Ratsprotokoll vom 8. Oktober 1917

6 Stadt sind ungepflastert, ihre Abnützung infolge des starken Ver¬ kehres durch Schwerfuhrwerk und die Eisenbereifung der Last¬ automobile ist eine sehr große; infolgedessen tritt starke und sehr gesundheitsschädliche Staubentwicklung auf. Da die Straßen meist eng und für Licht und Luft wenig zugänglich sind, ist deren Reinigung sehr schwierig Um die gesundheitsschädliche Staubentwicklung zu ver¬ hindern, ist eine maschinelle Straßenreinigung das zweckent¬ prechendste Mittel, doch muß auch die Neupflasterung vieler Straßen durchgeführt werden Endlich hat die k. k. Statthalterei auch die Erbauung eines Epidemiespitales angeordnet, woselbst an epidemischen Krankheiten erkrankte oder solcher verdächtiger Personen unter¬ gebracht werden sollen, um eine Ausbreitung solcher Krankheiten zu verhindern Die Errichtung eines Infektionspavillons war gleichzeitig mit dem Bau des neuen Krankenhauses in Aussicht genommen, ist aber damals aus finanziellen und technischen Gründen unter¬ blieben Außer diesen von der k. k. Statthalterei Linz aufgetra¬ jenen sanilären Maßnahmen harren auch noch andere Fragen der Lösung, die ebenfalls nicht länger hinausgeschoben werden kann Im sanitären Interesse gelegen ist die Erbauung eines Schlachthauses, um eine Zentralisierung der Schlachtungen herbeizuführen, eine gründliche Vieh= und Fleischbeschau zu er¬ möglichen und eine zweckmäßige Ueberschau der von auswärts eingeführten Fleisch= und Wurstwaren vornehmen zu können nur so ist eine unschädliche Ableitung der Schmutz= und Abfall¬ wässer möglich und in einer solchen Anlage werden auch Ein¬ ichtungen getrossen werden können, um die Verarbeitung von Kadavern und Abfallsstoffen vorzunehmen. Infolge der außerordentlich starken Vermehrung der Be¬ völkerung ist die Erbauung neuer Schulen eine teils anitäre, teils kulturelle Notwendigkeit. Die bisherigen Schulver hältnisse beruhen auf der Annahme einer Bevölkerungsziffer von 14.000 Einwohnern; S eyr zählt gegenwärtig über 34.000 Ein¬ wohner; wenn auch bei Eintritt normaler Verhältnisse ein Ab¬ ziehen fluktuierender Arbeitskräfte zu erwarten steht, so steht den die Neuerbauung der Automobil= und Flugzeugfabrik gegenüber in denen eine so große Anzahl von Personen beschäftigt werden oll, daß immerhin mit einer Bevölkerungsziffer von 30.000 Per¬ onen wird gerechnet werden müssen Bei einer solchen Bevölkerung und demgemäß auch einer doppelt so hohen Kinderzahl wäre es ein Verbrechen an der Ge¬ sundheit der Kinder, eine Versündigung an der Zukunft der Menschheit, Kinder in den Schulen zusammenzupferchen und so dauernde Schäden für die körperliche und geistige Entwicklung erselben heraufzubeschwören. Aus wirtschaftlichen Gründen müssen Kasernen=Neu¬ und Umbauten durchgeführt werden; die Vorteile, die einer jeden Stadt aus der Unterbringung von Militär dortselbst er¬ vachsen, liegen zu sehr auf der Hand, als daß hierüber weiteie Erörterungen nötig wären. An Stelle des bisher in Friedens zeiten in Steyr stationiert gewesenen Jägerbataillons soll ein Infanterieregiment treten und ist daher der Um= und auch der Neubau von Kasernen nötig. Unbedingt nötig ist es, für die Möglichkeit der Stadt¬ erweiterung zu sorgen; es ist bereits das rapide Anwachsen der Bevölkerung dargetan worden; die Folge davon ist auch eine geradezu furchtbare Wohnungsnot, wie sie wohl kaum in einer zweiten Stadt bemerkt werden kann. Es steht außer Frage, daß mit Eintritt normaler Zeiten eine rege Baulätigkeit einsetzen wird und muß; auch die industriellen Unternehmungen benötigen Grund zur Erweiterung und zur Schaffung sozialer Einrichtungen Doch steht hiefür Gemeindegebiet nicht mehr zur Ver¬ fügung, so daß für eine Erweiterung des Stadigebietes durch Einbeziehung von Gründen der angrenzenden Landgemeinden vorgesorgt werden muß, wodurch allerdings an Entschädigungs¬ beträgen beträchtliche Auslagen erwachsen. dringend notwendig ist die Erwerbung von Grundstücken durch die Gemeinde, um in den neuen Stadtteilen hinreichen! ür freie Plätze, Anlagen und Errichtung öffentlicher Gebäude orsorgen zu können. Hiemit erscheint die Reihe all' jener Arbeiten und Vor¬ kehrungen, die für die nächste Zukunft bevorstehen, noch keines¬ wegs rschöpft Dringend nötig ist die Vergrößerung des Armen¬ hauses, denn bei dem Bevölkerungszuwachs ist es naturgemäß daß die Zahl der hierstadts heimatszuständigen Personen eine mmer größere wird. und die Armenversorgung einen geradezu beängstigenden Umfang annimmt Der verehrliche Gemeinderat hat erkannt, daß jene Vor¬ kehrungen, welche aus sanitären Rücksichten hervorgehen, keinen ängeren Aufschub erdulden dürfen und hat daher die Finanz¬ ektion beaustragt, die aus dem in der Sitzung am 23. Februar 917 angenommenen Anträgen sich ergebenden finanziellen Fragen zu prüfen und entsprechende Anträge zu stellen. Diesem Auftrage hat die Finanzseklion entsprochen und hat, von der Erwägung ausgehend, daß das Erfordernis für all' diese Arbeiten nur im Darlehenswege beschafft werden kann, dem Gemeinderat vorgeschlagen, die Aufnahme eines Darlehens im Betrage von 10,000.000 K zu beschließen, welcher Beschluß uch in der Sitzung am 4. September 1917 erfolgte. Die Finanzsektion hat die voraussichtlichen Kosten der ein¬ zelnen Durchführungen wie folgt veranschlagt: 2.500.000 K Wasserleitung * * * * * 2,000.000 Kanalisierung * * Kehricht= und Fäkalienabfuhr 200.000 Straßenreinigung, Straßenpflosterung, 400.000 Straßen= und Brückenherstellungen 300.000 Ausgestaltung des Krankenhauses 000.000 „ Schulenneubau Bau eines Schlachthauses 500.000 Kasernen=Neu= und Umbauten 2,000.000 Stadterweiterung, Grunderwerbung, so¬ vie Verbesserung und Erw iterung des Armenunterkunftewesens, für städtische Gebäude und Bahnangelegenheiten 1,100.000 10,000.000 K zusammen * Daß mit diesen Beträgen das Auslangen gewiß nicht ge¬ funden wird können, steht wohl außer Zweifel und wird die Stadtgemeinde nur im Falle der Erlangung ausgiebiger Sub¬ ventionen aus Staats= und Landesmitteln in der Lage sein, diese außerordentlich dringenden und wichtigen Arbeiten vorzu¬ lehmen Es läßt sich aber außerdem heute noch nicht vorhersehen wie Materialpreise und Arbeitslöhne nach dem Kriege sich ge¬ stalten werden und ob dieselben jene vor dem Kriege weit über¬ steigen werden, in welch' letzterem Falle natürlich auch die vor¬ genannten Ziffern sich entsprechend erhöhen müßten. Doch gegen¬ wärtig handelt es sich um die Vornahme der vorbereitenden Naßnahmen, um mit Eintritt der Ausführungsmöglichkeit sofort nit den Arbeiten selbst beginnen zu können und die erforder¬ ichen Mittel bereit zu haben. Stillstand bedeutet Rückschritt und der Gemeinderat würde es vor den späteren Generationen nicht verantworten können, bermals die Entwicklungsmöglichkeit der Stadt verabsäumt zu haben. Steyr ist die zweitgrößte Stadt des Kronlandes und muß nun in sanitärer, kultureller und wirtschaftlicher Beziehung all' das in die Wege leiten, was nötig ist, um nicht hinter an deren Städten zurückzustehen Die erforderliche Gesamtdarlehenssumme für die in den allernächsten Jahren vorzunehmenden und in der Zusammen¬ tellung aufgezählten Arbeiten soll bei der Kommunalkreditanstalt des Landes Oberösterreich beschafft werden und zwar so, daß die eweils erforderlichen Teilbeträge in jener Darlehensform (Kom¬ nunaldarlehen ohne Intabulation, Hypothekardarlehen mit In¬ abulation) zu jenen Zinsfuß (4%, 4½%) und in jenem Zeit¬ punkte abgehoben werden, wodurch die finanziellen Interessen der Stadtgemeinde im Hinblicke auf die jeweiligen Kursverhältnisse am besten gewahrt erscheinen. Herrn Bürgermeister zu Letztere Bewegungsfreiheit dem Gemeinde gelegen ist im finanziellen Vorteile der icher Bei einem Zinsfuße von 4 % mit einem Zuzählungskurse von 90 bei den Pfandbriefdarlehen und 89•50 bei den Kom¬ munaldarlehen und von 94 bei einem Zinsfuße von 4½%, wo¬ zu noch ein ¼% Regiebeitrag kommt, kann schon jetzt, noch mehr mit Rücksicht auf den Geldbedarf nach dem Kriege, behauptet werden, daß die Bedingungen sehr günstige sind Die Rückzahlung erfolgt in ½% Amortisation, also in 105 Halbjahrsraten, so daß die gegenwärtige Generation nicht allzuschwer belastet wird und auch die künftigen Generationen denen ja die durch die zweckentsprechende Verwendung des Dar¬ ehens bedingte Entwicklung der Stadt ebenfalls zu gute kommt auch an den Lasten teilnehmen Was die Frage der Verzinsungsmöglichkeit anbelangt, so verden einzelne Auslagen, so die Wasserleitung, die Kanalisierungs¬ nlage, Kehricht= und Fäkalienabfuhr, Schlachthaus, Kasernenbau und Grunderwerb sich selbst verzinsen, möglicherweise sogar Ueber¬ chüsse ergeben, so daß als unproduktive Ausgaben nur jene für Straßen= und Brückenherstellungen, Schulbauten, Krankenhaus¬ usgestaltung und Armenwesen in Betracht kommen; die Deckung hiefür dürfte sich einerseits aus einem Mehrbetrage vorgenannter roduktiver Ausgaben ergeben, ein Fehlbetrag wäre aus den aufenden Einnahmen zu decken Wenn es auch gewiß ist, daß die gegenwärtige Hoch¬ onjunktur der Industrie unserer Stadt nach dem Kriege nicht anhalten wird, so ist andererseits die mit einem Kapitalsauf¬ wande von vielen Millionen Kronen in Errichtung begriffen utomobilfabrik, in welcher eine bereits fertiggestellte Type von Automobilen in bei uns noch ungewohntem Umfange bei mäßigem Verkaufspreise und daher zu erwartendem außerordentlich großen Absatze hergestellt werden wird, eine Gewähr dafür, daß die ordemtlichen Einnahmen, wenn schon nicht steigen, so doch gewiß auch nicht wesentlich zurückgehen werden und das Gleichgewicht in diesem Haushaltungsplane erhalten bleibt. In Zusammenfassung der bisherigen Verhandlungen im Gemeinderat und der daselbst gefaßten Beschlüsse stellt die Finanz¬ ektion den Antrag: Der verehrliche Gemeinderat beschließe, zum Zwecke der Durchführung unumgänglich notwendiger Maßnahmen, als des aues einer Wasserleitung, einer Kanalisationsanlage, der An¬ schaffung von Einrichtungen für eine sanitär einwandfreie Kehricht¬ ind Fäkalienabfuhr und für Straßenreinigung, der Deckung der Kosten für Straßenpflasterungen, Straßen= und Brückenherstel¬ ungen, der Krankenhaus=Ausgestaltung, Schulenneubau, des Baues eines Schlachthauses, der Kasernen=Neu= und Umbauten, de Stadterweiterung und Grunderwerbungen, sowie Verbesserung nd Erweiterung des Armenunterkunstswesens und städtische Ge¬

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