Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1927

sich mächtig beeilen, um noch die große nördliche Ecke des dritten Feldes auf¬ zuladen. Man hatte das Mittagessen herausbringen lassen und die Essenszeil möglichst abgekürzt, um gleich wieder von neuem an die Erntearbeit zu gehen. Der Gutsherr schickte Trapp immer wieder nach den Leutegruppen, um dort nach dem Rechten zu sehen und die Arbeiter an¬ zueifern, denn jede Minute war kostbar und wollte man den Rest der Ernte noch trocken heimbringen, so galt es nock übermenschliche Kräfte zu entfalten. Im Westen türmte sich die Wolkenwand höher und höher, und Trapps feines Ohr hörte ganz in der Ferne ein kurzes dumpfes Grollen — der erste ferne Donner Klaus zog die Uhr, sah noch einmal nach dem Himmel und ging dann nach dem unteren Teile eines großen Stücks Feld dessen Puppenreihe von einer Anzahl Mägde mit zwei Knechten aufgeladen wurden. Eben wollte der Volontär einem älteren Erntearbeiter etwas sagen, da fiel sein Auge auf ein Mädchen mit einem weißem Kopftuch, dessen bloße Füße in groben Lederschuhen steckten. Sie hatte die Aermel aufgekrempelt, der Zipfel ihres Kopftuches hing ihr in die Stirn, und eben bückte sie sich, um ein Garbenbündel der neben ihr arbeitenden Magd zuzu¬ reichen. Als sich die Magd wieder auf¬ richtete, traf sich ihr Blick mit dem Trapps — nein, mein Gokt — das war ja Ja unmöglich, es mußte eine Täuschung sein, und doch ... Klaus Trapp wollte rufen „Fräulein von Drossen—“ Doch nein er unterdrückte den Auf und trat zwei Schritte näher, um sich zu überzeugen Wahrhaftig — er hatte sich nicht getäuscht die junge Magd war Eva von Drossen. die heute ihre Wette gewonnen haben würde, wenn er damals auf ihren Vor¬ schlag eingegangen wäre. Sie half wirklick mit und mühte sich ehrlich im Schweiße ihres Angesichts, ihrer Nachbarin zu helfen. Zum Kuckuck — und er stand dabei und guckte zu! Wieder ein dumpfes Rollen Jetzt hörten es auch die Leute. Man sah es förmlich, wie die Arbeit von Minute zu Minute ihnen schneller von der Hand 39 flog. Ein jeder hatte das Gefühl: Wir müssen es schaffen! Trapp bohrte seinen Stock in die Erde, schob den Hut aus dem Nacken, zog seine Jacke aus, krem¬ pelte die Hemdsärmel auf und half mit. Eva lachte ihn an. „Bravo — Herr Trapp! Ihr Gesicht war einzig, als Sie mich vorhin wirklich erkannt haben. Sehen Sie, das Komteßchen kann doch arbeiten, wenn's d'rauf an¬ kommt!“ Klaus warf dem Mädchen einen fle¬ henden Blick zu, als ob sie ihn jetzt schonen möchte. Eva schien verstanden zu haben Sie schwieg und arbeitete. Bald erkönte das Hott und Hüh und die Wagen schwank¬ ten schwerbeladen die Feldstraße hinunter, in der Richtung des Gutshofes zu. Die Sonne war hinter schwarzen Wetterwolken verschwunden. Ihr weißer Schein zitterte noch auf den Feldern nach, als eben die letzte Garbe auf den hochgetürmten Lei¬ terwagen flog und das Seil zum Fest¬ binden hinübergeworfen wurde. „Wir fahren mit“ sagte Klaus kurz zu Eva. „Kommen Sie, ich helfe Ihnen Sie müssen auf den Wagen hinaufklettern. Schon zum Lohn für Ihre brave Arbeit. Das ist so Erntesitte. Wer auf dem letzten Wagen mit heimfährt, der fährt das Glück ein. Eva von Drossen war verblüfft. Sol¬ che Rede hälte sie Trapp gar nicht zu¬ getraut. Er sagte es so einfach und doch so bestimmt. Plötzlich fühlte sie sich um¬ faßt und von zwei starken Armen em¬ porgehoben, wie ein Federball kam sie ich vor. Sie hörte Klaus hinter sich sa¬ gen: „Nur schnell hinauf! Wir müssen uns eilen, sonst geht das Gewitter noch los.“ Eva sank auf ein Garbenbündel und hinter ihr folgte merkwürdig schnell und gewandt trotz seiner Größe und Stärke Klaus, der sich neben sie bequem hinstreckte. Dann ging es in raschem Tempo heimwärks. Der Ochsenjunge, der fuhr. trieb bald schmeichelnd, bald drohend die Zugtiere an. Die ersten Blitze flammten auf, der Donner rollte stärker. Lachend streckte Eva die Hand nach dem ersten

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