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Wirklichkeitserfahrung im Februar 1934 bis in die Gegenwart meines
Alters verfolgen lässt. Dabei war die heute so gefällige
Unterscheidung zwischen Täter und Opfer ein großer Stolperstein,
der den Weg zu einer differenzierenden Sicht massiv versperrte. Wir
Zeitgenossen waren oft Zeitzeugen von Geschehnissen, deren
Bedeutung wir, abgestumpft durch Indoktrination meist nicht
erkannten, dann auch manchmal Mittäter, überzeugt von der
Rechtmäßigkeit unseres Tuns und schließlich, nicht selten als Folge
unseres eigenen Verhaltens, Verfolgter und Opfer. Der amerikanische
Psychologe Mark Freeman fand dafür den sehr treffenden Begriff,
„the messiness of history". Jemand der ehrlich sich bemüht, seine
bewusst erlebte Geschichte, die für mich mit den Februar-Ereignissen
1934 begonnen hat, über Krieg und Wiederaufbau und all die
Umbrüche dieser Jahre bis zu den Krisen der globalisierten Welt von
heute reicht, zu erzählen, steht wohl vor einer schwierigeren, wenn
nicht überhaupt unlösbaren Aufgabe als all die Memoirenschreiber
früherer Generationen.