Steyrer Wochenblatt, Juni 1945, Blatt 3

Steyrer Wochenblatt Seite 3 Stelle Unterstützung beziehen. Es wird ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß nur in den aller dringendsten Fällen Unterstützung beansprucht werden oll. Die ausbezahlten Gelder sind als Ueberbrük kungszuschüsse zu betrachten, die später von der weiterlaufenden Fürsorgeunterstützung oder Rente abgerechnet werden. Nachdem in erster Linie die — Lokalnachrichten Bürgermeister Kahlig beim Kanzler Eine Abordnung von Gemeindevertretern unte Führung vom Bürgermeister Hans Kahlig fand sich dieser Tage beim Staatskanzler Dr. Renner und verschiedenen Sekretären ein. Der Kanzler zeigte leb¬ haftes Interesse für die mannigfachen Probleme unserer Stadt. Die Abordnung wies darauf hin, daß unser dringendstes Problem, die Sicherung der Er nährung sei und Sofortmaßnahmen getroffen werden müßten. Auch die Frage der Zukunft unserer Stadt und das Schicksal der hart bedrängten Steyr=Werke bildete den Gegenstand des Gedankenaustausches. Der Kanzler wies mit souveräner Ruhe und Sachkenntnis die Abordnung an, die Sache unserer Stadt tatkräf¬ tig in die Hände zu nehmen und gab der Versicherung Ausdruck, daß die Staatsregierung ebenfalls das Möglichste tun werde, die Eisenstadt vor dem Verfall zu retten Staatssekretär Dr. Schärf zeigte reges Interesse für die Steyrer Verhältnisse. Er versprach, für die Einleitung von Sofortmaßnahmen Sorge zu tragen Beim Staatssekretär für Inneres, Honner, wurd die Abordnung ebenfalls zu einer längeren Aussprache empfangen. Der Staassekretär wies darauf hin, daß die Probleme der Stadt im wesentlichen von uns selbst gelöst werden müßten. Hinsichtlich der Polizei frage war der Staatssekretär mit der vorläufiger Errichtung einer Gemeindepolizei einverstanden. Bie zur Reorganisierung der Gendarmerie und Aufstellun einer Bezirkshauptmannschaft, ist auch die Durchführung der Aufgaben der Gendarmerie unserer Gemeinde¬ polizei übertragen. Von den zuständigen Stellen der Justiz=Verwaltung wurde bekannt gegeben, daß in Bezirk Steyr=Ost, ein Kreis= und Bezirksgericht er¬ richtet worden sind. Diese Gerichte haben ihre Tätig¬ keit bereits aufgenommen. Die Vorsprache der Stadt¬ vertreter beim Staatsamt für Finanzen, brachte die Gewißheit, daß die bisher getroffenen finanztechnischer Maßnahmen, in Ordnung abgewickelt wurden. Bis zur weiteren Klärung der Grenzfrage, ist auch die Hilfe dieses Staatsamtes gewiß. Der Staatssekretär ür Ernährung, Korp, ließ sich den Bericht der Ver¬ treter von Steyr tief beeindrucken und war zum Schlusse mit unseren Vorschlägen im Prinzip einver standen. Auch er war der Überzeugung, daß für die Ernährung Sofortmaßnahmen ergriffen werden mü߬ ten. Der Staatssekretär konnte als erste Hilfe der Regierung, die Lieferung von 50.000 kg Kartoffeln und einer größeren Menge Getreide versprechen, welche mithelfen würden, den Anschluß an die nächste Ernte zu sichern. Diese Lieferungen sind jedoch bedingt vor dem Umstand, daß wir die Transportfrage selbst lösen müßten. Da außer dem Stadtteil Steyr=Ost, auch noch der Bezirk Steyr=Land, zwischen Enns und alter Landesgrenze, von seiner Hauptmannschaft ab¬ getrennt worden ist, war es unerläßlich, hier ebenfalls ein Provisorium aufzustellen. Im Einvernehmen mit der Landeshauptmannschaft Niederösterreich, vertreten wirklich Fürsorgebedürftigen berücksichtigt werden und zur Zeit nur beschränkte Geldmittel greifbar sind ollen alle anderen bis zur endgültigen Regelung der unklaren Verhältnisse warten. Im allgemeinen stellen wit est, daß alle Ansprüche auf Renten, Pensionen usw. aufrecht bleiben und mit der endgültigen Klärung der Verhältnisse normal weiterlaufen. durch den Landesamtsdirektor Dr. Vanura, wurde vorbehaltlich der Zustimmung der Staatsregierung ein Abkommen dahin abgeschlossen, daß für die Dauer der Abtrennung unser Bezirk als selbständige Haupt¬ mannschaft dem Lande Nieder=Oesterreich angegliedert wird. Um in diesem Bezirk, der ja hauptsächlich ir industrieller und forstwirtschaftlicher Beziehung, Be¬ deutung genießt, auch hinsichtlich der Ernährung icherzustellen, wurden im Einvernehmen mit der Landeshauptmannschaft Nieder=Oesterreich einige Nach bargemeinden verpflichtet, ihre Erzeugungs=Überschüsse an landwirtschaftlichen Produkten, ausschließlich un¬ erem Bezirk zugutekommen zu lassen. Unsere Vertreter hatten Gelegenheit, mit einer Reihe von Fachleuten über verschiedene verwaltungs¬ technische und kulturelle Fragen zu verhandeln. Von der Fahrt nahmen alle Vertreter unserer jungen Ge¬ meinde die Gewißheit mit nach Hause, daß sie auf dem rechten Wege sind ihren Anteil zur Errichtung eines freien, demokratischen Oesterreichs beizutragen Ein Wort an die Geschäftsleute und Gewerbetreibenden von Steyr! Als die Kriegsmaschine des Faschismus au höchste Touren lief, die Arbeitskräfte und Rohstoffe aber knapper und knapper wurden, forderte der Nazismus, Totalisierung des Krieges. Das hieß, rücksichtslosen Einsatz aller verfügbaren Kräfte, zur Erfüllung seiner wahnsinnigen Eroberungspläne. So wie der Arbeiter und Bauer durch brutalsten Terror gezwungen wurde, seine letzten Kräfte dem Moloch¬ Faschismus zu opfern, zwang er nun die Kaufleute und Gewerbetreibende vor seinen Kriegswagen. Un¬ ter der Parole: Einsparung von Arbeitskräften und Energien für den nazistischen Krieg, wurden die Läden und Geschäfte der ihm unliebsamen Steyrer Handwerker und Geschäftsleute geschlossen. Ihre Waren= und Materialbestände mußten abgeliefert jede Verbindung mit ihren Lieferfirmen eingestellt werden. Die Inhaber der Geschäfte wurden entweder zum Militär oder zur Kriegsindustrie eingezogen. Nun, da wir frei von faschistischer Tyrannei, unser Schicksal wieder selbst formen können, wird bestimmt jeden österreichische Geschäftsmann interessiert sein, seinen Betrieb so rasch als möglich, wieder in Gang zu setzen. Nicht resignieren, kein Abwarten auf „bessere Zeiten“, die nie kommen werden, wenn wir nicht elbst Hand anlegen, das wirtschaftliche Elend zu meistern. Die Instandsetzung der Geschäfte, Über prüfung der noch vorhandenen Warenbestände, Rück ührung der Waren aus den Ausweichlagern und Wiederaufnahme der Geschäftsverbindung mit den alten Lieferanten. Die rascheste Ankurbelung unseres Wirtschaftsapparates, ist das Gebot der Stunde. Es ist daher Pflicht jedes österreichischen Kaufmannes und Gewerbetreibenden, mit aller Energie an der Wiedereröffnung seines Geschäftes zu arbeiten. Geschäftsleute und Handwerker! Wendet Euch an den Gewerbereferenten vor er der Stadtverwaltung Vinzenz Ribnitzky,

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