Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

22 fabrikant Josef Werndl am 14. Mai nach Nordamerika abgereist, um dort neue Absatzwege aufzufinden. Am 22. Mai wurde in der hiesigen Stadtpfarrkirche der von dem hiesigen Oekonomen und vormaligen Braumeister Michael Haratzmüller ge¬ spendete und von dem Bildhauer West¬ reicher in Linz verfertigte linke Sei¬ tenaltar (Speisaltar) im gotischen Stile aufgestellt, welcher 1150 fl. kostet und in dessen Hauptnische wieder die alte wundertätige Marien=Statue aus Stein eingesetzt wurde. Im August gelangte der Pierer¬ sche Strafprozeßakt vom k. k. obersten Gerichtshof herab: die Straf¬ urteile sind bestätigt, der Buch¬ drucker Haas auch der Teilnahme an der Aufwiegelung schuldig erkannt, Ad¬ vokat Pierer noch zu einer Geldstrafe von 100 fl. verurteilt und überdies auch in Disziplinaruntersuchung gezogen. und Staatsanwalt Gemeinderat Schwarz wurde nach Wiener=Neustadt ämtlich übersetzt. Die Demission der ausgetretenen sieben Gemeinderäte wurde vom hohen Ministerium angenommen und wer¬ den daher nun 10 Gemeinderatswahlen ausgeschrieben, welche auch am Monats¬ schlusse stattfanden, aber wieder lauter Opponenten gegen die Bürgermeister¬ und Sekretärsherrschaft lieferten. Zum Vize=Bürgermeister wurde der Advokat Dr. Jakob Kompaß, Haus¬ besitzer Nr. 161 nächst der Stadtpfarr¬ kirche gewählt, welcher auch vor eini¬ gen Monaten das zum Stadtpfarrhofe gehörig gewesene sogenannte Pfarr¬ höfel Nr. 198, Vorstadt Reichenschwall, welches wegen seiner inneren Verwahr¬ losung nur von lauter armen Par¬ teien bewohnt war und daher dem Stadtpfarrer fast gar keinen Ertrag ge¬ liefert hatte, von dem Religionsfonde angeblich um 5000 fl., aber unter lästi¬ gen Servituten erkauft hat, und selbes nun im modernen Stile umstalten und auch dabei einen Garten errichten läßt, und welcher sich auch durch seine schon jahrelangen, unablässigen Bemühungen wegen Zustandebringung einer Eisenbahn von Bruck a. d. Mur über Eisenerz, Steyr, zur Verbindung mit der West¬ bahn um die Stadt viele Verdienste erworben hat. Da auch der gegenwärtige Besitzer des ehemaligen Kapuziner=Klo¬ sters, Baumeister Anton Pichler schon im vorigen Jahre ein neues Oeko¬ nomiegebäude und eine Brücke über den Hundsgraben errich¬ tet und den Garten parkartig umge¬ staltet hat, so ist doch die Stadt auf dieser Seite schon ziemlich verschönert, und nur der Stadtpfarr=Meierhof, der sich noch ganz verwahrlost in dem Zu¬ stande von 1679 befindet, und sich da¬ her auch gar nicht rentiert, macht da¬ von noch eine traurige Ausnahme. Am 3. Oktober erfolgte die feierliche Eröffnung der hiesigen selbständigen, also von dem bischöflichen Konsistorium un¬ abhängigen, Unterrealschule mit drei Klassen, anstatt der bisher be¬ standenen zweiklassigen mit der Haupt¬ schule vereinigt gewesenen Realschule. Die neue Schule ist eine Staats¬ anstalt, der Direktor, fünf Lehrer und der Katechet werden aus dem Studienfonde besoldet, wozu die Stadt¬ kommune bloß einen jährlichen Beitrag von 500 fl. zu leisten hat; allein die Beistellung der Lokalität, die Bezah¬ lung des Schuldieners, die Anschaffung und Erhaltung der Lehrmittel und Einrichtung, die Reinigung, Beheizung und Beleuchtung liegen der Stadtge¬ meinde ob, welche auch zur Unterbrin¬ gung der Realschule, der Hauptschule, der Turnschule, das ganze dem Studien¬ fonde gehörige Erjesuitengebäude auf 10 Jahre um jährliche 600 fl. samt Tragung aller Steuern und Reparaturen gepachtet hat. Dieses Gebäude gewährte außerdem noch Raum für die zwei Di¬ rektorenwohnungen und den Gesellenver¬ ein und nimmt die Gemeinde für diese und die Hauptschul=Lokalitäten ein jähr¬

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