Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

24 walte ich einmal hier als euer Ehe¬ gemahl, soll Herzog Ottokars Gast¬ freundschaft an den Höfen der Fürsten ebenfo gepriesen werden, wie in allen Gauen eurer — dann unserer — Lande. Ihr stimmt wohl meinen Plänen füm die Zukunft bei, lieber Ottokar?“ „Ihr malt mir das Leben an eurer Seite zu schön aus, entgegnete Her¬ zog Ottokar und unterdrückte einen leich¬ ten Seufzer, sah dann seine Braut liebe¬ voll an, und ihr die Hand küssend setzte er hinzu „Dem Manne, dem der Himmel wohl will, gibt er ein Weib, wie ihr es seid, Agnes, und ich bin glücklich, euch dem Hofe zu Steyr erworben zu haben!“ X. Des andern Vormittags stand der alte Aribo beim Schloßtore und sal auf die Stadt hinab, über welcher sich der feuchte, kalte Morgennebel eben hob, ein Weilchen über den Dächern schwebte und sich dann rasch verflüch¬ tigte. Den Schloßberg hinauf stieg zur sel¬ ben Zeit ein fest in einen Schafspelz eingehüllter Mann. „He, Freund Aribo, guten Morgen,“ rief er dem Torwart zu, als er dem¬ selben nahe genug war, um von ihm gehört werden zu können, „alles wohl¬ auf bei euch?“ „Ei, das ist ja der Kuno,“ brummte der alte Aribo, den Mann erkennend, „was führt euch denn schon wieder nach Steyr? Habt ihr abermals eine schlechte Kunde anher zu vermitteln?“ „Weiß es nicht,“ sagte Kuno und schüttelte dem Torwart die Hand. „Hab da ein Schreiben, das mir der hoch¬ würdige Herr Abt von Admont an den edlen Herrn Gerung zu besorgen über¬ gab ist wohl daheim, der Herr Kämmerling? „Will's meinen, daß er daheim ist,“ meinte der alte Aribo. „Fliegen nicht so in der Welt herum, die von Steyr, als jene von Admont! Wollt natür¬ lich gleich vor, bei Herrn Gerung, he?“ Kuno nickte. „Wollt ihr mir raten, wie ich mich schnellstens meines Auftrages entledige, denn ich bin verdammt hungrig und hab mein Pferd nur eingestellt einst¬ weilen in der Stadt — bedarf der Pflege das arme Vieh.“ „Kannst dich gleich trollen, so du das Schreiben hergibst,“ ertönte da die Stimme Herrn Gerungs, der unbemerkt von den Beiden eben aus der Torein¬ fahrt heraustrat, „hast wohl keine mündliche Botschaft dazu? „Nein, edler Herr,“ entgegnete Kuno, dem das sehr gelegen kam, daß er Herrn Gerung so unvermutet gleich bei seiner Ankunft traf, kramte in seinem Pelz herum und zog ein rechteckig zu¬ sammengelegtes und versiegeltes Per¬ gament hervor. „Hier ist, was ich euch zu übergeben hab', nebst vielen Grüßen so ich euch hiezu vermelden soll!“ Herr Gerung nickte und während der alte Aribo und Kuno etwas abseits tra¬ ten, erbrach er bedächtig und sorgsam das Siegel und begann nach Entfaltung des Schriftstückes zu lesen. Es waren nur wenige Zeilen, die auf das Per¬ gament fein säuberlich hingemalt waren denn zu jener Zeit war das Brief¬ schreiben nicht im Schwung und schrift¬ liche Mitteilungen beschränkten sich auf das Allernotwendigste. Mehr als das stand auch nicht auf dem Pergament, aber der Inhalt der Zeilen war doch so wichtig, daß Herrn Gerungs Miene beim Lesen immer ernster wurde. Er las das Schreiben mehrere Male, schob die Pelmütze auf dem Haupte nach rück= und vorwärts und mur¬ melte: „Sankt Georg, das ist schlimm, daß die in der Steiermark auch schon soviel wissen, und Unrecht haben sie nicht — das Schreiben kommt mir eben sehr gelegen!" Dann wandte er sich an Kuno: „Du bleibst, bis ich dir Antwort zukommen

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