Mittelalter nachweisbaren Kern jeder Krippendarstellung. Ober der Stallruine zeigt sich der alte, vertraute Krippenberg1 ), auf dem die Lämmei·· weiden und von dem wir einen Blick in eine weite Gebirgslandschaft links und in eineStadt rechts tun können. Vom Berge führen beiderseits der Krippe über schmale Felsklüfte Treppen zum Vordergrund herab. Im übrigen aber steht dieser ganze Teil des Schauplatzes ohne jeden Zusammenhang, ja vielfach geradezu im Widersinn zum übrigen Bühnenbild. Gel'ade darin aber liegt seine volkstümliche Echtheit. Denn es ist echt volkstümlich, daß jener Teil, jene kleine eigentliche „Krippe" in das GesJ.mtgefüge des großen „Steyrer Kripperls" als ein Bild für sich, wie ein Reliefstück aus einem gotischen Flügelaltar, ohne besonde.·e ALgrenzung hineingesetzt ist. Und e ist echt volkstümlich, daß es dabei in seinen Maßverhältnissen mit den daneben über - groß erscheinenden Werkstätten rechts und links in Gegensatz gerät und daß sich 1 ) G. Hager, Die Weihnachtskrippe, München HI02, S. 142, sagt: ,,Da dei· ,Berg' schon 1627 in der Krippe von Frauenchiemsee erwähnt wird, also in ·einer Zeit , wo in Altbayern die Kunst noch in mannigfachen Fäden mit der Spätgotik zusammenhing, so liegt der Gedanke nicht ferne, daß uns in dem Krippenberge noch das landschaftliche Auge des Mittelalters anblickt." 1*

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F\ Uf_R ISS 7-Uttt $ l E_Y~ E. f\ Kf\i PPE: P\L. Olie..-~ J\ü„KLö ltn iz. $z...,_,. ~ri<t ! ~t. VJ,-idl l'-f 5hy•· ' 1't1 . J . J)..1 ..... 1,.,_,•g· o ·o,,. ?ttAbb. 3. Au friß des Steyrii r Kripp e!'ls. ö II> (fJ ~ (t) '< ..., (t) .... M ~ e;: ~ ,a· 'O ~ ~ °'

6 Geramb und i;ack. über dem Firmament ober dem Krippenberg und ober der Krippenlandschaft neuerdings eine viel größere, nähere und greifbarere Stadt ausbreitet. Gerade diese Zeitund Raumwidrigkeit, besser gesagt, dieses selbstverständliche Hinwegsetzen über Raum und Zeit, das sich ja in alten Kunstwerken immer wieder findet, gehört mit zu den reizvollsten Eigenarten der Volkskunst. Übrigens ist diese eigentliche „Krippe" nicht nur inhaltlich, sondern auch tatsächlich in das Gefüge des übrigen Bühnenbildes nur hineingestellt. Denn die „Krippe" ist auswechselbar und wird zu den verschiedenen heiligen Zeiten auch wirklich gewechselt. So wird z. B. im Advent ein ganz anderes Szenenbild hier eingefügt, nämlich die Kammer der seligsten Jungfrau und die Verkündigung des Erzengels Gabriel. Erst vom heiligen Abend an erscheint die eigentliche Krippe, der vom 5. Jänner an die heiligen drei Könige zugesellt werden, während später noch die Beschneidung im Tempel und die Flucht nach Ägypten hiehergesetzt werden. Alle diese religiösen Bilder werden im Gegensatz zum übrigen Spiele durch unbewegliche Figurengruppen vorgestellt. Das Volk fühlt in dieser Unbeweglichkeit in feinsinniger Weise etwas Erhabenes und Weihevolles, das um so tiefer in seiner ruhevollen Hoheit wirkt, je lauter und fröhlicher sich ringsum die übrigen weltlichen Gruppen bewegen. Es ist ganz dasselbe wie beim .bäuerlichen Paradeis- und Hirtenspiel, wo sich auch um ein kleines unbewegliches Figurenkripped die lebendigen Spieler bewegen. Rechts und links von diesem Haupt- und Mittelstück sind die Darstellungen des bodenständigen Handwerkerlebens und Kleingewerbes angereiht. Es sind zwei Stufen übereinander, die in insgesamt 18 Abteilungen ebensoviele Handwerkerstätten aufzeigen. Vielleicht ist es kein Zufall, daß zwischen der oberen und der unteren Stufe ein leiser Unterschied besteht: unten sind die ans Wasser gebundenen oder doch der Stadt etwas abseits gelegenen Werkstätten und oben die mehr ins Getriiebe der Stadt einbezogenen Handwerke dargestellt. So finden wir unten links: die Knochenstampfe (,,den- Boanstampf"), den Hammerschmied, den Schleifer, den Zweck- (Nagel-) Schmied und den Faßbinder und rechts den Wagner, den Hufschmied, das Bergwerk und die „Schlögler" (Pilotenschlager). Mehr als die Hälfte dieser unteren Gruppe gehört also dem Steyrer Eisengewerbe an. Mit der oberen Stufe ist die untere nur durch das Mühlrad ganz links verbunden, das vom Wasserschwall, der auch „den Boanstampf" und den „Hammer" treibt, seine Kraft erhält. Wir finden links oben neben dem Mühlrad zunächst die Mühle, daneben den Bäcker, dann den Drechsler, weiter den Weber und ganz im Mittelgrund den Fleischer und rechts den Schneider, Schuster, Tischler und endlich die langgestreckte Seilerwerkstätte. - Alle diese Handwerkerstätten sind m e c h a n i s c h beweglich und mit mechanischen Figuren ausgestattet. Sie unterscheiden sich dadurch wesentlich einerseits von den unbeweglichen religiösen Gruppen und anderseits auch von den von Menschenhand bedienten Puppen des eigentlichen szenischen Puppenspieles, das sich räumlich um eine Stufe höher, nämlich oben im Stadtbild und teilweise auf der Hinterbühne und zeitlich um eine Stufe später, nämlich erst nach den Handwerkerszenen abspielt. Diese drilte und oberste Stufe stellt ursprünglich zweifellos abermals die Krippenstadt vor, freilich im Gewande des alten Steyr. Schöne Steyrer Bürgerhäuser, zum Teil von der Vereinigung für Heimatschutz in besonders sorgfältigen Modellen erneuert, erfreuen das Auge des Beschauers und breiten über das Ganze die tiefe Behaglichkeit des bodenständigen Heimattums. Unter den Häusern der Stadt haben im Spiel selbst die drei linken vorderen, das Doktorhaus, das Lottoamt und das Bäckerhaus und rechts vorn namentlich das Traubenwirtshaus besondere Bedeuluug. Wie die Hallllwerkerstalten, so ist auch diese Stadt in eine rechte und eine linke Gruppe geschieden. Zwischen beiden breitet sich, von zwei Stadttoren und zwei Laternen gemarkt, die Hauptbühne (,,Figurenbahn" des Grundrisses) für das Puppenspiel aus, die sich allerdings in derselben Ebene als ein schmaler Streif (,,Gassen" des Grundrisses) auch rechts und links vor die Häusergruppen fortzieht. Doch finden hier seitlich mehr die kleinbürgerlichen Szenen statt, während sich die großen Aufzüge (Davidszug, Einzug der heiligen drei Könige , Fron-

Das Steyter Kripperl. 7 1eichnamsfest, Gasselfahren usw.), alle auf der eigentlichen Figurenbühne zwischen den beiden Stadttoren und den beiden Laternen abspielen. Hier ist ein am Grundriß ~Abb . 2) deutlich erkennbarer, ziemlich breiter „freier Raum", unter welchem sich die Personen zu schaffen machen, die das Puppenspiel zu sprechen und zu singen und die Figuren zu bewegen haben. Ihre Gestalten sind durch die Szenerie des Vorder- und Mittelgrundes (erste und zweite Bühnenstufe) vor den Zuschauern verdeckt. Die dritte Bühnenstufe, Stadt und Hinterbühne befindet sich bereits ober und hinter den Köpfen jener spielenden Personen. Die Figuren werden von diesen Personen, ganz wie beim Kasperltheater, in die Höhe gehalten und auf der „Figurenbahn" (einem wagrechten, schmalen, dem Zuschauer ebenfalls verborgenen Laufbrettchen hin und her geschoben') . _Dadurch unterscheidet sich die Spielart vom Marionettenspiel, bei dem die Figuren bekanntlich an Drähten und von oben her gehandhabt werden. Hinter dem freien Spielraum und zwischen den beiden Stadtgruppen zeigt sich uns als abschließender Hintergrunp. am Bilde (Abb. 1) eine Waldlandschaft. Es ist das der Vorhang der Hinter- oder „Rück"-Bühne, die während des Puppenspieles mehrmals in Verwendung tritt. Wenn sich der kleine Vorhang der Rückbühne hebt, sehen wir -eine liebliche Landschaft: das Bergkirchlein St. Ulrich bei Steyr mit dem waldigen Damberg im Hintergrund. - Alle rein ländlichen (Alm-, .Jäger- und Bauern-) Szenen spielen auf dieser Hinterbühne. Wir können also nach doppelter Hinsicht eine Dreistufigkeit im Aufbau -des Steyrer Kripperls feststellen: Räumlich in der Unterbühne mit dem religiösen Kern, in der Mittelbühne mit den Handwerkerszenen und in der Oberbühne mit den städtisch-bürgerlichen Puppenspielszenen, zu der als eine Art Anhang noch die Rückbühne für die ländlichen Szenen tritt. - Zeitlich zeigt sich uns die Dreistufigkeit im religiösen Beginn des Spieles, im darauffolgenden mechanischen Handwerkertreiben und endlich im lustigen Figurenspiel. Auch diese Dreistufigkeit, zu der parallel mit der Reihenfolge der räumlichen und zeitlichen Stufen auch eine dreifache Art der Figuren (unbeweglich, mechanisch bewegt und mit der Hand bewegt) hinzukommt, läßt uns ohne Zweifel die Altertümlichkeit des ganzen Spieles fühlen, dessen Bühne an das alte Theatrum mundi und an die mittelalterlichen Volks-, aber auch an die . bayrischen Passionsspielbühnen <lenken läßt. II. Die Spielweise. Wenn wir durch den schmalen Seitenvorhang „hinter die Kulissen" schlüpfen, so ist das von vorn so märchenhafte, schöne Bild freilich be- ,deutend umgewandelt. Da hängen und liegen zwischen Streifen von aufgespannter Leinwand und Pappe zahllose Figurengruppen in ganzen Päckchen beisammen; da steht in einem Winkel der Phonograph, der das Theaterorehester bedeutet; daneben lehnen Kinderpistolen und Trommeln, Spiritusfidibusse und Tschinellen und in einer anderen Ecke baumeln neben Sehellenkränzen ein paar Käs- und Butterglocken samt ihren Holzklöppeln, die das herrlichste Geläute täuschend wiedergeben. Dazu überall €lektrische Steckkontakte für die Beleuchtungseffekte und Hebel und 1 ) Der technische Ausdruck lautet nach Goldbacher a. a. 0. ,,durchgezogen".

8 Geramb und Zack. Schrauben für die ,nechanischen Gruppen der Handwerker. Dabei ist dergan~e Raum so klein, daß man sich in dem Gewimmel von Puppen und Vorrichtungen kaum rühren kann. Es ist die richtige Schnür~odenwelt in kleiner, aber um so gedr.ängterer Auflage. Und diese ganze wirre Welt meistern nun die Spi~ler. Das sind keine gelernten Schauspieler und Theaterleute, sondern ganz schlichte ungeschulte Kräfte aus dem Volke. Und darin liegt ein neuerlicher besonderer Reiz des Steyrer Kripperls . Vergessen sind leider die Namen der Generationen von Spielern, die ehedem hier ihres Amtes gewaltet haben. Denn es ist, wie gesagt, nichts Scprift-- liches üher dieses weihnachtliche Puppenspiel aufzufinden. Es wird aber wohl immer so, wie noch heute, gewesen sein: Schlichte Leute aus dem Volke, die freilich eine mehr als gewöhnliche Gabe an Mutterwitz und Eulenspiegel-Schalkheit mitbekommen haben, werden es immer gewesen sein, die den toten Puppen Sprache und Bewegung eingehaucht haben. Gewöhnlich werden sie schon als Kinder eifrige Kripperlbesucher gewesen sein und viele der ständig wiederkehrenden Liedlein und Sprüchlein schon damals zu festem Innenbesitz gemacht haben. - So verhält sich's auch mit Joseph a Mohr, der schlichten aus den Arbeiterkreisen de!.' Waffenfabrik stammenden Frau, die heute neben ihrer schweren Berufsarbeit immer noch all die Liebe und nimmermüde Begeisterung aufbringt,. das Spiel von Allerheiligen bis Lichtmeß jeden Sonntag fünf- bis sechsmal zu spielen. Sie darf wohl mit Recht _die See 1 e des Steyrer Kripperls. genannt werden. Und sie ist die r i c h t i g e Seele. Etwas vom gütigen Behagen der märchenerzählenden Mutter und dazu eine Fülle goldenen, nie versiegenden und nie _verlegenen Humors ist über ihr ganzes Wesen gebreitet. Die gemütliche Steyrer Mundart mit ihrem leisen und traulichen Sington, der durchaus echte, niemals gemachte und von keiner geschulten. Bühnenkraft je so zu erreichende volks_tümliche Humor, der sprudelnde Mutterwitz, der sich am Jubeln und befreienden Lachen der zuhörenden Kinderseharen immer wieder neu entzündet und die Spielerin aus dem Stegreif immer wieder neue Späße erfinden läßt, das alles verleiht ihrem Spiele einen natürlichen Reiz, der uns im Vergleich mit den heute üblichen Volksbelustigungen in Kino-Schauerdramen wahrhaft wie eine Erlösung wohltuend berührt. Seit kurzer Zeit ist der Frau Mohr als Partner del' Maschinsteller aus der Waffenfabrik Herr Ferdinand S c h m i e d in g er zur Seite gestellt. Er ist langjähriger Spieler im Gesellen-Haustheater und ist namentlich für die männlichen Rollen eine wertvolle Stütze. Über seine prächtige Art, den wütenden, brüllenden Bartel zu gebe11, haben nicht nur die Kinder, sondern auch wir Großen wahrhaft Tränen gelacht. Diesen beiden Hauptspielern stehen nur noch ein paar Buben zm· Seite, die namentlich das Hin- und Hertragen der Figuren, das Glockenläuten und überhaupt das Hervorzaubern der verschiedenen Licht- und Schallwirkungen besorgen. Die Schlagfertigkeit, Geistesgegenwart, Blitzschnelle und Sicherheit in der Bedienung der Figuren ist, namentlich,

Das Steyrer Kripperl. 9' wenn man das g1eichzcitigc Singen und Sprechen dazuhält, keine ganz ]eichte Sache und erfordert viel Übung und Geduld. Weniger schwierig dürfte das Einlernen der Rollen sein. Denn - und auch darin liegt wieder ein sehr anheimelnder, echt voJhtümlicher Zug - denn die Texte sind durchaus nicht streng eingelernt und Wort für Wort festgesetzt, sondern im Gegenteil völlig fließend, leicht und beweglich. Sie werden rasch, kasperltheatermäßig und ohne jeden Zwang gesprochen, immer wieder mit neuen Augenblickseinfällen durchsetzt und von den jeweiligen Eingebungen der Spielenden geformt. Nur die Hauptfäden, der Wesensinhalt der einzelnen - übrigens durchaus sehr kurzen - Szenen ist gegeben. Die Worte wechseln vielfach. Fester Bestand sind nur die Lieder und Liedertexte, die wir im folgenden bringen werden. Aber auch sie sind, wie überhaupt alle Szenen, von sehr verschiedenem Alter und von sehr verschiedenem Werte. Das älteste sind zweifellos die religiösen Szenen. Alt werden auch die mechanischen Hanclwr.rket·gruppen sein. In den lustigen Volksszenen aber kann man recht gut ein sehr verschiedenes Alter feststellen. Von ganz alten volkstümlichen Schnurren bis herauf in die Mitte :des 19. Jahrhunderts finden wir da aJlc möglichen Kinder des volkstümlichen Humors lose und ohne jeden Übergang aneinandergereiht. Bemerkt muß schließlich auch noch werden, daß durchaus nicht etwa a 11 e Szenen, die wir im folgenden anführen, bei jeder Aufführung gespielt werden. Das ist vielmehr nie der Fall. Was wir im folgenden geben, ist so ziemlich das Gesamtrepertoire, aus dem bei den einzelnen Aufführungen immer geschöpft wird. Vieles ist erst im Laufe der Zeiten dazu gekommen, manches einst Gespielte dürfte heute auch schon verloren sein. Auch die Reihenfolge der Szenen ist ganz frei. Nur gewisse Aufeinanderfolgen werden in der Regel festgehalten: So folgen nach den religiösen Szenen (die aber selbst, wie schon gesagt, nach dem Festkalender wechseln) stets die Handwerkcrszenen; d. h. also, die beiden ältesten Szenengruppen, der Kern des Spieles blcib.en im wesentlichen immer gleich. Die Fülle von Szenen, die uns in zweistündiger Aufführung vor~ gespielt wurden, während das Spiel sonst nur eine Stunde dauert, beweist den erstaunlichen Reichtum und die in langer Entwicklung immer wieder neue Szenen sch8ffende Erfindungskraft der Spieler aus dem Volke. Gespielt wird von AJlcrhciligen bis Lichtmcß jeden Sonn- und Feiertag nachmittag, oft fünf bis sechs Spiele hintereinander. Dennoch ist der Besuch immer erfreulich stark. In. Das Spiel. Im kleinen Raum drängt sich erwartungsvoll eine ;schar fröhlicher ,Zuhörer, meist Kinder und harrt unruhig und gespannt des Beginnes. Endlich ertönt ein Glockenzeichen, der Raum wird finster und bei noch geschlossenem Vorhang erklingt aus 'dem Innern des Heiligtums in zittrigen Grammophontönen (früher war's ein Werke!) .Ah+s gutes, altes Lied: ,,Früh morgens , wenn die Hähne .'J{l'ähn ... "

Geramb und Zack. Dann hebt sich der Vorhang und eine altertümliche Glocke verkündet mit zwölf feierlichen Schlägen Mitternacht. Über die Hauptbühne zwischen den beiden Stadttoren schreitet mit Hellebarde und brennendem Lirhtlein der Nachtwächter und singt: $ J J J J J ) Ji ) ; Ji < 1 J J J J1 AJ - re mei - ne lie ben Herro IUld Frau - en, läßt euch sagu, der & J J J J J J J J IJ ) J, } J J J Ham-mer, der hät zwöl - fi gschlägn! Gebt.s ä.cht aufs Feu - er und aufs Liachl, ' r.,. J J J J J J 1 B J J J 1 i i J J. daß heut nacht koaii Un - glück gschiacht. (Iät zwöl - fi gschlägu. 1) Nach diesem Präludium 1·uft die Spielerin als erste Szene aus: ,.Der Engel weckt die Hirten auf." Über~,dem Krippenberg erscheint heller Lichtglanz . Ein Engel schwebt herab und zwische~ ihn und den:Hirten erhebt sich folgender Wechselgesang, ◊ Engel.\ ,~. c' ~ r 1 r ~ r 1 r r r F 1 r r 1 Glo - ri - a, Glo -· ri - a in ex - cel - sis de -. o. Ein Hirt.' j ) J ) J l l J! ~ a ' J Was is däs für a. Ju - bl und für a. Gschrei? 'lt f':\ Jl 1 J J ) Ji ~ J 1 J J 1 J 1 ~ ~ M1>in Oa - tb1;> es müas - send Eu - gl seiii! Wia. \'iel is's? Engel. 'lt& r ~ r r' 1 r· ~ J 1 j i Zwöl fj ha.ts gschlagu, zwöl - fi häts gschlägn. Ein Hirt. 'Ö 4: J 1 ~- ~ J J I LJ J J I J. ~ J J I LJ J 1 Was bat s1 denn zua - trä - gu, wia's zwö - le - fi hat gschlä _ gu? Engel. '#$ r Ein 1r, r r 1r r r klei - nes Kind ge - bo - reu ist. Hirt. ' j Wo? 1)-Dieses Lied, das mit ganz ähnlicher Weise in Obersteiermark noch in den achtziger Jahren von den Nachtwächtern gesungen wurde, ist zweifellos desselben Ursprungs wie der Nachlwächterruf aus Thüringen und Sachsen (Erkund Böhme, Deutscher Liederhort III, Nr. 1582), den auch Richard Wagner in den „Meistersingern" verwendet hat. •) Verdorben für „Mein Oadl" = ,,Bei meinem Eid" (Beteuerung).

Das Steyrer Kripperl. 11 Engel. ,ü., r 1 r r 1 ,1 t 1 Hirt. & J ' Zu Belh - 'le - llem. Wo? Engel . ,#~ r 1 r r 1,- r 1 r [' 1 r i 1 Zu ßt:th le hem iu ei - uem Stall. Hirten. ,,$ r 1 f' r J 1 r t r 1 r r J 1 J t 1 Das lo beu wir all, das lo beu wir all! ,.. Nach dieser in Text und Weise altertümlich klingenden Verkündigungsszene sieht man die Hirten von allen Seiten zur Krippe hineilen, während sie folgendes Krippenlied singen: ~irten. 1' X µ li i • 1 1 i j ~ l 1. Gehts 2. Voll Bua - ma, seids Freu - du, o mun • ter, er - wä - chet von ScblU, Je - sus, er - bebt sich das Gmüat, j j ~ 1 Einer.J J ~ 1 ! ~ f . 1 ~ 0 1 .J i die Hül - ~ äll en - ka - ra Schäl". Ver - weil di treibts. weilst J net 2. du bist ge - kom - men uns Sün - dern zu liah. Brich Uß - se - re 'f' Ein anderer. $ttJ. .,; J1J J r 1r r u 1.J .J J 1. zlang, komm bäl ua. -cha, Bua Gre - ga! 1 hab schon a 1 J J J Wei- sat eiii - 2. Her - zu nach dei - nen Ge - fal - len, gib uns dei - nen Segn und ver - /:'I Alle. _, tt J' J r I r r 1 1 ra I i i • 1 • i i 1 , ~ , 1_. päckt in mein Zö - ga. H: gehn ma hält zu - wi, tans grüa..- ßn ii.11 1 1 2. Iei - he uns al - len a glück-se - Iigs End nach der trau - ri - gn $tt ~ ! 1 ! ~ ~ 1 ~ ,z, i Ir • • ! s77 2. Zeit und Nun erstrahlt die ganze Krippe in magischem Lichle und unter feierlichem Glockengeläute erklingt hinter der Szene das traute Weihnachtslied: ,,Stille Nacht, heilige Nacht. ... " Es ist der erhabenste Augenblick des ganzen Spieles. - Zu Dreikönig wird an diese Szene gleich der Einzug der heiligen drei Könige angeschlossen, onst folgen jetzt gleich die Handwerkerszenen. s Gleichsam als einen Übergang aus dem ernsten nn<l mystischen Zauber des biblischen Auftrittes leitet sie „der Bergknappen-Einzug" und <lie „Erscheinung des Be r gg eis t e s" ein. Es ist damit ein gutgewählter sinnvoller Anfang für das Volksleben der alten „ Eisenwurzen" gegeben, das sich nun in den folgenden Spielen entröllt. Rechts unten vor dem Bergwerk, das uns einen Einblick in einen Stollen gewährt, ziehen Bergleute in alter Bergmannstracht mit Grubenlichtern auf ·und fahren in di e Grube ein. Dabei singen sie das alte

12 · Geramb und Zack. Bergmaunslied1 ). , -~; J 1 J rtg 1 J ; F. Ph~ J, j [g t r 1. rlSC auf, frisch auf! Der mann kommt, 2. Er hats an - ge zün - det, es Berg - gibt Berg - sei-nen Schein denn er und da denn sie 3. fns Berg - werk hin - ein, wo die $#r Jp~ l{jd t1J J; 1 J J~ ~ 1. hat sein rei nes Licht bei der Nacht, denn er hai seiu knappen sein, ~- mit er fah ren kann bei der Nacht, und da - mit er 3. gra - ben das Sil - ber und das Gold bei der Nacht, denn sie gra - ben das t,{Qj f Ir J IJ t. rei - nes Licht schon 2. fah ren kann ins 3. Sil - ber und das Gold ans an - ge - züudt,~ schon an - ge - zündt. Berg-Y{erk" hin- ein,_ ins Berg_-werk hin - ein. Fe) ~ sen steiu,_ aus Fel - sen sleit1. 1 Sobald das Lied verklungen ist, erscheint im Hintergrunde der Grube, feenhaft beleuchtet, L der alte, weißbärtige Berggeist, während ringsum an den Vi'ände11 des Stollens die Erze wie Gold und Silber auffunken. Dann folgen der Reihe nach die einzelnen Handwerkergruppen, die unter ein paar Textworten oder einem Liedchen fleißig in ihren WerkstlHten arbeiten (mechanischer Betrieb), während das Innere der jeweils vorgeführten Werkstatt für die Dauer des Liedes oder Spruches beleuchtet erscheint. „Der Boanstampf" (die Knochenstampfe) hebt und senkt bedächtig ihre Stampfbalken. Die „Boanstampfer" sagen dazu -: ,, Boanstrah, Boanstrah, Boanstrah, da Metzn 3 fl. , Kaft ma d'Frau an Metzn o ?" usw. Darauf wird es in der Hamm e rsc hmiede lebendig, der Hammer beginnt seinen dröhnenden Schlag und der Hammerschmied singt: ) - 1 J ., I bin der lu - sli - ge Ham-mer-schinied, tra - 1a - li - tra - ho! 4,it l l l J, Ji I J, J J I Ji ) Jl j 1 J ., 1 W'as der-wisch, däs nimm mit, tra - la - li, ju - bei! Es folgt die Szene: ,,Der Müller w ec kt se in Hans e rl auf." Ober:dem Hammer wird das Müllerhaus beleu chtet. Durch das Fenster sieht man den Lehrbuben „Hanserl" über den Tisch gelehnt schlafen. Der Müller kommt und rüttelt ihn derb auf. Der Bub wacht auf, das Mühlfluder beginnt zu rauschen und das Mühlrad...hebt an, sich zu drehen. Der „kloan Hanserl ·• ruft aber seinem Meister k eck zu: ,,Ich bin der kloan Hanserl von d er Mühl, Kann aufstehn, kann schlafen, kann mahln, wann i will. 1 ) Dieses alte, weit ver)mJitete Bergmannslied findet sich schon im „Neuvermehrten vollständigen Bergliederbüchlein", das um 1740 vermutlich zu Freiberg in Sachsen gP.rlrnr.kt wurde und gegenwärtig als Unikum in der Universitätsbibliothek zu Leipzig liegt (Erkund Böhme, Deutscher Li ederhort I, Seite XLIII und III, Nr . 1513), Text und Weise s ind durch ganz D eutschland verbreitet (Erkund Böhme, D eutsch er Liederhort III, Nr. 1512 aus der Wetterau und aus dem· Odenwald; A. Bender, Ob ers chefflenzer Volksli eder, Karlsruhe 1902, Nr. 154, und D:. J. Pommer, Liederbuch für di e Deutschen in Österreich, Wien 1864, Nr. 120). Vgl. auch das „Tabaklied' in ,.Des Knal1en Wunderhorn " von Arni11 und B ~ent ano, S. 78 der Universalbibliothek.

Das Steyrer Kripperl. Gehl der Moaster na selber-auffi Habern mahln. Guali Nacht, Moasterl " - " 13 Nach dieser kecken und unbotmäßigen El'klärung schlaft der Hauser! ruhig weiter und - das Mühlrad auch. Dafür beginnt nebenan der Sc h I e i f er sein Tagewerk und singt (in derselbep. Weise wie der Hammerschmied): ,,I bin der S~hleifer aus Paris, Kann schleifen, das is gewiß! I schleif~die Messer und die Sehern Für die Üamcn und für die Herrn1 ). " Ihm folgt der Bäcker, der seinen Teig im Backtrog knetet und dazu sagt: „Derweil die Leut schlafen so guat pei der Nacht, ,verd'n die Semmerln so groß, daß ein 's Herz dabei lacht." Stimme aus dem Hintergrund: ,,Und der:Magn kracht!" - - Der Dr e c h s I er läßt sein Rädchen surren und singt {Weise wie der Hammerschmied): „Der Drechsler dreht den ganzen Tag Mit Hand und Fuaß das Rad. Und schaut ma nur den Drechsler an, Was der nöt macoen kann." - Der Z w.e c ks eh mied steht mit seinem Gesellen am Amboß und sagt: ,,Schau, schau, Kajetan, sollst halt do dös Pack! heut no ferti bringen, es g'hört einem vornehmen Herrn." ,,Na, i mag heut nimmer!" meint der Geselle. ,,Was, du kannst nimmer?" - ,,Na, i mag nimmer; bring mir lieber einen Liter Most vom Keller, i hab schon einen rechten Durst!" - Der Weber tritt seinen Webstuhl und singt (Weise wie Hammerschmied): „Leinwand, Kotton, Barchent Mach ich mit memer Hand, Daß wir bekommen Leinwäsch und a G'wand." - Der Binder schlägt einen Reifen aufs Faß und sagt: ,, So viel Most und kane Fässer und karre Leut, Ist nimmer möglich, daß ma weiter arbeitet; Die Bauern soll'n ihnan Most in die Tuchentziehen ·einfüllen." Der Fleischer streitet mit der einkaufenden Magd über Gewicht und Zuwage: ,.No was kriagn; denn, Frailn Resi ... ?" usw. 1 ) In Pommers Zeitschrift „Das deutsche Volkslied", 11. Jahrgang 1909, Seite 88 findet sich aus Mareit bei Sterzing in Tirol folgendes Schleifer}iedchen: (Vgl. Kohl Heitere Volkoges:i.nge aus Tirol, Nr. 63, S. 98.) ♦bi u q ~- ~ ~ ~ 1 v" ~ F 1 a· ~ r 1 · bins der Schlei - t"er aus Pa - ris, aus Pa - ris 'b f ~ ! 1,. ' Jl J t ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ schlei - fän kann i g-.i.nz ge - will. Schlam - pe - di l\li den u.s.w.

$* Geramb und Zack. Der Schneider singt (Weise des Hammerschmieds): ,, Tch bin der Schneider-lnschenier, . Wer Röcke braucht, der kommt zu mir , Auch mach' ich Hosen, Frack und Weste Für meine Herren aufs allerbeste. " Der S c h u s t er singt: Und a net - ter Stie - fl o - der Scbuach von mei- oer fe - stn Haud, sei Ji ) J, J, 1 ) J, j p 1 ) J J, J! 1 J l er aus Le - der 0 - der Tuach, geht . durch d;J gao - ze Land . 1 Der 'l' i s c h l e r s leht am Hobel, während das Geräusch des Hobelns mit ei nem langgezogenen seht! - schschtl - gut nachgeahmt wird und singt dazu das Hobellied aus Raimunds Verschwender: ,,Da streiten sich di e Leut herum .•• . " Der Wagn e r bearbeitet mit dem Lehrbuben ein Rad und sagt, ,.A Radl habn zweni oft die Wagen und die Leutl Bei die Wagn, da bringts da Wagner z' samrn, abe1· gar nearnt ba die Leutl - Ja, weils ba die Leut oft z'samrnpickt sanl" - Der Hufs c hmi e d steht mit zwei_Gesellen am Amboß und singt : ,-1 J. j J 1 J J J 1 4 J J 1 J t ---== Wa.rw a schwlrz bin an Händ_ wid Gsicht, 'i J J J 1 J t 1 J J J 1 J ) JJ känn jä koau Land bstehn oh - ue mich. Bei die 'ä J J ) J, 1 J J Ji Ji 1 J J J, J, Wägo uud bei die Pferd bin der not - weu - dig - ste &* J ) j j 1 J J J 1 J J J 1 J l 1 Mann; weil i ll!s Bschlägo und s Ku - riero so gual kann . ' Der S e i 1 e r m e i s t e r müht sich mit seinem Lehrbuben in der Seilerst ätte: Er sagt zum Lehrbuam: ,,Schau, Mi cherl, iua weit er, tua a weng drnhl n !" ,,Ja, Herr, i kann ja net , i bin so vi el müadl" ,,Geh, müad bist, faul bist, geh weiter!" Der Bub dreht. ,,So, Herr, ist's so r echt?" (Dreht wirlrnhrt.) ,.N::i, na, rn ist' s ni chts, muaßt anders drehn, anders ! Wir machen ja heut Strickerll" ,,A so, machen ma denn heut koane Strangerl?" (Dreht ordentli ch aber langsam.) ,,I st's a so recht?' ' ,,Ja, so ist' s recht, aber nur a weng schneller. Noch a weng schneller! " (Der Bub wird immer schneller und schneller, bis er endlich den Meist er, der schreit, ganz bis zu sich hinzugedreht hat. ,,Hör' auf, du ruinierst mir ja den ganzen Werk zeug!" ,,A dös macht ja nix, kaufen wir uns halt einen andern! "

Das Sleyrer Kripperl. 16 Abh . 4. ,,Die Schlögler". Die S c h I ö g 1e r (Abb. 4) zieh en den Pilotenschl ägel hoch und lassen ihn fall en. Dazu singen sie entweder : (nach beka nnter Weise) 1. Zu Straßbmg, zu Straßburg, 2. Manch hüb eher , manch braver, Eine wunderschöne Stadt, Manch treuer Soldat Darinnen liegt begraben [: Der seinen Vat er und Mutter So mancher Soldal. Verlasse n haL:J. oder ,e } Ji, ,J5 1 l J J, l ) j ;, 1; 't lf Däs is a 5GIJÖ - ner Herr, der tat uus gfällo, ' •l l J, j J i) 1 ) } J rn ) J j IJ 't wäuo er uns a Bier tat .:ähln, wir brau - eben koan Wein. ' J> ) J5 • l J j w l Bi J ) .b rn J1 J1 1 ; 1 A . ja, däs tuat er schoii, er schaut UIIS schon äii, er ' J } j •l l II J ) ) rn ) ; j 1 j_ ., 1 greift schün in Ho S11 - sack und reuut uet da VOil . •>Die8e Takte schwanken 2 J) ~ J-, J, und g ~ ~ j, . J\ rhythmisch zwischen 4 o

16 Geramb und Zack. ~~ r Als letzte erscheinen, ohne Werkstatt, sondern auf der: Hauptbühne, tli e Zimmerleut und singen folgenden Spottgesang auf die Maurer: f! i ji J J 1 J ) j l 1 Ji J! Jl .J) 1 J t DMau - rer - leut prä.bin si, a,ls wänn d Zirn - mer - leut nix warn , ' # Ji Jl j ) 1 ) ) J, ) 1 J, J, JJ J do wir müas - sn hö her steign, wia dMau - rer - leut und .,# sprechend j ) j J Ji ) Ji Ji 1 J 1 j J J ---t1 1 ---t1 - - .; ma. - chn Däch und Sparrn. Ä - her kommt m~ r- a mal so a Mau - rer &* ~ ); ) J 1 J J j j l;Tjt ) r.- - 1 ;, J) Ji 11 ib mei - ne Kralln, steh eam guat ver - treib eam sein Prahln! Darauf beschließen sie die reiche Vorführung des heimischen Gewerbefleißes mit den Worten: ,,Gehn ma jausnen zum Lampelwirtl" - Als eine Szene, die von Kindern besonders stürmisch verlangt wird, folgt nun häufig die lustige Geschichte vom Lichtlanzünder. In der ziemlich dunklen oberen Stadt erscheint auf der Hauptbühne durch das Tor links ein Laternanzünder mit einem brennenden Lichtstab und stellt sich mit großer Zungenfertigkeit als weitgereister Lichtlanzünder vor: , ,1 bin der Liachtlanzünder 1 I hab' schon weit und breit Liachtl anzunden: In Amsterdam, in Rotterdam, in Birmingham und Timelkam, In Schwamming, Diensting, Pecking, , In Weichstetten, Krennstetten, Kramerstetten, Seitenstetten, Amstetten und noch in viele andere Städten. Aber nirgends is ma so gangen wia in dera Stadt. Na! wia's ma do geht, das is scho ganz verflixt. Kaum hab i das oane Liachtl anzunden, blast's ma der Sakrawind wieda aus. Da muaß scho a so a untarirdischa Wind gehn, dös geht net mit rechten Dingen zua." Unter diesem Gespräch mit sich selbst, zündet er mit viel Umständlichkeit die linke Laterne an. Derweil er aber über die Hauptbühne zur rechten Laterne geht, schleicht aus dem linken Stadttor ein schlimmer Bub herein, der in lustigem Selbstgespräch den plauschenden Lichtlanzünder spottet und im selben Augenblick, als dieser die rechte Laterne anzündet, mit einem kräftigen Puster - ,.pphl" - clie linke auslöscht und hinter dem Stadttor verschwindet. ,,Na ja I i sag's ja," kommt rll.sonnierend der Liachtlanzünder wieder über die Bühne von rechts her, ,,i sag's ja,- a so a Wind!' ' - und geduldig zündet er die linke Laterne wieder an. -Darwail ist der Lausbub beim rechten Tor hereingeschlichen und bläst wieder die recht ~Laterne aus. Mit jubelndem Gekicher, in das die ganze zuhörende Kinderschar mit einstimmt, springt der Kerl darauf wieder beim rechten Stadttor hinaus, während der gute Lichtlanzünder geduldig wieder nach rechts zottelt und, das nP.nRrliche Mißgeschick bemerkend, griesgrll.mig ausruft: ,, Ja - hiatz - was war denn hiatz dös ... ' ' und wieder die rechte Laterne anzündet, der Lausbub aber wieder links auslöscht. So wiederholt sich das Spiel unter steigender Wut des Lichtlanzünders und immer frecherem Gelächter des Lausbuben fünf- bis sechsmal. Aber der Krug geht so lange zum Brunnen. . • . . Endlich .bemerkt der Laternanzünder den Buben. ,,A sol" schreit er wütend. ,,Von dera Seiten

Das Steyt"er Kripperl. 17 blast der Wind? - Na wart, Bürscherl, dir werden wir's Handwerk gach legen. Di, ,Yann i dawisch, dir zündt i d'Budlhauben an!" Es beginnt nun ein tolles Jagen um die ganze Stadt herum, bei einem Tor hinaus, beim anderen herein, bis der Lichtlanzünder endlich mit seinem Lichtstab die „Budlhauben" des Buben erlangt, die sofort in hoher blauer Stichflamme aufbrennt. Unter dem schallenden Gelächter der .Zuschauer rennt der Bub nun mit hochbrennendem Kopf über die Bühne und heult dazu: ,,Wart - - i - sag's - meinar Muatta - - meina Großmuatta - - meina .\hnl - meina Guckähnl ... ja, meina Guckähnl ... " - - Als nächste Szene wurde uns vorgeführt: ,,Der Einzug der heiligen drei Könige aus dem Morgenland." Diese Szene wird gewöhnlich nur um Dreikönig im Anschlusse an die eigentliche Krippen-Anbetung eingeschoben. Unter mächtigem Glockengeläute und rauschender .Blechmusik {der Phonograph spielt als Bläserchor das Weihnachtslied „0 Tannenbaum ... '') bewegt sich in roter magischer Beleuchtung über die Hauptbühne ein hoheitsund prunkvoller Königseinzug: Prnchtvolle Pferde mit herrlichen Zierdecken, Kamele, •Geschenkträger, Elephanten, Krieger, endlich die drei Könige auf Kamelen miL gewaltigem Gefolge, zum Schluß ein prächtig gezäumter Riesenelephant. Das Bild machte nicht nur den Kindern, sondern auch uns Großen einen tiefen Eindru<'k. Es kam uns in voller Deutlichkeit zum Bewußtsein, was der verdjente bayrischE> Volksforscher Kurat Frank in Kaufbeuren als „das Armselige und doch Allgewaltige" im Volkstümlichen bezeichnet. - ,,Der Bäc;lrnr weckt sein Buam auf." Vor dem Bäckerhause erscheint in weißem Gewande der Bäckermeister Stritzl ·und schaut bei der Tür hinein, hinter der der „Bäckerbua' ', der Natzl, noch auf der faulen Haut liegt. ,,Ja, Natzl, was war denn hiatz dös wieder, glei stehst mir aufl' ' Aber erst nach langem Hin- und Widel'l'eden entschließt sich der Natzl, der ein Hauptspilzbub ist und seinen gutmütigen und etwas schwerfälligen Meister gern ein wenig zum Narren hält, aufzustehen und mit der Brotkraxe am Rücken zu den verschiedenen Kundschaften ins „Gäu" zu gehen. Zunächst geht er hinüber zur Traubenwirtin, die auf den Herrn Bäckermeister ein Auge ge,rnrfen und Gegenliebe gefunden zu haben scheint, und entpuppt sich dort als ein kleiner Intrigant in Herzenssachen. Er behauptet nämlich aller Wahrheit zum Trotz, sein Meister hätte die Frau Traubenwirtin eine „Tramperlwirtin" geheißen, worüber die gute Frau gar bös enttäuscht ist. Nachdem er so ein ehrsames Herz verwundet hat, trollt er sich schadenfroh davon und begegnet oben auf der Hauptbühne einen zweiten Schlingel, den „Schusterwenzel", mit dem er ein fröhliches „Schlifazen" {= eisrieseln) anhebt. Der Bäckermeister Stritzl, der bei seiner Haustüre herausschaut, bemerkt das und will ihn schlagen, wird aber von den zwei eisrieselnden Buben in die Mitte genommen und arg hin- und he1- „geschupft", bis er endlich unter dem Heidengelächter aHer Zuschauer auf der Nase liegt und ihm der böse Natzl noch einen Stoß ins Herz versetzt, indem er ihm zuruft, die Frau „ Tramperlwirtin" hätte gesagt, der Herr Meister SL1 itzl wär ein dummer Kerl. - Die_ Fronleichnamsprozcssion. Unter großem Glockengeläute und den Klängen des (vom Phonographen als gemischter Chor gespielten) Chorales: ,,Vom Himmel hoch da komm' ich ber ... " zieht die g1 oße Fronleichnamsprozession· über die Hauptbühne: Fahnenträger, weißgekleidete JungfraueH, Militär, Männer mit Lichtern, Ministranten mit Glöcklein und endlich der Traghimmel, unter dem der Pfarrer mit dem Allerheiligsten schreitet. Wenn dieser mitten auf der Hauptbühne angelangt ist, hält der Zug und der Pfarrer Wiener Zeitschrift für Volkskunde XXV. 2

18 Geramb und Zack. wendet sich zu den Zuschauern und erteilt mit der Monstranze den Segen. Dann gehl der Zug weiter; es folgen die Stadtobrigkeit in alten Beamtenuniformen, dann dir Büricr in feinen dunkelgrünen, hellgrauen und zimtbraunen Biedermeierkleidern, dann die Bauern mit langen grünen Haftelröcken, hierauf die Bürgersfrauen in alten Trachlc11 mit glitzernden Goldspitzhauben und endlich die Bäuerinnen in stolzer Landeslrachl. Wahrhaft, ein malerisches Bild Altsteyrer Volkslebens! - Dem Zuge folgt unter den Klängen eines Militärmarsches die Steyrer Bürgergarde in bunten alten Uniforme11~ voraus der Kommandant hoch zu Roß, dann die Kompagnien mit Trommeln und Fahnen. In der Mitte der Hauptbühne halten auch sie und führen unter lautem Trommelwirbel und den Kommandorufen des Hauptmannes verschiedene Schwenkungl'11 aus. Endlich geben sie eine glänzende Gewehrsalve ab, wobei (das ist nun scho11 einmal das Schicksal der Bürgergarden) einige zu split losdrücken, so daß nach dr1· Gesamtsalve noch ein paar „baff, baffl" nachkrachen. Dann machl die ganze Man11 schart ein strammes „Linksum!" und alle ziehen mit einem flotlen Ma1·sche (l,., Prozession nach zum rechten Tor hinaus. - ,,Der Hans von Wällischland und der Kasperl auf der Bauernhochzeit." Auf der Hauptbühne erscheint in Südtiroler Tracht der Wetzstein- und Eisen- „händler „Wällischhans" (welsche Hans) mit seine!' ,,Alten" (Abb. 5) und singl1)1 ~ 1 J) w r· 1. 1 bin der Haus von Wäl - lisch-land, 2. Hiaz gehn ma iu die Stadl hin - eill, '# P ·.µ r 1. al - ler - band, J1 1 ) g r· und wäs i auf 2. j u - ~e schreiii, gehts Mad - len kaufts 1 1. 1 rn J b ) Ji J1 1.• .l<J.it'- te.r gu;i - te 2. Wäl-lisch liäns is Sa.eh. Hol- li • da. tj ) 1 J ~ 1 j t p r· v ·1 trag Ei - sn und Wetz - stoau da wern die Mad !eo v 1 µ v J. J, mein Buk - kl trag, is mr'au Wetz - ·stoaii ii, der 1 J ~ r 1 ~ ' ,tm reit • tu • li . e, hol-ü - da ~ ~ ~ p IP rejl - t~ - li . ·e, ~ ' Pa hol - li d reit . lu - li e, hol • li - da $1t r µ C I v reit - tu - li • e; 'j ) ) 1 J v P bol-li-da reit.tu-li • e, hol • li - da - -& ü& ,j ..J u J J 1 (' 1 r 1 J ro, der Wal liscb Hans is dä! 1 2. im Tanzschwung ., -112 J f 1 2. da! ~ 4* r J. ~ 1 r r J 1 J r· drabt si däs Wei berl, dfl drabl si r der Bua, er 'ö r r· ~ 1 r r· v 1 r r r ·e 1 f( f nimmt Sie beiu Lei . berl und ju. chazt da. zua.. Jucb! 1 ) Das Lied ist in Steiermark als Zote verbreitet und wird oft gesungen. Wir nahmen es mit derselben Weise wie hier aus Schi adming und mit anderer Weise aus Köflach auf. Das Tänzlein blieb dabei weg.

Das Steyrer Kripperl. 19 Nach beendigtem Liedlein und Tänzlein beschließen die beiden zunäcbst ins Wirtshaus zu gehen und sich ein wenig zu stä1·ken. Wie sie aber zur Tl'aubenwirtin kommen, ist dort gerade große Bauer_nho_chzeit. }:[an hört Musik und laute Juchzer erklingen und sieht durch die Fenster des ersten Stockwerkes im Traubenwirtshause die Bauernburschen und Dirndln in lustigem Tanze sich drehen. Die Wirtin ruft den Wällischhans und seine Ehehälfte hinein. Derweil kpmmt über die Hauptbühne der Kasperl im wahrsten Sinne des Wortes „dahergestelzt". Denn er steigt auf turmhohen Holzstelzen herbei, auf denen Abb. 5. Der Wälfüchhans mit seiner Alten, die Traubenwirtin und der Hausknecht. er ebenso kunstvolle als halsbrechel'ische Wendungen ausführl. Vor dem Traubenwirtshaus macht er Halt und kann von seinen hohen Stelzen aus sehr bequem bei den Fenstern des ersten Stockes zu den tanzenden Bauern hineinschauen. Die kriegen davon natürlich keinen gelinden Schrecken, was dem Kasperl eine Mordsfreude bereitet, der er denn auch in frechen Witzen und Bespötteln der Hochzeitsgäste Ausdruck verleiht.. Das darf die ehrsame Traubenwirtin nicht dulden. Sie ruft den Hausknecht, den man {ein Bauchrednerkunststück der Spielenden) aus dem tiefen Keller herauf antworten hörL. Endlich kommt er bei der Haustüre heraus und geht den Kasperl schneidig an. Es entsteht eine gewaltige Balgerei, in deren Verlauf der Kasperl den Hausknecht schließlich zwischen seine Stelzbeine zu fassen kriegt und ihn unter dem Gelächter und Beifall der Zuschauer davonschleift. Die Szene umfaßt also drei Motive: den Wällischhans, die Bauernhochzeit und die Hanswurst- und Rüppelszene mit dem Kasperl, die wohl auf ein recht hohes Alter zurückblickt. - Die Wildbratsebütze_n {Abb. 6). Auf der Hauptbühne zwischen den Stadttoren erscheint eine Anzahl verwegene!" Wildschützen, die zunächst ein fabelhaftes Jägerlatein loslegen, in dem es von Zwei2* /

20 · Geramb und Zack . unddreißigendcrn u. dgl. nur so wimmelt. Darauf stellen sie sich zusammen und singen das Lied Yom W i 1 d brat sc hüt z. , ~~ J~ J, J\ J) 1 J ., v 1 ~ ~ ~ ~ 1 J 'f ~ Und häh i koaü Geld, bäh koaiis bra.cht auf dWelt, meiü ,~, ~ v v g 1 u ~ j -t1 ) IJ J! tiJj 'f j. 1 • Va - tn gibt ma koaiis, hiaz schau ma selm wn oaus.__ " j j Jl ) 1 J ., v 1 p p p ~ 1 J ., ~ steig am Garos~berg nauf mit mei - ner Ku - gl büchs, a. 'i; ~ v u ~ 1 u rä j J 1 J ' ) ) 1 J i 1 Ge l - dl muail rna. hälm, gibls ga.r nix, IJä - tll - j. Nachher gehen sie durch das rechte Tor ab. Es erhebt sich der Vorhang der Rückbühne und in tiefer, finsterer Waldlandschaft tauchen nun die Wilderer drobeu auf. Es ist das ein recht altertümlich anmutendes Bild voll Räuberromantik und Abb. 6. Die Wildbratschützen. Waldfl'ischP. ,,An[ clr '·1-froa t wiflsfni lrnn L~r:kf-'1•1 dorL saufL rler Hirsch." - DorL als,nvollru il11n die Wildbratschützen auflauern. Dauert auch gar nicht lange, so erscheint wil'ldich ein Kapitalhirsch . Gleich darauf kracht der Schuß und der Hirsch bricht zusammen. In aller Heimlichkeit und Stille wird er gebunden, auf eine Stange gehängt und so zu Tal getragen. Der Vorhang der Hinterbühne fällt und die Wildschützen erscheinen mit ihrer Beule wieder, durch das 1echte Tor einLretend, auf der Hauptbühne. Dabei singen sie:

Das Steyrer Kripperl. 21 'li . ~ 1 t f 1 r , ~ r 1 ~ i 1. Ich kom - me vom Ge ~ bir - ge her, ~ 6 ' Ge - bir - ge 2. Wo bist du mein ge - lieb - les Land, gt, - lieb - tes ,~ ; t t . ~ ,= , 1 F ~ 1 ~ - - ~ ~ ~ ~ 1. her, da dampft das Tal, da braust das Meer, da braust das· 2. Land? Von mir ge - sucht und nicht u - kannt, und nicht er - ,- p ~ r ~ 1 , ·2 1 t r 1 f , 1. Meer, ich wand - le still, bin . we - nig froh und 2. kannt. Das Land, das mei - ne. Spra - ehe spricht, ~o 'll t 1\ ~ 1 t t t t f::--;;; 1 t . im mer fragt mein Seuf - zer, wo? 2. du nicht bist, da ist kein Glück! Unter diesem Liede1 ) ziehen sie durch das linke Sladltor ab. Scheint die Szene mit den Wildbratschützen im Wesen wohl auf frühere Zeilen (etwa die Boalisch-Hiasl-Zeit, Mitte des 18. Jahrhunderts) zurückzugehen, so zeigt uns die folgende, sehr lustige Geschichte, daß man in diesem Spiele auch die neuere Zeit mit Dienstmann und reisendem Berliner mit einem sehr alten Kasperl-Motiv (Poltergeist im Koffer) zu verquicken verstand. Diese Szene heißl: ,,Dei· Herr Expreß." Ein D1enslmann, genannt „ der Her r Expreß mit dem silbernen Haarbeutel ", erscheint mil ein em großen Reisekoffer durch das linke Tor auf der Hauptbühne. Da ihm die Last schwer wird, stelIL er den Koffer ruhig mi LLen auf der Straße ni eder und verzi~ht sich ins Tl'aubenwirlshaus, um sirh dort ein wenig zu s tärken. l\Jittlerweile erscheint auf demsolbon \Vege ein reisender Bel'iin01· mit weiß3m Zylinderhut und Nackenschleier (was vielleicht auf ein e Verwechslung mit einem reisenden Engländer der GerstäckerZeit beruht). Ei· erzählt; daß „er sich mal die hübsche Stadt Steyr 'n wenich besehen möchte" und schwärmt eifri g für die „ hi stor'schen Häuser", wobei auch die „Vereinrhung für Heimatschut z" ein paar \Vitze ahbekomml. Unter diesem sehr zungengeläufigen Selb tgesp1·äch sloßt er „ nanu ! "auf den großen Koffer. Als echter praktischer Berliner zieht er sogleich "Nutzen aus dem ungewöhnlichen S traßenmöbel und benulzt den Koffer als Bank, auf der man sich ausruhen kann. Kaum aber hat er sich auf 1 ) Das Lied \Yird auch in Ohersl.eirr (P 11 s l.P.1'w;i ld) mit demselben Text , j edoch mit anderer \'i'cise gesu ngen. E s ist merkwürdig, daß Goethes Wanderer das Volk zum Singen und Erl'indon so angereg t hat. Und ebcnso,m"lrkwürdig ist es, daß auch in der Pusterwalcler Weise, die Unterstimme die rhythmischen Einschnitte der Oberslimrn e mit einer Begleitphrase, die den Text wiederholl, ausfüllt. In einem handschriftlichen Liederbuch aus Vordernberg {vom J ahre 1863) fande n wir den Text unter der Überschrift ,,Der Fremdling" aufgezeichnet.

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