Das Steyrer Kripperl

Das Steyter Kripperl. 7 1eichnamsfest, Gasselfahren usw.), alle auf der eigentlichen Figurenbühne zwischen den beiden Stadttoren und den beiden Laternen abspielen. Hier ist ein am Grundriß ~Abb . 2) deutlich erkennbarer, ziemlich breiter „freier Raum", unter welchem sich die Personen zu schaffen machen, die das Puppenspiel zu sprechen und zu singen und die Figuren zu bewegen haben. Ihre Gestalten sind durch die Szenerie des Vorder- und Mittelgrundes (erste und zweite Bühnenstufe) vor den Zuschauern verdeckt. Die dritte Bühnenstufe, Stadt und Hinterbühne befindet sich bereits ober und hinter den Köpfen jener spielenden Personen. Die Figuren werden von diesen Personen, ganz wie beim Kasperltheater, in die Höhe gehalten und auf der „Figurenbahn" (einem wagrechten, schmalen, dem Zuschauer ebenfalls verborgenen Laufbrettchen hin und her geschoben') . _Dadurch unterscheidet sich die Spielart vom Marionettenspiel, bei dem die Figuren bekanntlich an Drähten und von oben her gehandhabt werden. Hinter dem freien Spielraum und zwischen den beiden Stadtgruppen zeigt sich uns als abschließender Hintergrunp. am Bilde (Abb. 1) eine Waldlandschaft. Es ist das der Vorhang der Hinter- oder „Rück"-Bühne, die während des Puppenspieles mehrmals in Verwendung tritt. Wenn sich der kleine Vorhang der Rückbühne hebt, sehen wir -eine liebliche Landschaft: das Bergkirchlein St. Ulrich bei Steyr mit dem waldigen Damberg im Hintergrund. - Alle rein ländlichen (Alm-, .Jäger- und Bauern-) Szenen spielen auf dieser Hinterbühne. Wir können also nach doppelter Hinsicht eine Dreistufigkeit im Aufbau -des Steyrer Kripperls feststellen: Räumlich in der Unterbühne mit dem religiösen Kern, in der Mittelbühne mit den Handwerkerszenen und in der Oberbühne mit den städtisch-bürgerlichen Puppenspielszenen, zu der als eine Art Anhang noch die Rückbühne für die ländlichen Szenen tritt. - Zeitlich zeigt sich uns die Dreistufigkeit im religiösen Beginn des Spieles, im darauffolgenden mechanischen Handwerkertreiben und endlich im lustigen Figurenspiel. Auch diese Dreistufigkeit, zu der parallel mit der Reihenfolge der räumlichen und zeitlichen Stufen auch eine dreifache Art der Figuren (unbeweglich, mechanisch bewegt und mit der Hand bewegt) hinzukommt, läßt uns ohne Zweifel die Altertümlichkeit des ganzen Spieles fühlen, dessen Bühne an das alte Theatrum mundi und an die mittelalterlichen Volks-, aber auch an die . bayrischen Passionsspielbühnen <lenken läßt. II. Die Spielweise. Wenn wir durch den schmalen Seitenvorhang „hinter die Kulissen" schlüpfen, so ist das von vorn so märchenhafte, schöne Bild freilich be- ,deutend umgewandelt. Da hängen und liegen zwischen Streifen von aufgespannter Leinwand und Pappe zahllose Figurengruppen in ganzen Päckchen beisammen; da steht in einem Winkel der Phonograph, der das Theaterorehester bedeutet; daneben lehnen Kinderpistolen und Trommeln, Spiritusfidibusse und Tschinellen und in einer anderen Ecke baumeln neben Sehellenkränzen ein paar Käs- und Butterglocken samt ihren Holzklöppeln, die das herrlichste Geläute täuschend wiedergeben. Dazu überall €lektrische Steckkontakte für die Beleuchtungseffekte und Hebel und 1 ) Der technische Ausdruck lautet nach Goldbacher a. a. 0. ,,durchgezogen".

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