Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1923

106 Honorar verlange ich von Ihnen die Lösung eines Rätsels, die Sie mir heute in acht Tagen bringen müssen, sonst lasse ich mich auf nichts ein.“ Das junge Mädchen sah mit triumphie¬ rendem Lächeln auf den jungen Mann herab, der mit erwartungsvollem Augenaufschlag vor ihr stand. „Ein Rätsel soll ich Ihnen lösen, Fräulein Richter? Wie lauet es? „Hören Sie bitte gut zu, Herr Heinze. Ich weiß, Sie interessieren sich für mich, ich weiß es schon längst, daß Sie in mich verliebt sind. Ich weiß auch lange, daß Sie mir heimlich Fensterpromenaden machen und daß Sie nicht bloß in meine Sprechstunde gekommen sind, um sich von mir einen Zahn plombieren zu lassen, und daß Ihre Bitte, Sie Foxtrott zu lehren, nur ein Vorwand ist, mit mir zusammen zu sein Ich erhöre Sie, wenn Sie mir folgendes Rätsel lösen: Der Tag, an dem ich Sie erhören werde, den nämlich sollten Sie mir im Rätsel erraten. Sein Datum ist die Zahl eines Tages die Sie finden, wenn Sie eine zweite Zahl durch drei teilen, die gefunden wird, wenn man von der hinteren zur vorderen Ziffer eins zuzählt. Diese Zahl durch drei geteilt, gibt das Datum. „Fräulein Richter —halt, halt! Das kann ich mir nicht so ohne weiters merken! Das muß ich mir aufschreiben!“ „Bitte tun Sie das nur, Herr Heinze. Ich verlange auch gar nicht von Ihnen, daß Sie sich das alles ohne weiteres merken sollen. Haben Sie Ihr Notizbuch bei der Hand? Und Erich Heinze schrieb eifrig ein Viertelblatt in seinem Notizbuch voll. „Also heute in acht Tagen soll ich Ihnen die Lösung des Rätsels überbringen, und wohin, mein Fräulein? „Ich erwarte Sie heute in acht Tagen Punkt 8 Uhr im Prinzeß=Café. Dort wird sich alles entscheiden. Wenn Sie das Rätsel gelöst haben, können Sie mich gleich in unseren Tanzzirkel begleiten. Der neue Fox¬ trottkursus fängt nämlich nächsten Freitag an. Erich Heinze verbrachte eine schwere Zeit. Da er in seiner. Aushilfsstellung nicht allzu viel zu tun hatte, so hatte er hin¬ reichend Muße, über seinem Rätsel zu sitzen und nachzugrübeln. Umsonst — er fand keine Lösung. Er notierte Zahlen und Ziffern, er wälzte sogar Logarithmen und brütete über alten Schulrechenbüchern. Auch das war umsonst. Dieses Mädchen war wirklich die ägyptische Sphynx in Person, die gleich den Wanderern, die sie befragten, ihren Verehrern seltsame Rätsel aufgab und diese dann in den Abgrund der Verzweiflung stürzte, wenn sie keine Lösung des Rätsels gefunden hatten. Auch ihm würde es sicher so ergehen, wie vielleicht schon manchem Leidensgenossen vor ihm. Der Tag der Entscheidung rückte näher und näher. Heute war Donnerstag und morgen am Freitag seine Berabredung mit „Fräulein Foxtrott“ im Prinzeß=Café. Erich Heinze hatte in der Stadt Besorgungen ge¬ macht und saß jetzt mit finsterer Miene in einem leeren Abteil eines Vorortzuges, der ihn heimwärts führen sollte. Er grübelte und sann ....Der Takt der rollenden Räder raunte ihm immer wieder zu: „Finde das Datum, finde das Datum, finde das Datum!“ Mein Gott, was schrieb man eigentlich heute für ein Datum? War der 11. oder 12. Februar? Der junge Kauf¬ mann zog seinen Taschenkalender heraus und blätterte den Monat auf. Sapperlott der Februar hatte ja diesmal 29 Tage, man schrieb ein Schaltjahr! Erich starrte die 29 plötzlich wie von ihr hypnotisiert an. Mit einemmale riß er sein Notizblatt her¬ aus und las schnell noch einmal den nieder¬ geschriebenen Wortlaut des ihm von „Fräu¬ lein Foxtrott“ aufgegebenen Rätsels durch. Erich multiplizierte und dividierte darauf los, mit zwei, mit drei?.. . Donnerwetter, 29 mal 3 gleich 87. Die Probe darauf 87 geteilt durch 3 gleich 29—7 die hintere Ziffer vermehrt um 1 gibt 8 durch 7 und 1 gleich 87, ich hab's! Ich hab's, der 29. Februar, der Schalttag, ist der Tag, an dem mich meine Paula erhören wird. Tri¬ umph! Sieg! Hurra — Bomben und Gra¬ naten!... Fräulein Foxtrott fiel vor Ueber¬ raschung aus den Wolken. Erich Heinze hatte das Rätsel gelöt und sie wurde ihm nicht bloß Lehrerin für diefen Modetanz, sondern reichte ihm ein Jahr später die Hand zum Bunde fürs Leben als Frau Heinze.

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