Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

46 nen Bettelmönch verrieten, und wenn der kalte Nordwind den Mantel auf der Schulter des Mönches etwas hob, so funkelte unter demselben ein gül¬ den Kettlein hervor, dessen Wert und feine Arbeit nicht gering waren und wie sie Fürsten in der damaligen Zeit gern als Ehrengeschenke gaben. Der Benediktinermönch ging beschei¬ den zur Linken des Greises, dessen Rang 80 Auf mußte also nicht gering sein. einige Schritte Entfernung folgte ihnen ein Bauersmann mit etwas Handge päck. Die drei schritten der Enns zu und langten endlich bei einem Häus¬ chen knapp am Ufer an, vor welchem ein Kahn verankert war. Noch war der Fluß schiffbar und augenscheinlich wählte der Mönch die Flußfahrt nach irgend einem Ziele, was jedenfalls bequemer war, denn mit der Straße stand es damals herzlich schlecht und die holperigen Wege verträgt nicht jeder. Als die Priester bei der Hütte, denn mehr konnte man das wackelige Ding nicht nennen, anlangten, vernahmen sie heftige Stimmen, es war, als ob man sich zanke. „Schweig, elender Hund,“ schrie eben eine rauhe Stimme, „ich habe dir be¬ fohlen, mich nach Steyr zu führen, und du hast zu gehorchen!“ „Und ich sage euch nochmals, edler Herr,“ ertönte eine mildere, wenn auch nicht sehr demütige Stimme, „daß ich von dem hochwürdigen Herrn Abt von Garsten, dessen Leibeigener ich bin, den Auftrag habe, einen Mönch nach Steyr zu führen und hier seine Ankunft zu erwarten. Ihr mögt euch mit dem ins Einvernehmen setzen, dann fahr' ich wohl beide. „Sehr gnädig von dir,“ höhnte der erstere und fuhr dann wütend fort: „Und das wagst du Himmelhund mir, einem Ritter, zu sagen? Du bist hier als Fuhrmann angestellt für jedermann, auf der Stelle fährst du mich, oder „Oder?“ frug plötzlich eine Stimme. Der Mönch war um die Ecke der Hütte zu den streitenden Parteien getreten und sah dem Ritter nicht eben freundlich ins Gesicht. Der Fuhrmann — denn dieser und ein Mann in ritterlicher Kleidung, mit einem Dolch und Schwert bewaffnet, — zog ehrerbietig hatten diesen Auftritt seine Pelzmütze und wollte dem Priester die Hand küssen. Dieser wehrte dies leicht mit einer vornehmen Handbewegung ab und wie¬ derholte, zu dem Adeligen gewendet: „Nun, Herr Ritter, oder? Ihr seid — 77 plötzlich ganz stumm geworden „Ich bin den Pfaffen gegenüber ge¬ wöhnlich stumm,“ gab der Ritter grob zur Antwort und trat einige Schritte zurück, wobei er aber den Mönch scharf musterte. „Glaubt nur ja nicht, daß ich auch ein Gänglband brauche. Uebrigens, was kümmert's euch, die¬ ses „oder?“ Habt ihr ein Recht, dar¬ nach zu fragen?“ „Gewiß, denn jedermann hat die Verpflichtung, eine Gewalttat zu verhin¬ dern, und eine solche wolltet ihr ja doch hier vollführen. Gemach, Herr Ritter, fährt nur nicht gleich in die Höhe! Ich meine es gewiß nur gut —“ „Ich dank euch nicht für eure Wohl¬ meinung,“ sagte der Ritter barsch. „Ich frag euch nur, was habt ihr hier zu schaffen? Seid wohl der Hochwürdige, für den das Fahrzeug hier bestellt ist?“ „Ihr habt's erraten, edler Herr, gab der Mönch zur Antwort und als ihm der Benediktiner jetzt etwas ins „Ge¬ sagte, fügte er hinzu: Ohr lüstet's euch mit mir zu fahren, wohl¬ an, wir haben beide im Schifflein Platz“ und er machte eine einladende Hand¬ bewegung zum Besteigen des Kahnes. Der Edelmann sah den Mönch über¬ rascht an; das mochte er wohl nicht er¬ wartet haben und er blieb unschlüssig tehen.

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