Ergänzungsblätter Nr. 1 bis Nr. 15, Steyr 1848

34 Linzer=Deutsche. Die antideutsche Bureaukratenwühlerei findet jetzt wie¬ der neue Beschäftigung, indem sie die 40 Abgeordneten beräuchert und die 29 Abgeordneten herabkarzelt und zugleich verdächtigt. Aus Linz — einer gut deutschen Stadt, die nur leider zu oft durch ihre lautmäulige Bureaukratie und ihr Krautjunkerthum kompromittirt wird — erhalten wir so eben folgende Ansprache: An die 40 Abgeordneten der deutschen Na¬ tionalversammlung zu Frankfurt. Mit gerechter Anerkennung und größter Freude er¬ klären wir, daß Sie, 40 österreichische Abgeordnete! treu und ehrenhaft, bei der Beschlußfassung über die Para¬ graphe 2 und 3 der deutschen Verfassung, den Bedingungen geblieben sind, unter welchen Sie vertrauensvoll an die deutsche Reichsversammlung gewählt und gesendet wor¬ den sind. Oesterreichs Kaiserstaat soll innig an Deutschland sich anschließen, aber nicht durch das Abreißen der deutschen Provinzen ohnmächtig für sich, und daher auch ohnmächtig für Deutschland — es soll durch diesen Anschluß Oester¬ reich durch Deutschland, und Deutschland durch Oesterreich stark und kräftig werden. Es sollen nicht dem ohnedieß in so viele kleine Staaten zersplitterten Deutschland in den einzelnen deutsch=öster¬ reichischen Provinzen noch mehr Duodez=Stäätchen zu¬ wachsen, und der Einheit, statt zu nützen — schaden. Dieß war unser Mandat und Ihre uns kundgegebene Gesinnung. Sie haben streng an das erste gehalten, und sind der letzten treu geblieben. Noch mehr aber erfreute uns, da Viele aus Ihnen vom Staate ganz unabhängig sind, und daß also wirklich die Ansicht des treuen, besten Volkes aus allen deutschen Ländern Oesterreichs in der Adresse ddo. Frankfurt 1. No¬ vember 1848 ausgesprochen worden ist. Indem wir Ihnen, 40 Oesterreichs treuen Abgeord¬ neten, unsere vollste Beistimmung ausdrücken, können wir nicht umhin, den übrigen 29 anders gesinnten Kollegen aus Oesterreich mit Bedauern unsere Mißbilligung aus¬ zusprechen. Schließlich wollen Sie die hohe Versammlung bitten, den wahren Thatbestand aus den Wiener Deputations¬ Mittheilungen des Herrn Bondi mit Gerechtigkeit zu würdigen. Linz, am 14. November 1848. Die Wahlmänner. (Fehlen die Unterschriften.) Diese Ansprache, so ungeschickt sie verfaßt ist, bleibt jedenfalls sehr lehrreich. Aus dem ersten Absatze erfahren wir, daß die 40 Abgeordneten unter Bedingungen nach Frankfurt geschickt worden sind. Ich finde das für einen Volksvertreter schimpflich, wenn er sich verpflichtet nicht weiser zu sein, als die Weisheit seines Kirchspiels, und um den Preis des Deputirtensitzes ein Sklave seiner Wahlmänner wird und von vornherein auf das Recht ver¬ zichtet, einer neuen und besseren Ueberzeugung in seinem Herzen Raum zu geben, wenn sie den ausgeklügelten Be¬ dingungen seiner gängelnden und gegängelten Wahlmänner nicht entspricht. Nun sehen wir uns aber doch nach jenen Bedingungen um, unter welchen die 40 Abgeordneten nach Frankfurt gehen durften. Die wesentlichste steht im zweiten Ab¬ satze und lautet: Oesterreichs Kaiserstaat soll innig an Deutschland sich anschließen. Im Worte und Begriffe Kaiserstaat — darin liegt's. Denn hätten jene Linzer Politiker und respektive jene Komittenten der Vierzig ge¬ sagt: Die deutschen Provinzen des österreichischen Kaiserstaates sollen sich innig an Deutschland anschließen, so könnten sie wohl mit nur einiger Vernunft nichts gegen die §§. 2 und 3 einwenden, die auch nichts Anderes be¬ schlossen. Aber das Wort Kaiserstaat war das Wort ihrer Wahl. Als sie aber dieses Wort in die Bedingung stellten, entmannten sie den Begriff des innigen Anschlusses. Oester¬ reichs Kaiserstaat, d. h. Kroatien, Slavonien, die Militärgrenze, die Raizen, die Czechen, die Ruthenen, die Italiener und alle diese laut sich aussprechenden Freunde deutscher Nationalität und Gesittung sollen sich innig an Deutschland anschließen. Nun wir haben gesehen, in welcher Weise einige dieser Nationen in Wien ihre deutschen Brüder umarmten, wir lesen noch täglich von so vielen Häusern, deutschen Stätten stillen Familienglückes, die bei jener Gelegenheit aufgegangen sind — nicht in Deutsch¬ land, sondern in Flammen. Ein inniger Anschluß des Kaiserstaates an Deutschland ist eine Unmöglichkeit, und werden die deutschen Provinzen dieses Kaiserstaates nach beliebten Centralisationsgelüsten mit den nichtdeutschen Provinzen unter ein Gesetz gestellt und unabhängig ge¬ lassen von der Centralgewalt — wo ist dann noch von einem entfernten, geschweige denn von einem innigen An¬ schlusse an Deutschland die Rede? Die Wahlmänner der 40 Abgeordneten haben somit ihren Gewählten eine un¬ mögliche Bedingung gestellt, ähnlich der, wenn ich in mein Testament schreibe: „dem Titus ist ein Legat von 100 Dukaten auszuzahlen, wenn er sich das rechte Ohr abbeißt.“ Es war somit die Wahl der 40 Abgeordneten eine Lüge, die Annahme von Seite der Gewählten eben¬ falls, da sie hingingen ein Werk zu vollbringen, das un¬ möglich war, und es scheint mir fast, die 40 Abgeordneten haben sich mit ihren Kollegen zu Frankfurt an den Tisch gesetzt, um dem Wirthe den rothen Wein über das Tafel¬ tuch zu gießen, und durch polterndes Hinauslaufen die all¬ gemeine Freude zu stören. Der dritte Absatz will uns die Unwahrheit aufbürden, als wüchsen in Befolgung der §§. 2 und 3 dem in viele Staaten zersplitterten Deutschland durch die einzelnen deutschen Provinzen Oesterreichs Duodezstäätchen zu. Es war ja nirgends die Rede, daß jede der deutschen Pro¬

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