Ergänzungsblätter Nr. 1 bis Nr. 15, Steyr 1848

JPro 14. Ergänzungsblatt der zwanglosen Blätter. Steyr den 25. November 1848. Das neue Ministerium. Der Kaiser hat am 6. Oktober dieses Jahres den Ab¬ geordneten des Reichstages zu Schönbrunn die Bildung eines volksthümlichen Ministeriums versprochen. Somit besitzt das Volk des Kaisers Wort durch ein volks¬ thümliches Ministerium regiert zu werden. Als Erfüllung dieses Versprechens hat nun der Kaiser folgendes Mini¬ sterium genehmigt: Ministerpräsident, dann Minister des Auswärtigen und des Hauses Fürst Felix Schwarzenberg; Mi¬ nister des Innern Franz Graf Stadion, zugleich pro¬ visorisch für den Unterricht; für Finanzen Freiherr v. Kraus; Kriegsminister Generalmajor Freiherr v. Cordon; für Justiz Dr. Alexander Bach; für Handel und öffent¬ liche Bauten Ritter v. Bruck; für Landeskultur und Berg¬ wesen Ritter v. Thienfeld. Zur Erklärung der Entstehung dieses Ministeriums dient uns zuvörderst das, in der offiziellen Anzeige der Wienerzeitung gebrauchte Wort „genehmigt.“ Ein konsti¬ tutioneller Monarch (und ist das unser Kaiser vielleicht nicht?) allein hat das Recht und die Pflicht ein verant¬ wortliches Ministerium zu ernennen. Da aber unser Kaiser das jetzige Ministerium nur genehmigt hat, so muß es wohl von jemand Anderm ernannt worden sein — und wer ist denn dieser andere Jemand, dieses alter Ego, das diesem Ministerium vertraut? Es ist kein Zweifel mehr, eine moralische oder physische Person substituirt die eigensten Funktionen des Monarchen, und sucht nur dessen Genehmigung zu ihren Maßregeln nach. Der Beweis dieser Genehmigung gegenüber dem Volke ist aber die Unterschrift des Monarchen — und Niemand legt uns vor Augen, wie man sich diese etwa zu verschaffen weiß. Die߬ mal hat man sich übrigens gar nicht damit befaßt, das Ernennungsinstrument dieser Minister dem Volke vorzu¬ legen — und es hängt die konstitutionelle Gültig¬ keit dieses Instrumentes, und somit der rechtliche Bestand dieses Ministeriums lediglich davon ab, ob dieses Instru¬ ment von einem Minister im früheren Ministerium kon¬ trasignirt ist. Hält man sich etwa in Olmütz von derlei lästigen Formalitäten schon befreit? Nun einige Notizen über die einzelnen Minister. Schwarzenberg war früher Gesandter in Neapel, zu¬ letzt fruchtloser Pazifikator Italiens seine konstitutionelle Kapazität ist derzeit unbekannt. Wozu es aber in einem konstitutionellen Staate eines dem Volke verantwortlichen Minister des Hauses bedarf — mag wohl nur den Hofherren einleuchten. Graf Stadion bekannt durch seine gallizische Politik. Er war bei der Abstimmung des Reichstages über die Rückkehr des Kaisers aus Innsbruck der Einzige, der da¬ gegen sprach. v. Kraus, der einzige Volksthümliche unter seinen neuen Kollegen. Generalmajor Cordon. Werden die Feldmar¬ schälle Windischgrätz und Radetzky diesem General¬ major gehorchen? und wenn sie nach eigenem Ermessen zu handelten — was glänzt dann noch der Thron, wozu ernennt er Minister? v. Bruck. Metternichianer. Thienfeld. Welcher Gesinnung muß der Mann sein, der bisher in gänzlichem Dunkel lebend von der jetzt herr¬ schenden Parthei in's Ministerium gesetzt wird? Bach ist ein Mann von großen Talenten, daher es nur denkbar ist, daß er in's Kabinet getreten, um seine Irrthümer von gestern durch Thaten vor dem Volke zu sichern. Die erste Aufgabe des Justizministers wird sein, die mittelbare und unmittelbare Schuldtragenden an Blums Hinrichtung zu strafen, die Handhabung der Gerechtigkeit aus den Händen der Soldaten in die Hände der ordent¬ lichen Richter zu geben, und Gesetze in Vorschlag zu bringen, welche die Sicherheit des Eigenthums und der Person konstitutioneller Staatsbürger in Zukunft vor Attentaten, wie das in Wien, verwahren werden. Eine Pflicht des Gesammtministeriums ist es den Belagerungszustand Wiens sofort aufzuheben, das Militär aus seiner unnatürlichen primären Stellung in seine eigent liche sekundäre zurückzuweisen, die jetzt unnöthig erschei¬ nende Verlegung des Reichstages nach Kremsier zurückzu¬ nehmen, und gegen Ungarn den Vermittlungsweg einzu¬ schlagen, den man den Wienern so grausam vorenthielt. Ferner wolle sich das Ministerium von der Ueberzeugung leiten lassen, daß jede Centralvertretung Oesterreichs eine slavische Majorität unvermeidlich mit sich bringt, daher die deutschen Provinzen nie befriedigen wird. Schließlich bitten wir das neue Ministerium nicht eine Politik nach dem Sinne der Bureaukraten, Aristokraten und Staats¬ papierinhaber, sondern eine Politik nach dem Sinne des Volkes nach dem Sinne des souveränen Volkes, und nicht nach dem seiner Kommis, Figuranten und Mäckler zu befolgen, oder wenn es sich dazu nicht mehr berufen fühlt, das Steuer berufeneren Händen zu überlassen, ehe der Sturm es über Bord wirft, und das Staatsschiff von Neuem gegen die Klippen der 40ger Jahre treibt. Und somit Gruß und Warnung unter Einem. 8

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