Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1985

Erfahrung. Pat sagte endlich: ,,Es kam von dort oben. Diesmal kiang er stöhnend, wie absterbend". Sie hatten eine baumlose Blöße mit altem, verdorrtem Wintergras erreicht. Der steile Hang endete unter schwarzen Felsen. Alles blieb jetzt still - keine Spur, kein Ruf - nichts! Als Pat sein Pferd ins Gestrüpp lenkte, wurde dieses unruhig und wollte nicht weitergehen. Und jetzt - ein Stöhnen dicht unterhalb des Felsens. Die Brüder sprangen von den Pferden. Sie teilten die Büsche vor sich auseinander. Richmond schnupperte in der Luft. Ein süßlicher Geruch wie · von einem ausgeweideten Tier erfüllte sie plötzlich. Unvermittelt sta.nden sie vor einem toten Grizzlybären. Zwei Schrit- · te weiter lag ein Mensch! Der Boden um den Verletzten war dunkel von eingetrocknetem Blut - er mußte sich mit letzter Kraft von dem riesigen Tier fortgewälzt haben. Noch . im Tode griff die Tatze des Grizzly nach einem Opfer. Der Mann lag auf dem Gesicht. Richmond überwand sein Schaudern, kniete hin und drehte den Verletzten herum. Er sah ein fahlgraues Gesicht und erkannte plötzlich entsetzt: 11Das ist Thomas, der Ulgatscho !" Die Brüder sahen die furchtbare Wunde. Der linke Oberschenkel war von der Ta.tze des Bären bis zum Knie aufgerissen. Der Verletzung nach konnte der Bewußtlose bereits verblutet sein. ,,Einen Riemen, Pat! Das Bein muß abgeschnürt werden!" rief Richmond. Pat fand einen in der Satteltasche. Er schwang sich auf sein Pferd und· ritt zum Fluß hinab, um einen Lederbeutel voll Wasser zu holen. Als Richmond dieses dem: Indianer einflößte, öffnete er langsam die Augen. VERONIKA HANDLGRUBER-ROTHMAYER lir /rrublonen, Am Abend knien sie vor des Herzens Spind, wo ihre Wünsche auf gehoben sind, und nehmen sie behutsam in die Hand, wie andere Porzellan, und Glas, und Tand. Kaum einen hat di e Zeit bisher erfüllt, und das Ersehnteste bleibt ungestillt. Sie ordnen hier und dort ein neues Fach und schaffen manchmal neue Wünsche nach. Mitunter scheidet eine Bitte ·aus. Der Platz ist sehr beschränkt im öden Haus. Sie hoffen stets und lauschen nach der Tür, ob keiner klopft ... Es steht vielleich.t dafür . .. Im Traum ist oft das Glück zum Greifen nah. Der Morgen freilich zeigt, daß nichts geschah. So leben sie die Tage stumm und blind und knien erst abends vor des Herzens Spind. 45

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2