Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1927

46 den Reigen, ihr Gatte fand keine Freude an dem Tanze, er versorgte inzwischen die älteren Herren mit Zigarren und bo deren Damen Zigaretten an. Agathe saß still und beobachtend abseits. Ihre Blicke folgten ihrem Gatten, der den Weg zu¬ rück zu Elli Lubtin fand. Im Nebenzimmer wurden die Türen geöffnet, ein leiser Zug ging hindurch, es war warm geworden, und die Luf im Parke fast noch sommerlich. Nora schritt zur Terrasse, um sich Kühlungzu verschaffen. Sie stand in glücklichem Sinnen und schaute über die sanfte Behaglichkeit ihres Heims. Da leuchtet ihr ein weißes Blatt entgegen, das wohl der Zugwind von Schreibtisch ihres Gatten geweht haben mochte. Erst beachtete sie es kaum, aber der weiße Fleck bannte ihren Blick. Fast heimlich ging sie darauf zu und hob es auf. Mit eiliger Schrift gewahrte sie ein paar Worte mit Bleistift darauf gekritzelt. Nur ganz oberflächlich sah sie darauf hin, sie wollte es nicht lesen, was konnte es wohl sein, ein paar flüchtige Notizen, die irgend einen Einkauf, Getreideberech¬ nungen betrafen, und wollte es wieder an seinen Ort legen. Da — sie las nur so flüchtig die ersten Worte. „Liebster Hansheiz!“ Weiter glitten ihre Augen wie fest¬ gebannt. „Wie ich von jeher zu Dir geflüchtel bin in allem Leid und Du mein ein¬ ziger Halt gewesen, so suche ich Deine Hilfe auch heute, verlaß mich nicht. Die Janschauer stellen sich zwischen unser Glück es gibt keine Brücke mehr. Hilf uns Hansheinz! Deine Agathe. Es zuckte durch die Adern der junger Vertrauen! — Frau. Der Zettel brannte ihr in den Fingern, ihre Lippen waren erblaßt, ihre Augen sahen starr auf die vor ihr tanzender Buchstaben. Doch sie legte ihn zurück auf den Schreibtisch. Es war ja nicht ihr Eigentum Hansheinz — Agathe? Nein, tausendmal nein. Und doch, — nur Liebe schrieb solche Worte, die sündige, wilde, unbeherrschte Leidenschaft was hatten die Die Janschauer mit ihr und mit ihm zu kun? Hatten Stelldichein sie etwa den beiden ein versagt, ihnen gedroht, Egon ihr sündiges Verhältnis zu ossenbaren? Mein Gott! Nora faßte sich an die Stirn, ihr war plötzlich, als schwänden sank sie in den ihr die Sinne, lautlos Sessel an ihres Gatten Schreibtisch. Sie hörte noch drüben im Neben¬ zimmer das Lachen der Gäste, Hans¬ heinrichs liebenswürdige Stimme, dann wußte sie nichts mehr. Vielleicht hatte sie nur minutenlang so verharrt, an ihrem Ohr klang plößzlich ein anderer Ton, ein leises Weinen, und die Stimme, die sie kannte. C „Hilf mir, Hansheinz! „Du mußt Vertrauen haben, Agathe, Da schnellte Nora empor, sie drückte gegen den Erker neben der Gar¬ ich tentür, dort war sie ungesehen und lauschte. „Das kannich nicht mehr nachalledem, würdest du Vertrauen haben, wenn Nora?“ „Unbedingt, blindes Vertrauen. ein Mann? — „Du „Ja, Agathe, denn ich liebe meine über alles und weiß, daß auch sie Frau blind vertrauen würde.“ mir „Aber Egon liebt mich nicht mehr. „Doch, Agathe, du mußt nur sehen, Vertrauen zu gewinnen, geh zu ihm ein suche den Weg zu seinem innersten und Wesen. Die Stimmen entfernten sich. Nora war allein. Heiße Glut bedeckte ihre Wangen. Blindes Vertrauen! Was hatte er gesagt? „Ich liebe meine Frau über alles pfui! Nora und weiß, daß auch sie“ Alten schämte sich. Schüchtern trat sie wieder über die Schwelle des Salons, wo das bunte Leben noch immer flimmerte und die Paare sich unermüdlich drehien. Man

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