Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1927

Ehen geben, die als glücklicheingeschätzt, Grunde ge¬ an diesem Kältegrade zu gangen sind. Hu!“ Sie umfaßte ihre Arme fröstelnd mil beiden Händen und senkte den Kopf in tillem Sinnen. Nora von Alten sah mit großen Augen zu der Freundin hinüber. Ihr etwas schwerblütiges Wesen faßte die jähe bittere Art noch nicht und vermochte sich nicht immer in die wechselnde Gedan¬ kenstimmung der anderen zu versetzen. Vertrauen — dünkte es sie nicht selbstverständlich zwischen ihr und ihrem Gatten, war es nicht die Vorbedingung einer wahrhaft glücklichen Ehe? Agathe Birkaus philosophische Aus¬ einandersetzungen schienen ihr absurd. Draußen vor der großen Hauskreppe sammelten sich die Gäste. Hansheinrich von Alten trat forsch und galant zu seiner ungen Frau und küßte ihr die Hände. Agathe und er grüßten sich wie alte Be¬ kannte. CC „Es ist doch alles bereit, Liebste? Nora nickte mit dem Blick der glück¬ lichen jungen Frau, die im berechtigten Stolze auf ihr Glück sich sicher fühlt. Sie schritten nun alle Drei den Gä¬ sten entgegen. Nora hatte gern Feste auf Altenstein und verstand mit feinem Sinn, es ihren Gästen behaglich zu gestalten. Niemand ging gelangweilt aus dem gastlichen Hause fort. Im ganzen Umkreis galt der Salon der jungen Schloßfrau von Alten als ein zart umfriedetes Glücksparadies, darin sich wohlfühlte, wer nur immer den Fuß auf das lichte Parkett des schmucken Raumes setzen durfte. Die Gartentüren blieben weit geöffnet, die Dämmerstimmung eines schwindenden Spätsommertages, dem die goldene Scheibe des Vollmonds ihren magischen Zauber verlieh, mischte sich mit den aufglimmenden Lichtbirnen des Gartensaals. Schöne junge Frauen im schlichten Weiß ihres hochzeitlichen Gewandes traten erstmalig in den Kreis der heimischen Geselligkeit, andere wieder, schon sicher 45 und ihres Reizes gewiß, spielten mit ganz leise glimmenden Flämmchen und gaben den jungen Kavalieren zu verstehen, daß ie noch nicht übersehen sein wollten. Es war ein buntes, farbenspielendes Durch¬ einander, im Mittelpunkt aber stand Nora von Alten in ihrer keuschen jungfräu¬ lichen Gastlichkeit, die Umgebung in ihren Bann zwingend und doch wie ein Mäd¬ chen aus der Fremde in weit entfernter Würde. Agathe Birkau hielt sich etwas mehr abseits, und ihre Augen irrten suchend umher. Sie steckte eben die Spitze eines kleinen Bleistiftes, der an einem Kettchen an ihrem Gürtel hing, in die silberne Hülle zurück und sah noch einmal nach dem Schreibtisch, den sie eben verlassen. Sie war daheim in diesem Hause, Noras este Freundin, Hansheinrichs Jugend¬ gespiel, und die Schwere ihrer unbefrie¬ digten Ehe glitt wie Schuppen von ihr ab, wenn sie unter diesen beiden Menschen weilen durfte. Plößzlich wurden ihre Augen starr, und ihre feinen roten Lippen bebten. Die Janschauer Lubtins mit ihren beiden Töchtern saßen breit und auffällig in den seidenen Polstern Frau Noras, und Elli Lubtin, die Altere, hatte wie gewöhnlich Egon Birkau zu ihrem Ritter erwählt. Niemand achtete darauf, man war im allgemeinen lustig, ein leichter scher¬ Ton klang in der Runde, man zender sich zu und die goldgeränderten rank Pokale gaben einen feinen harmonischen Klang. Nur Agathes Lippen blieben stumm und unbewegt, und als ihre Augen denen Hansheinrichs begegneten, sprachen sie von Weh und Bitterkeit. Plötzlich setzte sich einer der Gäste an den Flügel und schlug ein paar Takte an, sie formten sich zum Walzer, und der elektrische Funke, der aus Wein und Scherz die Lust am Tanze weckt, sprang immer weiter geleitet an den Ketten des varmen, flimmernden Lebens auf die Gäste über: die Paare fanden sich zum Tanze. Nora eröffnete mit Egon Birkau

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