Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

umschlangen seine Arme ihren Hals und sie an sich pressend, sagte er hastig: „Ob ich dich, die Tochter eines Waldensers, als Gattin heimführen kann? Zweifelst du noch daran? Wer wird mich daran hindern? Ich kenne niemand in der Welt, als dich will niemand kennen! Höre es: Ich liebe dich und keine Macht auf Erden oll mich dir entfremden. Du wirst mein Weib — ich will es!“ Die Worte kamen in kurzen Sätzen von seinen Lippen in höchster Erre¬ gung. Katharina entwand sich seinen Armen, schüttelte traurig das Köpf¬ chen und meinte: „Bedenke, was Du sprichst, Os¬ — 71 wald! Du wärst ein Ausgestoßener Er schrie „Ich will nichts hören.“ es fast heraus aus der gequälten Brust. „Du wirst mein Weib — ausgenommen, 77 du liebst mich nicht mehr. Nun war es auch mit der Ruhe vorbei. Jetzt war sie es, die ihm an die Brust sank und laut aufschluch¬ zend sagte: „Ob ich dich liebe? Eben deshalb warnte ich dich vor einer Verbindung mit mir! Siehst du denn nicht meine Verzweiflung, ahnst du denn nicht die Qual, die mir meine vorigen Worte verursachten? Ja, ich liebe dich! Wenn du dich stark genug fühlst, all' das Elend und den Jammer, der in Bälde folgen muß, zu ertragen — dann bin ich dein, im Leben, sowie im Tode!“ Sie hatten sich vorläufig nichts mehr zu sagen — auch Schweigen ist in vielen Augenblicken des menschlichen Lebens eine beredte Sprache. Endlich fanden sie wieder Worte. Ihre verschlungenen Arme lösten sich langsam und sie schritten Arm in Arm weiter. Katharina erzählte nun ihrem Ge¬ liebten ihre Wahrnehmungen in der letzten Zeit und verhehlte ihm auch nicht ihre Besorgnisse für die Zukunft. Das Liebespaar besprach nun mit Ruhe, was es für die nächste Zeit zu 45 tun haben werde und einigte sich da¬ hin, daß des Priesters Segen eine Not¬ wendigkeit sei — als Ehepaar konnte elbst eine Verfolgung der Waldenser ihnen nichts anhaben. So langten sie bei den ersten Häu¬ sern in Garsten an und Oswald nahm Abschied von seinem Lieb. „Treu im Leid und in der Freud,“ agte er ihr, sie herzlich küssend. „Hof¬ fen wir, daß du zu schwarz gesehen. Ich spreche noch heute mit meinen El¬ tern.“ Gebe Gott, daß sie deine Worte mit Wohlwollen aufnehmen,“ erwiderte das Mädchen mit einem leisen Seuf¬ zer, nickte Oswald herzlich zu und eilte hastig die Häuserreihe entlang in den Ort hinein, während Oswald lang¬ sam den Weg nach Steyr zurückschritt. „Gott sei Dank,“ murmelte er ein um das anderemal, „Käthchen ist keine Waldenserin, keine Ketzerin — sie hat es mir geschworen — das ist mein Trost und das kann noch alles zu einem guten Ende führen.“ IV. Aus dem Kloster zu Garsten*) trat am heiligen Dreikönigstage 1397 gegen 9 Uhr morgens ein Cölestinermönch, des¬ sen Habit seltsam genug von dem schwar¬ zen Talar des ihn begleitenden Bene¬ diktiners abstach. Dieser Mönch war eine große, ehrfurchtgebietende Erschei¬ nung, wozu der schneeweiße Bart und sein ruhiges, aber doch majestätisches Auftreten nicht wenig beitrug. Trotz des milden Zuges um die blas¬ sen Lippen, zeugte sein Antlitz von Tatkraft, festem Wollen und zäher Ausdauer und aus seinen sonst mild chimmernden Augen blitzte feste Ent¬ schlossenheit. Die Füße, an denen sonst Sandalen das Schuhwerk ersetzten, staken in Pelz¬ tiefeln, deren Schnitt und Aussehen kei¬ *) Gestiftet von Markgraf Ottokar V. von Sterr im Jahre 1082, aufgelöst von Kaiser Josef II. im Jahre 1787, 1. Mai.

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