Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 17, November 1957

Heft 17 Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr Schriftleitung: Dr. Erlefried Krobath „...und sage euch ab auf euer Leib unnd guot.. Die Öberösterreichischen Heimathäuser Die Steyrer Stadtschulen von der Gegenreformation bis in die Zeit Maria Theresias 62. Jahresbericht des Heimathauses Steyr Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung) Bemerkenswerte Bauten der Altstadt Steyrs (Sfadtplatz, Enge, Grünmarkt) und ihre Besitzer (2. Teil) Der Sensenhammer im Heimathaus Steyr November 1957 Dr. Ilse Neumann Dr. Otto Wutzel Oberschulrat Josef Ofner Prof. Hans Pichler Dr. Erlefried Krobath

Heft 17 November 1957 Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr Schriftleitung: Dr. Erlefried Krobath „ ... und sage euch ab auf euer Leib unnd guof . . Dr. Ilse Neumann Die oberösterreichischen Heimathäuser Dr. Otto Wutzel Die Steyrer Stadtschulen von der Gegenreformation bis in die Zeit Maria Theresias 62. Jahresbericht des Heimathauses Steyr Prot. Hans Pichler Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit Dr. Erlefried Krobath (Fortsetzung) Bemerkenswerte Bauten der Altstadt Steyrs (Stadtplatz, Enge, Grünmarkt) und ihre Besitzer (2. Teil) Der Sensenhammer im Heimathaus Steyr

Alle Rechte Vorbehalten. Eigentümer, Herausgeber und Verlag: Magistrat Steyr. Für den Inhalt verantwortlich: Dipl.-Kfm. Dr. Erlefried Krobath. Druck: Vereinsdruckerei Steyr.

// ... unD sage euch ab auf euer Leib uuub guot... Von ®r. Ilse Neumann Ein Mann hatte in den Jahren 1506—1512 die Nerven der Steyrer Stadtväter irritiert, hatte die kleinen Handwerker gegen die reichen Patrizier aufgehetzt und hatte dafür schließlich mit dem Verlust seiner Heimat und, das wissen wir allerdings nicht sicher, mit dem Tode bezahlt. Ulrich Prandtstetter hieß er und er erwarb sich einen zwar wenig ehrenvollen, aber sicheren Platz in der Geschichte unserer Stadt und in ihrem Archiv, nicht nur als Führer eines kleinen Handwerkeraufstandes, sondern auch als ein Mensch, an dem wir deutlich den Stempel der Zeitenwende erkennen können. Der „letzte Ritter" Kaiser Maximilian I. ist wie ein Symbol vergangenen mittelalterlichen Rittertums und Schildwache für Recht und Ordnung im Staat selbst in dieser Episode der Steyrer Stadtgeschichte erkennbar, doch im Vordergrund paradiert der Bürger, eröffnet uns die Stadt einen Blick in ihr Leben. Im Rathaus saßen die Stadtväter, lauter ehrenwerte und wohlhabende Leute, die von ihren Mitbürgern gewühlt worden waren, damit sie für das Wohl der Stadt sorgten, das Handwerk schützten, dessen goldener Boden Steyrs wirtschaftliche Bedeutung ausmachte und natürlich sollten sie auch Garanten für ein friedliches Zusammenleben der Bürgerschaft sein, damit diese in Ruhe ihrer Arbeit und ihrem Vergnügen nachgehen konnte. Da gibt es nun zu allen Zeiten Bürger, an deren Herzen die Unzufriedenheit nagt und solange nicht Ruhe gibt, bis nicht ein kleiner Wirbel um sie herum anzeigt, daß etwas zur Entladung der Atmosphäre im Gange ist. Zu dieser Sorte gehörte auch Ulrich Prandtstetter, von seinen Freunden kurzweg „Utz" genannt. Er war so ziemlich gegen alles, was vom Rathaus kam, und wo er nur konnte, versuchte er seinen Mitbürgern klarzumachen, wie sehr sie betrogen und ausgebeutet wurden. Der Chronist spricht von ungefähr 180 Anhängern Prandtstetters, und daß er die Leute von überall weg zu den Versammlungen in seinem Haus in der Enge holte, egal, ob sie beim Wein, in der Kirche oder zu Hause bei ihrer Familie saßen. Auf der Straße und in der Weinzeche hielt er seine aufrührerischen Reden und in einem besonderen „conventiculo" vor den Ratswahlen des Jahres 1506 verlas er einige Artikel, die bei den kommenden Wahlen zur Sprache kommen sollten: Offene Rechnunglegung der Gemeinde; Schutz der kleinen Handwerker; öffentliche Verlesung der Stadtprivilegien, damit sie jeder Bürger kenne; Neuregelung der Bürgermeister- und Richterwahl; Schwäger, Vettern, Eidam, Schwiegerväter etc. dürfen nicht gleichzeitig bei der Gemeinde angestellt werden.. ., die Liste seiner Beschwerden war von beachtlicher Länge, die Antwort der Stadtväter dementsprechend. Sie ersparten ihm nicht den Vorwurf, daß er mit seinen Freunden beim Wein sitze und krakeele, während sie auf dem Rathaus ihre Kräfte dem Wohle der Stadt opferten — und es folgte auch sofort die Liste der erfolgreich durchgeführten Stadtgeschüfte. Von nun an gab es einige Jahre lang vor jeder Bürgermeisterwahl ein für die zuschauenden Bürger sicherlich ganz interessantes Tauziehen: Prandtstetter

gegen Rathaus, in dem dieser klar der Schwächere war. Der Freundeskreis um ihn wurde immer schütterer,, die nach Steyr entsandten kaiserl. Wahlkommissarien immer schärfer und das Revolutionieren immer riskanter. Sicherlich trieb auch die diktatorische Art Prandtstetters manchen seiner Anhänger in die Arme der Stadtväter zurück, mit der Überzeugung im Herzen, daß sicher nichts Besseres nachkäme. Am Schluß der Prandtstetter-Artikel hieß es nämlich stets: „Wer sich diesen Artikeln nicht anscbließt, der solle bestraft werden, weil er dem gemeinen Nutzen zuwider und dem Sanbegfürften dadurch untreu sei". So waren es denn nur mehr 35 Bürger. die im Jahre 1511 die Artikel unterschrieben, die bei der Verhandlung im Schloß, welche kaiserliche Kommissäre zur Klärung der Angelegenheit durchführten, verlesen wurden. Punkt für Punkt widerlegten die Stadtväter alle gegen sie erhobenen Anschuldigungen, der Sieg war eindeutig auf ihrer Seite. Wer jemals mit revolutionären Ideen geliebäugelt hatte, dankte Gott, daß er sich noch rechtzeitig beherrscht hatte. So galt die Abrechnung bei der Urteilsverkündung nur den 35 letzten Getreuen Prandtstetters. Die meisten von ihnen kamen mit einer Geldbuße davon, der Anführer aber und neun seiner tüchtigsten Mitstreiter wurden gefangengenommen, in Eisen gelegt, auf einen Waaen verladen und zuerst nach Linz zum Landeshauvtmann, dann aber weiter nach Wien in sicheren Gewahrsam geführt. Hans Scheubl, der beste Freund Prandtstetters. welchem, wie Preuenhuber sagt: ..bey Zeiten der Hund vorm Liebt umgangen", simulierte vor dem letzten Verhör eine Krankheit, floh zu den Dominikanern und entwischte dem strafenden Arm der Gerechtigkeit in Richtung Bud- weis. Dasselbe gelang auch Georg Grammatschmidt, der sich mit Scheubl und später. nach dellen Freilassung, auch mit Vrandtstetter in Böhmen traf. Rach einem Tahr. zu Ostern 1512. wurden die Gefangenen aus den Wiener Gefängnissen entlassen, nachdem sie Urfehde geschworen hatten. (Die Urkunden sind erbalten und beenden sich im Archiv der Stadt Steyr.) Alle kehrten nach Steyr zurück, nur Prandtstetter nicht, der aus dem Lande ob der Enns ausgewiesen worden war. Ganz sicher fühlte sich der Rat der Stadt Steyr aber noch immer nicht, denn als einige der Zurückgekehrten sich beim Weine ihrer Unschuld rühmten, besorgte man gleich einen neuerlichen Aufruhr und bat das „Regiment", den Landeshauptmann, um Hilfe. Der Rat wurde aber umgehend mit dem Hinweis getröstet, daß Prandtstetter Urfehde geschworen habe, ausgewiesen und nach Böhmen abmarschiert sei, daß die neun andern aller Ämter entsetzt seien und weder eine Handwerks- noch andere Versammlung besuchen dürften. ..... in welcher Unehr sie also ihre übrigen Tage auf der Welt beschlüssen müssen". War nun endlich Ruhe? Nicht ganz, denn das Steyrer „Bries-Gewölb" des Rathauses beherbergt noch einige Briefe, in denen vom Verkauf der Güter Prandtstetters die Rede ist und sogar die kaiserliche Kanzlei setzte sich dafür ein, daß die Stadt sich um diesen Verkauf kümmere oder selbst sie dem verbannten Besitzer ablöse. womit sich die Stadt allerdings Zeit ließ. Auch sollte dcstür gesorgt werden, daß die Familie des Verbannten keinerlei Schikane ausgesetzt sei. Im Jahre 1513 gelang es dann Prandtstetter. sich die Gunst eines böhmischen Adeligen zu erwerben. Herrn Wilhelm von Riesenberg und Schwihoir, der sich für ihn einsehte. Es rührte die Steyrer wenig, sie hatten Wohl den Eindruck, Belehrungen über die Unschuld des Landesverwiesenen nicht nötig zu haben. Da sandte ihnen dieser wutentbrannt einen offenen Absagebrief aus Mord und Brand zu, eine Kriegserklärung, die nicht nur dem Steyrer Rathaus, sondern allen Bürgern der Stadt galt. Diese leitete unverzüglich alle nötigen Schutzmaßnahmen in die Wege. Der Schwur der Urfehde war gebrochen, die Drohung des Absagebriefes ein offener Friedensbruch und damit war auch schon das Urteil gesprochen: „einnemen unnd abschaffen". Der Rat der Stadt sandte zwei seiner Mitglieder mit einem Bericht nach Wien zum Regiment mit der Bitte, sich der Sache anzunehmen, was denn auch nach „Aufwendung viler Unkosten" geschah. Der Burggraf von Prag und Verweser Böhmens wurde verständigt und um Hilfe bei der Auffindung Prandtstetters ge4

Beten. „Also halte ich wohl dafür", so meint der Chronist, „Prandtstetter sey hierauf eines Köpsfs kürtzer gemacht worden." Damit schien die Sache erledigt zu sein. Die aufgeregten Gemüter beruhigten sich und das Tagesgespräch drehte sich nicht mehr um Ursehde, Absag und Landfriedensbruch, sondern kehrte zurück zu den Problemen des Korn- und Fleischpreises, zu dem Dieb, der am Galgen vor den Toren der Stadt baumelte, und zu den Wetterprophezeiungen, die eine langanhaltende Dürre verhießen. Aber selbst über den Tod hinaus gab Ulrich Prandtstetter dem Rat von Steyr keine Ruhe. Spät am Abend des Samstags nach St.-Michaels-Tag (29. September) 1517 platzte ein Bote ins Rathaus mit einem Brief des Pflegers von Freistadt (zu der Freinstatt) Georg von Vorbach, worinnen dieser dem „Fürsichtig ersamen unnb weysen Burgermayster, Richter und Rat der stat steir" solgenoes mitteilt: Am Freitag, als der Stadtrichter das Tor der Stadtbrücke aufsperrte, fand er dort einen Brief eingesteckt, der an Jörg von Vorbach und die Stadt Steyr gerichtet war und eine Absage auf Mord und Brand enthielt. Der Pfleger war höchst unangenehm überrascht von diesen neuerlichen Scherereien, erkundigte sich bei den Steyrern, ob die Anschuldigung, sie hätten den Utz Prandtstetter ermorden lassen, wahr sei, vergaß aber nicht seinen Freund, den Stadtrichter Michel Kernstock von Steyr, zur Vorsicht auf seiner Kirchsahrt zu ermahnen. Eine Abschrift des Absagebriefes legte der Pfleger seinem Schreiben bei und meinte, es wäre gut, die Sache dem Regiment und dem Burggrafen von Prag anzuzeigen, denn ihren Unterschriften nach seien die Absager sicher Böhmen. Das nun brauchte man den Steyrern nicht lange zu sagen, was sie mit einem Absagebrief zu tun hätten, sie kannten ihren Weg schon. Vorerst aber las man genau, was darinnen stand: Rache für Ulrich Prandtstetter! „Ich mert maxnier (meixner?), ich verkündt mit dem Brief... und sagen euch ab aus eur Leib und guot vor mich und vor meine helffern und aus der ursach das Ir habt lassen meinen sreundt dermorden den Ulrich Prandtstetter.. . das Ir habt an Im tan als die erlösen Verräter... damit wist Ir das Ich euch Prennen und morden wil... Datum in am grien Walt — wir Wern Bein euch sein palt." Unterschriften: Mert Maxnier, Vatzlaff Polakh, Matiash Kosel. Niemand kannte diese Namen, man vermutete sofort, daß fie. falsch wären (was sich später auch als richtig herausstellte) und sich dahinter wahrscheinlich der Sohn Prandtstetters und seine Freunde verbargen. Preuenhuber erwähnt, daß dieser Sohn Pr's früher in Spanien gewesen, später aber als Straßenräuber in Böhmen und Österreich herumvagabundiert sei. Eigentlich lächerlich, daß so ein Vagabund die reiche Stadt Steyr bedrohen sollte, aber wußte man denn, wie groß sein Anhang war und was sie vor hatten? Häuser brannten leicht zu dieser Zeit, nicht selten wurden ganze Stadtteile ein Raub der Flammen. Die Chronik berichtet über den Stadtbrand des Jahres 1522, daß seine Flammen den Neubau der Stadtpfarrkirche, den Pfarrhof, das Predigerkloster, 2 Stadttore, 2 Basteien, 5 Stadt- lürme, einen Teil der Stadtwehren und 55 Häuser der Stadt vernichteten! Und der Absagebrief drohte mit Mord und Brand! Jede Gefahr, und diese ganz besonders, mußte Unruhe unter der Bürgerschaft auslösen, da sie wie ein Damoklesschwert über den Köpfen baumelte. Wie leicht konnten Unzufriedene, die es ja schließlich immer gibt, sich die gespannte Situation zunutze machen, gegen das Rathaus hetzen, die Bürger aufwiegeln — wer wußte, was sich aus diesem lächerlichen Absagebrief noch alles entwickeln konnte. Stadtväter brauchen Ruhe für ihre Arbeit, daher konnte es nur eine Parole geben: Sofort hohen und höchsten Ortes Maßnahmen gegen die Ruhestörer zu erwirken. Jörg von Vorbach, der gute Freund, hatte recht, Anzeige beim Landeshauptmann und verschärfte Wachsamkeit für Stadt und Bürger anzuraten; dafür mußte unverzüglich gesorgt werden. 5

So ungern die Städte es auch sahen, wenn Landeshauptleute sich zu sehr für ihre Geschäfte interessierten, so fanden sie doch stets pfeilgerade den Weg ins Hauptquartier ihrer Landesherren, wenn sie von ihnen etwas brauchten. Alsogleich verfaßte auch der „willig und beflissen" Rat von Steyr nach eingehender Beratung am folgenden Freitag einen Brief an seinen Herrn, den „wohledlen und gestrengen Herrn Wolfgangen Jörger zu Toledt, Landeshauptmann in Österreich ob der Enns". Darin schilderte er die neueste Unbill, die Steyrs Bürger bedrohte, legte eine Abschrift der Absage bei und schickte Wolfgang Kriechbaum mit dem Schreiben auf den Weg, erstens um es in sicheren Händen zu wissen, zweitens damit eventuelle Fragen des Landeshauptmanns prompt beantwortet werden konnten und drittens, weil man Briefe nie allein zu Ämtern reisen lassen sollte, da sie sich manchmal verirren und liegenbleiben. Wolfgang Kriechbaum war ein tüchtiger Sendbote. Am Freitag nach Sankt- Colonians-Tag (13. Oktober) schrieb er seinen Stadtvätern, daß er beim Regiment in Wien erfahren habe, der Landeshauptmann sei zum Landtag „hin auf zogn", also in Linz. Daraufhin habe er seine Sache dem Kanzler vorgetragen und ihn um seine Fürsprache beim Kaiser gebeten. Der Kanzler veranlasse nun, daß an alle Personen geschrieben werde, die in der Angelegenheit etwas tun können. Gut wäre es halt, meint Kriechbaum, wenn Jörg von Vorbach auch nach Wien herunter- küme, aber es würde schon auch so gehen. Es ging auch wirklich wie am Schnürchen. Am 16. Oktober wurde vom Kanzler der versprochene Bericht an den Kaiser verfaßt (eine Abschrift davon ging nach Steyr) und die getroffenen Verfügungen zur Billigung vorgelegt. Die Personen, welche die Absage geschrieben hatten, sollten vom Pfleger zu der Freinstatt ausgekundschaftet und als „Friedensbrecher wider den aufgerichten Vertrag" angeklagt werden. Georg von Vorbach war am Donnerstag nach St.-Colomans-Tag in diesem Sinne verständigt worden und er wurde gebeten, von seinen Bemühungen umgehend zu berichten. Landeshauptmann Wolfgang Jörger, der bisher von der Sache auf amtlichem Wege noch nichts erfahren hatte, aber sicherlich in Linz durch umlaufende Gerüchte informiert worden war, wurde am 19. Oktober schriftlich verständigt, und es wurde ihm nahegelegt, sich mit dem Burggrafen von Prag, Herrn Zdenko von Rosenthal, ins Einvernehmen zu setzen. Damit die Botschaft sicherer in dessen Hände gelange, solle sie mit einem kaiserlichen Credenzschreiben gesandt werden. Ohne die Sache zu verzögern, setzte sich Wolf Jörger sofort nach Erhalt der Botschaft aus der kaiserlichen Kanzlei hin und schrieb am Freitag, dem St.-Simons-und-Judas-Tag (dem 28. Oktober), an seinen lieben Freund, den Burggrafen von Prag, Zdenko von Rosenthal, was man in der leidigen Absageangelegenhett zu tun hätte. Leider kenne man die friedensbrecherischen Personen nicht, doch nehme man an, sie seien Böhmen. Warum? Leicht zu beantworten: Der Brief fand sich am Böhmertor in Freistadt, ist unterschrieben von Polack, Kosel — und verstecke sich nicht hinter dem Mert Maxnier der Sohn Prandtstetters, der mit seinen Freunden nach Böhmen geflohen sei? (Preuenhuber meint in seiner Chronik, Prandtstetter und seine Freunde müßten Böhmen gewesen sein, weil sie den Rat zum Fenster hinausiverfen wollten — diese Methode sei ja nur in Böhmen üblich!) Ob man diese Absager nun fange oder nicht, eines müsse auf jeden Fall festgestellt werden, meint der Landeshauptmann ob der Enns: Die Erbeinigung zwischen Böhmen und Österreich weise unter anderen guten Artikeln auch den des Absageverbotes von einem Land zum anderen auf. Privatfehden gibt es nicht mehr, in Streitfällen ist Klage zu führen! Die Absager gefährden also den Vertrag zwischen Österreich und Böhmen und sind dafür als Friedensbrecher schwer zu bestrafen. Er, Jörger, müsse als Verwalter des Landes ob der Enns im Namen Seiner Majestät des Kaisers an den Burggrafen von Prag und Verweser des böhmischen Landes appellieren, daß er jedes Unrecht abzustellen „genaigt sein werde". Der Kaiser werde diese Hilfe zu schätzen wissen, auch er, Jörger, danke dafür und man sei im gegebenen Fall zu einer Revanche gerne bereit. 6

Damit war der Kall erledigt und es ging den Steyrern wie so manchem Kranken, der nicht recht weiß, ob ihm nun die gute Medizin geholfen oder sich die Krankheit von selbst zurückgezogen hatte. Hauptsache aber ist auf jeden Fall, man ist gesund. Im Briefpaket des Steyrer Archivs befindet sich nichts mehr, das von Morden und Brennen spräche, auch der Chronist ist endgültig zu neuen Zeitereignissen übergegangen und die Stadtväter konnten sich dem guten Gefühl hingeben, alles zum Wohle ihrer Stadt getan zu haben. Sie haben gezeigt, wie tadellos der Apparat funktionierte, den sie zu ihrer Bürger Schutz in Bewegung gesetzt hatten, wenn sie sich auch sicher nicht hatten träumen lassen, daß ihr Hilferuf als staatspolitisch wichtige Intervention in Prag landen würde — innerhalb von drei Wochen! Uns aber blieb in den Briefen des Falles Ulrich Prandtstetter ein Dokument aus der Zeit endgültig sterbenden Mittelalters. Formen aus der Zeit des Rittertums, wurden noch geübt, aber der Geist, der sie einst lebendig machte, war tot, die Menschen konnten ihnen keinen Sinn mehr geben, weil sie sie nicht mehr verstanden, sie lebten in einer neuen Zeit, die ihre Form erst finden mußte. Ein unruhestiftender Handwerker hatte Urfehde geschworen — und sie im Handumdrehen wieder gebrochen durch die Bedrohung seiner Mitbürger mit Mord und Brand. Ein straßenräuberischer Vagabund sandte seinen Feinden eine Absage auf Leib und Gut zur Wahrung seiner „Ehre" und als Rache für seinen Freund — niemand bekam ihn je zu Gesicht. Und Maximilian I., der letzte Ritter, hielt seine schützende Hand über Recht und Gesetz, damit auch die neue Zeit und ihre Menschen es klar und ohne Verwirrung erkennen konnten. Als Unterlagen dienten: Stadtarchiv Steyr Kasten II/Lade 16 (Tumulte und Aufruhr) Valentin Preuenhuber: Annales Styrenses S. 174 ff. 7

Ae oberösterreichischen $mt St. Otto »u6el CtttlflttjÖüf In der kulturellen Arbeit gibt es viele Randgebiete. Im Kulturgespräch wird diese Tatsache meist mit wehleidigem Tonfall festgestellt. Man beklagt sich über die Interesselosigkeit des Publikums, beklagt den Materialismus der Zeit. Vielleicht wäre es gut, diese Wehleidigkeit einmal wegzulassen. Nehmen wir einen Vergleich aus dem alltäglichen Leben. Auch Großstädte besitzen Randgebiete. Bleiben diese ungepflegt, schauen sie scheußlich aus. Werden sie aber gepflegt, so sind sie ein wesentlicher Bestandteil moderner Stadtplanung. Sie liefern dann den Grüngürtel einer Stadt, sind also ihr Erholungsreservoir. Freilich pulst in ihnen kein Leben. Die City mit ihren Geschäftspalästen und Verwaltungsgebäuden genießt den Vorrang. Der Fremde kommt nicht dorthin. Gerade deshalb, gerade in ihrer Abgeschiedenheit, sind sie aber so bedeutungsvoll, weil in ihnen der Mensch als Individuum menschenwürdig leben, sich dort ausrasten kann. Es lebt dort der Wissenschafter, der Künstler und verrichtet sein Werk. Es entspannt sich dort der Mann der Wirtschaft und der Politik, sammelt neue Kraft. Und es steht dort manches unscheinbare Haus, das in die Weltgeschichte eingegangen ist. Denken wir doch nur an die biedermeierlich verträumten Vororte, also an die Randgebiete Wiens. Der Ausdruck Randgebiet wird in dieser Sicht seines bitteren und abschätzigen Beigeschmacks entschärft. Diese Einleitung möchte ich den Kustoden unserer Heimathüuser ins Stammbuch diktieren. Wenn wir von einem Heimathaus sprechen, sind wir nämlich bei einem derartigen Randgebiet des Lebens angelangt. Es mag richtig sein, daß der einzelne Kustos sich oft in der Interesselosigkeit seines Ortes vollkommen vereinsamt fühlt und mutlos werden will. Er möge aber bedenken, daß eben Randgebiete immer menschliche Zonen sind. Damit sind sie kulturelle Zonen, denn Kultur ist mit Menschlichkeit gleichzusetzen. Hier kommt es nicht auf die Zahl, auf die Erfolgsstatistik an, hier gilt — Gott sei es gedankt — nur der innere Wert, den das Einzelwesen aus einem Besuch ziehen kann. Nun wollen wir aber die Theorie verlassen und uns der Praxis zuwenden. Wenn wir als heutiges Thenia die Heimathäuser im Lande Oberösterreich gewählt haben, so besteht für diese Themenwahl ei» sehr aktueller Anlaß. Eben ist nämlich der Heimatverein Mondsee dabei, sein Heimathaus grundlegend umzugestalten. Die Arbeiten vollziehen sich im Raum der hervorragend schönen ehemaligen Stiftskirche des Ortes. Sie werden vielen Fremden, die im Sommer zu Besuch kommen, auffallen. Das Heimathaus Mondsee kann in seiner Besucherstatistik als eine Ausnahme gelten. Erst 1952 gegründet, konnte es bisher Ziffern aufweisen, die für Heimathäuser einen Rekord darstellen. So kamen im Jahre 1956 40.000 Gäste, die die 8

Sammlungen besahen. Ausnahmsweise wird also einmal die Notwendigkeit und die Berechtigung eines Heimathauses auch durch eine entsprechende Zahl belegt. Die Begründung ist leicht mit der Wechselbeziehung zum Fremdenverkehr gefunden. Es wird nunmehr heuer und im nächsten Jahr die Planung verwirklicht, das Mondseer Heimathaus aus dem Südtrakt der Kirche, wo es in einem Nebenraum untergebracht war, in den Nordtrakt zu verlegen und ihm als neue Heimstätte den ehemaligen Betchor und die ehemalige Klosterbibliothek zuzuweisen. Dadurch wird die Atmosphäre der Sammlung ungeheuer verdichtet. Zwei historische Räume des altehrwürdigen Benediktinerstiftes werden dadurch wieder zugänglich gemacht, erhalten eine neue Zweckwidmung, Tradition verbindet sich mit zeitgebundenem Geist. Diese erfreuliche Publizität eines Heimathauses und die damit verbundene sichtbare Aktivität gibt uns einen willkommenen Anlaß, das gesamte Thema einmal in seiner Geschlossenheit kurz zu behandeln. Heimathäuser gehören in die Gruppe der Museen. In den Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Geschichtsvereine, Band 12, ist ein Vortrag von Universitätsprofessor August Loehr abgedruckt. Er betitelt sich: „Geschichte und Aufgabe der österreichischen Museen". Darin werden die Heimathäuser gleichwertig wie die Staatssammlungen behandelt. Sie sind sozusagen die Endpunkte der Entwicklung des musealen Gedankens. Dieser wurde zuerst auf der Ebene der Dynastie und der res publica entwickelt. Die Schatzkammer eines Herrscherhauses und die Schatzkammer eines Reiches wurden nach Aufkommen des historischen Denkens wissenschaftlich geordnet und beaufsichtigt. Von dieser Stufe erfolgte der nächste Schritt zu den Landesmuseen. Damit sind wir eigentlich schon auf der Ebene der Heimathüuser angelangt. Denn hier gilt nicht mehr der Schatzgedanke, sondern die Zielsetzung, das Bild eines Landes in seinen Wesenszügen darzustellen. So ist auch die Geschichte von Landesmuseen oft sehr verwandt der Geschichte von kleineren Heimathäusern. Das oberösterreichische Landesmuseum ist die Gründung eines Vereines, des Vereines Museum Francisco- Carolinum. In Salzburg war es das „vaterländische Museum Carolino-Augu- steum". Es war vereinsmäßig aufgebaut. Die Tendenz aller dieser Häuser ist es bis zum heutigen Tage, die Besonderheit, den Charakter eines Landes darzustellen, in historischer und in aktueller Sicht. Mit dieser Aufgabenstellung ist auch der Wirkungsbereich von Heimathäusern umschrieben. Es wäre ein schlechter Weg für sie —• leider wurde er früher oft begangen und wird manchmal auch heute noch nicht vermieden D wollten sie untergeordnete Schatzkammern und Kuriositätensammlungen im Kleinen sein, also sozusagen das Strandgut des Sammelns, Jas in den großen Museen nicht mehr unterkommt, zusammenhamstern. Am richtigen Weg der Entwicklung sind sie, wenn sie ausschließlich die historische und gegenwärtige Besonderheit ihres Heimatortes oder ihrer engeren Heimatlandschaft darstellen wollen. Untrennbar sind naturgemäß die Heimathäuser in ihrer Entstehung mit der Entwicklung der Heimatbewegung verbunden. Das gilt für die Landesmuseen in gleicher Weise. Denken wir nur an das im vorigen Jahrhundert so gern gebrauchte Eigenschaftswort „vaterländisch". Der Urgrund eines solchen Hauses ist die selbstlose Liebe zur Heimat. Will es jedoch in unserer Zeit bestehen und etwas bedeuten, wird es sich von dieser romantischen Einstellung in manchem freimachen und sich mehr der wissenschaftlichen Sachlichkeit zuwenden müssen. Auch diese Forderung ist nichts Besonderes. Sie gilt schon lange zum Beispiel bei der historischen Heimatkunde, in der sich der liebevolle Dilletantismus zur fachlichen Universitäts- und Jnstitutsarbeit entwickelt hat. Die Heimathäuser konnten in Oberösterreich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkriege vielfach gewaltige Schritte nach vorwärts machen. Teilweise entstanden sie neu, teilweise wurden sie grundlegend neu orientiert. Weitgehend kommen sie der Forderung nach, ein spezifisches Gesicht zu entwickeln. Beginnen wir im Städteviereck des Landes! Neben dem oberösterreichischen Landesmuseum in der Museumstraße, von dem schon kurz die Rede war und das mit der geplanten Einbeziehung des Linzer Schlosses in sein Raumprogramm vor einer bedeutenden Weiterentwicklung steht, 9

reihen sich hier an Enns, Steyr und Wels. Das Stadtmuseum Enns dient zwei Aufgaben, Es möchte die reiche bürgerliche Vergangenheit der Stadt darstellen. Vor allem aber befindet sich hier eine vorzügliche Römersammlung, die aus den laufenden Ausgrabungen in Lauriacum nach und nach sich angesammelt hat. Diese Römerfunde geben dem Hause seine Bedeutung und Besonderheit. Sie werden derzeit von einer Fachkraft wissenschaftlich bearbeitet und eingehend katalogisiert. Enns wird dadurch einen festen Platz in der Limesforschung gewinnen. Auch Steyr will in seinem Heimathaus seine reiche wirtschaftliche und bürgerliche Vergangenheit zeigen. Wesentlich aber ist auch hier die nach dem Kriege begonnene Spezialisierung zu einem Eisenmuseum. In langjähriger Arbeit, die sehr viel echte Heimatliebe erforderte, wurde ein alter.Sensenhammer in voller Originalität aufgestellt. Dieses Schaustück ist in wissenschaftlichem Sinne eine Kuriosität. Daneben wird die sogenannte Petermanndl'sche Messersammlung zur Schaustellung kommen. Sie stammt von einem Steyrer Privatsammler, war lange Jahre in Wien und ist nunmehr nach Steyr zurückgekehrt. Ihre sachgemäße Restaurierung wird noch viel Zeit und Geld erfordern^beide Abteilungen aber — Sensenhammer und die Messersammlung — werden Steyr zu einem Anziehungspunkt für Fachleute machen, die unbedingt hierherkommen müssen, wenn sie die Geschichte des Eisens studieren wollen. Eine gleiche Spezialisierung strebt^eit kurzem das städtische Museum in Wels an. Durch das Burgmuseum mit dem Sterbezimmer Kaiser Maximilians I. und einer interessanten gewerbekundlichen -schau hat es in seinem Ausbau ein erstes Etappenziel bereits erreicht. Nunmehr sammelt es intensiv landwirtschaftliche Gegenstände, um auf diese Weise den Grundstock eines Landwirtschaftsmuseums zu gewinnen. Dieser Gedanke ist ausgezeichnet. In kürzester Zeit werden die landwirtschaftlichen Arbeitsgeräte, die in ihrem technischen Prinzip seit Jahrhunderten in Verwendung stehen, kaum mehr im Einsatz zu sehen sein. Als Nutzgegenstände werden sie rasch verschwinden, verschrottet oder zerhackt. Somit ist es also höchste Zeit, diese ganze Welt einer lebenswichtigen Arbeit historisch zu erfassen, um sie für die Kulturgeschichte in Erinnerung zu behalten. Ein Spezialmuseum von Anfang an war immer das Heimathaus in Hallstatt. Es genießt bereits Weltruf, zeigt die Hallstattkultur und Wirtschaft wie Kultur des Salzbergbaues. Es ist aus dem Bild von Hallstatt nicht mehr wegzudenken und dokumentiert seinen hohen Stand durch die Herausgabe einer eigenen Schriftenreihe. Von dem Spezialmuseum Mondsee, das das Land der Mondseekultur darstellen will, wurde bereits gesprochen. Einen sehr speziellen Weg beschreitet auch das Heimathaus Schwanenstadt. Es hat sich ganz auf die Erforschung der römischen Poststation Tergolape konzentriert und ist wohl das erste Heimathaus, das sich in Österreich Grundbesitzer nennen kann. Im Ortsgebiet von Schlatt bei Schwanenstadt wurde nämlich eine ziemlich große Grundfläche erworben, auf der seit Jahren intensive Römergrabungen stattfinden. Ein Spezialmuseum eigener Art ist das Schiffleutmuseum in Stadl-Paura. Mitten im modernen Verkehr hält es die Tradition der alten Traunschiffahrt aufrecht. Neben diesen Heimathäusern mit einem starken Spezialcharakter bestehen gleichwertig Museen, die man als Bezirksheimathäuser ansprechen kann. Sie bemühen sich um die Erfassung des historischen Bildes eines ganzen Bezirkes. Die drei Innviertler Städte Ried, Schärding und Braunau sind seit langem im Besitze derartiger Einrichtungen. Während Ried und Braunau noch das Bild zeigen, das vielen altgewohnt ist, hat Schärding eine völlige Neuaufstellung erfahren. Hier wurde die Vorstellung des Heimathauses in geradezu idealer Form verwirklicht. In diesem Hause kann man nämlich wirklich leben und hausen. Es ist wie zur täglichen Bewohnung eingerichtet. Es bezieht den Beschauer in die historische Rückerinnerung ein, versetzt ihn spürbar in die Vergangenheit. Obernberg am Inn besitzt in einem seiner Stadttürme einen kleineren, aber nicht minder netten Ableger dieser Art der städtischen Innviertler Heimathäuser. 10

Im Salzkammergut sind Gmunden und Bad Ischl anzuführen. Vöcklabruck leitet zur Fahrt in das Gebirge über. Überall wird weitergearbeitet und intensiv weitergesammelt, umgestellt und immer neu aufgestellt. Eine bedeutende Planung wäre in Eferding zu verwirklichen. In dieser historisch so interessanten Stadt kämpft der Heimatverein seit langem mit Raumschwierigkeiten seines Heimathauses. Nunmehr zeichnet sich eine Hoffnung ab, die notwendige Spezialisierung des Museums mit der Beschaffung des Raumes zu erreichen. Vielleicht gelingt es, dort ein Schloßmuseum einzurichten und somit das Beispiel der Entwicklung einer grundherrschaftlichen Stadt museal darzustellen. Wenn wir von Eferding uns nach Norden wenden, so werden wir nach einem kurzen Aufenthalt im Marktturm von Haslach nach Freistadt weiterfahren. Dort ist in den letzten Jahren das vielleicht reifste Beispiel eines Bezirksmuseums aufgebaut worden. In der Burg der Stadt wird ein historischer Lehrunterricht vorzüglichster Art gezeigt. Andernorts sind Planungen in Überlegung. Es geht also um das Randgebiet der Heimathäuser sehr lebhaft zu, sehen wir näher hin. Überall wirkt das Amt der oberösterreichischen Landesregierung mit. Es unterhält eine eigene Mittelstelle für Heimathäuser. Es bemüht sich um finanzielle Unterstützung zur Erhaltung und Erweiterung der einzelnen Museen, es wirkt aber auch in methodischer Hinsicht durch eine gewisse Beratung mit. Von Wien aus bemühen sich die Akademie der Wissenschaften und das Bundesdenkmalamt um Förderung und Lenkung. Die Fahrt in dieses kulturelle Randgebiet des Lebens lohnt sich also für einen Gast, der einige Stunden für sich allein sein will, sie lohnt sich aber vor allem für den Wissenschafter, dem durch die Heimathäuser viele mühsame Wege in seiner Arbeit erspart werden. 11

Die steprer Stsütschulen von Der Segenreformation bis in Die Zeit imaria Ifjerefias Von Oberschulrat Josef Ofner Im Zuge der von Kaiser Ferdinand II. (1619—1637) durchgeführten Gegenreformation wurden die evangelischen Schulen mit katholischen Schulmeistern besetzt. Im übrigen maß der Landechürst den niederen Schulen keine übermäßig große Bedeutung bei. Noch Jahrzehnte nach der Gegenreformation herrschte auf diesem Sektor des Schulwesens ein ungeklärter Rechtszustand. Der Kaiser nahm in allen Schulfragen das Entscheidungsrecht für sich in Anspruch, Äbte, Dekane und Pfarrer übten die Schulaufsicht aus und auch die Stadtmagistrate suchten als Schulerhalter ihre Rechte auf die im Burgfried gelegenen Schulen geltend zu machen?) Die Glaubenserneuerung bewirkte, daß die Unterweisung in der katholischen Religion in den Vordergrund des Unterrichtes rückte. Im Jahre 1632 erhielten die Pfarrer der Passauer Diözese, zu der auch das Land ob der Enns gehörte, den Auftrag, an Sonntagen die Kinder im katholischen Glauben zu unterrichten, den Schulmeistern wurde befohlen, Freitag und Samstag den Schülern Unterricht aus dem Katechismus des Petrus Canisius zu erteilen?) • Die überaus ungüstige Wirtschaftslage der Stadt Steyr in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges hemmte den Aufstieg des städtischen Schulwesens. Die Besetzung der in der Reformationszeit gegründeten deutschen Schulen mit katholischen Lehrern ging zögernd vor sich, nur an der Neutorschule wurde der Unterricht schon 1625 und an der Schule am Berg 1626 ausgenommen. Erst im Jahre 1629 wirkte in Steyrdorf (Sierninger Straße) wieder ein Schulmeister. Im folgenden Jahrzehnt wurden noch drei Schulen eröffnet, in Ennsdorf (1631), im „Äußeren Steyrdorf" (1636) und in der Gleinker Gasse (1639). Mit Genehmigung des Magistrats war von 1634 bis 1639 Hans Simon Stecher im Stadtteil Ort („Erdl") als Schulmeister tätig?) Vorübergehend leitete in Pyrach (Ketzerfreithof) Melchior Pumberger im Jahre 1699 eine Schule?) In der Ortschaft Stein unterrichteten Andreas Widmann (1678) und Christoph Tauperger (1679).5) Einige Stadtschulen blieben mitunter längere Zeit unbesetzt, manche wurden wieder aufgelassen. Bis in die Zeit Maria Theresias unterstanden sie, die religiöse Erziehung ausgenommen, der Stadtobrigkeit. Der häufige Wechsel der Lehrkräfte, die oft recht mangelhaft vorgebildet waren, sowie die unruhigen Zeitläufte führten zu einem Absinken des Bildungsniveaus. Im 18. Jahrhundert zeigten sich immer mehr die großen Mängel des niederen Schulwesens. In Steyr wurde zudem die Existenz der Stadtschulmeister ernstlich gefährdet durch das liberhandnehmen der Winkelschulen. Diese und andere Miß12

stände verlangten dringend eine Schulreform. Maria Theresia ließ schon im Jahre 1751 umfangreiche Erhebungen in den Ländern vornehmen und suchte durch Einzelverfügungen die schulischen Gebrechen zu beheben?) Doch erst ab 1769 wurden die Vorarbeiten für ein umfassendes Schulgesetz energisch in Angriff genommen. Mit der „Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämtlichen kaiserl. königl. Erbländern", von Maria Theresia am 6. Dezember 1774 sanktioniert, wurde die gesetzliche Grundlage geschaffen, auf der das Volksschulwesen Österreichs in großzügiger Weise einheitlich neugestaltet werden konnte?) I. Die Stadtschulen 1. Di e Schulen derinneren Stadt a) Die Schule am Berg (Berggasse) Im Gebäude Berggasse Nr. 14 (Pfaffenwimmer), in der Reformationszeit der „Gmain Kasten", war seit den Siebzigerjahren des 16. Jahrhunderts die Schule am Berg untergebracht. Nur von 1593 bis 1615 bewohnte die Schulräume der Stadtphysikus Dr. Wolfgang Ortner. Das Gebäude unterstand dem Verwalter des Bruderhauses und wurde deshalb im 17. Jahrhundert als „Bruderhauskasten" bezeichnet?) Den Unterricht an dieser Schule übernahm schon zu Anfang des Jahres 1626 der Schulmeister Hermann Kämpel, der zum Katholizismus übergetreten war?) Um 1647 wurden am Kastengebäude größere Jnstandsehungsarbeiten vorgenommen. 1681/82 die Haustüre, die Fensterstöcke, das Dach und die Abortanlagen erneuert und 1701 die Stiege, „so in das Schulhaus führet", repariert?") Der große Stadtbrand des Jahres 1727 beschädigte aufs schwerste das Gebäude und vernichtete die Holzvorräte des Schulmeisters Daniel Goldenstainer, der sich nun um eine andere Wohnung urnsehen mußte. Im folgenden Jahre wurde das Haus anläßlich des Wiederaufbaues um ein Stockwerk erhöht. Die Schulwohnung überließ der Magistrat dem Salburgischen Verwalter Recht aus Weißenbach gegen einen jährlichen Mietzins von 30 Guldens Goldenstainers Bitte um Verleihung der alten Schulräume im Bruderhauskasten fand bei der Stadtobrigkeit kein Gehör. In welchem Hause der Berggasse der Unterricht nach 1727 erteilt wurde, konnte nach nicht ermittelt werden, vermutlich in einem Benefiziatenhaus.") Um 1738, als der Schulmeister Johann Georg Dann auf den Schuldienst verzichtete, dürste die Schule am Berg geschlossen worden sein. Die Ratsprotokolle der nächsten Jahre bringen keine Nachricht über diese Schule. Bewerber um diese Stelle wurden 1741 und 1743 vom Magistrat abgewiesen. Somit verblieb ab 1738 für die innere Stadt allein noch die Schule im Reutor.") Schulmeister: 1626—1640: Hermann Kämpel (Khämpl, Kampl). Wahrscheinlich aus Klosterneuburg zugewandert, vermählte sich 1613 mit einer Steyrer Bürgerstochter, erwarb das Bürgerrecht und war seit 1621 Schulmeister in Ennsdorf. 1640 wurde er von den Schulinspektoren wegen Unfleiß getadelt und an die Neutorschule versetzt?") 1640—1643: Gregor Bahr, Er kam aus Mondsee. Schon Ende des Jahres 1639 sagte ihm der Magistrat eine Schul- und Rechenmeisterstelle zu. Im Mai 1643 verfügte der Stadtrichter aus „gewisser Ursach" die Verhaftung des Schulmeisters und seiner Tochter. Man verhörte ihn zweimal und gab ihm 1644 den Bürgerabschied.") 1643: Johann Bortier.") 1647—1662: Johann Gärtler (Gärtle, Gärttler). Im Jahre 1662 verließ Gärtler Steyr, begab sich vermutlich nach Freistadt, kehrte aber nach sechs Jahren wieder zurück und übernahm 1669 die Neutorschule") 13

1662—1668: Hans Georg Rigl (Rigi, Rigele). Dieser Schulmeister stammte aus Steyr („ein Bürgerskind"). 1668 verzichtete er auf den Schuldienst und erwarb das Bürgerrecht auf die „Kramerei mit weißer War". 1670 bemühte er sich erfolglos um den Schuldienst am Neutor und 1674 um die Bewilligung zur Erteilung eines Privatunterrichtes?') 1669—1681: Stephan Brand! (Prändtl). Vor Antritt des Schuldienstes war Brandl durch vier Jahre Kanzlist und in der Schreib- und Rechenkunst sorgfältig ausgebtldet. Von 1667 bis 1669 wirkte er an der Neutorschule. 1673 wird er als „Notarius publicus" bezeichnet, doch wurde ihm neben dem Schuldienst eine Prokuratorstelle nicht gestattet. Im Jahre 1681 resignierte er den Schuldienst und suchte Aufnahme im Kloster Garsten, wo er 1682 als Frater Amandus erwähnt wirb.18) 1681: Christian Lackhner.1") 1681—^1709: Wolf Golden st ainer. Er kam 1676 aus Freistadt und war seit 1678 an der Schule in Ennsdorf tätig. Nach seinem Ableben beließ der Rat der Witwe Sophia Goldenstainer den Schuldienst bis zur Neubesetzung?") 1710— 1711: Peter Paul Golden st ainer. Sohn des Schulmeisters Wolf Goldenstainer?1) 1711— 1732: Daniel Golden st ainer. Siehe Schulmeister an der Neutorschule. 1732—1738: Johann Georg Sonn. Der aus Sierninghofen zugezogene Schulmeister leitete von 1727 bis 1732 die Neutorschule. 1733 verehrte er dem Magistrat ein „auf Kupfer Art mit der Feder gemachtes Kruzifixbild", der es in der Ratsstube anbringen ließ. Im folgenden Jahre erreichte Donn die Befreiung von den nächtlichen Kontrollgängen („Patroullen"), die damals zur Verhütung eines Brandes angeordnct waren. Wie sein Vorgänger verlangte auch er 1738 die Wohnung Rechls im Bruderhauskasten für Schulzwecke, doch wurde ihm dieser Wunsch nicht erfüllt.^) b) Die Neutorschule Auch im 17. und 18. Jahrhundert wurde das 1576 vollendete Neutor noch als Schulhaus verwendet?8) Bereits im Jahre 1625 unterrichtete in diesem Gebäude der katholische Schulmeister Tobias Pannagl. Von 1629 bis 1651 dürfte der Unterricht nicht fortlaufend geführt worden sein, da in den Archivalien oft durch längere Zeit keine Schulmeister am Neutor erwähnt werden. Es ist möglich, daß diese Stelle wegen der häufigen Truppen-Einquartierungen zeitweise unbesetzt geblieben ist. Die Schulräume befanden sich im Obergeschoß und waren sehr beengt. Fast alle Schulmeister, die hier unterrichteten, klagten über Raummangel. Tobias Pannagl bemühte sich daher schon 1627, im Hackherischen Haus am Grünmarkt mietweise ein Zimmer zu bekommen?1) Den Unterricht störten die vielen Schwerfuhrwerke, die durch das Osttor ein- und ausfuhren. Die Innerberger Hauptgewerkschaft lagerte von 1654 bis 1669 Getreide im Neutor ein, wodurch die Unterrichtserteilung sicherlich auch erschwert wurde?8) Wahrscheinlich im Jahre 1787 übersiedelte diese Schule, die über zweihundert Jahre im Neutor eine Heimstätte gefunden hatte, wieder zurück auf den Berg, wo sie im Hause Berggasse Nr. 42, das die Stadtgemeinde käuflich erworben hatte, untergebracht wurde?") Schulmeister: 1625—1629: Tobias Pannagl. Dieser Schulmann war aus Mondsee zugewandert. Im Jahre 1627 beschwerte er sich über Soldaten, die das Neutor beschädigt hatten. 1629 versetzte ihn der Rat an die Schule in Steyrdorf (Sier- ninger Straße)?') 14

1631: Wilhelm Scheiches) 1640—1643: Hermann Kämpel. Siehe Schulmeister an der Schule am Berg. Mit Rücksicht auf unversorgte Kinder"") beließ der Magistrat den Schuldienst der Witwe Maria Kämpel. Sie mußte sich jedoch um einen „qualifizierten Schulschreiber oder Praezeptor" Umsehen?") 1651— 1652: Peter Kholb. Im August 1651 übernahm Kholb, der aus Spitz zugezogen war. den Schuldienst. Sein Einkommen war sehr gering. Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb er schon zu Pfingsten 1652 den Schuldienst niederlegte?*) 1652— 1667: Melchior Ziegler. Schon bei seinem Dienstantritt besaß er das Bürgerrecht. Er betätigte sich auch musikalisch?") 1667—1669: Stephan Brandt. Siehe Schulmeister an der Schule am Berg. 1669—1670: Johann Gärtler. Siehe Schulmeister an der Schule am Berg. Nach seinem Ableben im Jahre 1670 verlieh der Rat die vom Präzeptor Johann Georg Viehisch geleitete Schule der Witwe Magdalena Gärtler?") 1671—1677: Johann Georg Liebich (Lieblich, Libekh). Im Jahre 1677 wurde er bürgerlicher Leutgeb (Gastwirt), wandte sich aber 1680 wieder dem Schuldienst zu (Steyrdorf)?*) 1677—1708: Zacharias Vetter. 1688 gestattete ihm der Rat. neben dem Schuldienst die „Handlung mit weißer War" zu betreiben und übergab ihm 1707 den Torsperrerdienst am Neutor?") 1708—1727: Georg Albert Derfflmayr. Im Vergleich zu den übrigen Stadtschulmeistern war Derfflmahr vermögend. Er verfügte über ein Kapital von rund 1000 Gulden. Im Dezember 1727 legte er wegen Alter und Krankheit den Schuldienst zurück?") 1727—1732: Johann Georg Donn. Siehe Schulmeister an der Schule am Berg?*) 1732—1739: Daniel Golden st ainer. Er war der Sohn des Schulmeisters Wolf Goldenstainer und von 1711 bis 1732 an der Bergschule tätig. 1731 bewarb sich Goldcnstainer ohne Erfolg um den Schnallensperrerdienst (Schnallentor). Im März 1739 enthob ihn der Magistrat wegen „liederlicher" Führung des Schuldienstes?") 1739—1766: Johann Jakob Derfflmay r?") 1766—1787: Ignaz Kazler (Kahler). Vor Antritt des Schuldienstes war Kazler Thurnergeselle (Musiker). Nach 1787 wirkte er noch an der Schule am Berg bis 1793?°) 2. Die Vorstadt-Schulen a) Schulen in Steyrdorf und Aichet In Steyrdorf bestanden nach der Gegenreformation zeitweise drei Schulen, die wie alle Schulen der Vorstädte in gemieteten Räumen untergebracht waren. Es ist daher kaum möglich, die örtliche Lage dieser Schulen genau festzulegen, außerdem besteht für diesen Stadtteil keine gründlich bearbeitete Häuserchronik. Die 1629 eröfinete Schule in der Sierninger Straße, die bis um 1687 nachgewiesen werden kann, befand sich seit dem Jahre 1659 im Hause des Feilschmiedes Georg Raab in der Nähe des Siechen- oder Sierninger Tores.") Vermutlich beherbergte das Haus der Maria Peckh um 1639 die Schule in der Gleinker Gasse. Von 1643 bis 1655 finden wir sie in einem Gebäude des Rats- mltgliedes Georg Wernberger.") Wohin sie anschließend verlegt wurde, läßt sich nicht ermitteln, jedenfalls müssen wir sie in der Nähe des Gleinker Tores suchen.") 1716 verwendete man einen Raum im Hause des bürgerlichen Lebzelters Jakob Mühldorffer als „Schulhaltungszimmer".") 15

Im Jahre 1636 begann man auch im „Äußeren Steyrdorf" Unterricht zu erteilen. In welchem Hause diese Schule in den ersten Jahrzehnten ihres Bestandes ihr Dasein fristete, ist unbekannt. Ab 1677 befand sie sich in der sogenannten „Run- dell". Dieses Gebäude gehörte wahrscheinlich dem Schrotschmied Hans Herzog, der 1679 den Rat um Instandsetzung seines Hauses für Schulzwecke und 1681 mit Rücksicht auf die in seinem Hause untergebrachte Schule um Steuerbefreiung ansuchte.^45) Zu Anfang des 18. Jahrhunderts (um 1705) übersiedelte der Schulmeister in ein Gebäude am Wieserscldplatz (in der Umgebung des „Äußeren Tores") ?°) Im Jahre 1782 erfolgte die Aufhebung dieser Schule, die damals in einem Hause der Sierninger Straße eingerichtet mar.47) In Aichet wurde der Unterricht erst im Jahre 1748 ausgenommen, vermutlich im Hause Sierninger Straße Rr. 87.48) Der Beschluß des Magistrats vom Jahre 1759, die Aichet-Schule aufzuheben und den Schulmeister zum Militärdienst abzustellen, kam nicht zur Durchführung.48) Aus dieser bescheidenen Unterrichtsanstalt entwickelte sich im 19. Jahrhundert die Pfarrhauptschule in Aichet. Schulmeister: Schule in der Sierninger Straße: 1629— 1639: Tobias Pannag l?8) Siehe Schulmeister an der Neutorschulc. Von 1639—1643 führte Barbara Pannagl mit einem Präzeptor die Schule?4) 1643—1652: Hans Paumüller (Paumillner, SSaumiKner)?8) 1652: Martin Schiedlberger (Schiedlperger)?3) 1652— 1659: Stephan Wengmayr (Wenigmayr, Wengemayr)?4) 1659—1685: Andreas Pau r?Z 1685: Christoph Tauper g er?4) 1687: P au l Leonhard Hube r?7) Schule in der Gleinker Gasse: 1639—1643: Hans Paumüller?8) , 1643: David Vizdomb?8) 1652: Stephan Wengmay r?°) 1657: Alexander Leopold Truchenmüller?4) 1680—1694: Johann Georg Sie6tcf)?8) Siehe Schulmeister an der Ncu- torschule. Von 1695 bis 1699 leitete Maria Magdalena Liebich die Schule?8) 1700—1727: Matthias Schoiber?4) 1728—1730: Johann Philipp Pau r.65) 1731— 1742: Josef Kajetan Schoibe r.66) 1742—1755: Christoph Dabon?7) 1755—1757: Franz Xaver Dabo n.68) 1758—1790: Franz Bernhard W ö ß?8) Schule im „Äußeren Steyrdorf": 1636—1640: Johann Leopold Wurm.78) 1642—1647: Matthias Oppenrieder (Oppeneder, Opperrieder).74) 1648—1651: Wolf W o l ff h a r d t.7-) 1652: Stephan Wengmay r.73) 1653— 1659: Andreas Paur.74) 1659—‘1666: Stephan Wengmay r.73) 1666—1668: Christoph Namesnickh (Nambesnikh, Nambensnit).78) 1669—1678: Jakob B o h r.77) 1678—1684: Johann Andreas Widman n.78) 1685—1699: Simon Seiffinger (Seuffinger).78) 1699— 1700: Matthias Schoiber.88) 1700: Matthias Friedrich Eyb l.84) 1700— 1709: Simon Seisfinge r.88) 16

1710—1742: Christoph Dabon (Säbon).83) 1742—1760: Johann Gotthard Müllner.84) 1760—1782: Io Hann Heinrich Riß (Rüß).83) Schule in Aichet: 1748—1753: Franz Karl Wilhel m.86) 1753—1792: Johann Michael Wagne r.87) b) Sie Schule in Ennsdorf In den Jahren der Glaubenserneuerung erfuhr der Unterricht auch in der Vorstadt Ennsdorf eine mehrjährige Unterbrechung. Erst im Jahre 1631 dürfte die Schule durch den Schul- und Rechenmeister Johannes Leuttner wieder eröffnet worden sein. Leuttners Bewerbung um einen Schuldienst bewilligte der Magistrat mit dem Bemerken, daß er dagegen nichts einzuwenden habe, falls sich der Supplikant „allhier zu ernähren" getraue.88) Wie in Steyrdorf und Aichet gab es auch in diesem Stadtteil kein eigenes Schulhaus. Sie Ratsprotokolle erwähnen ihre mietweise Unterbringung im Stey- pinderischen Haus (1649/50), bei Karl Wengermahr (1656), im Urban Sorffner Häusl am Feld (1658), bei Georg Rieder (1680) und in einer Nebenbehausung des Bräumeisters Ignaz Holler (1727). Im Höllerschen Hause befand sich die Schule schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts und verblieb darin auch nach 1775 als Trivialschule bis zum Jahre 1787.89) Schulmeister: 1631—1637: Johannes Leuttner.6°) 1638—1640: Michael Lindtner.64) 1640—1642: Johann Leopold Wur nt.62) 1643—1656: Matthias Bobliz (Boblin). Katharina Bobliz, die 1657 die Schulstelle inne hatte, mußte sich einen Präzeptor halten.63) 1658—1667: Hans Georg Hausfeldne r.64) 1668—1678: Ulrich Grueber.63) 1678—1681: Wolf Goldenstaine r.°°). Siehe Schulmeister an der Schule am Berg. 1681—1730: Johann Georg Sturm.67) 1731—1739: Gotthard Traunsteiner.68) 1739—1787: Franz Josef Anton Weber.6°)II. II. Schulaufsicht und Unterricht Sie Kontrolle des Unterrichtes an den Stadtschulen oblag den „Schulinspektoren". Sas Amt der Schulaussicht zählte zu den sogenannten „Stadtämtern", die anläßlich der Bürgermeister-, Richter- und Ratswahlen vergeben wurden. Es waren zumeist zwei, manchmal auch drei Ratsbürger, die dieses Amt an den ihnen zugeteilten Schulen zu versehen hatten. Gelegentlich wurde auch der Stadtschreiber zur Schulvisitation herangezogen.466) Laut Weisung des Rates mußten die^ deutschen Schulen in jedem Quartal visitiert und die Jnspektionsergebnisse der Stadtobrigkeit vorgelegt werden. In der Hauptsache hatten sich die Inspektoren über den „Unfleiß" der Schulmeister zu beklagen.464) i Ser Schulvisitation schenkte der Magistrat im allgemeinen wohl die nötige Aufmerksamkeit, doch einmal trug es sich^auch zu (1723), daß die Stadtväter selbst nicht wußten, wer von ihnen mit der Schulaufsicht betraut war.462) Sie Visitation des Religionsunterrichtes war Sache der kirchlichen Behörden. Im 18. Jahrhundert dürfte diese Aufgabe zeitweise vernachlässigt worden sein. Aus 17

einem Schreiben des Bischofs von Passau an den Abt von Garsten vom 31. Oktober 1743 ersehen wir, daß die religiösen Kenntnisse der Schüler ziemlich mangelhaft waren. Vor allem bei den Knaben habe der Kirchenfürst anläßlich seiner letzten Visitation „viele Unwissenheit in Glaubenssachen" feststellen mitffen.103) Im Jahre 1768 berichteten die Schulinspektoren Schreiber und Schreiner dem Rat, daß die „Geistlichkeit immer ein ganzes Jahr nicht in die Schulen visitieren komme". Daraufhin erhielten die beiden Inspektoren aus der Stadtkaste 10 Gulden zum Ankauf von Bildchen, die sie beim Besuch der Schulen an die Kinder zu verteilen hatten, damit den Schülern „besonderer Lust und Eifer zu Christlichen Tugenden und Andacht einaefleßet werden möchte". Die Schulaufsichtsorgane mußten nun auch einmal im Monat mit einem „geistlichen Herren" die Schulvisitation durchführen?"3) Der im folgenden Jahre vom Passauer Fürstbiscbof vorgenommene Visitationsbesuch in Stepr war daher keinesfalls eine nur zufällige Angelegenheit. Er erfolgte, wie anrunebwen ist, im Hinblick auf die damals herrschenden unzulänglichen Schulverhältnisse?"") Leider sind die Schulordnungen, die in den Quellen mehrmals Erwähnung finden, nicht mehr vorhanden. Ein tieferer Einblick in die damaligen Schulzustände ist daber nickt möglich. Nur aus einzelnen Hinweisen kann man feststellen, daß sich der Unterricht auf die religiös-sittliche Erziehung und auf die Vermittlung der notwendigsten Kenntnisse aus Lesen, Schreiben und Rechnen beschränkte?"") Die Unterweisung der Schüler in der „Christlichen Lehre" lag in den Händen der Schulmeister. Zur Hebung des Religionsunterrichtes wurden den Schülern Leihbücher zur Verfügung gestellt. Im Jahre 1656 übergab der Rektor der Jesuiten, Pater Albert Wilpenhofer, dem Magistrat für die deutschen Schulen etliche Bücher im Werte von 12 Reichstalern?"') Im 18. Jahrhundert wurden alle etwa noch vorhandenen unkatholischen Schriften eingezogen. 1715 ordnete die kaiserliche Religions-Reformations-Kommis- sion an, daß diese Bücher der Geistlichkeit abzuliefern und dafür katholische Schriften anzuschaffen sind. Ein ähnlicher Auftrag erging 1737 vom Landeshauptmann an die Schulinspektoren. Sie hatten bei den Buchdruckern und Buchbindern nach „Namen-Büchlein" und Katechismen zu fahnden und ein Exemplar zur Berichterstattung mitzunehmen?"") Außerhalb der Schule wurde die religiöse Erziehung durch kirchliche Veranstaltungen gefördert. Die Jugend nahm teil an den „Jgnati- oder Kinderprozessionen" der Jesuiten sowie an den übrigen althergebrachten Prozessionen und an den zahlreichen Bitt- und Dankandachten?"") In den Jahren 1679 bis 1681 erhielten die Schüler der deutschen Schulen für ihre Teilnahme am Rosenkranzgebet, das jeden Dienstag während des Hochamtes in der Stadtpfarrkirche verrichtet wurde, damit die Stadt von der Pest verschont bleibe, jedesmal ein Pfennig-Kipfel?1") Auch in der Zeit der Türkengefahr (1683) mußten die Lehrer ihre Schüler jeden Erchtag um 9 Uhr zum Rosenkranzgebet in die Vfarrkirche führen?") Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756) wurde zur Abwendung der Kriegsgefahr angeordnet, in den Schulen und Spitälern fünf Vaterunser und Ave Maria zu Beten?12) Über die methodische Gestaltung des Lese-, Schreib- und Rechenunterrichtes enthalten die Archivalien keine bemerkenswerten Hinweise. 1688 erfahren wir, daß den Schulmeistern „wegen des korrekten Buchstabierens" besondere Namen-Büchl empfohlen wurden?13) Zur Förderung des Rechenunterrichtes schrieb schon im 16. Jahrhundert der Steyrer Schul- und Rechenmeister Kaspar Thierfelder ein arithmetisches Lehrbuch?13) Im 17. Jahrhundert verehrten Kaspar Fankhler, Sollizitator und Rechenmeister in Linz (1667), Stephan Brandt, Schulmeister an der Schule am Berg (1670), Georg Konstantin Gschwandtner, Stadtkanzlei-Expeditor in Linz (1673) und der Schulmeister Wolf Goldenstainer (1678) dem Rate zu Steyr die von ihnen verfaßten Rechenbücher?1") 18

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