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Die Februarkämpfe 1934 in Steyr in der Erinnerung eines

Neunzigjährigen, oder aus der Sicht eines Zehnjährigen?

Stefan Zweig berichtet aus Wien über die bürgerkriegsartigen

Ereignisse im Februar 1934, er habe nichts gesehen und auch nichts

gewusst. Ich habe als zehnjähriger Zögling des Franziskanerkonvikts

Vogelsang in Steyr auch nichts gewusst, aber viel gesehen. Schloss

Vogelsang, damals Knabenkonvikt des Franzikanerordens, vom

Waffenfabikanten Werndl im Neo-Renaissancestil auf einer leichten

Anhöhe inmitten der Stadt Steyr erbaut, bot einen günstigen

Beobachtungsort vor allem für die Artillerieeinschläge in der

Arbeitersiedlung auf der gegenüber liegenden Ennsleite. Dort hatte

sich der Schutzbund, die Wehrorganisation der sozialdemokratischen

Partei, in den Eckhäuse

rn festgesetzt.

Montag, 12. Februar 1

934, begann als Schultag wie jed

er andere. In

der kurzen Freizeit zwischen Mittagessen und Studium spielten wir in

dem weiträumigen Park des Schlosses, als wir hinter dem eisernen

Parkgitter Richtung Industriehalle plötzlich Protestrufe hörten und

gleich darauf sahen, wie eine Handvoll aufgeregt diskutierender und

gestikulierender Männer von einer Polizeieskorte, Gewehr mit

aufgepflanztem Bajonett im Anschlag, vor sich hergetrieben wurde.

Niemand erklärte uns, was hier vorging, als wir bald darauf durch ein

Pfeifsignal des Präfekten in den Studiersaal zurückgerufen wurden.

Dort wurde uns nur streng aufgetragen, uns nicht in der Nähe der

Fenster zur Stadtseite hin aufzuhalten. Dass etwas

Außergewöhnliches im Gange war, wurde uns aber spätestens am

nächsten Morgen während der Frühmesse in der Hauskapelle klar, als

ein Maschinengewehr zweimal ziemlich lang und laut losbellte, fast

gleichzeitig mit dem zweimaligen Läuten des Ministranten zur