Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

lasse,“ sagte er. „Aribo wird dafür sorgen, daß du dich stärkst für den Rückmarsch. Und mit leichtem Nicken des Kopfes, wie es seine Art war, Untergebene zu grüßen, schritt Herr Gerung den Schlo߬ berg hinab und lenkte seine Schritte nach dem Stadtplatze, wo er in den Gasthof „Zum Drachentöter Sankt Georg“*) eintrat. Im Stock des Hauses saßen in einem für den Adel stets bereitgehaltenen Zimmer mehrere Herren beim Humpen, unter ihnen Gundacher von Steyr, Re¬ gilon von Haginberg, der Landesmar¬ schall Herwick der Böhme, der Burggraf zu Steyr und andere mehr, die Herrn Gerung bei seinem Eintritte lebhaft be¬ grüßten. „Woher die Botschaft?“ fragte der Burggraf, auf das Pergament wei¬ end, das Herr Gerung fest in der Hand hielt. „Aus Admont, und, es ist gerade recht, daß sie kam,“ entgegnete Herr Gerung, sich an die lange Tafel setzend. „Wir brauchen nun nicht weiters uns die Köpfe zu zerbrechen, wie man Klar¬ heit über des gnädigsten Herzogs Zu¬ tand schafft — sind pfiffiger die drü¬ ben und haben los, was zu tun ist.“ sagte Herr Gundacher, „Hoho!“ „wollen schon wieder gescheiter sein, als wir, die wir am Hofe leben. Na, legt los. Herr Gerung entfaltete bedächtig das Pergament und begann zu lesen. „So, sagte er, nachdem er geendet hatte, „jetzt wißt ihr's, was Geistlich¬ keit, Adel und Ministeriale drüben ver¬ langen.“ „Ei, doch,“ meinte der Burggraf rauh, „das geängstigte Volk verlangt Klarheit über den Zustand seines Herr¬ schers, der untersucht werden und ihnen — drüber berichtet werden soll sehr zartsinnig sind die Herren drüben nicht, das mein ich wohl. *) In der Enge, wo heute das Gasthaus „Jur Gans“ sich befindet. 25 „Ist so,“ stimmte der Landesmar¬ schall bei, „aber haben doch im Grund nicht so unrecht, denn ich habe selber jüngst verschiedene Schaudermär' gehört, was unser gnädigster Herr alles an Krankheiten haben soll, und schleichend Gift, so ihm gegeben worden sein soll, fehlt nicht dabei. Sie halten drüben den Zustand des Herzogs wahrhaft ernst, und ich sag's offen, die drüben sind nicht im Unrecht; besser die traurigste Gewißheit, als nicht verstehen, um was es sich handelt!“ Die Herren nickten dem Landmar¬ chall Beifall zu, auch der Burggraf, und nach vielem Gerede wurde sich da¬ hin geeinigt, den Herzog zu vermögen, sich von den beiden Aerzten eingehend untersuchen zu lassen. Das Ergebnis war ja gerade jetzt sehr wichtig, wo der Herzog sich zu verheiraten gedachte und Bestimmungen über die Erbfolge, über den Witwensitz u. dgl. mehr getroffen werden mußten. „Wer soll aber unsern Herrn dazu bewegen?“ fragte endlich Herr Gerung, der übrigens der Ansicht der Versam¬ melten war. „Na, ihr, wer sonst?“ meinte Herr Regilon von Haginberg. „Ihr seid doch fast stündlich um ihn „Danke für den Auftrag,“ sagte Herr Gerung abwehrend, „hab' nicht lauter Schmeicheleien einzustecken gehabt, als ich in eurem Auftrage den Herrn Herzog bewog, den alten Abraham als Arzt beizuziehen, fehlt mir daher ganz und gar die Lust, meine Ueberredungs¬ kunst neuerlich zu erproben.“ Diese Ablehnung von Seite Herrn Gerungs entfesselte abermals einen gan¬ zen Redestrom, und alle suchten den Kämmerling zu überreden, aufden Herzog im Sinne ihres jetzigen Be¬ schlusses einzuwirken. Herr Gerung aber blieb fest und schlug vor, die Sache dem Herzog Heinrich vorzutragen, der ja ohnehin eingeweiht werden müsse. Der wäre der geeignetste Mann, seinen Neffen zu vermögen, sich endlich Klar¬

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