Steyrer Wochenblatt, Juni 1945, Blatt 3

Seite 4 Steyrer Wochenblatt wird Euch soweit es in seiner Kraft liegt, mit Ra und Tat unterstützen. Nur aktivste Mitarbeit Aller wird uns den Weg zu einem gesunden und normaler Wirtschaftsleben erleichtern Die Volksinitiative. Die neue Molkerei der Gemeinde Steyr übergeben Am Donnerstag wurde im Beisein des Bürger¬ meisters, einiger Stadtvertreter und dem Vertrete der Komm. Partei die neue Molkerei in der Pacher gasse der Stadtgemeinde übergeben. Diese Molkerei wurde eine Notwendigkeit für uns, um die drin gende Fettversorgung für unsere Bevölkerung rechts der Enns zu sichern. Sie entstand in Gemeinschafts¬ arbeit und ist ein schöner Beweis der Volksinitiative die dort anpackt und die Probleme löst, wo sie am dringendsten sind. Unser Vertreter hatte Gelegenheit anläßlich der Ingangsetzung des Betriebes die Anlage zu besichtigen. „Not macht erfinderisch“, meinte Herr Bar¬ zaba, und seine Mitarbeiter lächelten voll Stol und Freude in den Augen, über das gelungen Werk. Die Transmissionen schwirren und die Zentri¬ ugen entleeren ihre Milch in die davor stehender Kannen. In die eine läuft der Rahm, in die ander die Magermilch. Sofort wird der Rahm in die sauber in Reihen montierten Butterfässer gebrach und dann geht das Buttern los. Herr Barzaba und einer seiner Mitarbeiter hatten die Freundlichkeit, uns den Betrieb zu er klären. Sie zeigten uns verschiedene Einrichtungen die notwendig waren, um dem Betrieb die Möglich¬ keit zu geben, einwandfrei zu funktionieren Da stehen bereits vier mittlere Kessel mit einem Fassungsvermögen von 300 Liter. Die Milch wird angeliefert, in die Kessel gefüllt und läuft durch eine Leitung direkt in die Zentrifugen. Eine Warm wasseranlage umspült die Kessel und bringt die Mild auf die Temperatur, welche für die vollwertige Ent rahmung der Milch notwendig ist. An den Butter¬ fässern befinden sich Schaugläser, durch die der stän dige Fortgang der Verbutterung kontrolliert wird Ein anderer Raum steht vor seiner Vollendung Draußen ist ein heißer Tag und wir empfinden die Kühle angenehm, die in dem kleinen Raum herrscht. Hier wird die Butter gelagert werden. Bereits vorhandene Kühlschlangen gestatten eine besondere Tiefkühlung der Temperatur und erhalten die Frische der ge¬ lagerten Butter. Auch ein eigenes, bescheidenes Laboratorium wurde eingerichtet. Mit Amylalkohol und Schwefel säure wird im Butrimeter ständig die Butter auf Fettgehalt geprüft Dann erzählte uns Herr Barzaba über die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, bevor das Werk gelang. Am Anfang war nichts, könnte man sagen. Eine ehemalige Bierbrauerei in der Pachergasse, die in den letzten Jahren zur Bier¬ lagerung diente, schien das geeignetste für unseren Zweck. Die Räume waren zwar stark mitgenommen vom letzten Bombenangriff, aber die Kühlanlage wan noch intakt geblieben und das war ausschlaggebend Unter tatkräftiger Mithilfe von Ing. Böhm, der die notwendigen Berechnungen machte, Freisinger, Olbrich, Pilat, Schmoll und Wotawa sowie tüchtige Handwerker, die uns das Arbeitsamt ver¬ mittelte, gingen wir ans Werk. Wir trugen die einzelnen Brocken: Transmissionen, Motoren usw. die nun einmal für die Einrichtung einer Molkere notwendig sind, mühselig zusammen. Immer wieder drohte die Sache an den Schwierigkeiten zu scheitern, die sich vor uns auftaten. Unser Wille überwand edoch auch diese. Tischlermeister Rust fertigte ämtliche Tischlerarbeiten, Tische usw., kostenlos an. Paus und seinet Auch die Mitarbeit des Baupoliers Leute, Malermeister Kufner, Installationsfirma Schützner und Kühlanlagenfachmann Reiter, alle aus Steyr, trugen zum Gelingen bei Wenn man jetzt die Anlage betrachtet, die neuen Miniatur=Zentrifugen, welche der prov. Landrat Herr Jahn beschaffte, den sauber gewaschenen Steinfuß boden, in dem sich die weißgetünchten Wände spiegeln o kann man die Befriedigung der wackeren Männer nachfühlen Man rechnet mit einer Anlieferung von maximal 5000 Liter Milch täglich, die eine Butterauslieferung 120 Kilo ergeben würde. von se Unsere Hausfrauen bekommen wieder das lang entbehrte Fett in den Kochtopf und manchmal vielleicht auch für die Kinder das ersehnte Butterbrot 15.000 Kilo Getreide. Der Landbezirk Haag ist bereit, für die Stadt Steyr diese Getreidemenge zu liefern, wenn er vor uns rund 200 Erntehelfer bekommt. Ebenfalls 100 hat Ternberg 100 Arbeitskräfte und Neustift Landhelfer als notwendig angemeldet. Wie wir dazu vom Arbeitsamt erfahren, macht es immer wieder große Schwierigkeiten, die notwendigen Arbeits kräfte für die Einbringung der Ernte zu vermitteln Unsere Bevölkerung hat leider immer noch nicht den Ernst unserer Ernährungslage erfaßt. Die zuständigen Behörden richten daher noch einmal den leidenschaft¬ lichen Appell, wann an sie die Aufforderungzum dieser Arbeitseinsatz in Stadt oder Land ergeht, unbedingt Folge zu leisten. Die Ernährung muß unter allen Umständen gesichert werden Aus den Landgemeinden Volksversammlung in St. Valentin! Am Sonntag den 17. Juni, fand eine gut be¬ suchte Volksversammlung statt. Nach der Begrüßung durch den Betriebsratsobmann des Ni=Werkes Gen Ohlinger, sprachen der Bürgermeister von St Valentin und in Vertretung der Bezirksleitung Steyr der K. P. O. Gen. Petrak. Der Redner betonte daß sich die Parteien nicht in den Parlamenten und Gemeindestuben zu selbstverzehrenden parteiegoistischer Streitigkeiten zusammensetzen, sondern sich zur ge¬ meinsamen Beratung zusammensinden, um die Sorgen unseres Volkes zu beheben und das Land aus seiner urchtbaren Lage herauszuführen Zu dieser Aufgabe müssen aber auch alle Re¬ serven und Kräfte unseres Volkes mobil gemacht werden. Es muß auch dafür gesorgt werden, daß in den össentlichen Aemtern keine nazistischen, kriegs verbrecherischen Elemente haften bleiben, daß keine Sabotage in der Durchführung der Beschlüsse unserer Regierung vorkommen können. Die Versammlung forderte den schnellsten Zusammentritt der Volks¬ tribunale zur Aburteilung der Schuldigen. Ebenso soll auch dem einfachen ehemaligen Mitglied der NSDAP., das sich durch anständiges Benehmer keines Kriegsverbrechens schuldig machte, der Weg zur aktiven Teilnahme am Wiederaufbau nicht ver¬ sperrt bleiben.

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