Gemeinderatsprotokoll vom 24. Oktober 1931

Niederschrift über die 4. ordentliche Sitzung des Gemeinderates der autonomen Stadt Steyr am Samstag, den 24.Oktober 1931. Tagesordnun Referent Bürgermeister-Stellvertreter Anton Azwanger: Punkt 1.) Winternotstandsaktion. Anwesende: Vorsitzender Bürgermeister Franz Sichlrader, die Bürgermeister-Stellvertreter Anton Azwanger und Rudolf Marktschläger, die Stadträte: Dedic Karl, Dressl August, Klement Karl, Knabl Ferdinand, Schlossgangl Leopold, Dr. Schneeweiss Rudolf, die Gemeinderäte: Chalupka Elise Sieberer Michael Daspelgruber Josef Schöner Johann Firbas August Schwitzer Erna Steiner Florian Grafleitner Josef Steiner Johann Hamberger Josef Tribrunner Franz Hofmann Julius Urban Josef Kirchberger Josef Voglsam Josef Kolaritsch Josef Weindl Anton Leitzinger Karl Peyrer-Angermann, Dr. Vom Magistrate: Magistratsdirektor Dr. Ferdinand Häuslmayr, als Schriftführer: Verw. Oberkommissär Hans Sichlrader.

Der Vorsitzende Bürgermeister Franz Sichlrader eröffnet um 15 Uhr 14 die Sitzung, konstatiert die Beschlussfähigkeit und gibt bekannt, dass nachstehende Mitglieder des Gemeinderates als entschuldigt zu gelten haben: Stadtrat Hans Roithner, die Gemeinderäte Alois Huemer, Franz Schrangl, Pfaff Johann, Hans Witzany, Friedrich Schickl und Dr.Leopold Breitler. Unentschuldigt ist der G.R. Rudolf Berger der Sitzung ferngeblieben. Vor Eingehen in die Tagesordnung teilt der Vorsitzende mit, dass der kommunistische Gemeinderat Wilhelm Grossauer infolge Abreise sein Mandat zurückgelegt hat und an dessen Stelle sein Listennachfolger Josef Urban, Schlosser in Steyr, Gleinkergasse Nr. 16 von der kommunistischen Partei namhaft gemacht wurde. Hierauf nimmt des Vorsitzende die Angelobung des bereits zu dieser Sitzung erschienenen neuen Gemeinderates Josef Urban, sowie die Angelobung des erstmalig erschienenen Stadtrates August Dressl im Sinne des § 14 Abs. 4 des Gemeindestatutes der Stadt Steyr vor. Als Niederschriftsprüfer bestimmt der Vorsitzende die Gemeinderäte Josef Grafleitner und Josef Hamberger. Weiters teilt der Vorsitzende noch mit, dass im Laufe der letzten Zeit verschiedene schriftliche Anfragen an ihn gestellt wurden, die er aber mit Rücksicht auf den ausserordentlichen Charakter der heutigen Sitzung erst in der nächsten Gemeinderatssitzung, die demnächst stattfinden wird, beantworten werde. Was den Umstand betrifft, dass die bereits fällige Gemeinderatssitzung bisher noch nicht einberufen wurde, führt der Vorsitzende zur Entschuldigung an, dass das Magistrats-Präsidium in der verflossenen Zeit nicht nur die umfangreichen Angestelltenverhandlungen, sondern auch grössere Verhandlungen auf finanziellem Gebiete durchzuführen hatte und sonach die Verzögerung in Einberung der Sitzung eingetreten ist. Sodann erteilt der Vorsitzende dem Referenten BürgermeisterStellvertreter Anton Azwanger zu Punkt 1 der Tagesordnung das Wort:

Der Referent Bürgermeister-Stellvertreter Anton Azwanger führt folgendes aus: Sehr verehrte Frauen und Herren ! Der Gemeinderat hat sich heute zu einer ausserordentlichen Sitzung versammelt um in schwerster Zeit die Vorbereitungen zur Notaktion für den Winter 1931/1933 zu beraten. Diese Notaktion hat die Aufgabe, den Opfern der furchtbaren Krise über die ärgste Gefährdung ihrer Existenz wenigstens während der Wintermonate hinüberzuhelfen. Ungeheure Not herrscht in dieser Stadt. In ihr leben tausende Menschen denen Sattessen nur Erinnerung ist. Gewiss, diese Menschen sind's schon gewöhnt zu darben und vom Dürftigen sich noch etwas abzusparen für die Zeit des Mangels und wenn die erhöhte Not sie dazu zwang. Aber nun sind sie am Ende und wollte auch der Wille noch mit, der Leib versagte ihm den Dienst. Es ist keine Phrase: Eine Stadt stirbt. Und zehntausend Hände warten auf Arbeit ... warten vergebens. Wie in den Monaten unmittelbar nach dem Zusammenbruche werden die Kinder dieser Stadt von Arbeitern anderer Orte zu Gast geladen, um diese unschuldigsten Opfer nicht im Elend verkommen zu lassen. Es liegt an den Glücklicheren in unserer Stadt, zu verhüten, dass diese Buben und Mädeln zum leiblichen Mangel nicht auch noch die Armut der Seele, das Entbehren des Verstehens und das Vermissen der Menschenliebe zu tragen haben. Die Mehrzahl der Mitglieder des Gemeinderates ist sich vollkommen klar darüber, dass selbst das weiteste Ziel der Aktion, der grösste Erfolg aller Sammlungen nicht imstande sind, das Uebel an der Wurzel zu fassen und die Tatsache, dass in dieser Stadt Tausende und Tausende in erbarmungswürdigster Not leben, in einem Elend leben, das wahrlich kene Steigerung mehr erfahren kann, wesentlich zu mildern. Die Mehrzahl der Mitglieder

des Gemeinderates ist der Ueberzeugung, dass man soziale Epidemien und eine solche ist die entsetzliche Krise, die wir jetzt erleben, nicht mit der Arznei Wohltätigkeit und Almosen heilt. Es wäre aber ein Aufgeben ihrer selbst, wollte die Bevölkerung dieser Stadt tatenlos, teilnahmslos die Hände in den Schoss legen und sich in stummer Resignation etwa denken: "Komme, was kommen mag." Die Bewohner dieser Stadt hätten alle wahrlich Ursache über Herkommen, Inhalt und Folgen dieser Katastrophe nachzudenken. Das wäre notwendig, um allseitiges und richtiges Erkennen für die Tatsache zu gewinnen, dass aus einer Stätte des Fleisses, einer Stadt, deren Erzeugnisse die Kunde von ihrer erstrangigen Wertigkeit in alle Welt trugen, dass aus solcher Stätte die Stadt namenlosen Elends wurde, eines Elends, dem man fassungslos gegenübersteht. Die Schuld daran tragen wahrlich nicht die, die heute Opfer sind! Das Heer der Menschen, die überflüssig geworden sind im Produktionsprozess heischt Hilfe. Die kann diesen Ausgesteuerten des Lebens aber nicht werden durch Forderungen die von den Kommunisten in Versammlungen erhoben werden. Es heisst die Not der Massen als Vorspann für demagogische Phrasen missbrauchen, wenn verlangt wird, dass alle Arbeitslosen eine Winteraushilfe von mindestens S 50.- aus Gemeindemitteln erhalten, weil diese Leute nicht im Unklaren darüber sein können, dass der Gemeinde diese Mittel nie und nimmer zur Verfügung stehen. Es ist Demagogie, wenn der Bau neuer Brücken und Häuser von einer Gemeindeverwaltung verlangt wird, von der alle Bewohner der Stadt genau wissen, dass die Beistellung eines Paares Schuhe ein Problem bedeutet. Das heisst, Verzweifelte als Morituri in die politische Arena treiben. Die zuständigen und verantwortlichen Stellen haben sich über die notwendigen Massnahmen beraten und es ist nun meine Aufgabe, dem Gemeinderat Bericht zu geben, von ihm weitere

Anregungen zu bekommen und schliesslich die Bewilligung zur Durchführung der Aktion zu erhalten. Für die Notstandsaktion dürften insgesamt 7000 - 8000 Personen in Betracht kommen. Die amtlichen Feststellungen ergaben: ca. 1000 Personen die ohne jedes Einkommen sind. Hievon sind 700 im Arbeitsamte gemeldet. 1890 Personen stehen im Bezuge der Notstandsunterstützung. Rechnet man die Familienangehörigen der Notstandsunterstützungsbezieher hinzu, ergibt das 3413 Personen. 890 Personen stehen im Bezuge der Arbeitslosenunterstützung; die Familienangehörigen dazu gerechnet, 1559 Personen. 830 Alters- und Kleinrentner. Rund 200 Personen, die von der Gemeinde laufende Armenunterstützung beziehen und endlich 275 von den Fürsorgeräten als einkommenlos angegebene Personen. Das ergibt die erschreckende Zahl von 7275 Menschen, die unter uns im furchtbarsten Elend leben. 30 %, mehr als ein Drittel der Bewohner dieser Stadt kennen einen gesättigten Magen und ein warmes Zimmer nur mehr vom Hörensagen. In den Kreis der Befürsorgten sollen vorerst und unbedingt alle jene einbezogen werden, die ohne jedes Einkommen sind. Das sind rund 1400 Personen. Nach Massgabe der Mittel ist an die Erweiterung der Fürsorge auf Bezieher der Notstandsunterstützung auf Alters- und Kleinrentner, auf kinderreiche Familien Arbeitsloser gedacht. Die Mittel zur Aktion sollen aufgebracht werden durch den Bund, das Land, durch Sammlungen und eigene Mittel. Die Bundeshilfe wird voraussichtlich nicht allzureichlich ausfallen. Sie soll sich nur auf jene erstrecken, die nach dem 3. August 1931 ausgesteuert wurden. Das Land führt eine eigene Aktion durch, deren Ergebnisse den Notstandsgebieten zur Verfügung gestellt werden soll.

Zu diesen Notstandsgebieten zählt auch unsere Stadt. Die Sammlungen werden mit Listen von Haus zu Haus durchgeführt und bitte ich von dieser Stelle aus den Hausbesitzerverein um seine Unterstützung. Das Komitee will Rechenblocks an alle Gastwirte, Kaufleute und Fleischhauer ausgeben. Jedes Blatt dieser Blocks soll die Ueberschrift "Notstandsaktion Steyr 1931" tragen und auf 10 g lauten. Ich habe bereits mit dem Gremium der Kaufmannschaft und den in Betracht kommenden Genossenschaften deswegen verhandelt und die Zustimmung dieser Körperschaften bekommen. Endlich will sich das Komitee an alle die noch in erträglichen Verhältnissen leben um Spenden wenden. Soviel um Geldmittel aufzubringen. Die Aktion soll drei Hauptzweige haben: Ausspeisung Sorge für Kleider u. Wäsche Beheizung. Damit war auch der Weg der Vorarbeiten gegeben. Die Sammlung von Lebensmitteln ist folgend gedacht: Aufbringung im Stadtgebiete durch Sammlungen bei Kaufleuten, Fleischhauern und Bäckern, Aufbringung im Landbezirke durch die Aktion des Bauernbundes, der es durch sein Entgegenkommen ermöglichte, dass in den Landgemeinden des Bezirkes Steyr-Land Gemeindekomitees gebildet wurden, die sich mit der Aufbringung von Lebensmittel - Geld ist ja unter der Bauernschaft rar geworden befassen. Diese Gemeindekomitees sind mit uns in Verbindung zu bringen und werden uns regelmässige Mitteilungen über das Aufgebrachte zukommen lassen. Das Stadtkomitee Steyr hat die fallweise Abberufung der Vorräte zu veranlassen. Ich danke von dieser Stelle dem Bezirksbauernbund Steyr für sein Entgegenkommen. Es sind auch bereits Ersuchschreiben an verschiedene Grossunternehmungen um Lebensmittelspanden abgegangen, die auch schon teilweisen Erfolg hatten.

Diese Lebensmittel sollen nicht an Einzelne abgegeben werden, sondern in einer Ausspeisung Verwendung finden. Die Ausspeisung ist gedacht in der Kantine der Steyr-Werke und wir sind überzeugt, dass die Direktion dieser Werke uns die Räumlichkeiten für diesen Zweck gewiss zur Verfügung stellt. Der Umfang dieser Ausspeiseaktion ist natürlich abhängig von der Menge der aufgebrachten Lebensmittel. Das Stadtkomitee will sich mit einem Aufruf an die Bevölkerung Steyrs wenden um für die notleidenden Kinder Kostplätze bei Steyrer-Familien zu erhalten. Alle Steyrer werden unter der Devise „Eins geht mit“ gebeten werden, ein hungerndes Kind zu Gast zu laden oder wo dies nicht möglich sein sollte, durch Geldablöse die Verabfolgung von Speisen an hungernde Kinder zu ermöglichen. Selbstverständlich läuft auch in diesem Winter eine eigene "Kinderhilfsaktion". Die Spenden hiefür laufen befriedigend ein und sind nicht abgeschlossen. Eine Reihe von Vereinen hat sich in den Dienst dieser Kinderaktion gestellt, denen ich hiefür den herzlichsten Dank ausspreche. Anfangs November veranstaltet das Fürsorgeamt im Verein mit Frau Rescheneder und Frau Direktor Bayer einen "Bunten Abend". Die Mitwirkenden sind Linzer und Steyrer Kunstkräfte. Das Erträgnis dieser Veranstaltung fliesst zur Gänze den notleidenden Kindern zu. Zur Aufbringung von Kleidern ist eine Brockensammlung bei allen Wohnparteien geplant und bitte ich auch da wieder die Hausbesitzer um ihre Mitwirkung. Der Aufruf zur Sichtung und Bereitstellung ist bereits ergangen, das Abholen erfolgt durch Organe des Fürsorgeamtes. An dieser Stelle bitte ich die Vorstände der verschiedenen Frauenvereinigungen der Stadt um Mithilfe beim Umändern bezw. Ausbessern. Es gingen Ersuchschreiben an verschiedene Vereinigungen und Grossfirmen um Kleider, Wäsche und Schuhspenden

bereits ab. Einzelne Spenden sind auch schon eingelangt. Heizmittel sollen aufgebracht werden durch eine Kohlenspende des Landes, durch Abgabe verbilligter Kohle und Holz durch die Kohlenhändler bezw. durch die Gemeinde. Zur Durchführung all dieser Aktionen, deren Bewilligung wir erbitten, soll ein Komitee gewählt werden. Das Präsidium schlägt vor: Dem Komitee gehören unter dem Vorsitz des Bürgermeisters an: Der Fürsorgereferent und der 2. Bürgermeister-Stellvertreter, je ein Vertreter der im Gemeinderat vertretenen Klubs, der Abteilungsvorstand des Fürsorgeamtes, eine Fürsorgeschwester und der Verwalter der städtischen Fürsorgeanstalten als Lagerhalter. Die letzteren drei sollen dem Komitee nur mit beratender Stimme angehören. Diesem engeren Komitee steht als Berater und Helfer ein grösseres zur Seite. Wir stellen uns vor: 1 Vertreter aus allen charit. Vereinen, insbesonders Frauen. Dieses grössere Komitee wäre fallweise einzuberufen und hätte den Rechenschaftsbericht des engeren Komitees entgegenzunehmen. Und nun soll aus Gedanken die Tat werden! Dem Massenelend soll entgegen gestellt werden die Kollektivhilfe. Jede Parteiung muss verschwinden angesichts der grenzenlosen Not. Wir rufen alle, die sich noch satt essen können, der Hungernden nicht zu vergessen. Wir rufen alle, die noch etwas entbehren können zur Hilfe, zur raschen Hilfe. Und wir sind überzeugt, dass die Aktion vollen Erfolg hat, dass sie werde ein Bekenntnis zum Glauben an wahre, wirkliche Liebe zum Nächsten !

Bericht. Für die Notstandsaktion dürften insgesamt 7 - 8000 Personen in Betracht kommen. Die amtlichen Feststellungen ergaben: 1.) ca. 1000 Personen, die ohne jedes Einkommen sind (Ausgesteuerte), hievon sind 700 im Arbeitsamte gemeldet. 2.) 1890 Personen stehen im Bezuge der Notstandsunterstützung; diese machen mit ihren Familienangehörigen zusammen 3412 Personen aus. 3.) 890 Personen stehen im Bezuge der Arbeitslosenunterstützung und machen mit ihren Familienangehörigen zusammen 1559 Personen aus. 4.) 712 Altersrentner. 5.) 118 quasikleinrentner. 6.) ca. 200 Personen, die laufende Armenunterstützung haben. 7.) 275 von den Fürsorger äten angegebene Personen. zusammen 7275. Einige hundert Personen dürften noch dazukommen, die amtlich nicht erfasst werden konnten, weil sie nirgends gemeldet sind. Hierauf stellt der Referent folgenden Antrag: Zl. 5886 Notstandsaktion für den Winter 1931/1932. Der Gemeinderat beschliesse: 1.) Für die Durchführung einer allgemeinen Notstandsaktion für die bedürftige Bevölkerung der Stadt Steyr für den Winter 1931/32 wird ein engeres Komitee bestellt, das aus dem Bürgermeister als Vorsitzenden, dem Fürsorgereferenten als Geschäftsführer, dem 2. Bürgermeister-Stellvertreter, und je einem Vertreter aus den im Gemeinderat vertretenen Klubs und mit beratender Stimme aus dem Vorstande des Fürsorgeamtes, einer Fürsorgeschwester und dem Verwalter der Fürsorgeanstalten besteht.

2.) Um die ganze Aktion auf breitester Grundlage aufzubauen, wird ferner dem engeren Komitee ein erweitertes Komitee zur Seite gestellt, in das die Vertreter, vor allem Frauen, aller in der Stadt bestehenden charit. Vereine und der Religionsgenossenschaften einzubeziehen sind. 3.) Der Gemeinderat ermächtigt das engere Komitee mit der Durchführung aller für die Winterhilfe notwendigen Aktionen. 4.) Das Gemeinderats-Präsidium wird ermächtigt, Mittel vom Bunde und dem Lande zur Sicherstellung dieser Aktion zu erwirken. Bürgermeister-Stellvertreter Marktschläger bespricht die übergrosse Not der Stadt Steyr als Industriestadt und findet es begreiflich, dass sich der Gemeinderat in einer aussergewöhnlichen Sitzung mit der Angelegenheit der Winternotstandsaktion eingehend beschäftigt. Er verweist darauf, dass die Hilfe der Bevölkerung der Stadt Steyr mehr den je zu beanspruchen ist, da die Unterstützung durch Bund und Land nicht allzugross sein wird, er ist sich bewusst, dass die Bevölkerung dieser Stadt trotz der schon bisher gebrachten schweren Opfer nicht die Aufrufe des Aktionskomitees ungehört verhallen lassen wird und nimmt an, dass jeder Bewohner der Stadt nach seiner Möglichkeit einen Teil beitragen wird. Er habe auch die Gewissheit, dass die Aktion vollkommen unparteilich und sachlich durchgeführt werden wird, und bestehe auch kein Grund daran zu zweifeln. Mit der Versicherung, dass seine Partei alles zum Gelingen dieser Aktion tun werde und mit der Aufforderung, dass alle Parteienvertretungen des Gemeinderates unter Ausschaltung jeder Politik tatkräftig im edlen Wettbewerbe mithelfen mögen, schliesst Redner seine Ausführungen. Gemeinderat Kolaritsch weist namens der kommunistischen Partei die Vorwürfe des Referenten der Demagogie zurück und erklärt, dass sich die kommunistischen Gemeinderäte mit den Forderungen des revolutionären Arbeitslosenkommitees identisch erklären, Bezüglich der Aufbringung der Mittel haben die

kommunistischen Gemeinderäte schon wiederholt in den Gemeinderatssitzungen darauf verwiesen, wo diese hergenommen werden können und zwar durch die Vergrösserung der Zuschüsse aus der Abgabenteilung, durch Einschränkung der Millionenausgaben der Regierung für Rothschildunterstützungen, sowie der Heeres-, Polizei- und Kongruaauslagen und auch eventuell durch Zwangsumlagen bei den Besitzenden durch die Gemeinde selbst. Nicht durch Bitten und Flehen sollen die Mittel zustande gebracht werden. Er begründet weiters noch die Forderung nach einer einmaligen Aushilfe von S 50.- für jeden Arbeitslosen und bemerkt, dass er sich von dieser Aktion nicht allzuviel erhofft. Allmählich kommt der Redner auf politische Angelegenheiten, insbesondere aber auf die Vorkommnisse der letzten in Steyr stattgefundenen Heimwehrversammlung zu sprechen. Er stellt an den Vorsitzenden die Anfrage, was er als Bürgermeister unternommen hat, um ein Verbot der Versammlung zu erwirken. Vorsitzender Bürgermeister Sichlrader ermahnt den Redner bei der Sache zu bleiben und er werde ihm in einer der nächsten Sitzungen Gelegenheit geben, über derartige Angelegenheiten zu sprechen. Gemeinderat Kolaritsch setzt seine Ausführungen fort und bringt schliesslich noch die Anregung, dass der von der Stadtgemeinde Steyr für das Bundespolizeikommissariat Steyr an den Bund zu leistende Zuschuss von 65.000 S gestrichen und der notleidenden Bevölkerung von Steyr zugewendet werde. Mit dem Wunsche, dass die Winternotstandsaktion dennoch ein Tropfen Oel auf die klaffende Wunde der Notleidenden sein werde, dass aber trotzdem systematisch geholfen werden muss, endet Kolaritsch seine Rede. Gemeinderat Hans Steiner wendet sich gegen die Ausführungen des G.R. Kolaritsch und bemerkt, dass man sich mit den unnützen Auslagen der Regierung wohl abfinden müsse und dass es keinen

Zweck hat, sich mit bereits erfolgten Auslagen der Regierung zu befassen. Seine Partei hat bereits im Rahmen der Partei eine Sammelaktion eingeleitet, weil nach seiner Ansicht bisher nicht die Gewähr der unpolitischen Durchführung solcher Aktionen gegeben war. Da aber diesmal die Versicherung der unpolitischen Durchführung gegeben erscheint, so wird seine Partei die Sonderaktion einstellen und sich dieser grossen Aktion eingliedern. Weiters bemängelt G.R. Steiner angebliche parteiliche Vergebungen von Lieferungen und verlangt, dass bei dieser Aktion Lieferungen und Arbeiten, soferne solche getätigt werden, im Offertwege vergeben werden. G.R. Kirchberger führt aus, dass es wohl müssig sei, noch weiter über die Not in Steyr zu sprechen und man kann sich den Ausführüngen des Referenten vollkommen anschliessen. In der gegenwärtigen Situation nützen Parteitheorien nichts. Die Gemeinde Steyr hat wenig Einfluss auf die Regierung um die Forderungen der kommunistischen Partei durchzusetzen. Die Heranziehung der Besitzenden durch die Gemeinde ist nicht gut möglich, da es Besitzende in Steyr nicht allzuviele mehr gibt und Steyr bei fortschreitender Krise in einem Jahre wirklich eine tote Stadt sein wird. Zu den vom kommunistischen Redner angeführten politischen Angelegenheiten wird auch von Seite der Sozialdemokraten in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen zu sprechen sein. Die geplante Aktion aber dürfe zu keinem Politikum gemacht werden und nur die Einigkeit sichert den Erfolg. Hierauf erfolgt die Namhaftmachung der aus den einzelnen Klubs zu entsendenden Vertreter: Für die sozialdemokratische Partei wird G.R. Franz Tribrunner, für die christlichsoziale Partei Stadtrat Ferdinand Knabl, für die im Gemeinderate vertretenen nationalen Parteien Ing. Franz Novy, und für die kommunistische Partei G.R. Josef Urban namhaft gemacht.

Bürgermeister-Stellvertreter Azwanger widerlegt in seinem Schlussworte die Behauptungen des G.R. Hans Steiner bezüglich angeblicher parteilicher Vergebung von Lieferungsaufträgen und beweist, dass bisher alle Aufträge im Offertwege vergeben wurden. Sodann befasst sich Redner mit den Ausführungen des G.R. Kolaritsch, bringt hiebei einige Punkte des Forderungsprogrammes des revolutionären Arbeitslosenkomitees zur Verlesung und erklärt, dass man diesen Forderungen jeden Ernst absprechen muss, da sie nie erfüllbar sind. Mit der herzlichsten und innigsten Bitte alles daranzusetzen und zusammenzuhelfen, um die Aktion zum Gelingen zu bringen und mit der Aufforderung, seinem Antrag zuzustimmen, schliesst Bürgermeister-Stellv. Azwanger die Debatte. Der Antrag wird hierauf einstimmig angenommen. Mit einem kurzen Appell um tatkräftigste Unterstützung und Mitarbeit erklärt der Vorsitzende Bürgermeister Sichlrader um 16 Uhr die Sitzung für geschlossen. Der Vorsitzende: Der Schriftführer: Die Ueberprüfer:

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