Steyrer Wochenblatt, Juni 1945, Blatt 3

10 Rpf. 10 Rpf. teurer Organ der antifaschistischen Bevölkerung von Steyr und Umgebung, rechts der Enns 1945 Juni Blatt 3 Die Macht der Illusion. Wir kennen es wohl alle von der Schule her, das Märchen vom Schlaraffenland. Es erregte unsere kindliche Phantasie. Es war ja auch zu schön, im süßen Nichtstun auf weichen Matten zu liegen. Man brauchte nur den Mund aufzusperren und schon es kamen die gebratenen Tauben geflogen. Schade, war nur ein Märchen. Es gibt Menschen welche Zeit ihres Lebens mit Illusionen belastet sind, die träumend von einer Hoffnung in die andere tau¬ an meln und sich dabei den Kopf blutig schlagen den rauhen Wänden der Wirklichkeit. Illusionen können Macht bekommen, eine be¬ ein¬ zwingende. Zumal, wenn sie mit einer klaren Sie fachen Logik an uns herangetragen werden. können mit einer solchen suggestiven Kraft wirken, daß sie Leistungen hervorbringen, die für den nüch¬ ternen Verstand unergründlich sind Nur damit kommen wir dem Geheimnis näher, warum es den faschistischen Imperatoren gelang, die von ihnen beherrschten Menschen jahrelang zum Durchhalten zu bringen, unter Umständen bis zur Selbstaufopferung des eigenen Ich. Seien wir uns ehrlich, dieses grausamste Terrorregiment der Geschichte, stützte seine Macht nicht nur auf die Bajonette, sonst hätte eine Volkserhebung sie schon längst hinweg¬ gefegt. Diese Macht wurde eben so sehr von der Kraft der Illusion getragen. Unaufhörlich wurden diese Vorstellungen genährt, einmal schleichend und kaum merklich, dann wieder schreiend in aufdring¬ lichen Plakaten oder grell aufleuchtender Kinoreklame. In Schnellsiederkursen wurden aus Putzmacherinnen „Sekretärinnen“, aus braven Schlossergesellen „Tech¬ niker“ und aus den Parteifunktionären „General¬ direktoren“ gemacht. die So wie man schon im ersten Weltkrieg Massen zum Durchhalten zwang, mit: „Der Dank so zwangen die des Vaterlandes ist Euch gewiß“ Faschisten und Nazisten, diese raffinierten politischen Hochstapler, das Volk mit dem Versprechen des Sozialismus. Eines Sozialismus der Herrenrasse Mil¬ auf Kosten der eroberten Länder und Völker. lionen Anhänger der faschistischen Ideologie sahen für sich schon im Geiste als Beherrscher der Welt, welche die manuelle Arbeit unehrenhaft, für die nur „geistige“ Arbeit standesgemäß war. noch Es gab auch noch eine andere Sorte von Illu¬ sionisten: Sie lehnten den Nazismus ab, sie haßten ihn. Abends saßen sie in der Dämmerung am Empfänger und lauschten der Stimme Londons und Moskaus. Wenn nur erst die Amerikaner kommen, meinten sie, da gibt es wieder Schokolade und Beefsteak, und wenn die Russen kommen, die bringen uns das Ge¬ treide aus der Ukraine freiwillig mit. Ja sicher, aus der ukrainischen Kornkammer, welche die Hitler¬ Banditen mit Gewalt aufbrechen wollten. Und ar¬ beiten, dachte diese andere Sorte von Illusionisten, an arbeiten? Dafür haben wir ja die Nazis. Jetzt sollen die arbeiten und wir ruhen uns einmal aus. Denn wir haben ja die ganzen Jahre während der Hitler¬ Herrschaft nichts gehabt. Da steht plötzlich der Anti=Illusionist vor uns, einfach und ohne Vorurteil. Er fragt nicht nach gestern, nach Hoffnungen und Wünsche. Er hatte all die Jahre der Unterdrückung und Verfolgung nur einen Wunsch: Hinweg mit den Kriegsverbrechern, welche die Volkskraft in einem nutzlosen Völkermorden verzehren ließen. Er hatte nur eine Hoffnung, daß das Volk wieder frei werde. Daß es wieder allen möglich sei, zu arbeiten, zu schaffen, um die Be¬ dürfnisse der Menschen zu stillen. Gestern stand er noch an der Drehbank und fertigte Granaten, mit grimmigem Widerwillen drehte er sie herunter. Jetzt ist er frei. Weit ausholend schwingt er die Sense. Ein frohes Lächeln spielt um seine Lippen. Er weiß, dieses Korn bedeutet Brot. Er denkt an Frau und Kind und noch kräftiger rauscht die Sense durch das wogende Kornfeld Frauen und Mädels, die gestern noch auf der Maschine den immer wiederkehrenden Song von Sieg und Durchhalten herunterklapperten, sie binden die Garben, sie füttern das Vieh und helfen mit, unsere Ernte einzubringen. Sie alle fühlen, jetzt sind wir frei und was wir tun, das machen wirfür uns und sind glücklich. Die Illusionisten beider Richtungen, sie stehen abseits und kauen an ihren Hemmungen herum. Sie können es nicht glauben, daß sie sich auch frei machen müssen von den sorgfältig genährten Vor¬ stellungen und Hoffnungen. Wie lange noch? Glauben sie etwa, sich dann an den vollen Honigtopf setzen zu können wie die Drohnen und dann mitschlecken zu dürfen? Es ist nur ein Ausdruck der Gerechtigkeit daß, wer nicht arbeiten will, auch nicht essen soll! Die Kartothek der „Ostmark“=pg. gefunden! Unterlagen für die Kontrolle der Registrierungen. Wie wir aus der Wiener Zeitung „Neues Oesterreich“ entnehmen, wurde nach dem Einzug der Amerikaner in München, der „Stadt der Bewegung“. dort auch der mächtige Palast der Parteizentrale, einer gründlichen Untersuchung unterzogen. Dabei machte man eine interessante und hochbedeutsame Entdeckung, zwar nicht in den luxuriös ausgestatteten Büros der Parteizentrale, die schon von den Bomben in Mitleidenschaft gezogen waren, dafür aber in den bombensicheren Luftschutzkellern des Braunen Hauses“ Es befanden sich nämlich dort, in Safés eingemauert, die Kartotheken sämtlicher Pg. des Reiches, nach Gauen geordnet. Auch die Kartothek „Ostmark“ mit sämtli¬ chen Parteigenossen und Parteianwärtern konnte sicher¬

Steyrer Seite 2 gestellt werden. Diese Kartothek ist für Oesterreich deshalb so wichtig, weil sie nicht nur in lückenloser — Folge die Namen nennt, sondern auch vermerkt zumeist auf Grund der eigenen Angaben der Pg. welche Tätigkeit sie innerhalb der Partei vor 1938 innehatten. Weiters sind in den Kartothekblättert alle Funktionen aufgezählt und schließlich alle Dienste, die sie der Partei geleistet haben. Die Kartothek wird in Kürze nach Wien gebracht werden und hier bei der Feststellung der Nazi wertvolle Dienste leisten. Soweit die Meldung des Wiener Blattes. Eine höchst er¬ reuliche Nachricht, denn wir haben es oft erlebt in Aus der Jugenöbewegung. Die neue Jugend! Es wird bestimmt für die Leser ein kleiner Lichtblick sein, wenn sie jetzt schon, nach dieser kurzen Zeit der grausamen Vergangenheit, etwas von einer neuen Jugend hören. Neue Jugend, es sind nur zwei Worte, abe diese zwei Worte verkörpern eine große Idee zu deren Verwirklichung die ganze Kraft und der ganze Idealismus aufgebracht werden muß. Wenn wir einen kurzen Rückblick auf die Jugend von gestern werfen, so sind wir außer Zweifel, daß man diese Jugend nur zu blindgehorchenden Soldaten erzog, die zu Tausenden auf den Schlachtfeldern zu Krüppeln ge chossen wurden, oder ihr junges Leben lassen mußten. Unser Sinn der Jugenderziehung ist ein anderer Die Burschen und Mädel, die zu uns kommen, wer¬ den zu freien Oesterreichern erzogen, die durch Wan¬ dern und Spiel ihr einzig schönes Heimatland kennen lernen sollen und gänzlich ohne irgendwelche politische Einflüsse geistig geschult werden In unserer Stadt, rechts der Enns, wurde in diesen Tagen die Jugendorganisation „Freie Jugend Oesterreichs“ gegründet, zu der jeder Jugendliche, ol Mädel oder Junge im Alter von 8 bis 18 Jahrer beitreten kann. Wir weisen darauf hin, daß diese Jugend nicht mit einer früheren HJ. verglichen wer den kann. Unser Bestreben ist es, die Jugend zu Von der Polizei erfahren wir, daß es gelungen ist, einiger Verbrecher chlimmster Sorte habhaft zu werden. Das Straf¬ verfahren ist abgeschlossen und diese Schädlinge, die unsere Bevölkerung, besonders unsere Bauern be unruhigen und bedrohen, werden dem Gericht zu chwerster Bestrafung überstellt. Bei einigen dieser Verbrechen und ganz besonders bei den gemeinsten, möchten wir mit allem Nachdruck die schwerste Be strafung, die unser Gesetz kennt, in Anwendung bringen. Vergewaltigungen und Plünderungen, das sind die Verbrechen, die unser österreichisches Volk mit der größten Verachtung und nur mit der For¬ ist derung der Todesstrafe beantworten wird. Es besonders traurig, daß es Oesterreicher gibt, die in der Stunde der schwersten Not, in welche die Nazi¬ Kriegsverbrecher uns hineingetrieben haben, noch mehr Leid und Sorgen über unser Land bringen Diese sittlich verkommenen und unsozialen Menschen die durch Plünderungen sich Sachen und Lebens¬ mittel aneignen, die zur Ernährung der gesamten sterreichischen Bevölkerung gehören und heute schon so wenig sind, daß es zum Verhungern zu viel und zum Leben zu wenig ist, müssen ihrer Bestrafung zugeführt werden. Denn in dieser schweren Zeit heißt Wochenblatt den letzten Wochen, daß Nazis, die zur Arbeit für die Wiedergutmachung eingesetzt wurden, entrüstet erklärten, sie seien nie Pg. gewesen, ja wie man über haupt auf den Gedanken käme, daß sie diesen Landes verrätern und Kriegsverbrechern nachgelaufen wären und damit auch Oesterreichs Unglück mitverschuldet hätten. Nun heißt es Farbe bekennen Bei den erfolgten und noch durchzuführenden Registrierungen wird uns die Kartei „Gau Ober¬ donau“ natürlich ein guter Helfer sein und wird uns Klarheit verschaffen über die Tätigkeit und Schuld unserer „Pg.“ freien, ehrlichen, idealdenkenden Menschen, zu —zu erziehen. Oesterreichern, Jugend wandert Die Tageswanderung der Jugend in das Damberggebiet am Sonntag, den 24. Juni 1945. Treffpunkt für Ennsleite: Autobautor (Hauptwerk) ½7 Uhr Treffpunkt für Münichholz: Kraus u. Schober, 6 Uhr Unsere Jugend rührt sich! Vergangenen Sonntag, 17. 6. und am Dienstag den 19. 6. unternahm die freie Jugend Münichholz Führung des ehemaligen roten Falken=Führers unter Gen. Wratny und der Geschwister Polinsky, sehr gelungene Wanderungen auf den Damberg zwei Wenn sich am Sonntag nur 28 Buben und Mädel daran beteiligten, so waren es am Dienstac chon 52 Buben und Mädel. Gen. Wratny verstand es, bei Sport und Spiel und wenig Worken für die schöne und große Aufgabe der Freien Jugend Oester¬ reichs die Buben und Mädel zu gewinnen, so daß ich am Mittwoch durchwegs alle zur Freien Jugend Oesterreichs einschreiben ließen Gen. Wratny teilt uns mit: Es wird in Kürze auch eine Kinderschuhplattler= und Tanzgruppe ins Leben gerufen, die uns bei öffentlichen Veranstal tungen durch ihre Darbietungen erfreuen wird. Auck eine Mandolinengruppe ist bereits im entstehen. Mö¬ gen sich noch recht Viele daran beteiligen, zu ihrer und unserer Freude. es ganz besonders energisch durchgreifen. Bevölkerung von Steyr, hilf mit, beim Unschädlichmachen aller, auch der politischen Verbrecher, die aus Wahnsinn oder mit Absicht heute noch unsere schöne österreichi¬ che Heimat in den tiefen Abgrund schleudern wollen Es wurde in einzelnen Fällen festgestellt, daß die Verbrecher sich eine rote Armbinde, zu derer Tragen sie nicht berechtigt waren, zur Tarnung ihres Verbrechens aufsteckten. Leider ist auch im Bezirk Steyr ein solcher Sittlichkeitsverbrecher aufgetaucht, der Vergewalti gungen unter Mißbrauch einer roten Armschleife be gangen hat. fragt bei Amts¬ Unterstützt unsere Polizei, handlungen nach Ausweispapieren Ihr helft damit uns und dem österreichischen Volk. Die Volkssolidarität. In allen Fürsorgeangelegenheiten ist die Volks¬ solidarität (Jägergasse, Holzbaracke) zuständig, welch auch gleichzeitig alle Fürsorgeangelegenheiten der Ge meinde erledigt. Zur Aufklärung geben wir bekannt Alle bisher von der Fürsorge Steyr=Stadt Betreuten, alle Rentenbezieher, können von dieser

Steyrer Wochenblatt Seite 3 Stelle Unterstützung beziehen. Es wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß nur in den aller dringendsten Fällen Unterstützung beansprucht werden oll. Die ausbezahlten Gelder sind als Ueberbrük kungszuschüsse zu betrachten, die später von der weiterlaufenden Fürsorgeunterstützung oder Rente abgerechnet werden. Nachdem in erster Linie die — Lokalnachrichten Bürgermeister Kahlig beim Kanzler Eine Abordnung von Gemeindevertretern unte Führung vom Bürgermeister Hans Kahlig fand sich dieser Tage beim Staatskanzler Dr. Renner und verschiedenen Sekretären ein. Der Kanzler zeigte leb¬ haftes Interesse für die mannigfachen Probleme unserer Stadt. Die Abordnung wies darauf hin, daß unser dringendstes Problem, die Sicherung der Er nährung sei und Sofortmaßnahmen getroffen werden müßten. Auch die Frage der Zukunft unserer Stadt und das Schicksal der hart bedrängten Steyr=Werke bildete den Gegenstand des Gedankenaustausches. Der Kanzler wies mit souveräner Ruhe und Sachkenntnis die Abordnung an, die Sache unserer Stadt tatkräf¬ tig in die Hände zu nehmen und gab der Versicherung Ausdruck, daß die Staatsregierung ebenfalls das Möglichste tun werde, die Eisenstadt vor dem Verfall zu retten Staatssekretär Dr. Schärf zeigte reges Interesse für die Steyrer Verhältnisse. Er versprach, für die Einleitung von Sofortmaßnahmen Sorge zu tragen Beim Staatssekretär für Inneres, Honner, wurd die Abordnung ebenfalls zu einer längeren Aussprache empfangen. Der Staassekretär wies darauf hin, daß die Probleme der Stadt im wesentlichen von uns selbst gelöst werden müßten. Hinsichtlich der Polizei frage war der Staatssekretär mit der vorläufiger Errichtung einer Gemeindepolizei einverstanden. Bie zur Reorganisierung der Gendarmerie und Aufstellun einer Bezirkshauptmannschaft, ist auch die Durchführung der Aufgaben der Gendarmerie unserer Gemeinde¬ polizei übertragen. Von den zuständigen Stellen der Justiz=Verwaltung wurde bekannt gegeben, daß in Bezirk Steyr=Ost, ein Kreis= und Bezirksgericht er¬ richtet worden sind. Diese Gerichte haben ihre Tätig¬ keit bereits aufgenommen. Die Vorsprache der Stadt¬ vertreter beim Staatsamt für Finanzen, brachte die Gewißheit, daß die bisher getroffenen finanztechnischer Maßnahmen, in Ordnung abgewickelt wurden. Bis zur weiteren Klärung der Grenzfrage, ist auch die Hilfe dieses Staatsamtes gewiß. Der Staatssekretär ür Ernährung, Korp, ließ sich den Bericht der Ver¬ treter von Steyr tief beeindrucken und war zum Schlusse mit unseren Vorschlägen im Prinzip einver standen. Auch er war der Überzeugung, daß für die Ernährung Sofortmaßnahmen ergriffen werden mü߬ ten. Der Staatssekretär konnte als erste Hilfe der Regierung, die Lieferung von 50.000 kg Kartoffeln und einer größeren Menge Getreide versprechen, welche mithelfen würden, den Anschluß an die nächste Ernte zu sichern. Diese Lieferungen sind jedoch bedingt vor dem Umstand, daß wir die Transportfrage selbst lösen müßten. Da außer dem Stadtteil Steyr=Ost, auch noch der Bezirk Steyr=Land, zwischen Enns und alter Landesgrenze, von seiner Hauptmannschaft ab¬ getrennt worden ist, war es unerläßlich, hier ebenfalls ein Provisorium aufzustellen. Im Einvernehmen mit der Landeshauptmannschaft Niederösterreich, vertreten wirklich Fürsorgebedürftigen berücksichtigt werden und zur Zeit nur beschränkte Geldmittel greifbar sind ollen alle anderen bis zur endgültigen Regelung der unklaren Verhältnisse warten. Im allgemeinen stellen wit est, daß alle Ansprüche auf Renten, Pensionen usw. aufrecht bleiben und mit der endgültigen Klärung der Verhältnisse normal weiterlaufen. durch den Landesamtsdirektor Dr. Vanura, wurde vorbehaltlich der Zustimmung der Staatsregierung ein Abkommen dahin abgeschlossen, daß für die Dauer der Abtrennung unser Bezirk als selbständige Haupt¬ mannschaft dem Lande Nieder=Oesterreich angegliedert wird. Um in diesem Bezirk, der ja hauptsächlich ir industrieller und forstwirtschaftlicher Beziehung, Be¬ deutung genießt, auch hinsichtlich der Ernährung icherzustellen, wurden im Einvernehmen mit der Landeshauptmannschaft Nieder=Oesterreich einige Nach bargemeinden verpflichtet, ihre Erzeugungs=Überschüsse an landwirtschaftlichen Produkten, ausschließlich un¬ erem Bezirk zugutekommen zu lassen. Unsere Vertreter hatten Gelegenheit, mit einer Reihe von Fachleuten über verschiedene verwaltungs¬ technische und kulturelle Fragen zu verhandeln. Von der Fahrt nahmen alle Vertreter unserer jungen Ge¬ meinde die Gewißheit mit nach Hause, daß sie auf dem rechten Wege sind ihren Anteil zur Errichtung eines freien, demokratischen Oesterreichs beizutragen Ein Wort an die Geschäftsleute und Gewerbetreibenden von Steyr! Als die Kriegsmaschine des Faschismus au höchste Touren lief, die Arbeitskräfte und Rohstoffe aber knapper und knapper wurden, forderte der Nazismus, Totalisierung des Krieges. Das hieß, rücksichtslosen Einsatz aller verfügbaren Kräfte, zur Erfüllung seiner wahnsinnigen Eroberungspläne. So wie der Arbeiter und Bauer durch brutalsten Terror gezwungen wurde, seine letzten Kräfte dem Moloch¬ Faschismus zu opfern, zwang er nun die Kaufleute und Gewerbetreibende vor seinen Kriegswagen. Un¬ ter der Parole: Einsparung von Arbeitskräften und Energien für den nazistischen Krieg, wurden die Läden und Geschäfte der ihm unliebsamen Steyrer Handwerker und Geschäftsleute geschlossen. Ihre Waren= und Materialbestände mußten abgeliefert jede Verbindung mit ihren Lieferfirmen eingestellt werden. Die Inhaber der Geschäfte wurden entweder zum Militär oder zur Kriegsindustrie eingezogen. Nun, da wir frei von faschistischer Tyrannei, unser Schicksal wieder selbst formen können, wird bestimmt jeden österreichische Geschäftsmann interessiert sein, seinen Betrieb so rasch als möglich, wieder in Gang zu setzen. Nicht resignieren, kein Abwarten auf „bessere Zeiten“, die nie kommen werden, wenn wir nicht elbst Hand anlegen, das wirtschaftliche Elend zu meistern. Die Instandsetzung der Geschäfte, Über prüfung der noch vorhandenen Warenbestände, Rück ührung der Waren aus den Ausweichlagern und Wiederaufnahme der Geschäftsverbindung mit den alten Lieferanten. Die rascheste Ankurbelung unseres Wirtschaftsapparates, ist das Gebot der Stunde. Es ist daher Pflicht jedes österreichischen Kaufmannes und Gewerbetreibenden, mit aller Energie an der Wiedereröffnung seines Geschäftes zu arbeiten. Geschäftsleute und Handwerker! Wendet Euch an den Gewerbereferenten vor er der Stadtverwaltung Vinzenz Ribnitzky,

Seite 4 Steyrer Wochenblatt wird Euch soweit es in seiner Kraft liegt, mit Ra und Tat unterstützen. Nur aktivste Mitarbeit Aller wird uns den Weg zu einem gesunden und normaler Wirtschaftsleben erleichtern Die Volksinitiative. Die neue Molkerei der Gemeinde Steyr übergeben Am Donnerstag wurde im Beisein des Bürger¬ meisters, einiger Stadtvertreter und dem Vertrete der Komm. Partei die neue Molkerei in der Pacher gasse der Stadtgemeinde übergeben. Diese Molkerei wurde eine Notwendigkeit für uns, um die drin gende Fettversorgung für unsere Bevölkerung rechts der Enns zu sichern. Sie entstand in Gemeinschafts¬ arbeit und ist ein schöner Beweis der Volksinitiative die dort anpackt und die Probleme löst, wo sie am dringendsten sind. Unser Vertreter hatte Gelegenheit anläßlich der Ingangsetzung des Betriebes die Anlage zu besichtigen. „Not macht erfinderisch“, meinte Herr Bar¬ zaba, und seine Mitarbeiter lächelten voll Stol und Freude in den Augen, über das gelungen Werk. Die Transmissionen schwirren und die Zentri¬ ugen entleeren ihre Milch in die davor stehender Kannen. In die eine läuft der Rahm, in die ander die Magermilch. Sofort wird der Rahm in die sauber in Reihen montierten Butterfässer gebrach und dann geht das Buttern los. Herr Barzaba und einer seiner Mitarbeiter hatten die Freundlichkeit, uns den Betrieb zu er klären. Sie zeigten uns verschiedene Einrichtungen die notwendig waren, um dem Betrieb die Möglich¬ keit zu geben, einwandfrei zu funktionieren Da stehen bereits vier mittlere Kessel mit einem Fassungsvermögen von 300 Liter. Die Milch wird angeliefert, in die Kessel gefüllt und läuft durch eine Leitung direkt in die Zentrifugen. Eine Warm wasseranlage umspült die Kessel und bringt die Mild auf die Temperatur, welche für die vollwertige Ent rahmung der Milch notwendig ist. An den Butter¬ fässern befinden sich Schaugläser, durch die der stän dige Fortgang der Verbutterung kontrolliert wird Ein anderer Raum steht vor seiner Vollendung Draußen ist ein heißer Tag und wir empfinden die Kühle angenehm, die in dem kleinen Raum herrscht. Hier wird die Butter gelagert werden. Bereits vorhandene Kühlschlangen gestatten eine besondere Tiefkühlung der Temperatur und erhalten die Frische der ge¬ lagerten Butter. Auch ein eigenes, bescheidenes Laboratorium wurde eingerichtet. Mit Amylalkohol und Schwefel säure wird im Butrimeter ständig die Butter auf Fettgehalt geprüft Dann erzählte uns Herr Barzaba über die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, bevor das Werk gelang. Am Anfang war nichts, könnte man sagen. Eine ehemalige Bierbrauerei in der Pachergasse, die in den letzten Jahren zur Bier¬ lagerung diente, schien das geeignetste für unseren Zweck. Die Räume waren zwar stark mitgenommen vom letzten Bombenangriff, aber die Kühlanlage wan noch intakt geblieben und das war ausschlaggebend Unter tatkräftiger Mithilfe von Ing. Böhm, der die notwendigen Berechnungen machte, Freisinger, Olbrich, Pilat, Schmoll und Wotawa sowie tüchtige Handwerker, die uns das Arbeitsamt ver¬ mittelte, gingen wir ans Werk. Wir trugen die einzelnen Brocken: Transmissionen, Motoren usw. die nun einmal für die Einrichtung einer Molkere notwendig sind, mühselig zusammen. Immer wieder drohte die Sache an den Schwierigkeiten zu scheitern, die sich vor uns auftaten. Unser Wille überwand edoch auch diese. Tischlermeister Rust fertigte ämtliche Tischlerarbeiten, Tische usw., kostenlos an. Paus und seinet Auch die Mitarbeit des Baupoliers Leute, Malermeister Kufner, Installationsfirma Schützner und Kühlanlagenfachmann Reiter, alle aus Steyr, trugen zum Gelingen bei Wenn man jetzt die Anlage betrachtet, die neuen Miniatur=Zentrifugen, welche der prov. Landrat Herr Jahn beschaffte, den sauber gewaschenen Steinfuß boden, in dem sich die weißgetünchten Wände spiegeln o kann man die Befriedigung der wackeren Männer nachfühlen Man rechnet mit einer Anlieferung von maximal 5000 Liter Milch täglich, die eine Butterauslieferung 120 Kilo ergeben würde. von se Unsere Hausfrauen bekommen wieder das lang entbehrte Fett in den Kochtopf und manchmal vielleicht auch für die Kinder das ersehnte Butterbrot 15.000 Kilo Getreide. Der Landbezirk Haag ist bereit, für die Stadt Steyr diese Getreidemenge zu liefern, wenn er vor uns rund 200 Erntehelfer bekommt. Ebenfalls 100 hat Ternberg 100 Arbeitskräfte und Neustift Landhelfer als notwendig angemeldet. Wie wir dazu vom Arbeitsamt erfahren, macht es immer wieder große Schwierigkeiten, die notwendigen Arbeits kräfte für die Einbringung der Ernte zu vermitteln Unsere Bevölkerung hat leider immer noch nicht den Ernst unserer Ernährungslage erfaßt. Die zuständigen Behörden richten daher noch einmal den leidenschaft¬ lichen Appell, wann an sie die Aufforderungzum dieser Arbeitseinsatz in Stadt oder Land ergeht, unbedingt Folge zu leisten. Die Ernährung muß unter allen Umständen gesichert werden Aus den Landgemeinden Volksversammlung in St. Valentin! Am Sonntag den 17. Juni, fand eine gut be¬ suchte Volksversammlung statt. Nach der Begrüßung durch den Betriebsratsobmann des Ni=Werkes Gen Ohlinger, sprachen der Bürgermeister von St Valentin und in Vertretung der Bezirksleitung Steyr der K. P. O. Gen. Petrak. Der Redner betonte daß sich die Parteien nicht in den Parlamenten und Gemeindestuben zu selbstverzehrenden parteiegoistischer Streitigkeiten zusammensetzen, sondern sich zur ge¬ meinsamen Beratung zusammensinden, um die Sorgen unseres Volkes zu beheben und das Land aus seiner urchtbaren Lage herauszuführen Zu dieser Aufgabe müssen aber auch alle Re¬ serven und Kräfte unseres Volkes mobil gemacht werden. Es muß auch dafür gesorgt werden, daß in den össentlichen Aemtern keine nazistischen, kriegs verbrecherischen Elemente haften bleiben, daß keine Sabotage in der Durchführung der Beschlüsse unserer Regierung vorkommen können. Die Versammlung forderte den schnellsten Zusammentritt der Volks¬ tribunale zur Aburteilung der Schuldigen. Ebenso soll auch dem einfachen ehemaligen Mitglied der NSDAP., das sich durch anständiges Benehmer keines Kriegsverbrechens schuldig machte, der Weg zur aktiven Teilnahme am Wiederaufbau nicht ver¬ sperrt bleiben.

Steyrer Wochenblatt Seite 5 Stadtgemeinde Steyr=Ost. Bezirkshauptmannschaft Steyr=Ost. Kundmachung. Über Anordnung des Kommandos der Roten Armee haben alle Ausländer und orts¬ fremde Personen sofort das Gebiet der Stadt Steyr sowie das Gebiet der Bezirkshauptmann¬ schaft Steyr zu verlassen. Als Ausländer gilt, wer nicht im Besitz der Oesterreichischen Staats¬ bürgerschaft ist. Als Ortsfremde werden jene Personen angesehen, die nach dem 1. Sept. 1938 in Steyr Aufenthalt genommen haben An alle Ausländer und ortsfremde Dersonen kann ab sofort eine Lebensmittelzuteilung nicht mehr erfolgen. Wer sich von den genannten Personen Lebensmittelkarten oder Lebensmittel erschleicht, wird gerichtlich bestraft In Ausnahmefällen können an Ausländer und ortsfremde Personen Aufenthaltsgenehmi¬ gungen erteilt werden. Gesuche um Aufenthalts¬ genehmigung sind schriftlich beim Bürgermeister¬ amt Steyr=Ost einzubringen. Das Gesuch hat zu enthalten: Name, Stand, Adresse, für wieviel Personen die Aufenthaltsbewilligung angesucht wird und aus welchen Gründen ein Verbleib in Steyr unbedingt notwendig erscheint. Jeder, der eine Aufenthaltsgenehmigung erhält, ist verpflichtet, diese beim Meldeamt der Polizei in Steyr, Bahnhofstraße Nr. 14 vorzulegen. Die Aufenthaltsgenehmigung berechtigt zum Be¬ zug von Lebensmittelkarten für die laufende Deriode Ausländer und ortsfremde Dersonen dürfen in die Hausliste nicht ausgenommen werden. Wer von diesen Personen irrtümlich auf die Hausliste gekommen ist, hat seine Streichung zu veranlassen. Wer gegen diese Anordnung verstößt, wird strengstens bestraft. Bekanntmachung. Alle Einwohner von Steyr=Stadt und Steyr¬ Land werden aufmerksam gemacht, daß die Standesämter nach wie vor zur Registrierung von Geburten, Todesfällen zuständig sind und auch die Eheschließungen vorzunehmen haben. Alle noch nicht registrierten Geburten, Todes¬ fälle und Eheschließungen sind sofort dem zu¬ ständigen Standesamt anzuzeigen. In Steyr befin¬ det sich das Standesamt, Dachergasse 1. Zuwider¬ handlungen werden strengstens geahndet. Verbot von Preissteigerungen: Die Bevölkerung von Steyr=Stadt und Steyr¬ Land wird darauf aufmerksam gemacht, daß die Dreise für alle Waren nach den bisher gelten¬ den Bestimmungen zu bilden sind. Es dürfen daher die Dreise nicht eigenmächtig erhöht werden. Wer gegen dieses Verbot verstößt, wird gerichtlich bestraft. An die Erzeuger von landwirtschaftlichen Prockukten: Alle Bauern, Landwirte und sonstigen Er¬ zeuger von landwirtschaftlichen Produkten werden hiemit aufmerksam gemacht, daß sie auch im Jahre 1945 verpflichtet sind, ihre Er¬ zeugnisse in der gleichen Höhe wie im Jahre 1944 an die zuständigen Abgabestellen abzu¬ liefern. Wer dies unterläßt, hat mit schärfsten Strafmaßnahmen zu rechnen. Die Abgabe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aller Art an Personen, die sich nicht mit einer ordnungs¬ mäßig ausgestellten Bescheinigung der zuständi¬ gen Wirtschaftsämter ausweisen, ist unstatthaft und wird gerichtlich bestraft. Warnung! Allen Einwohnern von Steyr wird hiemit in Erinnerung gebracht, daß der Bezug von Lebensmitteln beim Erzeuger ohne Berechtigung (Hamstern) nach wie vor strengstens untersagt ist und Zuwiderhandelnde mit ihrer sofortigen Verhaftung und späteren gerichtlichen Bestrafung zu rechnen haben. Der Bürgermeister: gez. Kahlig.

Stenrer Wochenblatt Seite 6 Das lebende Telefon. Ein aktuelle Plauderei von Karl Frank. Seit Steyr freundschaftlicherweise tranchiert wurde, halten die Einwohner rechts und links der Enns zusammen wie die Kletten. Man hört dabei, wenn man sich Zeit nimmt, Gespräche, die an Ur¬ wüchsigkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Zum Ergötzen einer kommenden Nachwelt lasse ich hier einige Proben folgen. Ein Heimkehrer auf der linken Ennsseite setzt ich mit seiner herbeigeholten besseren Ehehälfte solcherart in Verbindung: (Bildet mit den Händen einen Trichter.) Grüß di Gott, Mirzl! Da bin i wieder!“ Sie: „Grüaß di, Ferdl! Wia geht's da denn Er: „Muaß schon tuan! Sobald d' Bruck'n aufg'macht wird, kimm i zu dir umi!“ „Is schon recht! Woar's z'erst net so Sie: is jetzt a nöt so trawi!“ pressant ... (Sollte „sie“ es mit einem Anderen „trawiger 2) haben Ein Mädel am rechten Ennsufer zu seinem Vater am anderen Ufer: — „Was denn?“ „Geh' sei „Du Vater!“ so quat und sag da Muatta, das schwarze Kladl, woaßt, das mit'n weißen Einsatz, is ma schon um Zentimeter z’weit!“ — (Hoffentlich hat der zehn Herr Vater der Frau Mutter die erschütternde Neuig¬ keit schon ausgerichtet Ein Mann am linken Ufer, mit seiner Stimme zu seiner Frau: noch kräftig beisammen, schreit — „Ja!“ „Hallo! hallo! Vastehst mi?“ „Is geh dann zum Lenzenwöger! (Kolossale guat! I Leistung!) Und nu was, der Parteigenosse Lötsch hat zwoanz'g Joahr kriagt! Jötzt wird's bösser! Sag's aber neamd!" (Dabei stehen hier die Leute, die sich den Bauch halten vor Lachen.) Ein Mann links der Enns: Hallo, vastehst mi?“ Sie, rechts der Enns: „Bis jötzt vasteh i di! Fett Er: „Is woahr, daß no allweil koa S 2“ habt's Für Sie: „Ja! Mir ham überhaupt nix! die alten Leut gschiacht eh nix! Dö machen's nimmer mit!“ lang Er: „Traurig!“ Sie: Jawoi! Sehr trauri! I hab a schon zwögn dem Dröck Roßfleisch seit zwei Tagen Bauch¬ (Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!) weh!“ Er vom linken Ufer: „Du Poldi! „Wia ham denn?“ mas Sie (hinüberbrüllend): „Da kann ma über¬ nimmer rödn. I hab schon vier Tag koan haupt Stuhl! * (Ich empfehle der Beschwerdeführerin drin¬ „Isacen!“ gend □ kommt: „Nicht sreien! Vror¬ „Er“ en! pot Soviel für heute! Unserem werten Leserkreise werden folgende Geschäfte empfohlen: Karl Petzwinkler Rudolf Huber Café Bahnhof Fleischer und Selcher HHHHHIHIEZETZEEE Steyr, Bahnhofstr. 11 Steyr. Haratzmüllerstraße 46 Café Bahnhof wieder geöffnet! empfiehlt gute Lieferung von Fleisch-und Wurst¬ Für gute Bedienung ist gesorgt! waren und ist für beste Kundenbedienung bemüht! Täglich Tanzkonzert! Buch- u. Steindrucketei E. PRHEV Z EI Steyr, Pacherg.3, Tel. 34. Empfiehlt sich zur Herstellung aller Drucksorten für Private, Handel, Industrie und Gewerbe. Franz Bauernfreund Karl Scholz, Steyr, O.=öst. Dampfbäckerei Bahnhofstraße 1-3. Steur, Ober-Öst. = Lebensmittelhandel Telefon Nr. 517/6 Verkauf: 8 bis 11 Uhr und 14 bis 16 Uhr. ist stets bemüht, das Beste zu bieten. Franz Päckert Anton Wörndl Feischer u. Seicher Steyr Fernruf 99 Johannesgasse 5 : Pferdefleischhauer Gebe der Bevölkerung von Steyr und Umgebung bekannt, Steyr, Haratzmüllerstr. 17-19 daß ich Freitag nachmittags von 13·30 Uhr und Samstag Telefon 101 von 6 Uhr früh bis 12 Uhr mittags mein Geschäft vorläufig Bin bestrebt, meine Kunden geöffnet habe. bestens zu bedienen. Bitte meine früheren Kunden wieder um ihren Besuch. Recdation und verlag: Damberggasse 1. — Druch: Emit Priene), Stepr.

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